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„Viele haben sie gut aufgenommen und waren freundlich zu ihnen“ – eine einheimische Zeitzeugin berichtet über das Zusammenleben von Flüchtlingen und Vertiebenen. Die Zeitzeugin (geb. 1923) lebte damals in Hunteburg Musstest du Flüchtlinge/ Vertriebene aufnehmen? Nein, aber ich musste während des Krieges, weil ich zu dem Zeitpunkt bei meinen Eltern in Hunteburg auf dem Hof lebte, einmal die Woche nach Duistrup fahren und mich beim Bürgermeister melden. Man hätte mir sonst die Wohnung weggenommen und an Flüchtlinge/ Vertriebene oder wohnungslose Einheimische vergeben. Allerdings mussten meine Eltern auf ihrem Hof den Sohn des Nachbarn aufnehmen. Alle Nachbarn meiner Eltern mussten Flüchtlinge/ Vertriebene aufnehmen. Die Familie meines Mannes musste auch einen Flüchtling/ Vertriebenen aufnehmen. Wie wurden die Flüchtlinge/ Vertriebenen zugeteilt? Sie wurden zwangszugeteilt, dorthin wo Platz war. Wurden sie von den Einheimischen für Ausländer gehalten? Nein, sie waren auch Deutsche, sie kamen aus dem Osten, das war alles. Wie haben die Einheimischen auf die Flüchtlinge/ Vertriebene reagiert? Viele haben sie gut aufgenommen und waren freundlich zu ihnen, aber es gab auch Menschen, die die Flüchtlinge/ Vertriebenen nicht mochten und diese haben sie dann auch schlecht behandelt. Wurden die Flüchtlinge/ Vertriebenen als ganz „normale“ Menschen angesehen? Ja, wurden sie. Sie waren ja schließlich Menschen. Nur sie hatten nichts mehr. Somit waren sie auf uns angewiesen, sie bekamen Zimmer und Nahrung. Wurde es knapp mit Wohnungen und Nahrung? Ja, es wurde knapp. Es war kaum irgendwo mehr Platz vorhanden, um jemanden aufzunehmen. Die Flüchtlinge/ Vertriebenen bekamen Lebensmittelkarten, doch die Rationen reichten nicht aus. So kamen sie zu uns und bettelten. Dann haben wir ihnen etwas gegeben, obwohl wir selbst nicht viel hatten. Wurden die Flüchtlinge/ Vertriebenen ausgenutzt? Teilwiese schon. Aber die Flüchtlinge arbeiteten auch freiwillig. Die Familie meines Mannes hatte den Flüchtling, den sie aufnehmen mussten, als Knecht eingestellt. Das Interview führte Claudia Butke.


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