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Paragrafenreiter

Kann ich als Vater eines kommunistischen Sohnes Steuern sparen?

Was bisher geschah: Friedrich Engels wurde in Barmen geboren, ging zur Schule, machte eine Lehre und hätte seinem Vater währenddessen nach heutigem Steuerrecht bis zu seinem 22. Lebensjahr jährlich einen steuersparenden Kinderfreibetrag verschafft.

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Doch dann lief Friedrichs Leben nach Ansicht seines Vaters schief und dem bis dahin vielversprechenden Kaufmannssohn Karl Marx über den Weg.

Tatsächlich hätte Friedrich im Jahr 1844 nach einem zweijährigen Aufenthalt in Manchester nach Barmen zurückkehren und weiterhin für seinen Vater arbeiten sollen. Dummerweise machte er auf dem Heimweg einen kleinen Abstecher nach Paris, dem damaligen Wohnort von Karl Marx, und hatte danach keine Lust mehr, seinen Lebensunterhalt als Kaufmannsgehilfe zu verdienen. Lieber wollte er das als Journalist und Schriftsteller tun.

Das gestaltete sich allerdings schwierig, weil die Zeit offenbar noch nicht reif für die Gedanken der beiden Freunde war und beide kaum Geld für ihre philosophischen und nationalökonomischen Schriften erhielten. Aber zumindest hatte Friedrich vermögende Eltern, bei denen er nach seinem Besuch bei Karl wieder wohnen, essen und den Kommunismus propagieren konnte. Vater Engels fand das zwar peinlich, gewährte seinem Sohn aber Unterkunft und wäre damit auch nach heutigem Steuerrecht gar nicht so schlecht gefahren. Denn auch wenn er aufgrund des Alters und der abgeschlossenen Ausbildung seines Sohnes keinen Kinderfreibetrag mehr für ihn erhalten hätte, so hätte er doch für ein zu seinem inländischen Haushalt gehörendes Kind, das weder eigenes Einkommen noch Vermögen hat, im Jahr 2020 bis zu 9408 € als außergewöhnliche Belastung einkommens- und steuermindernd gelten machen können – trotz des bedenklichen Lebenswandels seines Sohnes.

Denn der hielt zur Erbauung der dortigen Kaufmannschaft in mehreren Elberfelder Hotels Vorträge über den Kommunismus. Arbeiter besuchten diese Veranstaltungen nicht, aber immerhin behauptete Friedrich in einem Brief an Karl, es sei ihm gelungen, den Barmer Polizeikommissionär von ihren Ideen zu überzeugen. Mit dem Elberfelder Oberbürgermeister und dem Düsseldorfer Regierungspräsidenten gelang ihm das nicht – als im Frühjahr 1845 seine Verhaftung kurz bevorstand, setzte er sich nach Belgien und später nach England ab.

Leider wird für im Ausland lebende unterhaltsberechtigte und erwerbsfähige Personen angenommen, sie seien in der Lage, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Die Zahlungen an sie werden nicht als außergewöhnliche Belastung im Sinne heutigen Steuerrechts anerkannt. Im Sinne eines Vaters, Unternehmers und Pietisten war Friedrich jedoch eine mehr als außergewöhnliche Belastung: Ein Sohn, der kommunistisches Gedankengut verbreitete, davon noch nicht einmal leben konnte, ins Ausland flüchten musste und dort dauerhaft der finanziellen Unterstützung bedurfte, war die Höchststrafe! (Fortsetzung folgt)

Susanne Schäfer

Susanne Schäfer,

Steuerberaterin,

Geschäftsführerin der

RINKE TREUHAND GmbH

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