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Grillen lesen

Die Abende werden jetzt immer länger und die Temperaturen sinken noch viel rascher als der Unterhaltungswert des Fernsehprogramms. Außerdem naht ja jetzt schon wieder Weihnachten mit großen Schritten und es wird offensichtlich auch der eine oder andere Blackout immer wahrscheinlicher. Allesamt gute Gründe also für ein paar nagelneue Bücher aus dem erweiterten Themenkreis der Feuerküche, die praktischerweise auch ganz ohne Stromanschluss und WLAN auskommen. Daher haben wir wieder einmal die interessantesten Titel aus den aktuellen Neuerscheinungen herausgesucht und durchgelesen, die besten davon stellen wir Ihnen hier vor. Um Ihnen einerseits die Qual der Wahl zu lindern und die eine oder andere Fehlinvestition zu ersparen, aber auch um das Christkind zeitgerecht zu inspirieren.

Neue Cuts vom Schwein

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Edelklinge. Satte 68 Euro kostet das rund 250 Seiten starke Hardcover im Format 22x28x2,8cm des Fleischexperten Christoph Grabowski, das sich einzig und allein der kulinarischen Anatomie des Schweines widmet, nachdem bereits sein Vorgänger „Neue Cuts vom Rind“ die Kassen des dfv-Verlages gehörig klingeln ließen. Trotz des geschmalzenen Preises ist auch dieser Band wieder eine echte Empfehlung für Profis und ambitionierte Amateure der Fleischküche. Denn hier werden nicht nur Herkunft und Schnitt-Technik für weitgehend bekannte Teilstücke demonstriert, sondern auch internationale Cuts, die hierzulande noch nicht so populär sind und daher einiges an Differenzierungspotential für die Gastronomie und Grillmeister bieten. So werden hier die neuen Stars der Szene wie „Pluma“, „Presa“ und „Secreto“ beschrieben, aber auch Exoten wie „Chingolo“, „Marucha“ und „Fianco“. HHHHH Toms Winter Grillen

Some like it cold. Tom Heinzle mags offensichtlich kalt. Auf über 200 Seiten widmet er sich in seinem neuesten Buch (im Format 21x26x2,2cm um ca. € 30,-) wieder einmal dem Thema Wintergrillen, das er mit gezählten 65 neuen Rezepten lustvoll zelebriert. Vom „Gin on Fire“ über „Käsefondue aus dem Dutch Oven“ über „Ente mit Portwein-Kohl“ und „WinterBeefstew in der Brottasse“ bis zur „Crème Brulée mit gegrillten Physalis“. Die Rezepte und Zutatenlisten sind eher straff angelegt, was deren Nachvollziehbarkeit aber sicher nicht schadet. Genaue Angaben zu Gar- und Kerntemperaturen erleichtern auch dem Einsteiger der Feuerküche das Leben. Gerätetechnisch wurde das meiste stimmungsvoll auf einem Kamado-Grill und einem offenen Holzkohlegrill fotografiert, kann aber auch auf Gasgrills mindestens ebenso einfach umgesetzt werden. HHHH

Besserwisser

Dudens Sprachschätze. Gerade

einmal 12,5x18,7x1,2cm messen die kleinen, sorgfältig in Pappe gebundenen Bändchen der neuen „Sprachschätze“Serie aus dem Hause Duden, von denen es uns besonders die Ausgaben „Essen & Trinken“ sowie „Tiere & Pflanzen“ angetan haben. Auf rund 125 weitgehend illustrationsfreien Seiten um jeweils € 10,50 wird alphabetisch geordnet sowohl besonderen wie völlig banalen Begriffen sprachwissenschaftlich auf den Grund gegangen. So erfahren wir, dass der Barsch im Wortstamm mit dem ebenso stacheligen Bart verwandt ist, der Pfifferling einst Pfeffermilchling hieß, ehe er eingekürzt wurde, und der Zaun germanischer Namensahne der englischen „Town“ ist. Aber auch Redewendungen und Sprichwörtliches wird gekonnt analysiert und liefert uns Klugscheißern nicht nur Stoff fürs gepflegte Tischgespräch beim Wintergrillen, sondern auch zur Reflexion. Denn an der oft verblüffenden Verwandschaft von Namen und Vokabeln lassen sich nicht nur die sprachlichen Völkerwanderungen wortwörtlich ablesen, sondern auch die gemeinsamen Wurzeln vieler Kulturen und Ethnien. HHHH

