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die beste Zeit“ zu Besuch bei der Dr. Werner Jackstädt-Stiftung

Dr. Marc Kanzler,

Rolf-Peter Rosenthal

Advertisement

und Michaela Steffen

im Gespräch

„Wuppertal ist eine Stadt, in der Ideen wahr werden“ „die beste Zeit“ zu Besuch bei der Dr. Werner Jackstädt-Stiftung

Die Dr. Werner Jackstädt-Stiftung agiert bundesweit, doch ihr Herz schlägt in Wup- pertal. Ein vierköpfiger Vorstand entschei- det, was gefördert wird – von der Kleinspen- de an Vereine bis zur Stiftungsprofessur.

Beim Blick auf die Liste der Projekte, welche die Dr. Werner Jackstädt-Stiftung seit ihrer Gründung 2002 in Wuppertal gefördert hat, könnte man beinahe scherzhaft auf die Idee kommen, die bergische Metropole in Jackstadt umbenennen zu wollen. Ohne die millionenschwere Hilfe der Stiftung gäbe es vermutlich kein über den geplanten Standard hinaus umgebautes und restauriertes Opernhaus, keine Junior Uni, kein Pina Bausch Archiv, keine sanierte Schwimmoper, kein Theater am Engelsgarten, keine Blockbuster-Ausstellungen im von der Heydt-Museum, keine Nordbahntrasse (die offiziell Dr.-Werner-JackstädtWeg heißt). Um nur einige der „Leuchtturm“-Projekte zu nennen, die weit über die Region hinaus strahlen und zu deren Realisierung die Stiftung – neben anderen Förderinnen und Förderern – einen entscheidenden Beitrag geleistet hat. Nur: Wieder einmal bloß diese Projekte besonders hervorzuheben wird dem, was die Stiftung leistet, gerade nicht gerecht.

So viel dämmert einem schon, wenn man einen Blick auf die recht nüchtern gehaltene Webseite der Stiftung wirft, auf der die verschiedenen Förderbereiche mit ihren Projekten aufgelistet sind. „Die beste Zeit“ wollte mehr über diese Aktivitäten wissen und einmal hinter die Kulissen der Institution schauen, die zwar durch ihr Wirken bekannt ist, im Stadtleben selbst aber wenig präsent scheint. Wer sind die Menschen, welche Jahr für Jahr die Verteilung von Millionensummen verantworten – und wie ist das in Niedrig- bis Nullzinszeiten überhaupt möglich?

Zeuge von Beginn an ist Rolf-Peter Rosenthal. Der frühere Direktor der Deutschen Bank in Wuppertal, Jahrgang 1935, hat Werner Jackstädt über mehr als 45 Jahre hinweg beim Aufstieg seiner Firma von der vom Vater übernom

menen Feinpapiergroßhandlung zum weltweit führenden Hersteller selbstklebender Papiere und Folien mit Milliardenumsatz und Standorten in 19 Ländern auf fünf Kontinenten begleitet. Und er hat bereits 2002 gemeinsam mit Werner und Lore Jackstädt sowie dem Wirtschaftsprüfer Dr. Rolf Kanzler, wie er selbst Beiratsmitglied der JackstädtGruppe, die Stiftungsgründung auf den Weg gebracht; er ist seitdem Mitglied des vierköpfigen Vorstandes und seit April 2020 dessen Vorsitzender. Das kinderlose Ehepaar Jackstädt brachte nach dem Verkauf der Firma ein Vermögen von knapp 200 Millionen Euro in die Stiftung ein. Laut Satzung eine Stiftung „mit Ewigkeitswert“ – heißt: Sie sollte keine Verluste machen und darf das Stiftungskapital nicht angreifen.

Trotzdem hat die Jackstädt-Stiftung in den vergangenen 18 Jahren über 65 Millionen Euro verteilt. Etwa zweieinhalb Millionen Euro im Jahr fließen derzeit in die diversen Projekte. „Früher konnten wir ein Mehrfaches davon ausschütten“, sagt Rosenthal nicht ohne Bedauern. Gleichwohl: Wie sorgt man dafür, dass (immer noch) so viel Geld sinnvoll ausgegeben wird? „Werner Jackstädt hat die Stiftungstätigkeit in den ersten zweieinhalb Jahren noch aktiv begleitet, sodass er uns die Richtung vorgeben konnte“, erklärt Rosenthal und ergänzt: „Das war ein Glück.“ Der Unternehmer verstarb 2005 im Alter von 80 Jahren. Danach führte seine Ehefrau Lore Jackstädt als Vorstandsvorsitzende die Stiftung bis zu ihrem Tod 2019 im hohen Alter von 94 Jahren.

