Ein Ehepaa r aus Ka lk r iese beherbergt 16 F lüchtlinge Dieses Interview wurde mit einem Ehepaar aus Kalkriese geführt. Sie bewohnen dort einen Bauernhof, in dem früher Flüchtlinge untergebracht waren. Wann kamen die Flüchtl inge? Die ersten Flüchtlinge kamen schon im Kr ieg. Aber auch noch nach 1945 kamen welche. Es waren vor allem Frauen mit ihren Kindern und alte Leute. Die Männer kamen erst später nach, da diese noch im Kr ieg waren. Sie haben die neue Adresse ihrer Famil ien über Annahmestellen herausgefunden. Zum Teil blieben die Flüchtl inge bis ca. 1962. Wie viele Flüchtlinge kamen? Auf unserem Bauernhof waren drei Famil ien. Insgesamt waren es 16 Menschen. Es waren Famil ien mit Kindern, die zwischen 6 und 15 Jahren alt waren. Die Kinder gingen auch in Engter zur Schule. Woher kamen sie? Aus Ostpreußen, Schlesien und Pommern. Was wissen Sie über deren Transport nach Kalkriese? Die Flüchtlinge wurden mit der Bahn bis nach Bramsche zu einer Sammelstelle gebracht. Von dort aus wurden sie auf Wagen in die kleineren Orte gebracht. Manche hatten nur ein Köfferchen mit ihren Papieren dabei. Wenn sie keine Kleidung zum Wechseln hatten, waren sie bestimmt nicht sehr sauber. Das stimmt. Manche Kinder sind an der mangelnden Hygiene gestorben. Außerdem haben manche Flüchtlinge Läuse und Viren mitgebracht. Es gab auf dem Engter Friedhof eine extra Reihe mit Flüchtl ingsgräbern. Wie wurden die Flüchtlinge auf die Häuser verteilt? Es kamen zu jedem Haus Kolonnen und prüften, wie viele Personen noch in das Haus passten und wie viele Zimmer noch frei waren. Ich musste, bis ich ziemlich alt war, mit meinen Eltern in einem Bett schlafen, weil drei Flüchtlinge mein Zimmer bewohnten. Sich dagegen zu wehren, lohnte sich nicht, weil die Angestellten förmlich in das Haus eindrangen. Man wurde dazu „gezwungen“, Flüchtlinge aufzunehmen. Wie lebten sie auf dem Hof?
Die Flüchtlinge hatten oben einen Wohnraum, in dem alle zusammen lebten. Jeder schlief in seinem eigenen Bett. Außerdem stellten wir ihnen einen Herd zur Verfügung. Mehr konnten wi r ihnen nicht geben. Wir hatten ja auch nichts. Zum Beispiel hatten sie kein Wasser in ihren Räumen. Haben Sie die Flüchtlinge gerne aufgenommen? In der Landwi rtschaft fehlten viele Leute. Also war es ganz hilfreich, dass uns die Flüchtlinge zur Hand gingen. Sie haben dafür kein Geld bekommen, sondern wir haben ihnen ein kleines Stück Feld gegeben, wo sie selber Kartoffeln anbauten. Die Fleißigen l iefen sogar nach der Ernte über das Feld, um die übrigen Körner aufzusammeln. Das Essen war für uns alle knapp. Wie hat sich der Fleiß denn noch gezeigt? Manche l iefen von Kalkriese nach Osnabrück, um dort eine Arbeit zu finden. Sie strengten sich r ichtig an, um selbst Geld zu verdienen und eine eigene Wohnung zu kaufen. Wie war denn das Verhältnis zwischen den Flüchtlingen? Manchmal etwas angespannt, da nicht alle die gleiche Kultur hatten. Natürl ich war es für sie auch schwer, mit fremden Menschen in einem Zimmer zu schlafen. Aber es gab nie wirkl ich großen Streit, sondern nur kleine Meinungsverschiedenheiten. Wie haben sich die unterschiedlichen Herkunftsorte denn bemerkbar gemacht? Je weiter im Osten die Menschen zuhause waren, desto einfacher waren sie. Aber man darf sie trotzdem nicht alle gleich verurteilen. Es gab auch Flüchtlinge aus dem Osten, die nett waren. Die Ostpreußen haben in dem Raum oben für Ordnung gesorgt. Wir hatten Glück mit unseren Flüchtlingen, denn manche waren r ichtig kampflustig und schlugen auch mal zu. Aber davon haben wir nichts abbekommen. Also hattet ihr ein gutes Verhältnis zu euren Flüchtlingen? Wir hatten keine Probleme mit der Verständigung, da alle perfekt Deutsch sprachen. M it einer Famil ie haben wir bis heute guten Kontakt. Wenn mir mal eine Hose zu klein geworden ist, hab ich sie den Kindern gegeben. Möchtet ihr noch was abschließend sagen? Es war eine schreckliche Zeit, die ich mir nicht zurückwünsche. Danke für das Interview. Das Interview führten M i ra Seffen und Christine Sutthoff