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Verjüngungskur für Traditionskraftwerk an der Steyr KW HAUNOLDMÜHLE

Foto: S.K.M. Das Kraftwerk Haunoldmühle an der Steyr ging im Sommer des Vorjahres rundum erneuert wieder ans Netz. Die umfassende Revitalisierung brachte eine Vielzahl von ökologischen und technischen Optimierungen mit sich, darüber hinaus konnte das Erzeugungspotential der Anlage erheblich gesteigert werden.

VERJÜNGUNGSKUR FÜR TRADITIONSWASSERKRAFTWERK HAUNOLDMÜHLE AN DER STEYR

Nach einer umfassenden Modernisierung ging das Wasserkraftwerk Haunoldmühle der Fuchs-Robetin GmbH im oberösterreichischen Grünburg im Sommer 2020 wieder ans Netz. Die Wehranlage und der Einlaufbereich wurden im Zuge des Umbaus vom Planer ZT-Fritsch GmbH völlig neu gestaltet, den gesamten Stahlwasserbau inklusive zweier im Verbund arbeitender Rechenreinigungsmaschinen lieferte die S.K.M. GmbH. Eine Fischaufstiegsschnecke des Systems STRASSER/REHART gewährleistet die ökologische Durchgängigkeit am Wehrstandort. Die dynamische Restwasserabgabe zwischen 5 und 8 m³/s wird von einer Wasserkraftschnecke des Herstellers SPAANS BABCOCK zur Stromproduktion genutzt. Im völlig entkernten Krafthaus wurden zwei vertikalachsige Kaplan-Turbinen von der Small Hydro Division von Voith Hydro GmbH&Co KG vom Standort St. Georgen mit einer Engpassleistung von jeweils 737 kW installiert und eine bestehende Francis-Turbine revitalisiert. Die gesamte Anlagensteuerung und Regelung wurde durch die SCHUBERT Elektroanlagen GmbH ausgeführt. Die Summe der durchgeführten Maßnahmen führte zu einer erheblichen Leistungs- und Erzeugungsteigerung. Im Regeljahr kann das rundum erneuerte Traditionskraftwerk an der Steyr nun rund 12 GWh Ökostrom produzieren.

Die Haunoldmühle an der Steyr im oberösterreichischen Grünburg kann auf eine über 400-jährige Geschichte als Handwerks- und Industriestandort verweisen. 1599 wurde das Gebäude als Säge- und Mahlwerk erstmals urkundlich erwähnt, 1840 erfolgte der Umbau zu einem Streck- und Blechwalzwerk. Anfang des 20. Jahrhunderts wechselte die Liegenschaft den Besitzer und wurde zu einer Holzstoff- und Pappenfabrik umgewandelt. Das Wasserkraftwerk in seiner ursprünglichen Form wurde 1920 errichtet und 1924 erweitert. Eine der insge-

Abbrucharbeiten an der über 100 Jahre alten Wehranlage im Frühling 2019. Foto: ZT-Fritsch

Foto: ZT-Fritsch Foto: ZT-Fritsch

Zwei im Verbund arbeitende Rechenreinigungsmaschinen sorgen am 30 m breiten horizontalen Einlaufrechen für optimale Zuflussbedingungen. Den gesamten Stahlwasserbau lieferte der steirische Branchenexperte S.K.M. GmbH.

samt vier Francis-Turbinen war direkt an einen Holzschleifer gekoppelt, die anderen Turbinen trieben über Kammräder und Transmissionswellen die Pappenmaschinen an. Die Umrüstung der Anlage zur Produktion von elektrischem Strom erfolgte erst viele Jahre später. 1997 wurde das Kraftwerk Haunoldmühle, welches bereits in der Fuchs-Robetin GmbH herausgelöst war, gekauft. Heute ist der Hauptgesellschafter Friedrich Gruber. Im Firmenverband werden mehr als 20 Kleinwasserkraftwerke in Niederösterreich, Oberösterreich, Steiermark, Salzburg und Tirol betrieben. Nach der Übernahme durch den neuen Besitzer wurden die vier Turbinen sukzessive saniert und eine elektronische Steuerung installiert.

