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DER OFFENBARUNGSEID

Die Nachhaltigkeitsberichtserstattung von Unternehmen wird stark ausgeweitet

Was bringt die neue Corporate Sustainability Reporting Directive der EU?

Säumige werden bestraft: von Kunden, Lieferanten und Investoren

BRIEFING HEDI SCHNEID

Bis zum letzten Platz gefüllt war heuer der Branchentreff Sustainability Summit in Wien. Kein Wunder, drehte sich die Veranstaltung doch um die Themen Taxonomie und CSRD-Reporting, die im Zuge der Umsetzung des Green Deals der EU auf europäische Unternehmen zukommen. Und zwar auf so gut wie alle: Die Anfang Jänner in Kraft getretene Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die schrittweise 2024 und 2025 umgesetzt werden muss, weitet den Kreis der Firmen, die betreffend Nachhaltigkeitsberichterstattung in der Pflicht sind, stark aus. Betroffen sind alle börsennotierten und die nichtgelisteten Firmen, wenn sie zwei der drei Kriterien – mehr als 20 Millionen Euro Bilanzsumme, über 40 Millionen Umsatz, über 250 Beschäftigte - erfüllen. Das dürften rund 15.000 allein in Deutschland sein, rund 2.000 Unternehmen in Österreich und in der gesamten EU in etwa 50.000 Unternehmen, schätzt die KPMG.

Die EU-Taxonomie-Verordnung wird Bestandteil der Berichtspflichten. Und die haben sich gewaschen, geht es der EU doch darum, Greenwashing schon im Ansatz zu verhindern. Noch sind die Details nicht ausgearbeitet – auch in der Taxonomie sind erst zwei von sechs Punkten ausformuliert. Fest steht, dass die neue CSR-Richtlinie einer doppelten Perspektive folgt, wie die KMPG Austria erläutert: Unternehmen müssen die Wirkung von Nachhaltigkeitsaspekten auf ihre wirtschaftliche Lage ebenso festhalten wie die Folgen ihrer Tätigkeit auf Nachhaltigkeitsaspekte. Dabei spielen eben nicht nur die Strategie auf dem Weg zu null CO2 und entsprechende Investitionen eine Rolle. Es geht auch um nichtfinanzielle Faktoren wie die Rolle und Pflichten des Managements und der Aufsichtsorgane, um Arbeitsbedingungen, Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit und Unternehmenskultur bis zum Risikomanagement und Kontrollsystemen. Überdies – und das ist ebenfalls neu – muss der Nachhaltigkeitsbericht einer unabhängigen Prüfung unterzogen werden und auch im Lagebericht veröffentlicht werden. Sündern und Säumigen drohen Strafen. „Der Prüfer kann das Testat einschränken, das tut weh“, sagt Georg Rögl, Senior Manager und Leiter der Climate Change and Sustainability Services bei EY Österreich, zum Börsianer Grün. Was ihm ebenso wichtig erscheint: „Kunden, Lieferanten und Investoren werden sich genau überlegen, ob sie mit einem Ignoranten noch Geschäfte machen.“

Wichtig sind solche Daten freilich aus Investorensicht, um Greenwashing zu vermeiden. „Wir definieren für die Eigenveranlagung nachvollziehbare Ausschlusskriterien. Bei der Analyse arbeiten mit wir einer unabhängigen ESG-Rating-Agentur“, erklärt Elisabeth Stadler, CEO der Vienna Insurance Group AG.

Rettung oder Monster?

Keine Frage: Wie so vieles beim Green Deal ist auch die neue Richtlinie, die dazugehörenden European Sustainability Reporting Standards (ESRS), die Taxonomie sowie die Corporate Sustainability Due Dilligence Directive (CSDDD) umstritten. Was für die EU, den Weltklimarat und Klimaaktivisten ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Rettung des Planeten ist, bezeichnen Kritiker als Bürokratiemonster. Daniela Heilinger, Partnerin bei BDO Austria, ortet zumindest eine „große Herausforderung“ für die Unternehmen. Die Creditreform sieht vor allem auf kleinere und mittlere Firmen große Probleme zukommen. Die deutsche Stiftung Familienunternehmen und Politik bringt es auf den Punkt: „Mit der

