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GRÜNE ZENTRALBANKEN, ABER NICHT IN DER SCHWEIZ
Hartnäckig. Die KlimaAllianz Schweiz beim Protest gegen die Rettung der Credit Suisse durch die Schweizerische Nationalbank.
So leicht lassen wir uns nicht abwimmeln“, sagt Astrid Roesle und zeigt verärgert den Brief, den sie Ende Jänner 2023 vom Bankrat der Schweizerischen Nationalbank (SNB) erhalten hatte. „Die beantragten Traktanden und Beschlussanträge fallen nicht in den Kompetenzbereich der Generalversammlung und können daher nicht zugelassen werden“, heißt es in dem von der Bankratspräsidentin und langjährigen Schweizer Politikerin Barbara Janom Steiner gezeichneten Schreiben.
Astrid Roesle ist Vertreterin der Schweizer Klima-Allianz, unter deren Dach sich 170 zivilgesellschaftliche Akteure zur SNB-Koalition zusammengefunden haben. Die Aktivisten haben immerhin 720.000 Franken mobilisiert, um sich mit dem Kauf von 150 Aktien ein Mitspracherecht in der börsennotierten Schweizerischen Nationalbank zu sichern. Das Scheitern des ersten Interventionsversuches hat allerdings auch in der SNB-Koalition kaum jemanden überrascht.
Minimaler Gestaltungsspielraum
Die Schweizer Notenbank ist eine spezialgesetzliche Aktiengesellschaft, in der die Stimmrechte der privaten Aktionäre auf maximal 100 Stimmen oder 0,1 Prozent beschränkt sind. Das alleinige Sagen in der Generalversammlung haben die 26 Kantone (Bundesländer), die der SNB vor fast 120 Jahren das Geldmonopol übertrugen und sich dafür die Kontrolle über die Generalversammlung geben ließen. Deren Befugnisse sind allerdings so stark eingeschränkt, dass auch
BRIEFING
DANIEL ZULAUF
den Kantonen nur ein minimaler Gestaltungsspielraum bleibt.
Die Anträge der SNB-Koalition gingen weit darüber hinaus. Sie beinhalteten die Forderung nach einem konkreten Umsetzungsplan, unter dem das Schweizer Währungsinstitut seine immensen Devisenlagen in der Höhe von etwa 800 Milliarden Franken hätte umschichten sollen, um das Portfolio mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens in Einklang zu bringen. Zudem hätte sich die Nationalbank verpflichten müssen aufzeigen, wie sie proaktiv und effektiv zur Begrenzung der Klimaerwärmung seit Beginn des Industriezeitalters auf 1,5 Grad beitrage werde.
Die Forderungen seien unzulässig, weil sie auf „Veränderungen der Geldund Währungspolitik“ abzielten und der Nationalbank „neue Aufgaben auferlegen oder durch neue Gremien ihre Organisation verändern“ wollten, heißt es in dem erwähnten Brief des Bankrats. Tatsächlich gewährt das Nationalbankgesetz dem Direktorium des Schweizer Noteninstituts ein sehr hohes Maß an autonomer Entscheidungskompetenz. Und diese greift, wenn Geld- und währungspolitische Bereiche auch nur an äußersten Rändern betroffen sind.
Kratzen an der Marktneutralität Dessen ungeachtet verspricht Roesle: „Wir werden unsere Anliegen auf der Aktionärsversammlung der Nationalbank trotzdem vertreten und als Aktionärinnen und Aktionäre von unserem Rederecht Gebrauch machen.“ Nicht erst seit diesem Frühjahr kratzen Umweltpolitiker und Klimaschützerinnen an der Doktrin, nach der die Schweizer Notenbank ihre Devisenreserven strikt „marktneutral“ anlegt.
Alle drei Monate fällt ein grelles Licht auf die Nationalbank. Dann nämlich, wenn der Kontrast zwischen Marktneutralität und klimafreundlicher Anlagepolitik im amerikanischen Aktienportfolio dank börsenrechtlicher Publikationspflichten für alle sichtbar wird. Per Ende 2022 hielt das Schweizer Noteninstitut Aktien der amerikanischen Erdölmultis Exxon, Chevron und Conoco Phillips im Gesamtwert von knapp vier Milliarden US-Dollar, was einem Anteil von 2,8 Prozent des Gesamtbestands amerikanischer Aktien der SNB entsprach.
