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Max Pimpernelli, Träger des Internationalen Bergischen Kunstpreises

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Paragrafenreiter

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„dancing clown“, 2019, Öl auf Leinwand, © Max Pimpernelli

Reflexion mit Stuhl und Briefen Max Pimpernelli, Träger des Internationalen Bergischen Kunstpreises, sucht wechselnde Mittel, mit denen er auch schon mal einen ganzen Raum gestaltet

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Max Pimpernelli, Foto: Privat

Der Internationale Bergische Kunstpreis 2020 geht an den 1990 geborenen Max

Pimpernelli. Mit seinem Bild „dancing clown“ erhielt er den Zuschlag unter rund 200 eingereichten Bewerbungen. Die 74. Internationale Bergische Kunstausstellung im Kunstmuseum Solingen zeigt dieses sowie Werke 15 ausgewählter weiterer Teilnehmenden.

Wie kam es zum Sieg? Was macht den Künstler generell aus – und seine Kunst? Zunächst zur Teilnahme: Für den Internationalen Bergischen Kunstpreis hatte Pimpernelli, Student an der Düsseldorfer Kunstakademie seit 2014 und zuvor in Dortmund, sich kurzfristig beworben. Nach Ausschreibungen hatte er zwar schon viel geschaut, doch an die Meldung für Solingen ging er erst knapp. Insgesamt acht Arbeiten reichte er ein, darunter den dann siegreichen „Clown“. Zur Begründung hieß es: „Max Pimpernelli überzeugte die Jury mit seiner Malerei und ungewöhnlichen Bildkompositionen. Seine Bildsprache ist geprägt von kontrastreicher Farbgebung und klarer Formensprache. Dabei stehen gestische, abstrakte Farbfelder neben detailreicher Figuration. Grafische Elemente kombiniert der Künstler mit geometrischen Formen. Skripturale Zeichen stehen neben surrealen Bildkomponenten. Bekannte Symbole und Zeichen fungieren als semiotische Bedeutungsträger, deren Code der Betrachter entschlüsseln kann. Kunsthistorische Referenzen an bekannte Ikonen der Malerei sind erkennbar. Pimpernelli schafft daraus ein ganz eigenes Vokabular, das kraftvoll, sicher und eigenständig den Bildraum füllt.“

„Dancing clown“, ein Ölbild auf Leinwand, fällt auf durch Farbe und klare Struktur. Ein wenig wirkt es, als würden Strenge und Spiel gegen- oder zumindest nebeneinander gesetzt. Geometrisch exakt das schwarze Dreieck als Körper der Figur, ebenso das helle Rechteck im Hintergrund. Andere Elemente sind ungewohnt, und die enorm lange Nase legt nahe, dass dieser Clown auch zwischen Wahrheit und Lüge tanzen könnte.

Freilich: Wer den Jurytext noch vor Kenntnis des Bildes liest, könnte zögern, die Aussagen am Bild dann komplett wiederzufinden. „Symbole“, „skripturale Zeichen“ und „Referenzen“ lassen vorab an Detailreichtum denken, an Eklektizismus vielleicht und an Collagen. Verglichen damit scheint der Aufbau des Bildes dann überschaubar. Vermutlich meint die Jury auch Pimpernellis eingereichtes Gesamtkonvolut. Unbestritten jedenfalls, dass die Beschreibung sein Schaffen allgemein gut treffen dürfte. Einleuchtend ist das spätestens nach einem Besuch des Künstlers in Düsseldorf.

Im Stadtteil Oberbilk lebt Pimpernelli seit Neuerem in einer Wohngemeinschaft, die man wohl als Studenten- und Künstler-WG im besten Sinn bezeichnen darf. Eine gastfreundliche Küche, überall viel zu entdecken, an den Wänden Kunstwerke auch von Kolleginnen und Kollegen, seine Freundin und Mitbewohnerin ist Punkmusikerin. Einblick gibt es hier auch in Pimpernellis im Werden begriffene Abschlussarbeit. Und dies nun bringt denn auch den Eindruck von besagter Schaffensart.

Diese Arbeit nämlich mag durchaus collagenhaft sein, vielteilig und innovativ ist sie jedenfalls - und geht außerdem entschieden in die dritte Dimension. Einen Raum wird Pimpernelli gestalten, und Elemente darin sind Möbel, Bilder oder auch ein Buch. Einflussfaktoren, könnte man sagen, denn Einfluss nehmen auf Räume interessiert den Künstler. Keinesfalls wahllos indes wirkt die Zusammenstellung: Es gibt ein Thema und einen Bezugsrahmen, wenn man so will: das Kinderbuch „Wo die wilden Kerle wohnen“ von Maurice Sendak. Ein Lieblingsbuch, und Pimpernelli liest es als Geschichte einer Selbstverortung – und zur Position (auch) des Künstlers in der Gesellschaft.

Ein Examen so zu rahmen: Das scheint nicht zuletzt Beispiel für Pimpernellis unerschrockenen Zugriff in der Auswahl der Mittel, ohne doch beliebig zu sein. Ausgeführt, wird man sagen dürfen, ist die Suche nach der eigenen Position hier am Phänomen Arbeitslosigkeit, genauer am „Aufhören zu arbeiten“. Pimpernelli selbst war bis dahin in der Jugendhilfe tätig sowie in der persönlichen Pflegeassis-

„angry clowns“, Öl auf Leinwand, © Max Pimpernelli

tenz. Und was er nun auffährt zur kreativen Bearbeitung dieses Aspekts, das sind einerseits Möbel: ein Tisch und ein Stuhl, die seinen eigenen im Zimmer nachgebaut sein werden. Neben manchem mehr zählt dazu ein „Buch“, ein Ordner, der heute zur Einsicht bereitliegt und sich noch weiter füllen wird. Bereits enthalten ist Malerei, aber auch ganz anderes, so privat wie scheinbar prosaisch: Pimpernellis Korrespondenz mit der Arbeitsagentur. Nicht eben üblich als Kunstobjekt wie auch als Examensteil; nur ein Teil der Reflexion, ein Teil des Raums. Aber mit klarer Richtung: Im Selbstverständnis des Künstlers will Pimpernelli die klassische Erzählung vom schöpferischen Einzelgänger nicht fortschreiben. Seinen Platz, das soll seine Arbeit offenbar vermitteln, sieht er in der Gesellschaft.

„Grinchcore“, Öl auf Leinwand, © Max Pimpernelli

Nicht zuletzt deshalb grätscht die Corona-Lage ihm übrigens ungünstig dazwischen: Mehr noch als es Absolventinnen und Absolventen ohnehin tun, hatte Pimpernelli auf Publikum gesetzt, das seine Abschlussarbeit zu Gesicht bekommen sollte. Gern in großer Zahl – Stichwort Gesellschaft. Große Zahl? Infektiologisch ist das derzeit leider ein Problem. Immerhin: Die Internationale Bergische Kunstausstellung gibt der Öffentlichkeit Gelegenheit, mit Pimpernellis Gewinnerbeitrag „dancing clown“ und den weiteren ausgewählten Werken zusammenzutreffen. Vom 22. September bis zum 1. November 2020 sind sie im Kunstmuseum Solingen zu sehen. Martin Hagemeyer

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