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Traditionell disruptiv Michael Kretschmer
Drei Jahrzehnte nach friedDie sächsische Wirtschaft hat in den vergangenen licher Revolution und der Wiedervereinigung unseres Vaterlandes war die 30 Jahren den enormen Investitionsstau aufgelöst, der sich in den vier Jahrzehnten der DDR-Planwirtschaft wirtschaftliche Bilanz des Freistaats gebildet hatte. Die Erfolgsgeschichte soll trotz Sachsen bis zum Ausbruch des Corona-Virus außerordentlich positiv: Die der Corona-Pandemie weitergehen. sächsische Wirtschaft ist stark in die deutschen und weltweiten Wertschöpfungsketten integriert. Das gilt allen voran für die in Deutschland strukturbestimmende Automobilindustrie: Jedes achte Auto aus deutscher Produktion wird heute in Sachsen monTraditionell tiert, rund 95.000 Menschen sind in Sachsen allein in diesem Wirtschaftszweig beschäftigt. Auch andere wichtige Industriebranchen haben eine Renaissance erlebt, vom Maschinendisruptiv bau mit seiner über zweihundertjährigen Tradition über die Textilindustrie bis hin zur chemischen und pharmazeutischen Industrie. Heute ist die Industrie mit einem Anteil von fast 19 Prozent an der Bruttowertschöpfung wieder das Rückgrat der sächsischen Wirtschaft und seit Jahren ein verlässlicher Jobmotor. Wir werden alles daran setzen, dass wir hier auch nach der verheerenden Zäsur durch das Virus wieder anknüpfen können. Die sächsische Wirtschaft hat in den vergangenen 30 Jahren den enormen Investitionsstau aufgelöst, der sich in den vier Jahrzehnten der lässt. Nicht zuletzt steht dafür auch dem Feld der disruptiven Innovation DDR-Planwirtschaft gebildet hatte. die wirtschaftliche Erfolgsgeschichte ebenso erfolgreich sind wie bei der Die mehr als 70 sächsischen Weltschlechthin: Silicon Saxony. Dieses stetigen Verbesserung bestehender marktführer und viele weitere Hidden Cluster der Halbleiterindustrie ist Produkte und Prozesse. Und hier sehe Champions sind der Beweis dafür, heute das größte seiner Art in Europa. ich für Sachsen enormes Potenzial. dass sächsische Unternehmen wettbeJeder dritte Mikrochip „Made in EuDenn unser Land hat eine außerorwerbsfähig sein können, wenn man sie rope“ kommt heute aus Sachsen. dentlich dichte Hochschul- und ForDie Reindustrialisierung ist aber schungslandschaft mit vielen klugen nur ein Aspekt des wirtschaftlichen Köpfen aus dem In- und Ausland, die Michael Kretschmer Wiederaufstiegs von Sachsen. Anschluss an die wirtschaftlich starken mit kreativem Geist und stetiger Be harrlichkeit ein besseres Morgen ge Ministerpräsident des Freistaates Sachsen Regionen werden wir nur bekommen, wenn sächsische Unternehmen auf stalten. Ein Beispiel dafür ist „Cool Silicon“, ein vom Bund gefördertes Projekt von 60 Hochschulen, Forschungsinstituten und Unternehmen aus der sächsischen Halbleiterbranche und „Anschluss an wirtschaftlich starke Regionen bekommen darüber hinaus. Gemeinsam wollen wir nur, wenn sächsische Unternehmen auf dem Feld der disruptiven Innovation ebenso erfolgreich sind wie bei der sie den Stromverbrauch und damit die CO 2 -Emissionen der Informations- und Telekommunikationstechstetigen Verbesserung bestehender Produkte und Prozesse.“ nologien (IKT) drastisch senken. Das Potenzial dafür ist groß: zwei Prozent
des gesamten weltweiten CO 2 -Ausstoßes wird von IKT-Systemen verursacht, das entspricht einem Viertel der Emissionen des Pkw-Verkehrs. „Cool Silicon“ hat sich nichts weniger zum Ziel gesetzt als zum weltweit führenden Cluster für energieeffizienter IKT zu werden. Hier liegt eine große Chance für die industrielle Entwicklung des Freistaats Sachsen.
Wir haben in Sachsen seit 1990 auch eine starke Softwarebranche aufgebaut, die nun mit den klassischen sächsischen Industrien verschmilzt. Chips, Software und avancierte Connectivity wie der an der TU Dresden maßgeblich mitentwickelte Mobilfunkstandard 5G sind die Grundbausteine für die vernetzte Welt von heute und morgen. Sächsische Automatisierungsanlagenbauer bauen für ihre Kunden voll vernetzte Fabriken, in denen sich die Werkstücke im Internet der Dinge bewegen. Textilien werden dank Chips und Sensoren intelligent, Software und Sensoren ermöglichen das autonome Fahren. Sachsen ist zudem ein führender Standort der Krebsforschung, an dem Medizin, Chips und künstliche Intelligenz bahnbrechende individualisierte Diagnostik und Therapie ermöglichen. Dass auf vielen traditionellen Feldern Neues entsteht, symbolisiert die Zusammenarbeit von sieben sächsischen Branchenclustern vom Automobil- und Maschinenbau bis hin zur Gesundheitswirtschaft und der Bahntechnik im SensorikNetzwerk Sachsen.
Neues ist auch gefragt in den sächsischen Braunkohlerevieren in der Lausitz und um Leipzig. Diese Regionen haben in den vergangenen 100 Jahren mit der Förderung, Veredelung und Verstromung der Braunkohle die Industrialisierung Sachsens und den hohen materiellen Wohlstand des Landes erst möglich gemacht. Jetzt geht es darum, ohne die zur Neige gehenden fossilen Rohstoffe auszukommen. Im zweiten Zeitalter der solaren Energien gilt es, die industrielle Produktion durch neue Erzeugungs-, Verteilungsund Speichertechnologien abzusichern und durch kreislaufwirtschaftliche Ansätze die Ressourceneffizienz von Produktion und Konsum stark zu steigern. Dabei sollen die Braunkohlenreviere Vorreiter sein.
Disruption braucht aber auch ein entsprechendes Umfeld, vor allem was die wirtschaftsnahe Infrastruktur be
trifft. Investitionen in die öffentliche
Foto: AdobeStock©Patrick Daxenbichler
Infrastruktur wie Straßen- und Schienenwege dauern heute aber 20 Jahre. Wäre das schon in den 1990er Jahren so gewesen, sähe Sachsen heute an vielen Stellen so aus, als ob die DDR weiterhin existierte. Deswegen setze ich mich beim Bund mit aller Kraft dafür ein, Infrastrukturinvestitionen durch Bürokratieabbau zu beschleunigen.
Wir müssen jetzt mit Unterstützung der Bundesregierung darauf achten, dass Sachsens Wirtschaft gestärkt aus der Corona-Krise hervorgeht. Dafür sind wichtige Weichen gestellt. Noch entscheidender als zuvor ist jetzt entschlossenes, langfristig orientiertes Handeln. Dann werden wir nicht nur die Folgen der Pandemie gut überwinden, sondern auch die Energiewende zu einer weiteren Erfolgsgeschichte auf Sachsens Rückweg an die wirtschaftliche Spitze in Deutschland und Europa machen. l