Die Nationalbank begründet ihre Investitionen in CO2-intensive Unternehmen und Branchen mit ihrem Ansatz der Marktneutralität. Die Notenbank hält rund 20 Prozent ihrer Devisenreserven in Aktien. Sie will jederzeit in der Lage sein, große Volumina umzuschichten, ohne die Preise zu beeinflussen, und verfolgt deshalb durch die Nachbildung wichtiger Indizes eine strikt passive Anlagepolitik. Als Folge dieses Verzichts auf jede Art von aktiver Titelselektion finden auch viele Aktien Eingang in das Nationalbank-Portfolio, die auf den schwarzen Listen der internationalen Klimabewegung figurieren.
Eine aktivere Bewirtschaftung des Aktienportfolios käme gemäß der Nationalbank auch einer Form von Strukturpolitik gleich, was aus ordnungspolitischen Gründen nicht wünschbar wäre und Interessenkonflikten Vorschub leisten könnte. Zur Vermeidung von Interessenkonflikten verzichtet die Nati- onalbank allerdings auf das Halten von Aktien systemrelevanter Banken sowie mittel- und großkapitalisierter Banken von Industrieländern. Auch Beteiligungen an Schweizer Unternehmen hält das Noteninstitut aus diesem Grund nicht.
80 Prozent im Anleihenportfolio
In der Bewirtschaftung des Anleihenportfolios, das rund 80 Prozent der Währungsreserven ausmacht, dominieren Staatspapiere mit erstklassiger Bonität. Der größte Teil des Portfolios entfällt auf Staatspapiere. Das Portfolio baut auf einer Kombination großer Obligationenindizes auf, von denen die Bank teilweise abweichen kann, um höhere Renditen zu erwirtschaften. Ziele bezüglich Klimaverträglichkeit verfolgt die Notenbank auch in der Bewirtschaftung des Anleihenportfolios nicht.
Solche Ziele seien nicht vereinbar mit dem Mandat der Notenbank. Sie würden „unweigerlich zu Zielkonflikten zwischen dem Mandat der Preisstabilität und den klima- und umweltpolitischen Zielen führen“, stellte im Oktober auch die Schweizer Regierung (der Bundesrat) in einem 60-seitigen Bericht zum Thema „Die Schweizerische Nationalbank und die Nachhaltigkeitsziele der Schweiz“ unmissverständlich klar.
Was tun andere Zentralbanken?
Andere Zentralbanken interpretieren ihr Mandat deutlich offensiver als die
Schweizerische. Die Europäische Zentralbank stellte anlässlich ihrer Strategieüberprüfung von drei Jahren den Klimawandel und die ökologische Nachhaltigkeit ins Zentrum ihrer Überlegungen und entwickelte in der Folge einen Maßnahmenplan, wie diesen Themen auch in der geldpolitischen Strategie Raum verschafft werden sollte. Seit Oktober 2022 berücksichtigt die EZB bei ihren Investitionen in Unternehmensanleihen klimabezogene Finanzinformationen mit der Absicht, das rund 360-MilliardenEuro schwere Portfolio schrittweise zu dekarbonisieren. Die EZB hat sich verpflichtet, die Klimaauswirkungen der Portfoliomaßnahmen jährlich offenzulegen und die Maßnahmen auf weitere geldpolitische Portfolios auszuweiten.
Die von der EZB-Präsidentin Christine Lagarde angestoßene Politik scheint in weiten Teilen des Euroraums politisch auf Anklang zu stoßen. Jedoch werden gerade in Deutschland vereinzelt auch kritische Stimmen laut. So urteilte Clemens Fuest, Leiter des einflussreichen Münchner Instituts für Wirtschaftsforschung, in einem mit „Europäische Zentralbank auf grünen Abwegen“ überschriebenen Gastbeitrag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“: „Geldpolitische Bescheidenheit und Selbstbeschränkung setzen Anreize, die Probleme dort zu lösen, wo sie entstehen. Sie sollten die Tugenden jedes Zentralbankers sein. Eine um Popularität bemühte Geldpolitik, welche die Grenzen ihres Mandats nicht ernst nimmt, untergräbt auf Dauer ihre Unabhängigkeit.“
Auch die Bank of England hat im März 2021 ihren nachgeordneten Auftrag, die Wirtschaftspolitik der Regierung zu unterstützen, ausdrücklich mit Nachhaltigkeitsaspekten ergänzt und will nun ebenfalls unter anderem bei Anleihenkaufprogrammen Nachhaltigkeitskriterien walten lassen. Allein sind die Schweizer mit ihrer engen Mandatsauslegung freilich noch lange nicht. Auch die US-Notenbank sieht in ihrem Leistungsauftrag bislang keine Legitimation zur Umsetzung einer aktiven Klimapolitik. Diese Doktrin steht inzwischen aber überall unter kritischer Beobachtung. „Wir stehen alle in der Verantwortung für das Klima, und es kann nicht sein, dass die Notenbanken diese ganz auf die Politik abschieben“, fast die Klimaaktivistin Astrid Roesle die Motivation einer globalen Bewegung zusammen.
