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Blickpunkt: Beat Furrer

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Erwin Steinhauer

Erwin Steinhauer

Beat Furrer wird siebzig. Das Wiener Konzerthaus widmet seinem Ehrenmitglied zwei Konzerte, in denen körpernahe Klanggesten und raffinierte Formen die poetischen und rätselhaften Texte von Pythagoras, Ovid und Cesare Pavese in Musik verwandeln

VON ANDREAS KARL

Mitte der 1970er-Jahre kam Beat Furrer aus dem schweizerischen Schaffhausen nach Wien, um Komposition und Dirigieren zu studieren. Inspiriert von den offenen Mobile-Formen seines Kompositionslehrers Roman Haubenstock-Ramati entwickelte er in den Folgejahren eine Klangsprache, die bis heute von kontrastreichen Texturen, sprechenden Gesten und fortlaufenden Verwandlungen geprägt ist. In der engen Zusammenarbeit mit dem von ihm gegründeten Klangforum Wien konnte er diese Sprache weiter verfeinern und nach neuen Ausdrucksformen suchen. Literatur spielt dabei eine zentrale Rolle. Immer wieder findet der Leser Beat Furrer Texte, von der Antike bis ins Heute, deren Form oder Sprache seiner Musik neue Impulse geben. Bereits in der zweiten Ausgabe von Wien Modern im Jahr 1989 wurde seine erste Oper »Die Blinden« uraufgeführt. In einer damals innovativen Form verband er inselhafte Textfragmente von vier unterschiedlichen Autoren zu einem dramatischen Archipel.

Es ist beeindruckend, wie es Furrer seitdem immerzu aufs Neue gelingt, abstrakte formale Strukturen derart mit literarischen Texten zu kombinieren, dass daraus ausdrucksstarke und narrative Musik entsteht, die dennoch die Offenheit des Abstrakten nie verliert. In dieser Musik zerfallen Worte in ihre Phoneme, werden von Stimmen und Instrumenten neu zusammengesetzt und mehrstimmig intoniert. Erst der Klang macht die volle Bedeutung und Absicht der Worte erfahrbar.

Beat Furrer
*1954 Schaffhausen. 1985 gründete er das Klangforum Wien, das er bis 1992 künstlerisch leitete. Seit 1991 ist er Professor für Komposition an der Kunstuniversität Graz. 2018 erhielt er den Ernst von Siemens Musikpreis. Zum Komponieren zieht er sich gerne ins steirische Gesäuse zurück.

So ist etwa das konsonantische Zischen des Wortes »Schatten«, mit all seinen klanglichen und semantischen Implikationen, der Impulsgeber für die musikalische und dramaturgische Entwicklung des Musiktheaters »Begehren« – das Stück des ersten ihm gewidmeten Konzerts. In einer sich wiederholenden Matrix werden dort Klang und Bedeutung des Wortes aufgefächert und kontinuierlich verwandelt. Eine pulsierende, atmende Bewegung aus dichten und zurückgenommenen Texturen, aus Geräuschklang und Gesangslinien durchzieht das gesamte Stück. Gesang, Sprechen und Instrumentalklang setzen einander fort, imitieren sich und fallen sich ins Wort. In dieser Mehrstimmigkeit aus Sprache und Instrumentalklang werden die Empfindungen von Furrers Protagonist:innen ästhetisch vermittelt und zugleich unmittelbar erlebbar. Zwei Menschen, »Er« und »Sie«, suchen nach der verlorenen Intimität ihrer gemeinsamen Sprache, doch in ihrem Drängen scheitert die Kommunikation. Immer wieder werden beide auf sich selbst und ihren eigenen Klang zurückgeworfen. »Seine« Stimme verwandelt sich sukzessive vom Sprechen zum Singen, bis ihm der Ton abhandenkommt und am Ende nur noch unterschiedliche Schattierungen seiner Atemgeräusche übrigbleiben. »Ihre« Stimme bewegt sich vom Singen zum Sprechen – sie befreit sich von seinen Projektionen und wird zu einem realen Menschen.

Gänzlich anderer Natur ist das Verhältnis von Text und Stimme im Werk des zweiten Konzerts: »Akusmata« – altgriechisch für »Hörsprüche«. Die kurzen Stücke für acht Stimmen und acht Instrumente wirken wie das Regelwerk einer fantastischen Gesellschaft. »Schau nicht in den Spiegel beim Schein einer Lampe« ist der erste dieser Sprüche. Vor unebenen Spiegeln verwandelt das Flackern des Kerzenscheins jedes Gesicht ins Monströse. Furrer löst die Worte des Spruches in freischwebende Phoneme auf, ihrer ursprünglichen Reihenfolge entzogen – als sei das »Ich« im Spiegel verloren gegangen. Erst zum Ende des Stückes setzen sich die Phoneme in fallenden Linien zu einem verständlichen Satz zusammen. Für jeden Spruch findet Furrer eine Form, die den rätselhaften Bedeutungen assoziativ nachforscht. Das Vokalensemble ist dabei der Hauptprotagonist, das Instrumentalensemble kommentiert, verbindet, färbt und verstärkt, was dort geschieht.

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Di, 19/11/24, 20.00 Uhr · Großer Saal

Wien Modern 37

Klangforum Wien · Cantando Admont · Furrer

»Singen, Sehnen«

Sarah Aristidou Sopran · Christoph Brunner Sprecher · Beat Furrer Dirigent

Beat Furrer Begehren

Karten: https://konzerthaus.at/konzert/eventid/61740

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So, 04/05/25, 19.30 Uhr · Mozart-Saal

PHACE · Cantando Admont · Bürgi

Cordula Bürgi Dirigentin

Beat Furrer Akusmata (Erweiterte Fassung)

Sarah Nemtsov WAVES (Kompositionsauftrag von PHACE, in Kooperation mit Osterfestival Tirol)

Karten: https://konzerthaus.at/konzert/eventid/62020

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