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Erwin Steinhauer
Sprechkünstler mit Eitelkeitsmangel (unter anderem)
VON RAINER KRISPEL
Den 1951 geborenen Erwin Steinhauer unter eine Überschrift zu bringen, ist schwierig. Jede noch so faktisch treffende Zuschreibung – Schauspieler, Kabarettist, leidenschaftlicher Bühnenmensch – verlangte doch ein ergänzendes »unter anderem«. Warum sich also nicht bei zwei seiner Laudatoren bedienen?
Doch keine Angst, wir werden uns mit keiner Auflistung der zahllosen Preise, die der im Wiener Lichtental im 9. Bezirk aufgewachsene Steinhauer für sein vielfältiges Wirken im Laufe seines Lebens erhalten hat, aufhalten. Schriftsteller und Essayist Franz Schuh würdigte ihn in einer Rede anlässlich der vom ORF verliehenen Auszeichnung als Hörspielschauspieler des Jahres 2007 definitionsgenau als »Sprechkünstler«, der befreundete Autor und Schauspieler Rupert Henning attestierte ihm zwei Jahre zuvor anlässlich der Verleihung des Nestroyrings »Eitelkeitsmangel« – das erzählt etwas, das noch so würdige Preisverleihungen transzendiert.
Es gibt weiterführende Vorstellungen von Steinhauer, jemandem, zu dem viele Menschen in diesem Land eine positive Assoziation haben, dessen Name oder abgedrucktes Foto bei vielen etwas auslöst – definieren wir dies hier im Spektrum zwischen begründetem Wohlwollen und Vertrauen: Vertrauen in den Menschen Erwin Steinhauer und den schwer davon zu trennenden Künstler auf Theater- und Kabarettbühnen, in Film und Fernsehen; Vertrauen in dessen Kunst, in die Qualität, Genauigkeit und Hingabe für das, was er in großer Vielfalt tut. Auf ganz unösterreichische Art vertraut das Publikum auf seine konkrete und sinnbildliche Präsenz – weil Steinhauer, mit Verlaub, schon und immer wieder »geliefert« hat: Gutes, Gehaltvolles, Unterhaltendes, Forderndes und Widersprüchliches.
Borgen wir uns noch einen Gedanken von Rupert Henning aus, der vom »Barockmenschen Steinhauer« spricht, und den Schriftsteller und Kulturphilosophen Egon Friedell mit dem Gedanken hinzuzuzieht, dass »Barock die Alleinherrschaft des analytischen Verstands« meint, einen »Rationalismus, der sich als Sinnlichkeit kostümiert.«
Steinhauer waren sein Engagement am Burgtheater und sein Spiel in der Fernsehserie »Der Sonne entgegen« kein Widerspruch oder gar Ausschließungsgrund – nebeneinander stehen im bevorstehenden Porträt auch seine Interpretation von Karl Kraus’ »Die letzten Tage der Menschheit« und »Jingle Bells. Die unheiligen Könige«, ein Programm, das sich auch an »Weihnachtsmuffel« wendet. Steinhauer versteht sich auf das Leichte auf schwerem Grund und umgekehrt, in- und miteinander verwoben: Leben ist selten sorten- oder spartenrein und lässt mehr als eine Gefühlslage zu.
Außerdem arbeitet Steinhauer innig mit kongenialen Musiker:innen zusammen, etwa wenn er mit »seinen Lieben« dem nahenden Jahreswechsel den zuversichtlichen Titel »Alles Gute« mit auf den Weg gibt oder mit den OÖ. Concert Schrammeln, schon im neuen Jahr, feststellt: »Das Glück is a Vogerl«.
»Ich bin immer auch auf der Flucht vor Dingen, die mir nicht gefallen«, sagte Steinhauer in einem Interview in Die Presse im September 2020. Was ihm wohl gefällt – und seinem Publikum –, ist das Ausleben seiner Musikalität. Auch der Umgang mit Sprache, der Einsatz des Körpers –bei »Alles Gute« sind neben Gesang und Moderation tänzerische Einlagen vorgesehen! – des Schauspielers Steinhauer haben von jeher Musikalisches, in Rhythmus, Sprach-/ Dialekt-Färbung, dem Suchen und Finden eines Grooves, eines Ein-, und Mehrklangs mit Material, in Figur und Kontext; etwa wenn er seinen Simon Polt in den Verfilmungen der Polt-Krimis so meisterlich in die Landschaft des Weinviertels fügt.
Eine der schönsten Entdeckungen, die einem eine Suche nach »Erwin Steinhauer« im Internet beschert, ist die Interpretation von »Mercedes Benz«, des letzten Liedes, das Janis Joplin vor ihrem Tod aufgenommen hat. Steinhauer macht mit Band das Lied zu seinem, anerkennt das Original, ist dabei inhaltlich und formal originär – und umwerfend!
Eine solche Entdeckungsreise im Netz ist sprachlich immer wieder eine Freude, beginnend mit der Biographie auf der Homepage des Künstlers: Unter der schönen Adresse allesgute.at wird dessen Herkunftsmilieu als kleinbürgerlich definiert. Dabei transponiert der Text zugleich »Klassenbewusstsein«, einen pointierten Blick für gesellschaftliche Realitäten und deren Auswirkungen im Persönlichen –ein Blick wie jener, der den Kabarettisten Erwin Steinhauer erfolgreich hat werden lassen. Am 27. Oktober 1974 gab er, damals Geschichts- und Germanistikstudent, als Teil der Kabarettgruppe Keif sein Debüt. Somit weiß er also seit wenigstens fünfzig Jahren, was er wie auf einer Bühne warum tut. Unter anderem.
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Mi, 13/11/24, 19.30 Uhr · Mozart-Saal
Kraus: Die letzten Tage der Menschheit
Erwin Steinhauer Lesung · Peter Rosmanith Percussion, Hang · Joe Pinkl Tuba, Posaune, Klavier · Georg Graf Saxophon, Klarinette, Flöte · Pamelia Stickney Theremin
Erwin Steinhauer spielt und spricht Szenen aus Karl Kraus’ »Die letzten Tage der Menschheit. Tragödie in fünf Akten mit Vorspiel und Epilog«
Karten: https://konzerthaus.at/konzert/eventid/61730
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PORTRÄT ERWIN STEINHAUER
19/10/24 Erwin Steinhauer · Herbert Schuch Zola: Das Geld
13/11/24 Steinhauer · Rosmanith · Pinkl · Graf · StickneyKraus: Die letzten Tage der Menschheit
01/12/24 Steinhauer · Graf · Rosmanith »Jingle Bells. Die unheiligen Könige«
28/12/24 Silvester: Erwin Steinhauer & seine Lieben »Alles Gute«
15/02/25 Erwin Steinhauer & OÖ. Concert-Schrammeln »Das Glück is a Vogerl«
Nähere Informationen unter https://konzerthaus.at/PES