% MEINE GRÜNE RENDITE
Die Schweizerische Notenbank will sich in der Bewirtschaftung ihrer immensen Devisenreserven partout nicht von Klimaaktivisten reinreden lassen. Für ihre strenge Doktrin einer strikt marktneutralen Investitionspolitik gibt es ökonomisch zwar gute Gründe, aber Klimaaktivisten verschaffen sich mit ihren ökologisch motivierten Gegenargumenten zunehmend
Anlagekriterien
Die Auswahl von Unternehmen, welche die festgelegten Anforderungen hinsichtlich bestimmter ökologischer und sozialer Aspekte besonders gut erfüllen, wie etwa Leistungen im Umweltbereich und bezüglich Gleichberechtigung.
Ausschlusskriterien
Definierte Ausschlusskriterien schließen bestimmte Investments oder Investmentklassen aus. Häufig genannte Ausschlusskriterien sind Waffen, Tabak und Tierversuche.
Best in Class
Eine Anlagestrategie, nach der - basierend auf ESG-Kriterien - die besten Unternehmen innerhalb einer Branche, Kategorie oder Klasse ausgewählt oder gewichtet werden, also diejenigen, die im Branchenvergleich in ökologischer, sozialer und ethischer Sicht die höchsten Standards setzen. Bei diesem Ansatz geht es um die Auswahl oder Gewichtung der sich am besten entwickelnden Unternehmen oder Assets auf Grundlage einer ESG-Analyse innerhalb eines bestimmten Investment-Universums.
Biodiversität
Biodiversität oder auch biologische Vielfalt misst die Fülle unterschiedlichen Lebens in einem bestimmten Gebiet. Mit dieser Definition wird zum Beispiel die Vielfalt innerhalb der Arten (genetische Ebene) sowie die Vielfalt an Arten (organismische Ebene) beschrieben.
Biodiversitätskonvention
Internationales Umweltabkommen, das Ziele für den weltweiten Artenschutz wie gegen die Überfischung und einen gerechteren Rahmen für den Zugang zu genetischen Ressourcen und ausgewogenere Beteiligung aus den Vorteilen und Gewinnen setzt.
Carbon Bubble
Die Kohlenstoffblase ist eine Investitionsblase, die sich aus der Unvereinbarkeit des Zwei-Grad-Ziels mit dem Abbau und der Nutzung weiter Teile der bekannten Ressourcen an fossilen Brennstoffen wie Erdöl, Kohle und Erdgas ergibt.
Climate Action Plan
Ist der Fachjargon für den „Aktionsplan: Finanzierung nachhaltigen Wachstums“, der von der EU-Kommission am 8. März 2018 veröffentlicht wurde. Der Aktionsplan soll helfen, eine nachhaltigere und umweltverträglichere Wirtschaft zu erschaffen. Gütezeichen für nachhaltige Finanzprodukte sind dabei ein Aspekt.
CO2
Kohlenstoffdioxid kommt in der Luft vor. Ohne das Treibhausgas gäbe es keine Lebewesen auf der Erde. Die hohe Konzentration von CO2 lässt die Temperaturen jedoch durch den Treibhauseffekt ansteigen und führt so zur globalen Erwärmung.
CO2-Grenzausgleichssystem
Ist ein Entschluss des EU-Parlament vom 10. März 2021. Durch das CO2-Grenzausgleichssystem sollen bestimme Importe aus Ländern mit geringeren Klimaschutzstandards (außerhalb der EU) mit einer CO2-Abgabe versehen werden.
COP 21
Von 30. November bis 12. Dezember 2015 fand die 21. UN-Klimakonferenz, kurz Cop 21, in Paris statt. Am 4. November 2016 trat das damals beschlossene Klimaabkommen in Kraft, das die Begrenzung der globalen Erwärmung auf unter zwei Grad Celsius, möglichst unter 1,5 Grad Celsius, im Vergleich zu vorindustriellen Levels in den kommenden Jahrzehnten vorsieht.
Corporate Governance
Corporate Governance ist die Verantwortung von Vorständen hinsichtlich der sozialen und ökologischen Performance ihres Managements und der Unternehmenskultur.
Corporate Social Responsibility, CSR
Corporate Social Responsibility bedeutet gesellschaftliche Unternehmensverantwortung. Darunter wird verantwortliches unternehmeri-