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Musikalischer Weltenbummler

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Benjamin Bernheim

Benjamin Bernheim

Der Saxophonist Jan Gabarek legt, begleitet vom indischen Percussionmagier Trilok Gurtu, einen Zwischenstopp in Wien ein

VON WERNER ROSENBERGER

Weite Räume

Für Saxophonklang zwischen Stille und Espressivo steht Jan Garbarek, Stilist und Bildhauer des schönen Tons. Seit 1976 war der Norweger zwölf Mal zu Gast im Wiener Konzerthaus. Am 3. November erzeugt der 77-Jährige im Großen Saal einmal mehr die Illusion von offenen Räumen, einsamen Fjorden und weiten Landschaften, dieses Mal im Quartett.

Jazz ist ein hervorragender Background für eine Mischung aus Elementen der nordischen Folklore, Improvisationen rund um die mittelalterliche Polyphonie und World Music. »Beim Improvisieren kann man über den eigenen Tellerrand schauen und mit Leuten spielen, die vollkommen anders ans Musizieren herangehen«, sagt Jan Garbarek, der durch seine erfolgreiche Kollaboration mit Keith Jarrett in den 1970er-Jahren oder dem britischen Vokalquartett The Hilliard Ensemble weit über das Genre Jazz hinaus populär wurde. »Soviel Wissen und Erfahrung zu sammeln wie möglich und im entscheidenden Moment instinktiv richtig zu handeln, also improvisieren, das ist die Philosophie meines Lebens.«

Seine Klangästhetik entspringt einer Phobie vor musikalischer Geschwätzigkeit und liegt ganz auf der Werbelinie seines Plattenlabels ECM: »The most beautiful sound next to silence.« Von absoluter Stille bis zum expressiven Ausbruch reichen die Klangbilder. Unterstützt wird Garbarek von langjährigen Weg- und Bühnenbegleitern, allesamt exzellente Virtuosen: Der deutsche Pianist Rainer Brüninghaus – schon seit dem Album »Legend of the Seven Dreams« (1988) dabei – entwickelt als Minimalist auch solistisch auf dem Keyboard gern Klänge voller Raffinessen und Subtilitäten.

Der Brasilianer Yuri Daniel grundiert mit seinem fünfsaitigen E-Bass und rhythmischer Präzision die Klangwolken, lässt funkige Funken sprühen und gibt sich mitunter melodienverliebt.

Der Inder Trilok Gurtu bringt mit seinem spezifischen Weltmusik-Groove und seinen ost-westlichen Drumsets rhythmische Würze ins Spiel. Wie eine Ein-Mann-Indo-Jazz-Fusion sitzt er inmitten seiner Trommeln, Becken, der Tabla und zahlreichen Percussioninstrumenten und erzeugt erstaunliche Geräusche und Töne, auch mit einem Blechkübel voll Wasser, einem darin versenkten Gong und einem Schlegel. Der 72-Jährige verbindet westliche und fernöstliche Techniken zu einem Soundkosmos, in dem sich Garbareks Melodien ausbreiten können.

Zauberhafte Mixtur

Garbarek begann mit 14 Jahren, nachdem er im Radio »Countdown« von John Coltrane gehört hatte, autodidaktisch Saxophon zu spielen. Nach Stationen in unterschiedlich besetzten Bands in den 1970ern formierte Garbarek in den 1980erJahren ein Quartett mit Brüninghaus, Gurtu, dem Stuttgarter Bassisten Eberhard Weber, damals schon ein Star des deutschen Jazz. Dazu kam wechselweise mit Trilok Gurtu der französische Schlagzeuger Manu Katché. Diese Band erlangte Kultstatus und blieb unverändert, bis Weber im April 2007 einen Schlaganfall erlitt und nicht mehr Bass spielen konnte. Für ihn kam Yuri Daniel in die Garbarek Group.

Heute steht der Bandleader für elegischen und sphärischen Schönklang von meditativer Klarheit, er kann den Wind rauschen und sein Instrument in Melodien schwelgen lassen, die von indischer, arabischer, afrikanischer, brasilianischer, japanischer Musik inspiriert sind. In seinem Sax-Ton entstehen besondere Schattierungen, er schafft Klangskizzen von bezaubernder Schönheit und Klarheit, einen Sound, der atmet, auf Wolken zu schweben scheint und doch immer wieder in deutlich umrissene melodische Motive mündet.

»Musik muss atmen. Jeder Ton eines Instruments sollte einen Atemzyklus haben«, sagt der Klangästhet. Dabei ist Stille für ihn »das Schönste, was es gibt. Der Ursprung von allem. Ich brauche sie mehr als alles andere. Nur dann beginnt es, in mir zu schwingen.« Am liebsten komponiert er auf seiner Hütte in den Bergen. Er komponiert Musik, die in ihren besten Momenten so klingt, als wäre sie nicht von dieser Welt.

Als einer der geistigen Väter des europäischen Jazz hat sich Garbarek seinen Kosmos erschaffen; er ist immer auf der Suche nach Neuem, irgendwo zwischen nordischer Kühle und brasilianischem Feuer. So schrieb der britische Guardian: »Der Kontrast zwischen einer kraftvollen Jam-Session und der mitsingbaren Einfachheit der Melodien machte schon immer Garbareks magische Mixtur aus, aber diese Version seiner Band erreicht eine geradezu berauschende Intensität.«

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So, 03/11/24, 19.30 Uhr · Großer Saal

Jan Garbarek Group feat. Trilok Gurtu

Jan Garbarek Saxophon · Rainer Brüninghaus Klavier, Keyboards · Yuri Daniel Bass · Trilok Gurtu Schlagzeug, Percussion

Karten unter: https://konzerthaus.at/konzert/eventid/61710

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