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Die Magie des erfüllten Augenblicks

Die Magie des erfüllten Augenblicks

Krystian Zimerman gibt einen seiner raren Klavierabende im Wiener Konzerthaus, wo er zuletzt 1985 zu hören war

VON MARTIN WILKENING

Dem Ausnahmepianisten Krystian Zimerman ist gelungen, was nur wenigen gelingt: präsent zu sein im Musikleben und im Bewusstsein der Hörer:innen, ohne sich deswegen den harten Regeln des Marktes unterwerfen zu müssen. Seit 1981, als in seiner polnischen Heimat das Kriegsrecht verhängt wurde, lebt Zimerman in der Schweiz, schon damals abgesichert durch einen lebenslangen Schallplattenvertrag mit dem gelben deutschen Klassiklabel, den er abschließen konnte, bald nachdem er 1975 als 19-Jähriger unangefochten den Warschauer Chopin-Wettbewerb gewonnen hatte.

Heute spielt er maximal fünfzig Konzerte im Jahr, nachdem er in den USA nicht mehr auftritt mittlerweile einen großen Teil davon auf Tourneen durch Ostasien, wo er auch seine beiden letzten Solo-CDs mit Werken von Schubert und Szymanowski aufgenommen hat, mit eigenem Equipment, bei nächtlichen Sitzungen in den besten Konzertsälen Japans. Vielfach ausgezeichnet wurden fast alle seine Einspielungen, aber nicht diese bilden, wie der Pianist selbst sagt, das Zentrum seiner Arbeit, sondern das Konzert.

Vor allem Zimermans nicht so häufige Soloabende sind im wahren Sinne des Wortes ein Geschenk, denn sie öffnen seinem Publikum den Blick in eine Gegenwelt – die Welt einer Kunst, die nicht der Aufmerksamkeitsökonomie folgt, sich von jedem Drang nach Selbstdarstellung gelöst hat, die ihren Glanz von innen heraus entfaltet, und in der wir deshalb Dinge erfahren können, die für unser Leben essentiell sind, ohne dass wir uns dessen immer bewusst sind. Nicht unwesentlich dabei ist die Entschleunigung, das Warten-Können auf den günstigen Augenblick. Der stellt sich, wenn er denn gelingt, im Zusammenspiel der unterschiedlichsten Faktoren im Konzert ein, wo man den Pianisten noch einmal ganz anders erleben kann als in seinen Aufnahmen. Der Aufwand, den der Präzisionsfanatiker und empfindsame Stimmungsmensch für seine Konzerte betreibt, ist enorm, und doch dient er ihm am Ende nur dazu, die äußeren Umstände des Musikmachens vergessen zu können.

Zu seinen Live-Auftritten reist Zimerman seit den späten 1980erJahren nur noch mit seinem eigenen Flügel an, den er, je nach den Anforderungen der Stücke und der Akustik des Raumes, selbst umbaut. Dazu wählt er unter etwa zwanzig verschieden eingestellten Klaviaturen, die mit dem Steinway-Rahmen und Resonanzkörper kombiniert werden. Mit dem Tüfteln und dem Erwerb der handwerklichen Grundlagen hat Zimerman bereits in seinem Studium bei Andrzej Jasiński an der Musikakademie im polnischen Katowice begonnen. Er kann selbst Saiten drehen und Hämmer herstellen und forscht auch heute noch an Details in enger Zusammenarbeit mit den Klavierbauern in Hamburg.

Zimermans letzter Auftritt im Wiener Konzerthaus liegt lange zurück. 1985 spielte er einen Duo-Abend mit der Geigerin Kyung-Wha Chung. Wenn er jetzt alleine ins Konzerthaus zurückkehrt, verbindet er dies mit der Freiheit, die ihm die Kammermusik nicht gewähren kann, nämlich ohne sich vorab auf ein detailliertes Programm festlegen zu müssen. Vielleicht tüftelt er auch daran bis zum letzten Augenblick, um alle inneren und äußeren Schwingungen in Einklang zu bringen, damit sich die Magie eines erfüllten Augenblicks entfaltet. Vielleicht ist es aber auch so, wie er in Interviews auf die Frage nach dem kommenden Programm gerne sagt: »Ich weiß es genau, aber ich verrate es niemandem.« Das Warten-Können gehört dazu, auch für sein Publikum. Und man kann ihm vertrauen.

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Do, 17/10/24, 19.30 Uhr · Großer SaalKlavierabendKrystian Zimerman

Das Programm wird noch bekannt gegeben.

Karten:https://konzerthaus.at/konzert/eventid/61683

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