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Heitere Ländlichkeit und stürmische Liebe
aus »Poème de l’amour et de la mer« (Maurice Bouchor)
Die Wiener Symphoniker, Gaëlle Arquez und Marc Minkowski interpretieren französische Orchestermusik des 19. Jahrhunderts von Georges Bizet und Ernest Chausson.
VON ULRICH LINKE
Manchmal müssen auch Geniestreiche einfach warten. Ähnlich wie so mancher Komposition Franz Schuberts erging es Georges Bizets Symphonie C-Dur (1855), deren Uraufführung erst 80 Jahre nach ihrer Entstehung und 60 Jahre nach dem Tod des Komponisten erfolgte. Das Jugendwerk des erst 17-Jährigen, das sich an der ersten Symphonie seines Landsmannes Charles Gounod orientierte, verbindet Verve mit Charme, luzide Klanglichkeit mit mitreißenden Melodien und charakteristischen Rhythmen – und das alles innerhalb einer klassischen viersätzigen Anlage. In all diesen Aspekten ist Bizets Werk Sergej Prokofjews Symphonie classique von 1917 nicht unähnlich.
Eine Symphonie hätte auch Ernest Chausson schreiben sollen. Doch der Komponist, der zuvor vor allem durch seine stimmungsvolle Vokalmusik aufgefallen war, tat sich ausgesprochen schwer mit absoluter Musik. Und so führte seine Auseinandersetzung mit der Symphonik zunächst zu seinem »Poème de l’amour et de la mer« (1882–93), einem tiefromantischen, zwischen dreisätziger Symphonie und französischer Mélodie changierenden symphonischen Liederzyklus zu Gedichten Maurice Bouchors. Das Werk erzählt aus der Innenschau eine unglückliche Liebesgeschichte vor dem landschaftlichen Hintergrund eines mal aufbrausenden, mal ruhigen oder farbig schillernden Meeres. Die Natur wird hier zum Spiegelbild verschiedener, tief empfundener Gefühle. Geschickt verbindet Chausson dabei die verschiedenen Mélodies auch musikalisch zu einem kohärenten Ganzen, indem er mehrere Motive und Themen durch seine Lieder oder die ausführlichen Orchesterzwischenspiele wandern lässt.
Von einer tragischen Leidenschaft erzählt auch Alphonse Daudets Drama »L’Arlesienne« (1872): Der junge Frédéri verliebt sich in ein kokettes und untreues Mädchen aus Arles und nimmt sich am Ende nach so manchen emotionalen Verwicklungen das Leben. Um den Ernst des Stücks etwas abzumildern, bat Léon Carvalho, der Leiter des Théâtre de Vaudeville und Auftraggeber des Schauspiels, Georges Bizet um eine Musik, die mehr den volkstümlichen Charakter als die Dramatik unterstreichen sollte. Aber auch wenn Bizet dieser Bitte nachkam – gebracht hat es dem Bühnenprojekt leider nichts: Sowohl das Drama als auch die Musik fielen beim Publikum durch. Erst Bizets Umarbeitung einiger Stücke und die Zusammenstellung zu einer konzertanten viersätzigen Suite machten die Musik mit ihren tänzerischen Rhythmen und der farbigen Instrumentierung, zu der unter anderem ein Altsaxophon beiträgt, schnell zu einem Erfolgsgaranten für Orchester. Auch eine zweite Zusammenstellung seines Studienfreunds Ernest Guiraud, in der auch andere Kompositionen Bizets Verwendung fanden und die mit einer zündenden Farandole endet, setzte sich erfolgreich im Konzertsaal durch. Zumindest in der Musik siegt die Lebensfreude!
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14/10/22, Fr, 19.00 Uhr · Großer Saal
Wiener Symphoniker · Arquez · Minkowski
Gaëlle Arquez: Mezzosopran, Marc Minkowski: Dirigent
Ernest Chausson: Poème de l'amour et de la mer op. 19 Georges Bizet: L’arlésienne. Suiten Nr. 1 & 2
Im Anschluss Konzertausklang im Großen Foyer mit Dolby’s Around
Karten: konzerthaus.at/konzert/eventid/59783
Auftakt zum Zyklus Fridays@7: konzerthaus.at/2223FR@7
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16/10/22, So, 11.00 Uhr · Großer Saal
Wiener Symphoniker · Arquez · Minkowski
Gaëlle Arquez: Mezzosopran, Barbara Rett: Präsentation, Marc Minkowski: Dirigent
Georges Bizet: Symphonie Nr. 1 C-Dur, Ernest Chausson: Poème de l'amour et de la mer op. 19, Georges Bizet: L’arlésienne. Suiten Nr. 1 & 2
Karten: konzerthaus.at/konzert/eventid/59788
Auftakt zum Zyklus Matineen der Wiener Symphoniker: konzerthaus.at/2223WSM