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Interview Anja Karliczek

sprach exklusiv mit Bundesbildungsministerin Anja Karliczek, wie Bildungseinrichtungen mit der Corona-Krise umgehen.

Das Interview führte Frederike Holewik.

–Die Coronakrise hat deutschlandweit zu Schul- und

Universitätsschließungen geführt. Unterricht musste in kürzester Zeit auf Online-Angebote umgestellt werden.

Wie gut hat das aus Ihrer Sicht geklappt?

Sehr unterschiedlich. Manche Lehrkräfte waren sofort in der Lage, online zu unterrichten und Aufgaben in einem digitalen Lernraum zur Verfügung zu stellen. Andere druckten sie aus und ließen sie von den Eltern abholen.

Insgesamt habe ich aber das Gefühl, dass alle quasi über

Nacht einen enormen digitalen Kompetenzsprung vollbracht haben.

–Welche Maßnahmen plant das BMBF für die Zukunft?

Wo sehen Sie die Länder in der Pflicht, was ist ein realistischer Zeitrahmen für die Umsetzung?

Im Digitalpakt finanziert das BMBF die digitale Ausstattung der Schulen. Der Pakt läuft bis 2024 – bis dahin müssen unsere Mittel in Infrastruktur investiert worden sein.

Die Länder stellen sicher, dass jede Schule ein Digitalkonzept erarbeitet, Lehrkräfte weitergebildet und Lehrpläne fortentwickelt werden.

–Wenn es im Konjunkturprogramm jetzt darum geht, in zukünftiges Wachstum für Deutschland zu investieren, wo sehen Sie die wichtigsten

Bereiche in der Forschung?

Ein so kraftvolles Zukunftspaket für das Innovationsland

Deutschland hat es noch nie gegeben. Wir werden damit der Forschung, aber auch der Wirtschaft in zentralen

Foto: AdobeStock©David Fuentos Prieto

„Ein so kraftvolles Zukunftspaket für das Innovationsland Deutschland hat es noch nie gegeben.“

Zukunftsfeldern neuen Schub verleihen. Fast die Hälfte der 130 Milliarden Euro fließt in Zukunftsbereiche. Meine Vorschläge zum Einstieg in eine Wasserstoffwirtschaft, zur Stärkung der Quantentechnologien und zum Ausbau der Künstlichen Intelligenz sind auf breite Unterstützung gestoßen.

–Digitalisierung heißt nicht nur für die technischen

Voraussetzungen an Schulen und Universitäten zu sorgen, sondern setzt auch eine andere Art des Unterrichts voraus. Inwiefern werden Lehramtsstudierende schon im Studium darauf vorbereitet?

Wir finanzieren die Qualitätsoffensive Lehrerbildung, mit der die Hochschulen ihre Lehramtsausbildung modernisieren – insbesondere, was „Digitalisierung im Unterricht“ betrifft. Gleichzeitig fördern wir Forschung, die untersucht, wie digitale Medien sinnvoll im Klassenzimmer eingesetzt werden.

–Einige Universitäten haben angekündigt auch das

Wintersemester 2020/2021 digital abzuhalten.

Ist das letztlich das Ende der Präsenzlehre?

Davon gehe ich nicht aus. Dann würde den Studierenden auch viel verloren gehen. Denn gelernt wird ja nicht nur in der Vorlesung. Der unmittelbare Austausch zwischen

Professoren und Studierenden und das Diskutieren im Seminar sind ebenso wichtig. Auch das Treffen mit Kommilitonen und der gemeinsame Mensa-Besuch gehören zum

Studentenleben dazu. Aber digitale Formate, Prozesse und digitales Kommunizieren werden zunehmen. l

Mehr „Wumms“

Foto: AdobeStock©Konstantin Postumitenko

für Digitale Bildung!

