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Man sollte die Leistung der Menschen damals nicht vergessen – Zeitzeugeninterview mit Anni Becker aus Osnabrück (geb. 1935).

Frage: Wie hast du den 2. Weltkrieg erlebt?

Anni: Die Kriegsjahre bis 1945 habe ich hier verlebt und zwar weitestgehend mit meiner Mutter allein, da mein Vater eingezogen war und meine Brüder für mehrere Jahre im KLVLager lebten. Alle drei kamen erst nach dem Krieg zurück.

Frage: Wie sah damals dein tägliches Leben aus?

Anni: Das tägliche Leben bestand eigentlich darin, dass die Erwachsen sehr für Ernährung sorgen mussten. Und so traf es uns Kinder auch, dass wir sehr viel helfen mussten, wenn man zum Beispiel einen Garten zur Verfügung hatte. Dann war auch da die Arbeit erforderlich, auch von den Kindern. Somit mussten wir immer unseren Eltern sehr viel helfen. Die Schule war noch nicht angefangen, da die Gebäude sehr zerbombt waren. Wenn Schule abgehalten wurde, war dies nur unter sehr primitiven Verhältnissen möglich. Auch die Wohnverhältnisse waren nicht gerade so, wie man sich das heutzutage vorstellt. Durch die Luftangriffe auf Osnabrück waren sehr viele Häuser zerstört, auch unser Haus. Das war bei dem letzten Angriff 1945 passiert und daher mussten wir in einer ganz kleinen Wohnung bzw. eineinhalb Wohnräumen unser tägliches Leben absolvieren..

Frage: Hast du Kontakt zu Flüchtlingen und Vertriebenen gehabt?

Anni: Wir haben in unserer Schulzeit wohl gewusst, dass in unseren Klassen teils Flüchtlingskinder mit unterrichtet wurden. Aber da so spezielle Freundschaften selten waren, haben wir auch von diesen Kindern nicht ganz viel Privates erfahren. Wir wussten wohl, dass sie meist in ländlichen Gegenden untergebracht waren, gar nicht so sehr hier in der Stadt zentral wohnten. Aber - bei mir waren es Mädchen, weil wir eine reine Mädchenschule besuchten - die haben sich auch gar nicht so darüber mit uns unterhalten. Das kam erst später. Als sich dann Freundschaften näher und intensiver gestalteten, da haben diese Freundinnen intensiver darüber gesprochen, über ihre Flüchtlingszeit und welche Erfahrungen sie gemacht haben.

Frage: Hattest du auch selber Bekannte oder Angehörige, die flüchten mussten?


Anni: Nein persönliche Verwandte oder Bekannte, die geflüchtet sind, die hatte ich nicht, weil unsere Verwandtschaft ausschließlich aus dem Osnabrücker Land kam.

Frage: Im Nachhinein hört und ließt man, dass die geflüchteten Menschen ausgegrenzt wurden...

Anni: Von Abneigung und Unterdrückung möchte ich gar nicht so gerne sprechen. Es war zwar schon eine gewisse Abneigung vorhanden, aber ich denke dafür gab es auch Gründe. Es mögen Einzelfälle gewesen sein, es war nicht generell so, dass man von Abneigung sprechen konnte, aber man muss auch bedenken, dass immer mehr Menschen in den Westen kamen, der Wohnraum enger wurde und die Ernährungsverhältnisse auch nicht glänzend waren. Somit musste vieles geteilt werden. Das haben wir zu der Zeit, jedenfalls meine Familie, gar nicht wahrgenommen. Später erst hat man davon gehört, dass diese geflüchteten Menschen doch manches ertragen mussten.

Frage: Hast du aus dieser außergewöhnlichen Zeit Erfahrungen für dein weiteres Leben gesammelt?

Anni: Ja ich denke schon, denn was damals geschehen ist und was wir damals erlebt haben, das hat uns doch ein wenig dazu getrieben, etwas bescheiden, sparsam aber auch zweckmäßig zu leben und auch mit Verantwortung zu leben. Verantwortung für unsere Angehörigen und auch Freunde und Bekannte. Dazu fällt mir aber auch noch ein, dass man die Leistung der Menschen nicht vergessen sollte, die im Krieg und auch nach dem Krieg so dafür gesorgt haben, dass wir bessere Verhältnisse bekommen konnten. Ich denke, da kann man stolz darauf sein, was sie das alles geleistet haben. Sowohl im Krieg als auch beim Wiederaufbau. Das sind meine Gedanken dazu. Frage: Gut. Dann bedanke ich mich recht herzlich für diese informativen Einblicke in dein Leben.

Das Interview führte Niels Möller.


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