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Die Steinbildhauerin Christiane Püttmann im Gespräch
verschiedene Natursteine,
Stahl
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„Marmor ist zickig“ Die Steinbildhauerin Christiane Püttmann im Gespräch
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„Ich muss mit dem Stein zusammenarbeiten“
Als ich Christiane Püttmann im Januar besuchte, arbeitete sie gerade an einem Auftrag für die Landesgartenschau in Kamp-Lintford. Dazu hat sie einen Basaltblock aufgekeilt. Aus dem noch unförmigen Stein soll ein Gesicht werden. Vorzeichnungen gibt es nicht, auch kein Modell, alles spielt sich im Kopf ab: „Ich muss zunächst ein Gefühl entwickeln für den Stein und dann das Gesicht hineinsehen, um irgendwann alles auf einen Punkt zu bringen. Den Stein aufzukeilen bedeutet, Löcher zu bohren, in diese Patentkeile einzustecken und dann so darauf zu schlagen, dass ich Material spalten kann. Das Hauen muss mit Gefühl passieren und mit der immer gleichen Intensität, damit der Stein gleichmäßig auseinanderfällt. Ich muss mit dem Stein zusammenarbeiten. Da kommt es auch sehr auf mein Befinden an. Bin ich überhaupt heute dazu in der Lage, in den Stein hineinzugeben, was ich will? Das Beste ist, wenn ich mein gesamtes Wissen über den Stein ausschalten kann.“ Einen Irrtum, einen Fehlschlag kann sich die Bildhauerin
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nicht erlauben, aber gerade das beglückt sie an ihrem Beruf: „Es ist wie mit dem Konditor und der Buttercremetorte. Er ist Herr über seine Tülle, da darf auch nichts schiefgehen. Das Keilen ist ein ganz anderer Vorgang als das Sägen, man kann den Stein nicht einfach durchsägen, sondern das Sägeblatt darf sich nur wenig absenken. Es funktioniert allerdings hundertprozentig, während das Keilen unberechenbar ist und viel mehr von der eigenen Physis eingeht, weil ich den Keil richtig bedienen muss. Sägen und Schleifen sind präzise vorauszuplanen, heute gibt es computergesteuerte Sägen, doch dadurch geht der Bezug zum Stein verloren, er wird zum beliebigen Material. Ich arbeite viel mit dem Drucklufthammer per Kompressor. Mit der Flex kann ich nichts anfangen, weil sie schnurgerade Schnitte macht. Meine Arbeit lebt von der Kombination verschiedener Verfahren. Das Keilen bedingt den Drucklufthammer – so bleibt es spannend!“
Wie kommt eine Frau auf die Idee, eine Steinbildhauerlehre zu machen? Manchmal sind gerade die Umwege aufschlussreich. Christiane Püttmanns Eltern hatten eine Teppichweberei. Aus den Wollfäden gestaltete das Kind Puppen – zum Entsetzen der Eltern, die ihre Tochter zu einer Lehre in die Apotheke der Tante schickten. Diese merkte schnell, dass sich die Nichte nicht mit oberflächlichem Wissen zufriedengeben wollte, und erreichte, dass sie eine Ausbildung als pharmazeutisch-technische Assistentin antreten konnte. Christiane Püttmann zog diese Lehre durch, auch wenn ihr das Lernen chemischer Formeln schwerfiel. Aber ins Detail zu gehen, auf den Grund der Dinge zu schauen, entsprach ihrer Wissbegier. Dennoch fühlte sie sich unausgefüllt, auch während sie an verschiedenen Apotheken arbeitete. Ständig war sie künstlerisch tätig und modellierte mit Makulatur und anderen Materialien, bis ihr ganz plötzlich die Idee kam, ihre Köpfe aus Stein zu hauen. Das war der Beginn ihres Umdenkens. Ein weiterer Anlass für die berufliche Umorientierung war der zufällige Besuch der Bildhauerklasse an der Kunstakademie Düsseldorf, wo sich Christiane Püttmann vergeblich beworben hatte. Als sie dann erfuhr, dass „Steinbildhauer“ ein ganz normaler Lehrberuf sei, stand für sie der Entschluss fest, umzusatteln. In Gregor Rasch fand sie einen Lehrmeister, der sie als
Blick aus dem Garten mit Travertinstelen, links, auf das bergische Fachwerkhaus
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Frau, Irish Limestone
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„Drachen“, Holz, Gras, Farbe
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Wasserspeier, Muschelkalk, Kupfer, Ausschnitt Frau ohne Vorbehalte akzeptierte, er war sogar so großzügig, ihr in der Werkstatt einen Platz zu überlassen, an dem sie arbeiten konnte, solange sie wollte, nachdem um Punkt fünf Uhr der letzte offizielle Hammerschlag gefallen war. Sie allerdings musste sich in der Männerwelt erst zurechtfinden, und ihr wurde klar: „Man ist viel allein, wenn man sich mit großen Steinen abgibt.“