ANLAGE KOMPLETT ERNEUERT

Rund 100 Jahre nach der Erstinbetriebnahme war es für die als Laufkraftwerk mit kurzer Ausleitungsstrecke konzipierte Anlage an der Zeit für eine grundlegende Erneuerung. Begründet war dies neben ihrem fortgeschrittenen Alter vor allem durch die behördliche Auflage, an der Wehranlage für die Herstellung der ökologischen Durchgängigkeit samt Restwasserabgabe zu sorgen. „Diese enorme wirtschaftliche Herausforderung konnte nur im Zuge einer Stauzielerhöhung und einer damit einhergehenden Erhöhung der Ausbauwassermenge bewältigt werden“, erklärt Bernhard Strasser von der Strasser & Gruber GmbH, der das Projekt von Beginn an begleitet hat. Strasser fährt fort, dass für die Bewilligung der Stauzielerhöhung um 50 Zentimeter aufwändige Behördenverfahren und Gut-i achten notwendig waren. Die Restwasserdotation an der Wehranlage wurde im Genehmigungsverfahren in dynamischer Form zwischen 5 und 8 m³/s festgelegt, die Ausbauwassermenge steigerte sich von 34 auf 54,3 m³/s . Für die Ausführungsplanung und die Bauleitung wurde die im Wasserkraftbereich vielfach bewährte ZT-Fritsch GmbH aus Steyr engagiert. Geschäftsführer Rudolf Fritsch merkt an, dass bei der Projektübernahme nachträglich eine ganze Reihe von wasserbaulichen Optimierungen an der Wehranlage und dem Einlaufbereich vorgenommen wurden. Diese wurden bei der Nachreichung von behördlicher Seite problemlos akzeptiert. Die Bauphase startete schließlich im Frühjahr 2019 und nahm rund ein Jahr in Anspruch.

Die dynamische Restwasserdotation zwischen 5 und 8 m³/s wird von einer Wasserkraftschnecke des Herstellers SPAANS BABCOCK zur Stromproduktion genutzt.

RECHENREINIGER ARBEITEN ZUSAMMEN

Nach dem Abstellen des Kraftwerks fokussierten sich die Arbeiten zunächst auf die Errichtung der neuen Wehranlage. Diese wurde gegenüber der ursprünglichen Konzeption etwas weiter stromabwärts angelegt, wodurch eine kompaktere Bauweise ermöglicht wurde. Den gesamten Stahlwasserbau fertigte die steirische S.K.M. GmbH, deren Geschäftsführer Sepp Köhl als Besitzer eines eigenen Wasserkraftwerks bestens über Betreiberansprüche Bescheid weiß. Zum Aufstauen des Gewässers lieferte S.K.M. zwei jeweils 15 m breite und 3 m hohe Wehrklappen, die auf die Bewältigung eines 100-jährlichen Hochwassers ausgelegt wurden. Das Kernstück des neuen Einlaufbereichs bildet der 30 m lange horizontale Feinrechen. Um beim Feinrechen mit einer lichten Weite von 25 mm auch bei hohem Geschwemmselanfall optimale Zuflussbedingungen zu gewährleisten, entwickelten Fritsch und S.K.M. eine zweigeteilte Rechenreinigungsmaschine (RRM). Die zwei pegelgeregelten RRM arbeiten im Verbund und reinigen jeweils zwei bzw. ein Drittel des insgesamt 90 m² großen Rechens. Durch die

Foto: S.K.M.

Die Stahlwasserbauprofis Karl Bichler, Sepp Köhl und Otto Pobatschnig (v.l.) von der S.K.M. GmbH an der neuen Wehranlage mit zwei jeweils 15 m breiten Wehrklappen.

Für den Einbau der neuen Turbinen musste das Krafthaus völlig entkernt werden. Voith Hydro lieferte zwei auf je 16 m³/s Durchfluss ausgelegte Kaplan-Turbinen mit einer Engpassleistung von jeweils 737 kW.

aufeinander abgestimmte Betriebsgeschwindigkeit fährt die RRM des kürzeren Abschnittes in einem Reinigungszyklus des längeren Abschnittes nun zweimal, womit das Rechengut des gesamten Rechens gesichert zur Spülklappe geleitet wird. Am Kraftwerkseinlauf ist zusätzlich ein Sicherheitsrechen installiert.