Grillen

Komplettpaket. Michael Koch ist Foodstylist, Rezeptentwickler und Autor aus München, sein neuestes Werk widmet er nun nach einigen Kochbüchern dem Thema Grillen. Normalerweise sind das erfahrungsgemäß keine optimalen Voraussetzungen für spezifische Grill-Literatur, wir wurden hier jedoch sehr positiv überrascht. Das im ZS Verlag erschienene HardcoverSchwergewicht im Format 23,2 x 28,7 x 3,3 cm mit über 300 Seiten und geschwärztem Schnitt (ca. € 32,-) beinhaltet nämlich neben einer ausführlichen und sehr gut gemachten Intro zum Thema auf den ersten 50 Seiten - mit allen relevanten Gerätetypen, Methoden und Tipps - auch rund 100 Rezepte mit viel Warenkunde und profunden Informationen. Die Rezepte sind gut strukturiert, übersichtlich und informativ, die dazugehörige Fotografie nicht nur appetitlich, sondern auch sehr authentisch. Damit kommen sicher sowohl Grillneulinge als auch Fortgeschrittene sehr gut klar. Der wirklich sehr umfassende Band ist also für ambitionierte Einsteiger ideal, hat aber auch für Profis Einges an Inspirationspotential zu bieten. H HHH

Einfach gutes Brot backen

Back auf Zack. Jenny Gruber ist nicht nur diplomierte Kräuterhexe, AMA-Grilltrainerin und sogar bei Meisterschaften höchst erfolgreich unterwegs, sondern trotz ihrer Jugend schon seit vielen Jahren österreichische Brotbotschafterin, deren Kurse immer sehr gut gebucht sind. Mit dem prächtigen Hardcover im Format 19,5x24,0cm (um € 25,70), der dieser Tage im Südwest Verlag erschien, hat sie sich nun den lang gehegten Wunsch erfüllt, ihr Know-how mit noch mehr Menschen zu teilen. Denn Jenny liebt Brot und sie lebt Brot. Nicht jenes aus dem Backautomaten, sondern echtes, handgemachtes. Meist mit Sauerteig oder dem „Ura“ als Grundstoff einer langsamen Teigführung, an deren Ende immer ein Brot steht, das deutlich mehr kann als die Normalware. Besonders wichtig ist Jenny Gruber dabei die Verwendung von regionalen, saisonalen und biologischen Zutaten. Und als Backofen kommen natürlich nicht nur der Herd, sondern auch der Grill und der Dutch Oven in die engere Wahl. Auf ca. 208 Seiten mit rund 80 hervorragenden Fotos von Foodprofi Thomas Apolt gibt es neben den vielen profunden Tipps und unterschiedlichsten Brotrezepturen aber auch solche für süßes Gebäck sowie Brot-affine Rezepte wie „Rindsrouladen mit Brotkrusterl“, „Milzschnitten“ und „Hendl Cordon Bleu Natur mit Tunkbrot“. HHHHH Fermentista

Wet Anti Aging. Die diplomierte Ernährungstrainerin und „Fermentista“ Andrea Bierwolf führt die Leser in diesem Hardcover mit knapp 300 Seiten im Format 19,5x25x2,7cm um € 25,- durch ihre persönliche Welt der Fermentation im Eigenbau. Von Sauergemüse über Essig und Joghurt bis hin zum Sauerteig. Die ersten 95 Seiten sind primär gesundheitlichen sowie detailreichen lebensmitteltechnologischen Aspekten gewidmet, bevor es dann in den praktischen Teil übergeht, der auch unerfahrene Leser gründlichst Schritt für Schritt anleitet. Darin eingebettet ruhen etwas unsystematisch in der Abfolge die einzelnen Rezepte, die aber ebenfalls sehr genau und nachvollziehbar angelegt sind. Man hat dabei immer das gute Gefühl, dass die Autorin sehr genau weiß, wovon sie spricht – lediglich die Illustration der einzelnen Schritte und Rezepte hätte etwas reichhaltiger ausfallen können. Dafür ist die sympathische Autorin selbst gefühlt fast auf jeder Doppelseite zumindest mit ihrem Konterfei präsent – auf der Doppelseite 166/167 sogar gezählte vier Mal! Da haben es die Layouter doch etwas übertrieben. HHHH

