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KLEBEN FÜR DAS KLIMA

Die einen nervt es gewaltig, die anderen sehen es als notwendiges Übel, um das Klima zu retten. Ein Pro und Kontra aus der Börsianer Grün­Redaktion.

VITA INGRID KRAWARIK STV. CHEFREDAKTEURIN „BÖRSIANER“

Kontra Pro

Veränderungen schmerzen meistens. Die Geschichte zeigt, dass sie oftmals von einer kleinen Gruppe angestoßen werden. Nerven engagierte junge Menschen, wenn sie Straßen blockieren und Staus produzieren? Freilich! Sind sie deswegen Terroristen? Schwachsinn! Sie wollen nicht den Staat gefährden, sondern sie wollen Öffentlichkeit erzeugen und Aufmerksamkeit für ihr Anliegen schaffen, das unser aller Anliegen sein muss. Objektiv betrachtet, haben die Klimaprotestierer die Fakten auf ihrer Seite. Die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu beschränken ist das erklärte Ziel, um die Auswirkungen auf Gesellschaft und Wohlstand zu begrenzen. Der Weltklimarat zeichnet beim derzeitigen Kurs der Klimamaßnahmen ein düsteres Bild. Die Transformation ist im Laufen, auch diese Bemühungen sind nicht in Abrede zu stellen. Doch wir müssen das Tempo drastisch erhöhen. Wir, das sind die Industrieländer, die einen Großteil unseres Wohlstands auf CO2 bauten. Wir tragen damit eine globale Verantwortung, das ist es, was uns diese vermeintlich nervigen Protestierenden sagen. Die Politik zaudert, weil sie Angst hat, jene, die Veränderung fürchten, ließen sie bei der nächsten Wahl fallen. Proteste erinnern auch sie, dass wir handeln müssen. Und was werden die von den Protesten Genervten tun? Werden sie aus Trotz Ehrenrunden in ihren SUVs drehen oder andere klimaschädliche Aktionen setzen? Wir alle tragen Verantwortung, um den Kreuzer, der unser Planet ist, auf Kurs zu bringen. Darum finde ich politisches Engagement junger Menschen bereichernd für die Sache und unsere Demokratie. n

Ich bin immer dafür, eine Gesellschaft zu einen und nicht zu spalten. Der Klimawandel oder, besser gesagt, die Klimakatastrophe spaltet derzeit. Wenn Aktivisten älteren Generationen vorwerfen, dass sie schuld an Erderwärmung, Gletscherschmelze und extremen Wetterkapriolen seien, weil die vergangenen Jahrzehnte nichts in Sachen Klima- und Umweltschutz passiert ist, dann ist das einfach nicht richtig. Es ist sogar sehr viel für eine bessere Umwelt passiert, da kann ich bis in die 1970er-Jahre zurückgehen. Vor allem in den letzten Jahren ist enorm viel Kapital für die Transformation von klimaschädlichen Unternehmen freigegeben worden. Der Veränderung der Geschäftsmodelle müssen wir jetzt aber Zeit geben. Die Muss-von-heut-auf-morgen-passieren-Ideologie ist gestrig. Und nein, es ist nie zu spät. Ja, Aufrütteln ist wichtig und darf auch unbequem sein, aber nicht in einer Tour vor den Kopf stoßend. Fridays for Future hat das geschafft, Aktionen wie Kleben fürs Klima, Kunstwerke mit Farbe zu beschütten oder Erdöl auf Fassaden von Unternehmen zu gießen halte ich für den falschen Weg. Wer ständig predigt, dass wir das 1,5-Grad-Ziel nicht erreichen und die Katastrophe nicht mehr aufzuhalten ist, wird keine Mehrheiten in sein Boot holen. Ewiges Lamentieren zieht runter. Wie drehen wir das Mindset der Menschen ins Positive, wie schaffen wir mehr Verständnis und Mehrheiten? Indem wir über Erfolge und Fortschritte der Transformation berichten, der Bevölkerung positive Anreize geben und den Menschen vor allem Ängste nehmen. Wir schaffen das. n

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