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Große Klassik
Anastasia Kobekina ©Jane Petrova
Jean-Christophe Spinosi ließ sich einst von Nikolaus Harnoncourt für Alte Musik begeistern und hat mit Werken von Vivaldi bis Rossini international reüssiert. Nun entdeckt er große Werke der Klassik neu
VON WALTER WEIDRINGER
Das Spiel auf alten Instrumenten nach historischer Manier? »Das ist wie mit Biogemüse oder der Milch direkt von der Kuh, die schmeckt auch besser und hat ein stärkeres Aroma als die Haltbarmilch aus dem Supermarkt. Es ist nicht perfekt, es ist nicht normiert – aber viel interessanter!« Der augenzwinkernde Vergleich ist typisch für den Dirigenten Jean-Christophe Spinosi. Nikolaus Harnoncourts Aufnahmen haben den 1964 geborenen Korsen in seiner Jugendzeit auf den Weg gebracht: Zunächst widmete er sich dem Studium der Barockvioline, 1991 gründete er ein Streichquartett, das sich schließlich zu seinem Stammklangkörper auswuchs: zum Ensemble Matheus. Mit diesem Klangkörper hat Jean-Christophe Spinosi bei den Resonanzen 2006 sein Debüt im Wiener Konzerthaus gegeben und im Dezember 2007 mit einer konzertanten Aufführung von Händels »Alcina« reüssiert. In der Zwischenzeit hat sich eine Menge getan: Nicht nur, dass Spinosi zwischen New York und Wien, Barcelona, Paris und Seoul aufgetreten ist und mit (keineswegs nur Barock-) Opernstars wie Cecilia Bartoli und Philippe Jaroussky große Erfolge auf der Bühne erringen konnte, er hat auch als Gastdirigent mit renommierten Klangkörpern, darunter die Berliner Philharmoniker, Werke vom Barock bis in die Moderne erarbeitet und die Orchester dabei auf die historisch informierte Aufführungspraxis eingeschworen.
Mit seinen Prinzipien, seiner unbändigen musikalischen Spontaneität und Spiellaune, rennt Jean-Christophe Spinosi nun beim Wiener KammerOrchester offene Türen ein – mit einem Programm, das im beliebten Zyklus »Symphonie Classique« gleich mit der kompletten »heiligen Dreifaltigkeit« der großen Klassiker aufwartet. Feststimmung regiert da von Anfang an, bei Wolfgang Amadeus Mozarts »Haffner-Symphonie«, der 1783 für Wien entstandenen Umarbeitung einer verloren gegangenen Serenade. Diese hatte er für die Erhebung des Salzburgers Sigmund Haffner d. J. in den Adelsstand komponiert – in großer Eile, weil seine eigene Hochzeit zur gleichen Zeit anstand: »Je nu, ich muß die Nacht dazu nehmen, anderst kann es nicht gehen«. Die Notenlieferungen trafen per Post und auf Raten in Salzburg ein, am Schluss noch die Anmerkung, das erste Allegro müsse »recht feüerig gehen. – das lezte –so geschwind als es möglich ist«. Verschollen wie Mozarts Serenade ist auch eine Handvoll Konzerte für das Violoncello aus der Feder Joseph Haydns, die er in der Mehrzahl wohl für den Ersten Cellisten der Esterházy’schen Hofkapelle komponiert hat: für Joseph Franz Weigl, dessen Sohn Joseph ein Patenkind Haydns war und später als Dirigent und Komponist berühmt werden sollte. Es war eine kleine Sensation, als Anfang der 1960er-Jahre im Prager Nationalmuseum in einer Sammlung des tschechischen Schlosses Radenín die Stimmenabschrift eines Cellokonzerts in C-Dur entdeckt wurde, das Haydn in seinem »Entwurf-Katalog« betitelten Werkverzeichnis angeführt hatte. Im Nu wurde das Konzert ein Standardwerk: Als Solistin ist die international gefeierte Anastasia Kobekina zu erleben, die 1994 in Jekaterinburg geboren wurde.
Und was würde besser zum Landleben passen, wie es Ludwig van Beethoven in seiner berühmten »Pastorale« feiert, als ein Klangbild so natürlich und unverfälscht wie kuhwarme Milch?
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Do, 16/03/23, 19.30 Uhr · Großer Saal
Fr, 17/03/23, 18.30 Uhr · Großer Saal
Wiener KammerOrchester · Anastasia Kobekina Violoncello · Jean-Christophe Spinosi Dirigent
Wolfgang Amadeus Mozart: Symphonie D-Dur K 385 »Haffner-Symphonie«; Joseph Haydn: Violoncellokonzert C-Dur Hob. VIIb/1; Ludwig van Beethoven: Symphonie Nr. 6 F-Dur op. 68 »Pastorale«
Karten: https://konzerthaus.at/konzert/eventid/60038