Süßwasserfisch

Catch of the day. Das ist kein Be-

stimmungsbuch, aber bestimmt ein gutes. Denn am Werk waren hier keine Biologen, wie der flüchtige AmazonKunde anhand des Titels meinen könnte, sondern die vier Musketiere der naturnahen österreichischen Feuerküche – Jürgen Kernegger, Adi Bittermann, Franz Größing und Leo Gradl. Mit sehr stimmungsvollen Fotos ihres Leibfotografen Thomas Apolt garniert, werden in diesem schönen Hardcover der österreichischen Unterwasserwelt und ihrer Zubereitung auf 224 Seiten über 70 Rezepte sowie ausgesprochen kompetente Tipps und Tricks gewidmet. Vom „Eingemachten Wallergulasch“ bis zu den „Pralinen von der Lachsforelle“ reicht dabei das Spektrum origineller Rezepturen, aber auch ganz grundsätzliche Fragen zum Thema Fisch am Grill werden schon beantwortet, bevor wir sie erst richtig stellen konnten. Wie schon der im Vorjahr erschienene „Asado“-Band des nämlichen AutorenQuartettes ein heißer Tipp für den Gabentisch. HHHHH

Fakten zum Fleischkonsum

Dass wir heute mehr Fleisch denn je essen, ist allgemein bekannt. Aber ein Irrtum.

Nicht nur unsere prähistorischen Ahnen – die Sammler und Jäger der immerhin 2,6 Millionen Jahre währenden Steinzeit – aßen große Mengen von Fleisch, um ihren Energiebedarf zu stillen. Im Paris des 18. Jahrhunderts lag der durchschnittliche Pro-Kopf-Verzehr von Fleisch Aufzeichnungen des Naturwissenschafters Antoine Laurent de Lavoisier zufolge selbst vor Beginn der Französischen Revolution (17891799) pro Einwohner bei 72,6 kg – also deutlich höher als heute. Dass sich diese Zahl aus dem Schnitt zwischen den Gelagen der Feudalherren und den leeren Tellern der hungernden Armen errechnete, steht auf einem anderen Blatt. Und in den ländlichen Regionen Europas war ohnehin fast überall Schmalhans Küchenmeister. Wie auch Kriege, Nachkriegszeiten, Wirtschaftskrisen, Epidemien und vor allem Klimaschwankungen sowie die folgenden Missernten immer wieder Dellen in die Kurven der europäischen Fleisch-Statistik drückten. Andererseits aber stieg der Fleischverbrauch in den Erholungsphasen zwischen den Krisen dann oft wieder überproportional. So auch zuletzt im „Wirtschaftswunder“ der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, von dessen Fleischkonsum-Gipfeln wir heute bereits wieder weit entfernt sind.

Die Konsumerhebung der „Statistik Austria“ weist für Österreich von 1974 bis 2015 einen Rückgang des Pro-KopfVerbrauches von Fleisch- und Wurstwaren von 34,1% aus, wobei dieser bei Rind- und Kalbfleisch mit einem Minus von 55,9% offenbar noch heftiger ausfiel als bei Schweinefleisch. Lediglich das Geflügel verzeichnete in diesen 40 Jahren ein Plus von 21%. Trotzdem hat sich die globale Fleischproduktion in den letzten 50 Jahren fast vervierfacht. Das liegt nur teilweise an der merklich gestiegenen Kaufkraft der neuen Mittelschichten in Asien und den Schwellenländern, in der Hauptsache aber an der explosiven Entwicklung der Weltbevölkerung (siehe Kasten). Aber ganz sicher nicht am Fleischkonsum in Europa, der immer noch leicht rückläufig ist – wenn auch auf hohem Niveau. Derzeit verzehrt jeder Erdenbewohner im Schnitt mehr als 43 Kilo Fleisch pro Jahr, in Österreich und Deutschland sind es knapp über 60 Kilogramm. Fleisch ist in der westlichen Welt übrigens tendenziell männlich. In Deutschland zum Beispiel (und wohl auch in Österreich) verzehren Männer im Durchschnitt etwa doppelt so viel Fleisch und Wurst pro Tag wie Frauen. In den USA – wo die Ernährung generell noch viel fleischlastiger ist – sind es immer noch rund fünfzig Prozent mehr.

GLOBALER APPETIT

Umfasste die Weltbevölkerung 1974 noch ca. 4 Milliarden Menschen, so waren dies 2021 bereits 8 Milliarden. 1,5 Milliarden davon in China, 1,4 Milliarden in Indien und ebenso viele in Afrika – Tendenz steigend. In den meisten Industrienationen liegt der Fleischkonsum seit Jahrzehnten relativ konstant auf hohem Niveau. Während in Deutschland und Österreich 2019 knapp mehr als 60 Kilogramm Fleisch pro Person gegessen werden, sind es in den USA und Australien mehr als 100 Kilogramm, in Argentinien kaum weniger. Aber auf China alleine entfällt inzwischen fast ein Drittel des gesamten weltweiten Fleischkonsums und auch ein Drittel des Konsum-Wachstums der vergangenen 20 Jahre.

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