/Franz

Page 1

Sie dachten, sie würden in ihr Haus zurückkehren können... - E. Puls aus Niederschlesien erlebte die Flucht als Kleinkind von vier Jahren.

Als ihre Mutter, das Baby und sie (damals vier Jahre alt) in der Nachkriegszeit geflohen sind, nahmen sie Geld, einen Kinderwagen und Kleidung mit. Sie selbst nahm ihre Schildkrötenpuppe mit. Die besten Kleidungsstücke sowie das ganze Hab und Gut ließen sie zu Hause, weil sie es erstens nicht mitnehmen konnten und zweitens, weil sie dachten, sie würden in ihr Haus zurückkehren können. Geflohen sind die drei in einem Lazarettzug, der für Mütter und Kinder gedacht war. In den Wagons standen Stockbetten (Dreietagenbetten ) mit Bettwäsche und ein Ofen. Unterwegs wurde die kleine Schwester R. krank und musste in einem Kloster zurückbleiben, während E und ihre Mutter F. weiterzogen. Erst nach einem Jahr wurde R. von F. Abgeholt. Bevor E.’s Vater aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrte, ernährte sich die Familie von der Kartoffelund Ährensuche sowie von Steckrüben. Außerdem wurden die eigenen Kaninchen geschlachtet. Geld verdienten sie, indem F. Sachen nähte, die von der Tante, die zu der Zeit mit ihrer Familie bei ihnen lebte, auf der Straße verkaufte. Als W. ( ihr Vater ) aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrte, musste er seinen Fußmarsch mit dem Handwagen zurücklegen, um zu seiner Familie zu gelangen. In der Nachkriegszeit ist die Familie mehrmals umgezogen, doch von den zertrümmerten Städten haben sie nicht viel gesehen, da sie zuerst auf dem Bauernhof und dann in kleineren Städten wohnten. Einmal, so erzählte E., lebte ihre Familie mit den Großeltern und einem fremden Ehepaar zusammen in einer Wohnung . In den Wohnungen, in denen sie lebten, gab es kein fließendes Wasser und kein Badezimmer. Auf dem Bauernhof befand sich die Toilette im Schweinestall. Erst als die ganze Familie nach Osnabrück zog, besaßen sie ein eigenes Badezimmer mit Badewanne. E. erinnert sich, dass es ihr vorkam, als sei sie im Paradies, weil sie nie zuvor in ihrem Leben eine Badewanne gesehen hatte. Neben der Tatsache, dass E. sehr früh selbständig war, wurde ihr Leben von Sparsamkeit geprägt. Noch heute achtet sie darauf, dass keine Lebensmittel verschwendet werden, weil sie sich an den Hunger und die Lebensmittelnot von damals erinnert. Den Bericht zu diesem Interview verfasste Alessa Franz.


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.