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Symphonische Violinkonzerte
Vier Stargeiger:innen mit Violinkonzerten von Mendelssohn, Brahms, Prokofjew und Beethoven. Letzterem verhalf Joseph Joachim erst im Jahr 1844 zum Durchbruch
VON HENRIKE ROST
Das Debüt Joseph Joachims in London
Ludwig van Beethovens Violinkonzert war zunächst wenig erfolgreich. Nach der Uraufführung durch den Geiger Franz Clement im Dezember 1806 in Wien war es in den folgenden Jahrzehnten eher selten zu hören. Es ist Joseph Joachim zu verdanken, dass das Stück heute einen festen Platz im Konzertrepertoire einnimmt. Die Erfolgsgeschichte begann mit dem weithin gefeierten Londoner Debüt des zwölfjährigen Geigers am 27. Mai 1844 – unter der Leitung von Felix Mendelssohn Bartholdy. Zur Erinnerung an das Konzert und die Zeit in London entstanden verschiedene Stammbucheinträge und Albumblätter, darunter ein von Felix Mendelssohn und Julius Benedict gemeinsam gestaltetes Blatt mit einem drolligen Abschiedslied für Joachim. Die dazugehörige Zeichnung zeigt den jungen Musiker beim Applaus. Beethovens Opus 61 sollte Joachims Bühnenkarriere bis ins nächste Jahrhundert hinein begleiten. Seine Kadenzen sind auch für heutige Interpret:innen maßstäblich.
Der symphonische Charakter von Beethovens Violinkonzert wurde von Anfang an herausgestellt. Als »Symphonie mit obligater Prinzipal-Violine« bot das geigerisch anspruchsvolle Werk wenig Raum für virtuose Selbstdarstellung, vielmehr stand das gemeinsame Musizieren im Vordergrund. An Beethovens Vorbild des symphonisch konzipierten Violinkonzerts knüpften schließlich Mendelssohn, Robert Schumann, Max Bruch und Johannes Brahms mit eigenen Kompositionen an.
Mit Mendelssohns Violinkonzert eröffnet Anne-Sophie Mutter am 7. September die Saison. Mendelssohn hat das Konzert in e-moll dem Geiger Ferdinand David gewidmet, der es auch im März 1845 in Leipzig uraufgeführt hatte. Anders als bei Beethoven wird das Hauptthema des ersten Satzes nicht vom Orchester präsentiert, sondern bereits ab dem zweiten Takt von der Violine vorgetragen. Die solistische Geige ist von Beginn an präsent und eingebunden in den Orchesterklang. In diesem Zusammenhang beschrieb Arnold Schönberg später Mendelssohns Violinkonzert als »glückliche Vereinigung von geadelter Virtuosität und poetischer Bedeutsamkeit des Inhalts«.
Joachim als Brahms’ Berater
Da Johannes Brahms selbst nicht gut genug Geige spielte, baute er bei der Entstehung seines Violinkonzerts auf die Unterstützung seines langjährigen Freundes und Konzertpartners Joseph Joachim: »Ich wollte Dich natürlich bitten zu korrigieren, meinte, Du solltest nach keiner Seite eine Entschuldigung haben – weder Respekt vor der zu guten Musik, noch die Ausrede, die Partitur lohne der Mühe nicht. Nun bin ich zufrieden, wenn Du ein Wort sagst und vielleicht einige hineinschreibst: schwer, unbequem, unmöglich usw.« (Brief aus Pörtschach, 22. August 1878)
Die Violine behält die angestammten und angeborenen. Herrscherrechte, aber sie verzichtet auf ihr einstiges absolutes Regiment, bequemt sich zur konstitutionellen Regierung und fährt gut dabei.
MAX KALBECKüber Brahms’ Violinkonzert
Uraufgeführt wurde das Werk schließlich – ähnlich wie Beethovens Violinkonzert vorerst mit bescheidenem Erfolg – am Neujahrstag 1879 im Leipziger Gewandhaus. Brahms dirigierte, Joachim spielte die Geige. Der Brahms-Biograph Max Kalbeck berichtet, dass das Violinkonzert wiederholt als »Symphonie mit obligatem Instrumentalsolo« charakterisiert worden sei. Brahms habe allerdings »ohne die Prinzipalstimme in ihrer prädominierenden Stellung zu erschüttern, ihr gegenüber dem begleitenden Orchester ein künstlerisches Gegengewicht von grundlegender Bedeutung gegeben«.
