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Paragrafenreiter

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Kann ich mit der Erziehung eines vielversprechenden Kaufmannssohns Steuern sparen? Na klar – allerdings nur solange sich der Junge nicht für politische Ökonomie interessiert.

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Friedrich Engels senior jedenfalls hatte 22 Jahre lang nicht nur einen gehorsamen Sohn, auf den er stolz sein konnte, sondern sogar das ideale Kind im Sinne heutigen

Steuerrechts. Mit Jung Friedrich hätte sein Vater so ziemlich jeden Kinder- und Ausbildungsfreibetrag mitnehmen können. Erst als der Junior eigene Vorstellungen von seinem und dem Leben von Arbeiterklasse und Bürgertum entwickelte, ging‘s mit dem Einverständnis und den Freibeträgen bergab.

Aber der Reihe nach: Bis zu Friedrichs 18. Lebensjahr herrschte im Kinderzimmer und hätte in der Steuererklärung eitel Sonnenschein geherrscht. Friedrich ging zur Schule und lernte fleißig. Zu fleißig, wenn es nach seinem Vater ging. Friedrich wollte studieren, sein Vater wollte nichts anderes als einen Nachfolger im Geschäft, weshalb er seinen Sohn schon mit 17 vom Gymnasium in Elberfeld nahm. Steuerlich hätte er damit nichts falsch gemacht, einen Kinderfreibetrag gibt es bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs in jedem Fall, gleichgültig, ob das Kind zur Schule geht, eine Ausbildung macht oder studiert.

Statt Schule und Studium musste Friedrich bis zu seinem 18. Lebensjahr im Unternehmen seines Vaters und danach bis zu seinem 21. Lebensjahr im Geschäft eines befreundeten Kaufmanns in Bremen eine Ausbildung zum Handlungsgehilfen machen. Er stellte sich dabei gar nicht dumm an, was seinen Vater damals stolz machte und ihm heute - zusätzlich zum Kinderfreibetrag - für die auswärtige Unterbringung eines volljährigen Kindes in Berufsausbildung auch noch einen Ausbildungsfreibetrag beschert hätte. Der Umzug nach Bremen war für Friedrich spannend, für seinen Vater wäre er heutzutage steuersparend gewesen. Nach dem Abschluss seiner Ausbildung leistete Friedrich bis zu seinem 22. Lebensjahr in Berlin seinen Militärdienst ab – jedenfalls manchmal. Häufiger hörte er sich Vorlesungen zur Philosophie an der Berliner Universität an. Seine Sympathie und sein Verständnis für seinen Vater wurden geringer, die von diesem ansetzbaren Freibeträge auch. Für die Zeit der militärischen Grundausbildung hätte Engels senior noch einen Kinderfreibetrag geltend machen können, spätestens bei der Zweitausbildung – dem Studium nach vorheriger praktischer Ausbildung – wäre der Kinderfreibetrag endgültig entfallen.

Und mit Friedrichs 22. Geburtstag war dann eh alles vorbei. Der Kinderfreibetrag war weg, Engels traf Marx und entschied sich (vorübergehend), lieber zusammen mit seinem Kumpel Karl die politische Ökonomie nach vorne zu bringen als zusammen mit seinem Vater die Firma Ermen & Engels.

Ab dann stellte sich für Friedrich eine neue Frage: Kann ich mit der Erfindung des wissenschaftlichen Sozialismus Steuer sparen? (Fortsetzung folgt)

Susanne Schäfer

Susanne Schäfer,

Steuerberaterin,

Geschäftsführerin der

RINKE TREUHAND GmbH

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