![](https://assets.isu.pub/entity-article/user-assets/45544701/2bd63b58da2f125f145fffc7d2056ab91bcd8bf51710859695519.jpg?crop=693%2C520%2Cx87%2Cy0&originalHeight=520&originalWidth=780&zoom=1&width=720&quality=85%2C50)
4 minute read
Klavier: Arcadi Volodos
Arcadi Volodos
Virtuosität der Tasten, Farben, Stimmungen
VON WALTER WEIDRINGER
Es gibt eine grandios spielerische Seite an Arcadi Volodos: Wer sich, so wie er, die brillanten Klaviertranskriptionen eines Vladimir Horowitz übers Gehör angeeignet und noch weiter ausgeschmückt hat, der muss eine spezielle Freude am Zirzensischen besitzen. So gesehen ist Volodos ein mit Jahrgang 1972 noch relativ junger Klaviervirtuose der alten Schule – und zwar russischer Schule, um genau zu sein.
Dabei war das Klavier keineswegs von frühester Kindheit an seine liebste Spielwiese: Geboren im damaligen Leningrad (St. Petersburg) folgte er zunächst mit einer Vokalausbildung dem Vorbild seiner singenden Eltern. Erst mit 15 wurde Arcadi Volodos klar, dass ihn die schwarzen und weißen Tasten anzogen wie nichts sonst in der Welt der Musik. Die Freude am pianistischen Salto mortale kann er auch im Konzert vermitteln, ohne dass seinen Interpretationen deshalb jemals etwas Prahlerisches anhaften würde.
Aber noch besser, tiefer wirkt Volodos dort, wo Fingerfertigkeit und Anschlagskultur nur als Mittel zum Zweck dienen: als souverän gehandhabtes Material für einen Klangregisseur, dessen Flügel sich unter seinem Zugriff in ein komplettes romantisches Orchester zu verwandeln scheint. Zum Beispiel – noch so eine spezielle Volodos-Liebe, die ein breites Publikum zum bezauberten Mitschwelgen bringt! –, wenn er Federico Mompou spielt: Für diesen 1987 verstorbenen, hierzulande wenig bekannten Katalanen, der eine Art spanischen Impressionismus pflegte, hat sich Volodos im Aufnahmestudio wie im Konzert wiederholt eingesetzt; Franz Schubert natürlich nicht zu vergessen, dessen Werk er besonders gründlich pflegt.
Da versteht es sich von selbst, dass auch die gesangliche Basis seiner Musikausbildung zum Tragen kommt – und Schuberts Melos sich inmitten formaler und harmonischer Weite voll entfalten kann, etwa in der Klaviersonate a-moll D 845, die er aufs Programm seines Rezitals gesetzt hat. »Wollten wir über das Innere dieser seiner Schöpfungen im Allgemeinen noch etwas sagen«, so Robert Schumann über Schubert, »so wär’ es dieses. Er hat Töne für die feinsten Empfindungen, Gedanken, ja Begebenheiten und Lebenszustände. So tausendgestaltig sich des Menschen Dichten und Trachten bricht, so vielfach die Schubert’sche Musik. Was er anschaut mit dem Auge, berührt mit der Hand, verwandelt sich zu Musik; aus Steinen, die er hinwirft, springen, wie bei Deukalion und Pyrrha, lebende Menschengestalten. Er war der ausgezeichnetste nach Beethoven, der, Todfeind aller Philisterei, Musik im höchsten Sinne des Wortes ausübte.«
Ja, gegen die »Philister, musikalische wie sonstige«, also gegen alles Engstirnig-Spießbürgerliche wollte Schumann kämpfen: Und so stellte er die von ihm ins Leben gerufene ironische Geheimgesellschaft der »Davidsbündler« mit ihren fortschrittlichen Zielen unter die Patronanz des Harfe spielenden biblischen Hirten, der den Philister Goliath besiegen und zum König aufsteigen konnte. Schumanns »Davidsbündlertänze« op. 6, die Volodos auf Schubert folgen lässt, bestehen aus 18 Charakterstücken, in denen einander zwei fiktive Figuren begegnen: Der stürmisch-extrover-tierte Florestan findet im gedankenvollen, in sich gekehrten Eusebius sein Gegenbild – und zusammen repräsentieren sie die zwei Seelen in Schumanns Brust.
Zum Abschluss des offiziellen Programms hören Sie den mit allen virtuosen Wassern gewaschenen Volodos: mit der expressiven Brillanz von Franz Liszts »Ungarischer Rhapsodie« Nr. 13 a-moll. Gut möglich, dass unter den garantiert erjubelten Zugaben auch Mompou zu hören ist. Oder sogar jenes zuerst wehmütige, dann gespenstische Siciliano aus Schuberts Klavierstücken D 946, mit denen Alexei Volodin, der fünf Jahre jüngere Pianistenkollege von Volodos, knapp drei Wochen zuvor seinen Klavierabend beginnt. Freund:innen nicht nur russischer Klavierkunst sollten sich jedenfalls beide Termine rot im Kalender anstreichen.
::::::::::::::::::
Di, 04/06/24, 19.30 Uhr · Mozart-Saal
Klavierabend
Alexei Volodin
Franz Schubert: Klavierstück Es-Dur D 946/2 · Ludwig van Beethoven: Sonate Fis-Dur op. 78 · Nikolai Medtner: Sonata-Ballade op. 27 · Modest Mussorgski: Bilder einer Ausstellung
Karten: https://konzerthaus.at/konzert/eventid/60993
::::::::::::::::::
So, 23/06/24, 19.30 Uhr · Großer Saal
Klavierabend
Arcadi Volodos
Franz Schubert: Sonate a-moll D 845 · Robert Schumann: Davidsbündlertänze.18 Charakterstücke op. 6 · Franz Liszt: Ungarische Rhapsodie Nr. 13 a-moll S 244/13 (Bearbeitung: Arcadi Volodos)
Karten: https://konzerthaus.at/konzert/eventid/61021
::::::::::::::::::