CSRD drohen Familienunternehmen weitere kostenintensive Bürokratielasten, denen kein adäquater Mehrwert gegenübersteht. Neue Berichterstattungspflichten bringen keinerlei Mehr an Nachhaltigkeit und wirken der Wettbewerbsfähigkeit entgegen.“

In dieselbe Kerbe stößt der steirische Leiterplattenspezialist AT&S AG: „Wir nehmen unsere Verantwortung im Bereich Klimaschutz sehr ernst“, sagt CEO Andreas Gerstenmayer. In vielen Bereichen sehe man bei der Umsetzung der Richtlinien aber unnötige, realitätsferne Überregulierungen, die außerdem noch die Gefahr bergen, das eigentliche Ziel zu verfehlen. Die Politik biete hier auch keine Unterstützung. Wünschenswert wäre es, wenn die Politik der Wirtschaft besser zuhören würde, wenn diese Bedenken äußere. Jakob Zeilinger, Bereichsleiter für Managementsysteme/ ESG bei der Austria Metall AG, ist ebenfalls skeptisch: „Wie weit der bürokratische Aufwand tatsächlich den Weg zu mehr Nachhaltigkeit sowie zur Dekarbonisierung unterstützt, bleibt fraglich.“

Skurrile Blüten

Welch skurrile Blüten die Brüsseler Bürokratie hervorbringt, weiß Walter Oblin, Finanzvorstand der Österreichischen Post AG. Bei E-Fahrzeugen hän-

#STANDARD

DIE CSRD-RICHTLINIE ge es von den Reifen ab, ob sie taxonomiekonform sind, nämlich vom Rollgeräusch und von der Energieeffizienz. Weil man hierzulande im Winter trotz des Klimawandels noch mit Schnee rechnen müsse, sei die gesamte Zustellflotte mit Ganzjahresreifen ausgestattet. „Das Rollgeräusch liegt über den Grenzwerten der EU-Taxonomie, weshalb unserer 3.000 E-Autos, mit denen wir Vorreiter bei der CO2-freien Zustellung sind, nicht taxonomiekonform sind“, sagt Oblin. Apropos Taxonomie, die ja als Klassifizierungsinstrument für grüne Investitionen dienen soll: Clemens Fuest, der Präsident des deutschen Ifo-Instituts, bezeichnete die Taxono- mie schon im Vorjahr gleich nach dem EU-Beschluss als „Planwirtschaft“. Sie sei nicht mit anderen klimapolitischen Instrumenten abgestimmt.

Mit der im November 2022 beschlossenen neuen CSRD-Richtlinie werden detailliertere Berichtspflichten eingeführt. Große Unternehmen und börsennotierte KMUs müssen über Nachhaltigkeitsaspekte wie Umweltrechte, soziale Rechte, Menschenrechte und Governance-Faktoren Bericht erstatten. Betroffen sind ab dem Berichtsjahr 2025 Unternehmen, die zwei der drei Kriterien erfüllen: 250 Beschäftigte, eine Bilanzsumme von mehr als 20 Millionen Euro oder ein Umsatz von mehr als 40 Millionen Euro.

„Ich verstehe den Aufschrei, er ist durchaus berechtigt, denn allein die CSRD umfasst hunderte Seiten“, sagt Experte Rögl. Im Vergleich zu den USA gehe Brüssel strenger und bürokratischer vor, meinen Rögl und Zeilinger gleichermaßen. Gelangen europäische Unternehmen dadurch noch mehr ins Hintertreffen? „Was auf den ersten Blick als Wettbewerbsnachteil gewertet werden könnte, wird jedoch langfristig ein Vorteil für Europa sein“, ist Rögl überzeugt. Denn „die Natur zwingt uns zum Handeln“.

Zwar dürfte auch bei der CSRD nicht alles so heiß gegessen werden wie gekocht, wie der lange umstrittene und ebenso heftig kritisierte Kompromiss beim Verbrenner-Aus gezeigt hat. Faktum ist, dass sich Unternehmen jeglicher Größe besser früher als später mit dem Thema auseinandersetzen sollten. „Wer das nicht tut, wird bald ins Schleudern kommen“, so Rögl. Österreichs Firmen haben jedenfalls noch viel Nachholbedarf, wie die neueste EY-Analyse zeigt: Nur 46 Prozent der 100 umsatzstärksten Unternehmen sowie der jeweils fünf größten Banken und Versicherungen

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