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Von Schloss Weinzierl in den Mozart-Saal
Zur Entstehung des Streichquartetts und des Kammermusizierens – einer festen Säule im Wiener Konzerthaus seit dem Gründungsjahr
VON ALEXANDRA ZIANE
Es begann nicht in Wien, sondern in der Provinz, im Schloss Weinzierl bei Wieselburg, Niederösterreich. Nach eigener Aussage veranlasste eine Einladung von Carl Joseph Weber von Fürnberg Joseph Haydn zu seinen allerersten (noch nicht als solchen betitelten) Streichquartetten – ein Meilenstein in der Geschichte der Gattung. Der junge Komponist hielt sich vermutlich in den 1750erJahren im Schloss Weinzierl auf und musizierte mit dem Schlossverwalter, dem Schlosspfarrer und dem Cellisten Anton Albrechtsberger, wofür er einige Werke für zwei Violinen, Viola und Violoncello verfasste. Seine späteren Quartette entstanden in Eisenstadt und Esterháza, also ebenfalls fernab der kaiserlichen Hauptstadt.
In dieser Zeit des aufstrebenden Bürgertums, in der sich nach und nach das organisierte öffentliche Musikleben entwickelte, luden nicht nur hohe, sondern auch mittlere und niedere Adelige Gäste zu musikalischen Veranstaltungen zu sich ein. Die Ausführenden waren wie im Schloss Weinzierl zum Großteil Amateure: Noch die letzten Quartette Mozarts waren an den König von Preußen, also einen Amateur, adressiert. Zunächst waren beim Streichquartett die Ausführenden selbst das primäre Publikum, die Unterscheidung zwischen Spielenden und Hörenden sollte sich erst entwickeln. Mit der Zeit fand diese Musik auch Eingang in das bürgerliche Wohnzimmer, das Musizieren etablierte sich als wesentlicher Bestandteil des bürgerlichen Selbstverständnisses. Das Private und die damit verbundene Muße, zu der die Musikausübung gehörte, trennte sich von der beruflichen und öffentlichen Welt. Mit dem daraus resultierenden steigenden Bedarf an Kammermusik ab etwa 1800 gewann auch das Klavier an Bedeutung, entstanden zahlreiche Arrangements. Im kammermusikalischen Repertoire vollzog sich nun eine Trennung zwischen den zunehmend anspruchsvollen Kompositionen, zu denen die Streichquartette gehörten, und solchen, die dezidiert zum Zwecke der Geselligkeit komponiert wurden, die leichter auszuführen und eingängig waren, also der Haus- und Salonmusik.
Im Unterschied etwa zu Kirchenmusik oder Virtuosenkonzerten, die auf einen Zweck und auf ein Publikum ausgerichtet sind, gelten für die Aufführung von Kammermusik und insbesondere von Streichquartetten spezifische Prämissen, die Theodor W. Adorno so definierte: »Der erste Schritt, Kammermusik richtig zu spielen, ist, zu lernen, nicht sich aufzuspielen, sondern zurückzutreten. Das Ganze konstituiert sich nicht durch die auftrumpfende Selbstbehauptung der einzelnen Stimmen – sie ergäbe ein barbarisches Chaos – sondern durch einschränkende Selbstreflexion.« Dem Miteinander der Spielenden, das freilich in jeglicher Musikausübung wichtig ist, fällt hier eine ganz besondere Bedeutung zu. Wie bei kaum einer anderen Ensembleform bedarf es beim Streichquartett der Gabe, »sich nicht aufzuspielen, sondern zurückzutreten« – und das trotz höchster technischer Ansprüche.
Im Wiener Konzerthaus hatte das Streichquartett von Beginn an seinen Platz – und mit dem Mozart-Saal einen dafür hervorragend geeigneten Raum. Neben dem Wiener Konzertvereins-Quartett trat hier ab 1913 regelmäßig das Rosé-Quartett auf, eines der bekanntesten seiner Zeit, gegründet im Jahr 1882. Im Laufe seines über sechzigjährigen Bestehens erlebte das Rosé-Quartett zahlreiche Besetzungsänderungen, ein für ein lange zusammenspielendes Ensemble wesentlicher Prozess.
Heute gehört der Zyklus von Quatuor Ébène und Belcea Quartet zu den Säulen der Kammermusik des Wiener Konzerthauses. Das Belcea Quartet hat mit Suyeon Kang nun eine Nachfolgerin für seinen zweiten Geiger Axel Schacher gefunden. Nachdem das Wiener Klaviertrio 2022 nach 38 Jahren seine Karriere beendet hat, führen Nikita BorisoGlebsky, Narek Hakhnazaryan und Georgy Tchaidze den Zyklus fort. Somit hat neben dem Streichquartett auch das Klaviertrio, das kompositionsgeschichtlich erst in der Romantik so richtig an Fahrt aufgenommen hat, weiterhin seinen festen Platz im kammermusikalischen Geschehen des Hauses.
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Konzerttipps
13/11/23
Mo, 19.30 Uhr · Mozart-Saal
Klaviertrio Boriso-Glebsky · Hakhnazaryan · Tchaidze
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Nikita Boriso-Glebsky, Violine
Narek Hakhnazaryan, Violoncello
Georgy Tchaidze, Klavier
Franz Liszt: Tristia. La Vallée d’Obermann S 723
Ernest Chausson: Klaviertrio g-moll op. 3
Sergej Rachmaninoff: Klaviertrio Nr. 2 d-moll op. 9 »Trio élégiaque«
Karten:
https://konzerthaus.at/konzert/eventid/60673
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15/11/23
Mi, 19.30 Uhr · Mozart-Saal
Quatuor Ébène
Pierre Colombet, Violine
Gabriel Le Magadure, Violine
Marie Chilemme, Viola
Raphaël Merlin, Violoncello
Joseph Haydn: Streichquartett g-moll Hob. III/ 33
Béla Bartók: Streichquartett Nr. 3 Sz 85
Franz Schubert: Streichquartett G-Dur D 887