WASSERKRAFTSCHNECKE ERZEUGT STROM

Die dynamisch festgelegte Restwasserdotation zwischen 5 und 8 m³/s wird durch eine Wasserkraftschnecke vom holländischen Branchenexperten SPAANS BABCOCK zur Stromproduktion genutzt. Dass SPAANS BABCOCK der Marktführer auf diesem Gebiet ist zeigt sich darin, dass das Unternehmen bereits mehr als 180 Wasserkraftschnecken an 140 Standorten mit einer installierten Gesamtleistung von mehr als 20 MW realisiert hat. Die einzelnen Anlagen liegen in einem Leistungsbereich zwischen 8 kW bis hin zu 1,1 MW. Positioniert wurde die rund 33 Tonnen schwere und 15,6 m lange Schnecke am Ende des Einlaufbereichs. Bei vollem Durchfluss erreicht die über ein Stirnradgetriebe mit einem Asynchron-Generator gekoppelte Schnecke eine Engpassleistung von 223 kW. Durch einen regelbaren Zulaufschütz erfolgt die Regelung des Schneckenkraftwerks, wodurch auf einen Frequenzumrichter verzichtet werden konnte. Die langsam rotierende Schnecke gewährleistet den Fischen im Oberlauf der Wehranlage zudem eine sichere Abstiegsmöglichkeit ins Unterwasser.

Foto: ZT-Fritsch

FISCHAUFSTIEGSSCHNECKE INS OBERWASSER

Für die Herstellung der ökologischen Durchgängigkeit an der Wehranlage, bei der es einen Höhenunterschied von 4,6 m zu überwinden galt, sorgt eine Fischaufstiegsschnecke (FAS) des Systems STRASSER/REHART. Die kompakte Bauweise des patentierten Systems, bestehend aus einem Rohr mit innenliegender fix verschweißter Welle, gewährleistet einen verletzungsfreien Aufstieg der Gewässerbewohner. Außerdem verbraucht die FAS kein separates Dotationswasser, da die zum Betrieb erforderliche Wassermenge von der Wasserkraftschnecke hergeleitet wird. Im Vergleich zu anderen Fischaufstiegsanlagen bedeutet dies beim Kraftwerk Haunoldmühle einen jährlichen Energiezugewinn von rund 80.000 kWh. „Dieser Typ einer FAS kommt mittlerweile 20 Mal zum Einsatz, wobei bereits 13 Monitorings erfolgreich abgeschlossen wurden“, erklärt Bernhard Strasser, der die FAS in mehr als 3.000 Arbeitsstunden entwickelt hat und in Österreich als exklusiver Vertriebspartner für REHART zuständig ist. Für das Kraftwerk Haunoldmühle wurde eine 14 m lange FAS mit einem Rohrdurch-

Technische Daten

• Ausbauwassermenge: 54,3 m³/s • Bruttofallhöhe: 5,35 m • Turbinen neu: 2 x Kaplan • Durchfluss: 2 x 16 m³/s • Drehzahl: 2 x 214 U/min • Engpassleistung: 2 x 737 kW • Hersteller: Voith Hydro / Small Hydro Division • Generatoren: 2 x Synchron • Nennscheinleistung: 2 x 900 kVA • Turbine alt: Francis • Engpassleistung: ca. 450 kW • Stahlwasserbau: S.K.M. GmbH • Wasserkraftschnecke: SPAANS BABCOCK • Fischaufstiegsschnecke: STRASSER/REHART • Regelarbeitsvermögen: ca. 12 GWh/a

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Foto: Bernhard Strasser

Die patentierte Fischaufstiegsschnecke des Systems STRASSER/REHART ermöglicht den Gewässerbewohnern eine komfortable Passage ins Oberwasser.