Neben der Förderung kultureller und sozialer Zwecke seiner Heimatstadt Wuppertal verfügte Werner Jackstädt die Förderung zweier weiterer Bereiche, die ihm aus persönlichen Gründen besonders am Herzen lagen – und wirkt damit bis heute weit über Wuppertal hinaus. Zum einen ist das die medizinische Forschung in den Bereichen Augenheilkunde, Onkologie und Nierenheilkunde, in denen die Stiftung Forschungsprojekte fördert, Stipendien vergibt und eine Stiftungsprofessur unterhält. Zum anderen ist das der Bereich der Wirtschaftswissenschaften . Was dem Laien zunächst ein wenig unkonkret vorkommen mag, wird in den Dimensionen klarer, wenn Dr. Marc Kanzler, Unternehmensberater und seit 2008 Vorstandsmitglied der Stiftung, nur einige der Aktivitäten in diesem Bereich aufzählt: Die Stiftung vergibt u.a. Fellowships für junge Professorinnen und Professoren der Betriebswirtschaft und einen Gründungspreis für Startup-Unternehmen. Sie finanziert „Teaching Grants“ zur Internationalisierung der Hochschullehre und eine Stif

Rolf-Peter Rosenthal, Vorstandsvorsitzender der Jackstädt-Stiftung

tungsprofessur an der Universität Witten-Herdecke für Controlling und Allgemeine Betriebswirtschaftslehre; sie hat an der Handelshochschule in Leipzig zehn Jahre lang eine Stiftungsprofessur finanziert und eine weitere an der Uni Mannheim. Sie gründete das Zentrum für Unternehmertum und Innovationsforschung an der Bergischen Universität Wuppertal, und seit 2011 gibt es das Dr. Werner Jackstädt-Zentrum für Unternehmen und Mittelstand in Flensburg, ein Gemeinschaftsprojekt der dortigen Universität und der Fachhochschule – eine Seltenheit in der Hochschullandschaft. „Wichtig ist für uns auch, dass wir es nicht nur bei der Förderung belassen“, erklären die Vorstandsmitglieder. Einmal im Jahr organisiert die Stiftung ein Treffen, bei dem die Geförderten zusammenkommen und in Kurzvorträgen über ihre Forschung berichten. Dadurch sei ein beeindruckendes und dynamisches Netzwerk entstanden, in dem Wissen ausgetauscht werde und Kontakte geknüpft würden.

Aber wer entscheidet eigentlich, welche Projekte und Forschungsvorhaben, welche sozialen und kulturellen Aktivitäten in welchem Umfang gefördert werden sollen? Schließlich kann man kaum erwarten, dass Entscheidungsträger Expertise in so verschiedenen Bereichen zugleich mitbringen. „Jedem der drei Bereiche steht ein dreiköpfiges Kuratorium aus hochkarätigen Fachleuten zur Seite, welche die eingehenden Anträge prüfen. Sie geben ihre Empfehlungen an den Vorstand weiter, der dann letztlich entscheidet“, erklärt Michaela Steffen. „Dabei stößt gesunder Menschenverstand auf sehr große Expertise – das ist eine gute Kombination“, ist sie überzeugt. Die gelernte Bankkauffrau und Tochter von Rolf-Peter Rosenthal ist seit Mai 2019 neu im Vorstandsteam. Zweiter Neuzugang ist der Rechtsanwalt und Steuerberater Jörg Kanzler, Sohn

Dr. Marc Kanzler und Michaela Steffen, Vorstandsmitglieder der der Dr. Werner Jackstädt-Stiftung

des bisherigen Vorstandsvorsitzenden Dr. Rolf Kanzler. Während früher der Vorstand vom Stifterehepaar bestellt wurde, wird er nach deren Tod nun von den Kuratorien gewählt. Deren Mitglieder wiederum werden für vier Jahre mit der Option auf nur eine Wiederwahl vom Vorstand berufen. Ein System, das sich bewährt hat, um für frische Impulse zu sorgen und Verkrustungen zu vermeiden. „Wir sind glücklich, dass es uns auch im letzten Jahr gelungen ist – wie schon in den beiden Generationen davor –, wieder Persönlichkeiten mit großer Ausstrahlung, außergewöhnlicher Expertise und Engagement gewinnen zu können“, erklären die Vorstandsmitglieder übereinstimmend.

