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Jazz: Blau in Grün

Blau in Grün

Chris Botti kehrt zurück zu seinen Wurzeln im Jazz

VON STEFAN HENTZ

»Blue in Green«, die legendäre Ballade von Miles Davis’ Album »Kind of Blue«, ist ein Kleinod der Jazzgeschichte, ein Stück, das schon im Titel die Wurzeln des Jazz in der afroamerikanischen Erfahrung des »Blues« zugleich betont und überschreitet. Die ungerade Taktzahl, die erweiterte Harmonik, die unendliche, zirkuläre Melodielinie des Themas: Dieses Stück als Aufwärmsong für die Aufnahmesessions zur Produktion eines Albums zu benutzen –dafür braucht es schon eine gehörige Portion Chuzpe.

Aber Chris Botti verfolgt eine Mission: Christopher Stephen Botti, geboren 1962 in Portland, Oregon, ist Trompeter. Aufgewachsen als Sohn einer klassisch ausgebildeten Pianistin und Klavierlehrerin, griff er bereits mit neun zu seinem Instrument, doch so richtig Feuer gefangen hat er drei Jahre später, als er Miles Davis’ Aufnahme von »My Funny Valentine« hörte, einem Schlager aus dem Broadway-Musical »Babes in Arms«. Es war der relaxte, warme Ton von Davis’ Trompete, dieses Spiel ganz ohne Vibrato, die lässige Phrasierung, der Verzicht auf jeden Überschwang, auf jede prahlerische Geste, der das Stück in ein delikates Drama vielschichtiger Emotionen verwandelte und nicht nur Botti faszinierte.

Der Weg des jungen Chris Botti in die Musik war damit vorgezeichnet. Er übte, arbeitete an seinem Ton und seiner Phrasierung und entwickelte sich zu einem vielversprechenden jungen Jazzmusiker. Mit der All American High School Jazz Band spielte er noch als Schüler zum ersten Mal in der Carnegie Hall, und während er an der Jacobs School of Music der Indiana University studierte, stand er bereits mit Frank Sinatra oder Buddy Rich auf der Bühne – ein Musiker für alle Fälle, der alles spielen konnte und sein Können schließlich in der Studioszene von New York einsetzte.

Chris Botti wurde zum Trompeter für die glamourösen Fälle. Lange arbeitete er an der Seite von Paul Simon, spielte mit Aretha Franklin, Natalie Cole, Joni Mitchell – wo höchste Qualität und Professionalität gefragt waren, war Chris Botti zur Stelle, ein gefeierter Instrumentalist in einem Kosmos, in dem sonst nur Sänger:innen gefeiert werden. Um die Jahrtausendwende tourte er zwei Jahre lang mit Sting durch die großen Hallen der Welt, bis der ihn freundlich aufforderte, endlich eine eigene Band zu gründen, die Sting dann als Support seinem Publikum vorstellte.

Wahrscheinlich gehört Chris Botti zu den erfolgreichsten Instrumentalisten der internationalen Popwelt, mittlerweile kann er auf einen Grammy und fünf Nominierungen zurückblicken. Doch bei allem Erfolg, bei allem Zuspruch ist etwas offen geblieben: Der Impuls, den ihm die Musik von Miles Davis gab, die Faszination für die immer wieder offene Gruppenimprovisation, für das Ineinander von Aktion und Reaktion, von Zuhören und Spielen, vom Glück, etwas zu entdecken, von dessen Möglichkeit man allenfalls eine vage Ahnung hatte.

Diese Faszination war in den Hintergrund getreten, und nun ist für Botti die Zeit gekommen, diesen Impuls noch einmal aufzunehmen. »Vol. 1«, das Album, mit dem Botti im vergangenen Herbst nach elf Jahren ohne eigene Produktionen an die Öffentlichkeit trat, ist der Fanfarenstoß anlässlich der Wiedergeburt eines überaus erfolgreichen Popmusikers im Soundgewand eines Jazzmusikers. Eine Rückkehr zum farblich abgestuften Blau.

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Di, 14/05/24, 19.30 Uhr · Großer Saal

Chris Botti

»In Concert«

Chris Botti, Trompete

Julian Pollack, Klavier, Keyboards

Leonardo Amuedo, Gitarre

Dan Chmielinski, Bass

Lee Pearson, Schlagzeug

Chad Lefkowitz-Brown, Saxophon

Anastasiia Mazurok, Violine

Sy Smith, Gesang

John Splithoff, Gesang

Karten: https://konzerthaus.at/konzert/eventid/60965

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