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Die Marienvesper
Man könnte sie die geistliche Zwillingsschwester des »Orfeo« nennen: Claudio Monteverdi »Vespre della Beata Vergine«, die Marienvesper. Im Großen Saal bringen La fonte musica unter der Leitung von Michele Pasotti das Schlüsselwerk zur Aufführung.
VON ALEXANDRA ZIANE
1607 fand die Uraufführung von Claudio Monteverdis »Orfeo« im herzoglichen Palast in Mantua statt – ein Erweckungserlebnis der Operngeschichte. Etwa zeitgleich entstand seine Marienvesper, eine Sammlung von verschiedenartigen geistlichen Kompositionen, im Druck in durchdachter Architektonik angeordnet. Ob es sich dabei um eine Zusammenfügung von Einzelsätzen handelt oder ob diese bereits als Teil eines Gesamtwerks konzipiert wurden, bleibt bis heute ebenso unklar wie die Frage, ob sie seinerzeit zur Gänze aufgeführt wurde.
Am Hof der Gonzaga in Mantua todunglücklich, präsentierte Monteverdi den Druck 1610 in Rom dem Widmungsträger, Papst Paul V. Wer mit einer Bewerbung Erfolg haben möchte, legt möglichst alles dar, was er an Fähigkeiten aufzubieten hat. Nach diesem Prinzip ging auch der in Cremona geborene Komponist vor, als er die Marienvesper dem kirchlichen Oberhaupt in Rom vorstellte und darin sämtliche Techniken verwendete, die zu seiner Zeit verfügbar waren – eben in der Hoffnung auf eine Anstellung in der Ewigen Stadt.
Die Verhältnisse in Mantua hatten Monteverdi an den Rand des Zusammenbruchs gebracht. Seine Frau war verstorben, er musste sich allein um seine beiden Söhne kümmern und hatte nichtsdestotrotz dem prunkliebenden Fürsten Vincenzo Tag und Nacht zur Verfügung zu stehen, ohne dass er entsprechend entlohnt oder anerkannt worden wäre. Darüber hinaus litt er unter dem schwülen Klima in Mantua. Die Zeit war reif für eine Neuorientierung.
Aufbruchsstimmung herrschte zu dieser Zeit auch musikalisch. Die traditionelle Vokalpolyphonie wurde mehr und mehr von Sätzen mit Generalbass verdrängt, virtuose Gesänge für eine oder wenige Stimmen und reine Instrumentalsätze traten in den Vordergrund. Monteverdi verstand es wie kaum ein anderer, Altbewährtes und Neues nebeneinander her existieren zu lassen, ja kunstvoll zu verbinden. Über traditionellen Psalmmelodien entspinnt er etwa virtuose Vokalconcerti. Dabei lässt sich auch Geistliches von Weltlichem kaum unterscheiden. Gleich zu Beginn erklingt im Hintergrund die aus dem »Orfeo« bekannte Toccata – eines von mehreren Zitaten aus dem Zwillingswerk.
Aus Rom musste Monteverdi unverrichteter Dinge wieder abreisen. Letztlich lohnte sich sein Aufwand aber doch: Drei Jahre später wurde er auf Lebenszeit zum Kapellmeister von San Marco in Venedig bestellt. Die bis heute offenen Fragen um die Marienvesper erlauben umgekehrt eine große Vielfalt an Interpretationen. Monteverdi stellte selbst bereits die Eignung des Werks für verschiedene Anlässe fest, wenn er in seinem Vorwort schreibt, sie sei »für Kapellen oder fürstliche Privatgemächer« geeignet. Freuen Sie sich auf die Interpretation dieses Schlüsselwerks durch Michele Pasotti und sein Ensemble La fonte musica, die bei den Resonanzen, unserem Festival für Alte Musik, mit Repertoire aus dem 14. und 15. Jahrhundert regelmäßig zu Gast sind.
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05/10/22, Mi, 19.30 Uhr · Großer Saal
La fonte musica · Pasotti
Michele Pasotti: Leitung
Claudio Monteverdi: Vespro della Beata Vergine »Marienvesper«
Karten: https://konzerthaus.at/konzert/eventid/59758
Auftakt zum Zyklus Originalklang: konzerthaus.at/2223OK