Mithin steht jetzt auch die dritte Vorstandsgeneration in der Verantwortung, die sich mit dem letzten Wechsel zugleich um einiges verjüngt hat. Dass sowohl Michaela Steffen, die ihrem Vater von Anfang an als Assistentin in der Stiftungsarbeit zur Seite gestanden hat, wie auch der noch von Lore Jackstädt in den Vorstand berufene Marc Kanzler sowie Jörg Kanzler quasi „dynastisch“ in die Aufgabe hineingewachsen sind, sorgt für Kontinuität. „Wir kennen tatsächlich alle Projekte in- und auswendig“, sagt Michaela Steffen lachend. Zugleich bringen alle auch die notwendige Offenheit für Veränderung mit, denn auch Weiterentwicklung ist schließlich notwendig. Eine Gratwanderung. Der Geist des Gründers scheint noch immer sehr präsent in den Räumen der Stiftung, die in einer schmucklosen Büroetage in der Laurentiusstraße in Elberfeld residiert.

Deshalb macht es sich das Vorstandsteam bei der Entscheidung auch keineswegs leicht. Jeder einzelne Antrag wird gemeinsam diskutiert. Alle drei Förderbereiche erhalten jeweils insgesamt die gleiche Summe. Für Wuppertal ist der Aufwand freilich bei Weitem am größten. Bis zu hundert Anträge im Jahr bekommen hier den Zuschlag – geprüft werden müssen meist mehr als doppelt so viele. Nichts wird einfach durchgewunken oder einfach fallen gelassen. Das reicht von der Fünfhundert-Euro-Spende an die Igelstation bis zu den fünf Millionen für die Sanierung des Opernhauses. Sehr viele Spenden bewegen sich im Bereich von zwei- bis dreitausend Euro. Ein wichtiger Aspekt ist auch, dass die Zuwendung der Stiftung für Antragstellerinnen und -steller häufig ein Hebel ist, um öffentliche Fördergelder zu akquirieren, bei denen ein größerer Eigenanteil eingebracht werden muss. Auf dass aus Geld mehr Geld werde. Alles zum guten Zweck, versteht sich.

Genau das – dass aus Geld mehr Geld wird – ist für eine Stiftung allerdings heute keineswegs mehr selbstverständlich. Dass auch eine Summe von rund zweihundert Millionen Euro einmal kaum Zinsen abwerfen würde, aus denen man die Stiftungsarbeit finanzieren könnte, hätte sich Dr. Werner Jackstädt seinerzeit wohl nicht vorstellen können. „Aber wenn zweihundert Millionen Euro im Kapitalmarkt angelegt sind und man fast nichts dafür herausbekommt, da blutet wirklich das Herz“, bekennt Michaela Steffen, „damit wollten wir uns nicht abfinden.“ „Der Niedrigzins hat uns vor völlig neue Herausforderungen gestellt“, ergänzt Marc Kanzler. „Seit Jahren haben wir uns damit auseinandergesetzt“. Die Lösung lautet: Umschichten vom Kapitalmarkt in aktive Investitionen. Bedeutet: Die Stiftung muss das Geld, das sie verschenken will, selbst verdienen. Und dafür haben die Verantwortlichen eine ebenso überraschende wie kluge, weil lukrative und

zugleich nachhaltige und soziale Lösung gefunden: Die Stiftung investiert in das Bauen und Vermieten von Kindertagesstätten. Auftraggeber sind sowohl städtische wie auch private oder kirchliche Träger. Ein Markt, der noch lange nicht gesättigt ist, weil weit davon entfernt, für alle Anspruchsberechtigten den gesetzlich zugesicherten Platz bereitzuhalten. Und auf dem die Stiftung auf die Laufzeit der Investitionen einen über der Kapitalmarktrendite liegenden Ertrag erwirtschaftet. Geld, das anders als einem klassischen Investor dem Gemeinwohl wiedergegeben wird. Eine extreme Win-win-Situation.