Brahms hatte das Violinkonzert in Pörtschach am Wörthersee komponiert. Zur selben Zeit war er dort auf die 15-jährige Geigerin Marie Soldat aus Graz aufmerksam geworden. Er vermittelte sie daraufhin Joseph Joachim als Studentin an die Königliche Hochschule für Musik Berlin. Marie Soldat sollte die erste Frau werden, die Brahms’ Violinkonzert öffentlich spielte – und zwar im März 1885 bei der Wiener Gesellschaft der Musikfreunde, in Gegenwart des Komponisten. Im Herbst 2024 ist das Stück gleich zweimal im Wiener Konzerthaus zu hören: Während Julia Fischer am 26. September alle drei Violinkonzerte der »großen B« – Bach, Beethoven und Brahms – kombiniert, steht am 15. Oktober ausschließlich Brahms auf dem Programm, mit Nikolaj Szeps-Znaider als Solisten.
Vom Miteinander mit dem Orchester
Hin zum Geigenrepertoire des 20. Jahrhunderts führt das Konzert vom 18. Oktober: Midori spielt Sergej Prokofjews erstes Violinkonzert in D-Dur op. 19. Zwischen 1915 und 1917 zeitgleich mit der »Symphonie classique« entstanden, zeichnet es sich durch seine melodischen und lyrischen Qualitäten aus. Auf manche Zeitgenoss:innen wirkte die Musik zu romantisch, der Komponist Georges Auric etwa attestierte Anklänge an Mendelssohn. Uraufgeführt wurde das Violinkonzert erst 1923 vom Pariser Opernorchester, dirigiert von Serge Koussevitzky. Da sich kein profilierter Geiger dafür fand, spielte der Konzertmeister Marcel Darrieux als Solist. Hier schließt sich der Kreis zum Beethoven’schen Konzept des »symphonischen« Violinkonzerts, das weniger auf virtuose Alleingänge als auf den im Miteinander geschaffenen Gesamtklang setzt.
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Sa, 07/09/24, 19.30 Uhr · Großer Saal
Saisoneröffnung
Pittsburgh Symphony Orchestra · Mutter · Honeck
Anne-Sophie Mutter Violine
Manfred Honeck Dirigent
John Adams Short Ride in a Fast Machine. Fanfare für Orchester
Felix Mendelssohn Bartholdy Konzert für Violine und Orchester e-moll op. 64
Gustav MahlerSymphonie Nr. 1 D-Dur
Restkarten nach Verfügbarkeit:
https://konzerthaus.at/konzert/eventid/61633
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Do, 26/09/24, 19.30 Uhr · Großer Saal
Wiener Symphoniker · Fischer · Boreyko
Julia Fischer Violine
Andrey Boreyko Dirigent
Johann Sebastian Bach Konzert für Violine, Streicher und Basso continuo a-moll BWV 1041
Ludwig van Beethoven Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 61
Johannes Brahms Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 77
Karten:
https://konzerthaus.at/konzert/eventid/61644
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Di, 15/10/24, 19.30 Uhr · Großer Saal
Budapest Festival Orchestra · Szeps-Znaider · Fischer
Nikolaj Szeps-Znaider Violine
Iván Fischer Dirigent
Johannes Brahms Ungarischer Tanz Nr. 17 fis-moll ( Bearbeitung für Orchester: Antonín Dvořák)
Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 77
Ungarischer Tanz Nr. 3 F-Dur (Fassung für Orchester)
Symphonie Nr. 3 F-Dur op. 90
Karten:
https://konzerthaus.at/konzert/eventid/61678
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Fr, 18/10/24, 19.30 Uhr · Großer Saal
Wiener Philharmoniker · Midori · Nelsons
Midori Violine
Andris Nelsons Dirigent
Sergej ProkofjewKonzert für Violine und Orchester Nr. 1 D-Dur op. 19
Gustav MahlerSymphonie Nr. 5