Christiane Püttmann ist Realistin: „Fensterbänke und Arbeitsplatten, das war nicht meins. Aber Grabsteine mache ich furchtbar gern!“ Es hat dann einige Jahre mit mehrfachen Umzügen gegeben, bis sie den Mut hatte, sich selbstständig zu machen. 2015 schließlich konnte Christiane Püttmann auf dem Küllenhahn ein sehr altes bergisches Schieferhäuschen mit grünen Fensterläden und einem verwilderten Garten beziehen. Das Haus steht voll von größeren und kleinen Skulpturen, und an dem ansteigenden Hang hinter dem Haus hat sie einen Skulpturengarten angelegt, der sich ständig verändert. Konflikte mit dem Kunstmarkt hat sie nicht, ihre Skulpturen zeigt sie regelmäßig bei einen Tag der offenen Tür: „Da kommen die Leute und ‚begreifen’ meine Arbeiten oder erteilen Aufträge, was übrigens immer ein Wagnis ist. Ich habe meine Schiene gefunden und bin zufrieden.“
„Das Gärtnern ist über mich gekommen wie die Steine“
„Für mich ist der Garten wie eine Skulptur, die sich ständig verändert.“ Pflanzen kommen und gehen, verändern ihren Wuchs und ihre Standorte. Das Gärtnern gibt der Bildhauerin das „Herumgefühl“ wie beim Erschaffen ihrer Skulpturen: „An den Garten gehe ich nicht anders heran als an ein Gesicht.“ Ihre Arbeiten und die Natur gehen eine Symbiose ein, steinerne Köpfe speien Wasser, steinerne Blumen stehen zwischen Büschen, zwischen den Stauden verstecken sich kleine Häuser, oder Fische scheinen durch die Gräser zu schwimmen. Besonders einfallsreich sind die „Drachen“, die ich schon im letzten Sommer bestaunt habe: Zugespitzte größere Holzpfähle sind so in den Rasen eingesteckt, dass sie aussehen wie überdimensionierte Igel, die im Gras hausen. Monate später moderte das Holz bereits, und das wuchernde Gras machte sich durch die Stacheln breit. Jetzt, im Winter, sehe ich, dass die Bildhauerin bei einem dieser Drachen kurzerhand die Holzpfähle durch steinerne Spitzen ersetzt hat, wodurch ihm vorläufige Unsterblichkeit garantiert ist.
Immer mehr entdeckt Christiane Püttmann für sich die skulpturalen Qualitäten des Wassers, das sie, entsprechend der Topografie des hügeligen Gartens mit seinen zahllosen Mauern und Mäuerchen, in die verschiedensten Gefäße leitet. Zahlreiche Varianten von Brunnen sind entstanden mit verschiedensten Wasserspeiern, die unterschiedlich spucken. Das Fließgeräusch wird als „Geräuschklang“ wahrgenommen und absorbiert die Geräusche der Straße. Den Garten braucht Christiane Püttmann auch, weil er für sie einen lebendigen Kontrast zum Stein darstellt: „Ich schaue den Garten an wie eine Komposition.“
„Ich muss dem Material gerecht werden“
So schließt sich der Kreis; auch Steine sind weder tot noch ewig, sondern: „Jeder Stein ist eben anders, wie die Menschen, und verändert sich im Laufe des Lebens.“ Das fundierte Wissen über „ihr“ Material hat Christiane Püttmann in der Auseinandersetzung mit der Chemie und in ihrer Lehre als Steinbildhauerin gelernt: „Es genügt nicht, eine Arbeit herzustellen, sondern man muss wissen, wie man einen 200-Kilo-Sockel bewegt, wo er platziert werden kann und wie er sich im Laufe der Zeit verhalten wird.“ Darüber muss man sich bereits bei der Auswahl der Steine Gedanken machen: „Basalt ist ein sehr poröses Lavagestein, das man z. B. in der Eifel findet. Es kann Patina ansetzten, und in den Poren kann Gras wachsen. Auch Anröchter Dolomit kann eine schöne Patina bekommen, je nachdem, wo er aufgestellt wird, wie die Lichtverhältnisse sind und welche Pflanzen ihn umgeben. Er hat sehr verschiedene Farben und lässt sich gut bearbeiten.“ Muschelkalk findet die Bildhauerin bei Würzburg: „Er hat eine helle Farbe und eine schöne Wärme. Wenn man ihn bearbeitet, duftet er noch nach dem Meer, aus dem er vor Jahrmillionen entstanden ist. Je nach Standort und Behandlung kann er sich stark verändern. Flechten und Moose vergesellschaften sich gern mit Muschelkalk, wenn man ihn vor sich hinwuseln lässt. Marmor hingegen ist zickig. Man muss sehr vorsichtig sein, er merkt sich alles! Steinmetzmäßiges Bearbeiten nimmt er übel, er merkt sich Grobheiten. Es können sich Risse bilden, die beim Schleifen hervortreten, da kann dann Feuchtigkeit eindringen, die bei Frost zu Abplatzungen führt. Ich darf dem Stein nichts aufzwingen, was nicht in ihm ist. Ich bin Steinbildhauerin, ich arbeite mit der Masse Stein und muss dem Material gerecht werden – ohne Umwege.“ Marlene Baum Fotos: Willi Barczat
„Blüte“, Basaltlava, Blattgold, Ausschnitt
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„Fuchsstola“, Diabas, Stahl
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Christiane Püttmann
Bildhauerin
Skulpturengarten und Ausstellungsraum
Küllenhahner Straße 232, 42349 Wuppertal Tel.: 0202 29997897, mobil: 0175 4678665 geöffnet: freitags von 17 bis 19 Uhr, samstags von 13 bis 17 Uhr und gerne nach Vereinbarung
www.chr-puettmann.de
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