Gesellschaftlich dringend benötigte Einrichtungen zu befördern, damit auch noch Geld zu verdienen und dieses dann wieder in kulturelle, soziale und wissenschaftliche Zwecke fließen zu lassen, die dem Gemeinwohl dienlich sind – dieses Modell überzeugt auch Menschen, die wie einst Lore und Werner Jackstädt eine größere Menge Geldes einfach „übrig haben“, wie der Stiftungsgründer es einmal lakonisch ausdrückte. „In den letzten Jahren haben wir einige schöne Zustiftungen bekommen, worüber wir uns sehr gefreut haben“, berichtet Michaela Steffen.

Und sie selbst und ihre Vorstandskollegen – wofür geben sie wohl das ihnen anvertraute Geld am liebsten aus? Gibt es echte Herzensprojekte auf der langen Liste? Rolf-Peter Rosenthal will sich da nicht so recht festlegen: „Grundsätzlich habe ich zu allen Bereichen eine besondere Hinwendung“, sagt er – nennt aber dann doch besondere Herzensprojekte: „Ich denke da zum Beispiel an die Junior Uni, das Hospiz am Dönberg, das Kinderhospiz Burgholz, das Frauenhaus und die Wuppertaler Tafel.“ Auch Dr. Marc Kanzler betont: „Nein, für mich ist jeder Bereich gleich spannend, und es ist immer wieder faszinierend, sich da hineinzudenken.“ Michaela Steffen verfolgt als Vorstandsmitglied des Vereins „Fighting Spirits“, ein Musikprojekt für krebskranke Kinder und Jugendliche, bereits ein eigenes Herzensprojekt. Was die Arbeit der Jackstädt-Stiftung angeht, habe sie keine Präferenzen, erklärt sie. Oder doch: „Mein Herz schlägt für Menschen, die wirklich für etwas brennen, die etwas nach vorn bringen wollen und trotz Gegenwind dranbleiben“, sagt sie. Die Junior Uni, die Nordbahntrasse oder Utopiastadt sind für sie beste Beweise dafür. Und gerade in Wuppertal sieht sie in dieser Hinsicht immer wieder großes Potenzial. „Wuppertal ist eine Stadt, in der Ideen wahr werden.“ Die Dr. Werner Jackstädt-Stiftung wird auch in Zukunft dabei ein nicht unwesentlicher Faktor sein. Anne-Kathrin Reif / Fotos: Willi Barzcat

Die Vorstandsmitglieder neben einem Foto von Werner und Lore Jackstädt

Es fehlt das vierte Vorstandsmitglied Jörg Kanzler

Die Dr. Werner Jackstädt-Stiftung ist eine selbständige, gemeinnützige Stiftung bürgerlichen Rechts mit Sitz in

Wuppertal. Sie wurde im Herbst 2002 durch den Unternehmer Dr. h.c. Werner Jackstädt ins Leben gerufen. Ihr Zweck ist es einerseits, Wissenschaft und Forschung in Medizin und Wirtschaft gezielt zu unterstützen. Zum anderen will sie helfen das kulturelle und soziale Leben der Stadt Wuppertal, der Heimatstadt des Stifters, zu bereichern und das Stadtbild zu verschönern.

Der Vorstand: Rolf-Peter Rosenthal Vorsitzender

Dr. Marc Kanzler Jörg Kanzler Michaela Steffen

Das Kuratorium für Kultur und Soziales: Peter Jung Vorsitzender

Ralf Putsch Raphael Amend

Das Kuratorium für BWL: Prof. Dr. rer. pol. Malte Brettel Vorsitzender

Prof. Dr. Dr. h. c. Lambert T. Koch Dr. rer. pol. Kurt-Michael Pietsch

Das Kuratorium für Medizin: Prof. Dr. med. Andreas Kribben Vorsitzender

Prof. Dr. med. Aristoteles Giagounidis Prof. Dr. med. Albrecht Lommatzsch

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