Ein Bewohner aus Achmer über seine Erfahrungen mit einquartierten „Russen“: „W ir haben nur das Nötigste mit denen geredet“
I:
Vielen Dank, das Sie heute Zeit gefunden haben, mit uns dieses Interview zu führen.
I:
Sie sagten, Sie seien ein Anwohner von Achmer gewesen. Mussten Sie auch Flüchtlinge aufnehmen?
Z:
Ja, Ende 1946. Das muss so im September gewesen sein. Da teilte man uns eine Familie aus Ostpreußen zu. Es war eine Familie mit vier Kindern und einem Großvater. Sie schliefen bei uns in der Scheune, weil wir keinen Platz an einer anderen Stelle freihatten. Das tat uns sehr Leid aber es war nun einmal so.
I:
Mussten sie alle im Dorf Flüchtlinge aufnehmen?
Z:
Ja klar. Alle hatten schon welche aufgenommen, nur wir waren die Letzten, die noch keine Leute aufgenommen hatten. Wir hatten schon gehofft, es würden keine mehr kommen und wir müssten keine aufnehmen, aber es kam doch noch welche. Da wurde uns dann kurz vorher Bescheid gesagt, dass Flüchtlinge bei uns einquartiert werden. Das klingt jetzt wahrscheinlich erschreckend für sie, aber damals wollte keiner Flüchtlinge aufnehmen, weil alle schon arm genug vom Krieg waren und man sein letztes Hab und Gut nicht noch mal teilen wollte.
I:
Sie sagten, jeder im Dorf hatte Flüchtlinge aufgenommen. Kam es dadurch auch zu öffentlichen Reaktionen gegen die Flüchtlinge?
Z:
Naja, bei uns nicht, aber bei Nachbarn von uns. Die kamen mit ihren Flüchtlingen überhaupt nicht klar. Die hatten damals Russen zugeteilt gekriegt. Das war dann schon eine schwierige Situation, weil das ja zwei Völker waren, die zu dem Zeitpunkt ziemlich verfeindet waren. Die wollten die Flüchtlinge erst gar nicht aufnehmen, weil das ja Russen waren und die ganzen Flüchtlinge genau wegen der Russen ja erst gekommen waren. Das habe ich damals auch nicht verstanden, warum wir jetzt die Russen aufnehmen mussten. Wir haben das aber so hingenommen.
I:
Wie war der Kontakt zu den Flüchtlingen, die sie aufgenommen hatten?
Z:
Der Kontakt war anfangs gar nicht vorhanden, weil keiner von uns damit umzugehen wusste. Das war aber wahrscheinlich bei den Aufgenommenen
genauso. Aber nach einiger Zeit kamen wir besser mit denen klar, weil die ja auch mit uns sprechen mussten wegen des Essens und solcher Sachen. Sie waren aber auch nicht sehr nett, wahrscheinlich waren die auch geschockt von der Vertreibung. Das muss wohl ziemlich hart für die gewesen sein. Aber darüber haben wir nicht geredet, weil die ja auch nicht so nett waren. Da haben wir nur über das Nötige mit denen geredet. Die waren ja meist weg oder in ihren Zimmern. Bei uns war das ja die Scheune. Die waren ja sowieso nicht lange da, weil sie dann ins Flüchtlingslager gebracht wurden. Ich weiß auch nicht warum. Die werden das da ja nicht besser gehabt haben als bei uns. I:
Vielen Dank für das Interview.
Das Interview führten Simon Beinke, Hauke Baumfalk und Nils Barkau