http://www.projekt-bramsche.de/stories/docs/zz/HabackerHinke

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Damals im Osten war für uns alles leichter! Ein Zeitzeuge berichtet über seine Flucht aus ‚Litzmannstadt‘ nach Bramsche Ich kam in Jerwonitze, einem kleinen Dorf bei Litzmannstadt, zur Welt und lebte dort vier Jahre lang. Meine Großeltern wurden, als meine Mutter noch ein kleines Kind war, dorthin gesiedelt und hatten als Besitz einen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb bekommen. Hitler hatte die Polen vorher aus den Häusern verjagt und als Mägde und Knechte auf dem ursprünglich eigenen Boden arbeiten lassen. Im Januar 1945 mussten wir fliehen! Das ganze Dorf floh nachts gen Westen, doch tagsüber versteckten wir uns in verlassenen Häusern! Nach sieben Wochen kam der ganze Track in Stasiedl (Raum Halle) an. Dort wurden alle vorerst in einer Schule untergebracht, bis wir in andere Familien eingegliedert werden sollten. Doch hier wollte uns keiner! Viele waren unfreundlich und da dies auf Dauer keine Lösung war, bekam unser Treck ein gemeinsames Gut für sich, das auf jede Familie aufgeteilt wurde. Jeder bekam einen gleich großen Anteil an Ländereien, Tieren und Wohngebäuden... Den Ertrag aus der Landwirtschaft mussten wir aber vorerst immer gleich an die Regierung abgeben. Nun kamen viele Menschen aus den zerbombten Städten wie Leipzig und tauschten bei uns ihr Hab & Gut wie Ziehharmonikas, Puppenhäuser und anderes gegen Lebensmittel ein. Doch 1950 floh meine Familie weiter nach Bramsche! Dort gab es zweistöckige Baracken, in denen früher Soldaten gelebt hatten, die für uns bereitstanden. In einer Baracke hatten acht Familien Platz. Ganze zwei Jahre lebten wir dort und bekamen dann als Lastenausgleich Geld für ein eigenes Haus. Insgesamt war die Situation anfangs bedeutend schlechter, da wir erst aus formalen Gründen wieder zurückgeschickt werden sollten, denn wir hatten nicht, wie eigentlich vorgeschrieben, das Auffanglager in Helmstedt durchquert! Doch es kam uns ein Angestellter der Stadt Osnabrück zur Hilfe und setze sich dafür ein, dass wir hierbleiben konnten Es kehrte Ruhe um uns ein. Zwar musste ich die vierte Klasse wiederholen, da man uns unterstellte, wir seien vielleicht zurückgeblieben, da wir aus dem Osten kamen, doch ich ging stets gerne zur Schule! Die Situation war auf dem Land für die Flüchtlinge und Vertriebenen viel schwieriger als in der Stadt. Immerhin bekamen wir trotz allem eine Rente von 63 DM. Da dies nicht reichte, pflückten wir Kinder zuhause im Wald Blaubeeren, Pilze und Rüben und unsere Mutter fuhr drei Mal in der Woche mit dem Fahrrad nach Osnabrück, um diese auf dem Markt zu verkaufen! Das Interview, auf dem dieser Bericht beruht, führten Rahel Habacker und Tina Hinke.


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