Foto: Bernhard Strasser Visualisierung der Kraftwerkssteuerung von der SCHUBERT Elektroanlagen GmbH.

messer von 1,4 m und einem auf 1,6 m vergrößerten Einschwimmrohr geliefert. Die nach oben beförderte Wassermenge liegt bei 12 l/s. Ein Getriebemotor mit einer Leistung von 2,5 kW treibt das Wendelrohr mit einer Drehzahl von 5 U/min an. Dank dieser langsamen Drehgeschwindigkeit erfolgt der Fischaufstieg stress- und vor allem verletzungsfrei. „Die patentierte Sohlanbindung in Kombination mit dem Feinrechen gewährleistet beste Aufstiegszahlen und ermöglicht auch schwimmschwachen Fischen wie der Koppe oder dem Neunauge einen problemlosen Aufstieg. Außerdem ist die FAS auch für größere Fische wie den Huchen geeignet“, bekräftigt Strasser.

KRAFTHAUS ENTKERNT UND MODERNISIERT

Ein wesentlicher Aspekt der Anlagenmodernisierung stellte laut Planer Fritsch die Sanierung des Krafthauses dar: „Die Gebäudehülle steht unter Ensembleschutz, wodurch nur im Inneren bauliche Veränderungen vorgenommen werden durften. Wir haben viel Erfahrung mit alter Bausubstanz und haben für diese Herausforderung ein entsprechendes Konzept ausgearbeitet.“ Damit die neuen Turbinen Platz finden, musste das Bauwerk völlig entkernt werden. Dies resultierte in einer rund 10 m tiefen Baugrube, mittels spezieller Tiefenfundierung und Bodeninjektion wurde das Gebäudeinnere schrittweise neu aufgebaut. Die Anzahl der Turbinen im Krafthaus verringerte sich von vier auf drei Stück, wobei eine vorhandene Francis-Turbine samt Generator umfassend saniert wurde. Die international renommierte Small Hydro Division von Voith Hydro GmbH&Co KG vom Standort St. Georgen fertigte zwei für jeweils 16 m³/s Ausbauwassermenge und 5,35 m Bruttofallhöhe konstruierte Kaplan-Turbinen mit vertikalen Wellen. Unter Volllast erreicht jede der hydraulisch geregelten Maschinen 737 kW Engpassleistung. Als Energiewandler lieferte Voith zwei direkt mit den Turbinenwellen gekoppelte Synchron-Generatoren. Die mit Gleitlagern bestückten Generatoren drehen wie die Turbinen mit exakt 214 U/ min und wurden auf eine Nennscheinleistung von jeweils 900 kVA ausgelegt. Mit der Erneuerung des elektro- und leittechnischen Equipments wurde die SCHUBERT Elektroanlagen GmbH beauftragt. Die Niederösterreicher sorgten für die Automatisierung der gesamten Krafthaustechnik und der Wehranlage inklusive RRM und integrierten die bestehende Niederspannungshauptverteilung in die neue Steuerung. Komplettiert wurde der Lieferumfang durch ein SMS-Störmeldesystem und die Steuerungs-Visualisierung der kompletten Anlage inklusive Fernzugriff über ein VNC-Programm.

VIELZAHL VON OPTIMIERUNGEN

Im Sommer des Vorjahres ging das für rund 6,5 Millionen Euro rundum erneuerte Traditionskraftwerk an der Steyr wieder ans Netz. Bernhard Strasser fasst die im Zuge des Umbaus erreichten Optimierungen zusammen: „Aus ökologischer Perspektive ist der ungehinderte Fischaufstieg mittels FAS sowie die dynamische Restwasserabgabe durch die Wasserkraftschnecke nun ganzjährig gewährleistet. Als technische Verbesserung ist zu erwähnen, dass alle Anlagenteile mehr als 100 Jahre alt waren und das Ende ihrer Lebensdauer erreicht hatten. Durch die Neukonzeptionierung konnte die Betriebssicherheit wesentlich erhöht werden. Darüber hinaus wurde die Kraftwerksleistung von vormals ca. 1,3 auf rund 2 MW gesteigert, die Jahresarbeit erhöhte sich von 7,5 auf rund 12 GWh. Aus Betreibersicht war es ein herausforderndes Jahr mit vielen kleinen Problemen und Unvorhersehbarkeiten. Nun sind wir aber froh, dass wir uns zum Umbau der Anlage in dieser Form entschieden haben."

Foto: Bernhard Strasser

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