Man tritt sicher niemandem mit der Aussage zu nahe, dass die digitale Kompetenz der Lehrkräfte ausbaufähig ist. Ebenso unstrittig ist die

Notwendigkeit, vor der Umsetzung ein Konzept zu entwickeln. Richtigerweise ist daher die Erstellung eines

Medienentwicklungsplans Voraussetzung für die Zuteilung von Mitteln.

Dieser eigentlich richtige Ansatz führte leider in einen Teufelskreis: Ohne

Kompetenz gibt es kein Geld zum

Kompetenzaufbau. Die Konsequenz:

Die Digitale Kluft zwischen den Schulen wird größer statt kleiner.

Die (wenigen) Schulen, die bereits erfolgreich in die Digitalisierung gestartet sind, haben keine Probleme, die nötigen Vorarbeiten zu leisten und können so ihr Tempo erhöhen. Die

„Die digitale Kompetenz unserer Kinder darf nicht vom Portfolio einzelner Anbieter abhängig sein.“

unerfahrene Mehrheit teilt sich wiederum in einen kleineren Teil handlungswilliger Schulen und einen großen Teil, der in Schockstarre verfällt. Beide Gruppen werden aber allein gelassen.

In das Kompetenzvakuum „der handlungswilligen Anfänger“ für die Antragsstellung stoßen Anbieter digitaler Bildungslösungen. Vom Deutschland besitzt im Bereich „Digitale Bildung“ hohen Nachholbedarf. Auch der Digitalpakt Schule greift nicht ausreichend: Von den fünf Milliarden Euro sind Stand Juni nach einer Umfrage des FOCUS nur knapp 300 Millionen beantragt, davon nur rund 125 Millionen bewilligt worden. Warum es mit der digitalen Bildung nicht voran geht.

Smartboard-Hersteller bis zum Software-Multi. Dies ist nicht per se schlecht, hier können gute Lösungen entstehen – wenn Bedarf und Situation der Schule und das Portfolio des Anbieters zufällig gut zusammenpassen. Es sollte uns aber nicht zufriedenstellen, wenn ab und an per Zufall gute Lösungen entstehen.

Die digitale Kompetenz unserer Kinder darf nicht vom Portfolio einzelner Anbieter abhängig sein. Erst recht nicht, wenn dabei auch noch oft Investitionsleichen entstehen. Dies sei an einem zugespitzten Beispiel illustriert: Hat sich eine Schule als Partner etwa für einen Smartboard-Hersteller entschieden, so wird als logische Konsequenz in jedem Klassenzimmer ein solches stehen. In Coronazeiten also unerreichbar. Aber auch ohne Corona zeigt die Erfahrung, dass ein Großteil dieser Smartboards de facto nur als Leinwand für den Beamer verwendet werden und der einzige echte Nutzen ist, dass der Lehrer direkt an der Tafel weiterblättern kann. Ein Nutzen, den man mit einem Eimer weißer Farbe und einer Funkmaus auch erreicht hätte …

Dieses Dilemma lässt sich problemlos auf andere Technologien übertragen. Ursache ist, dass in den allerwenigsten Fällen der Beschaffung von Technologie ein wirkliches pädagogisches Zielbild entwickelt wird, das Basis für eine nachhaltig erfolgreiche Nutzung ist. Es bedarf einer frühen kompetenten technologieneutralen und interessefreien Unterstützung bereits in der Konzeptionsphase, um Pädagogik und Technik sinnvoll zu verbinden.

Fatalerweise wurde diese entscheidende Phase bei der Gestaltung des Digitalpakts Schule mit den genannten Folgen ausgeklammert. Wenn aber am Fundament gespart wird, wird leider das Haus spät fertig oder windschief. Ein „Luxus“ den wir uns nicht leisten sollten. l

Prof. Timo Kob

Leiter der Bundesarbeitsgruppe „Cybersicherheit“ des Wirtschaftsrates und mit seiner Firma HiSolutions AG Gründungsmitglied des „Netzwerkes Digitales Lernen“

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