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Gustav Mahler in München

»Überall ist es hübscher und wohnlicher als in Wien«, schrieb der Komponist an seine Frau Alma und liebäugelte sogar zeitweise damit, nach München zu übersiedeln, wo einige seiner Werke uraufgeführt wurden

VON PETER REVERS

Gustav Mahler besuchte München zum ersten Mal im März 1897. Am 24. dieses Monats dirigierte er dort u. a. Beethovens 5. Symphonie und äußerte sich euphorisch über das Kaim-Orchester und dessen »junge begeisterungsfähige Leute mit guten Instrumenten«. Drei Jahre später, am 25. November 1900, wurde seine 2. Symphonie durch dieses verstärkte Orchester im Großen Saal des Kaim-Konzertgebäudes unter seiner Leitung erfolgreich aufgeführt.

Es ist wohl auch auf dieses Ereignis zurückzuführen, dass am 25. November 1901 die Uraufführung seiner 4. Symphonie durch das Kaim-Orchester und die Sopranistin Margarethe Michalek erfolgt ist. Seine ursprünglich sehr positive Meinung über den Klangkörper änderte sich allerdings grundlegend: Er empfand es nachgerade als »Sisyphusarbeit«, die Symphonie »aus dem Gröbsten herauszubringen«. Das Verhältnis von Orchester und Dirigent war getrübt, und seitens der Kritik wurde eine fragwürdige Orientierung von Mahlers neuem Opus an Haydn’scher Symphonik bemängelt. Die 4. Symphonie, 1899 und 1900 entstanden, greift im Finalsatz auf das 1892 komponierte Lied »Das Himmlische Leben« aus der Sammlung »Des Knaben Wunderhorn« zurück. Die Vierte ist deutlich kürzer als die beiden symphonischen Vorgängerwerke, die ebenfalls jeweils einen Liedsatz enthalten, und hinsichtlich der Orchesterbesetzung deutlich reduziert.

Im besten Wolsein eingetroffen – dann munter ins Hotel geloffen, gebadet und Kaffee gesoffen. Poetisch ist mein heut’ges Kabel, wie man in München nur capabel, denn Kunst erfüllt hier Mann und Wabel. Man fühlt sich hier beinahe griechisch, darüber freue ich mich viechisch. Gustav

Gustav Mahler am 6. November 1906 aus München in einem Telegramm an Alma Mahler

Mahlers 7. Symphonie, 1908 in Prag uraufgeführt, ist als Zweitaufführung am 27. Oktober in München durch das Münchner Tonkünstler Orchester (Nachfolger des KaimOrchesters) erklungen. Diese Aufführung begründete auch die Zusammenarbeit mit dem Konzertagenten Emil Gutmann, der zwei Jahre später die Uraufführung von Mahlers monumentaler 8. Symphonie (»Symphonie der Tausend«) organisiert hat. Eine besonders wichtige Rolle hat Mahler dem einleitenden Paukensolo im 5. Satz beigemessen, das von dem Wiener Schlagwerker Hans Schnellar ausgeführt wurde, der hierfür eigens von ihm erfundene Pauken von Wien nach München brachte. Für Paul Bekker, dem wir mit seiner grundlegenden Abhandlung »Gustav Mahlers Sinfonien« (Berlin 1921) wesentliche Werkeinsichten verdanken, war es ein »Gipfel lebensbejahenden Bekennens«, den Mahler mit diesem Werk erreicht hat.

Mahler erlebte mit der Uraufführung seiner 8. Symphonie am 12. September 1910 in der Neuen Münchner Musikfesthalle seinen wohl größten Triumph, es war ihm jedoch nicht mehr vergönnt, jene von »Das Lied von der Erde« am 20. November 1911 zu erleben. Ein halbes Jahr nach Mahlers Tod hat Bruno Walter die Leitung der Aufführung übernommen und sich über die Arbeit an diesem Werk wie folgt geäußert: »Ich studierte es und verlebte eine Zeit der fruchtbarsten Ergriffenheit mit diesem einzig leidenschaftlichen, bitteren, entsagungsvollen und segnenden Laut des Abschieds und Entschwebens, diesem letzten Bekenntnis eines vom Tode Berührten«. Die Komposition zählt zweifellos zu den tiefgründigsten Auseinandersetzungen Mahlers mit Leben und Tod, oder – wie Anton Webern in einem Brief kurz nach der Uraufführung an Alban Berg schrieb – dem »Vorbeiziehen des Lebens, besser des Gelebten in der Seele des Sterbenden.«

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KONZERTTIPPS

Sa, 23/09/23, 19.30 Uhr · Großer Saal

Bayerisches Staatsorchester

»500-Jahr-Jubiläum«

Yefim Bronfman, Klavier
Elsa Dreisig, Sopran
Vladimir Jurowski, Dirigent

Richard Wagner:
Vorspiel zu »Tristan und Isolde«
Robert Schumann: Konzert für Klavier und Orchester a-moll op. 54
Gustav Mahler: Symphonie Nr. 4 G-Dur für großes Orchester und Sopran-Solo

Karten:
https://konzerthaus.at/konzert/eventid/60585

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07 & 08/10/23

Sa & So, 19.30 Uhr · Großer Saal

Mahler: Das Lied von der Erde

Wiener Symphoniker
Karen Cargill, Mezzosopran
Michael Spyres, Tenor
Robin Ticciati, Dirigent

Gustav Mahler: Das Lied von der Erde. Eine Symphonie für eine Tenor- und eine Alt-Stimme und Orchester

Karten:
https://konzerthaus.at/konzert/eventid/60604

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Mi, 18/10/23, 19.30 Uhr · Großer Saal

Cleveland Orchestra · Keenlyside · Welser-Möst

Simon Keenlyside, Bariton
Franz Welser-Möst, Dirigent

Gustav Mahler: Frühlingsmorgen · Hans und Grethe (Sechs frühe Lieder)
Ablösung im Sommer
Revelge · Urlicht · Rheinlegendchen (Des Knaben Wunderhorn)
Symphonie Nr. 7 e-moll

Karten:
https://konzerthaus.at/konzert/eventid/60625

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