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Die Zeit für unsere Zielerreichung ist knapp“ INTERVIEW M. STRUGL

Seit 1. Januar ist Dr. Michael Strugl Vorsitzender des Vorstands der VERBUND AG. Strugl gilt als ausgewiesener „Strom-Stratege“, dessen Know-how in Zeiten dynamischer Veränderungen am Strommarkt mehr als gefragt ist.

Foto: VERBUND

„DIE ZEIT FÜR UNSERE ZIELERREICHUNG IST KNAPP“

Erst kürzlich hat VERBUND, Österreichs größtes Elektrizitätsversorgungsunternehmen, Investments in die Energiezukunft in großem Stil angekündigt. Eine halbe Milliarde Euro soll vor allem in die bestehenden VERBUND-Pumpspeicherkraftwerke in Salzburg und Kärnten investiert werden. In einem Interview mit Michael Strugl, seit Jahresbeginn Vorstandsvorsitzender von VERBUND, haben wir uns nach den aktuellen Perspektiven und Herausforderungen für den Stromkonzern erkundigt. CEO Michael Strugl erläutert, in welchem Bereich noch Ausbaupotenziale zu heben sind, räumt aber auch ein, dass es für die ambitionierten Ausbauziele neben der Wasserkraft auch noch andere Technologien brauche.

zek: Haben Sie einen persönlichen Bezug zum Thema Wasserkraft? Strugl: Absolut! Mein Vater hat auf Kraftwerksbaustellen gearbeitet und dadurch war Wasserkraft bei uns zu Hause immer ein Thema. Meine ersten Ferialjobs waren in Oberösterreich am Donau-Kraftwerk Abwinden-Asten.

zek:Welche Qualität eines langjährigen Politikers bringt den größten Nutzen für die Funktion des Managers des größten Stromkonzern Österreichs? Strugl: Der Energiesektor ist stark von regulatorischen Rahmenbedingungen geprägt – ich weiß, wie politische und legistische Prozesse ablaufen. Und das ist wertvoll, denn Themen wie das Erneuerbaren Ausbau Gesetz beschäftigen uns sehr. Dazu kommt, dass ich als Eigentümervertreter 10 Jahre Aufsichtsrat in der Energie AG war, zuletzt als Aufsichtsratsvorsitzender. Generell bin ich überzeugt, dass es die Durchlässigkeit zwischen Politik und Wirtschaft und auch anderen Bereichen braucht, um starre Denkmuster zu überwinden und frischen Geistes in die (Energie-)Zukunft zu gehen.

zek: Wir erleben aktuell einen großen Umbruch am Stromsektor: Wo setzen Sie in dieser schwierigen Phase die strategischen Akzente für VERBUND? Wird sich VERBUND vom Wasserkraftkonzern zu einem diversifizierten Erneuerbaren-Konzern entwickeln? Strugl: VERBUND ist seit über 70 Jahren der Pionier bei erneuerbarer Energie. 97 % unserer Stromerzeugung kommen aus erneuerbaren Energien, wir haben rund 130 Wasserkraftwerke und werden bei Wind- und Sonnenkraft deutlich zulegen. Wir sind das Leitunternehmen der Energiewende und Partner unserer Industriekunden für die Dekarbonisierung. zek: Rund 130 Wasserkraftwerke – aber der Ausbau ist limitiert: Wo sehen Sie noch Wachstumspotenzial für die Wasserkraft? Strugl: Bei der Wasserkraft spielen Investitionen in bestehende Anlagen eine wichtige Rolle: Effizienzsteigerungen und Revitalisierungen. Und dabei denken wir durchaus in großem Stil: Wir haben vor wenigen Tagen angekündigt, eine halbe Milliarde Euro in die Energiezukunft zu investieren, und zwar in unsere bestehenden Pumpspeicherkraftwerke in Salzburg und Kärnten. Diese Investitionen sorgen mit der hohen heimischen Wertschöpfung gerade in Zeiten wie diesen für nennenswerte wirtschaftliche Impulse. In Kaprun starten wir mit dem Bau von Limberg III, einem Pumpspeicherkraftwerk mit einer Leistung von 480 Megawatt, das wie Limberg II vollkommen unterirdisch zwischen den beiden bestehenden Speicherseen Mooserboden und Wasserfallboden errichtet wird. Bis 2025

werden insgesamt rund 480 Mio. Euro in die zukunftsorientierte Stromerzeugung und -speicherung investiert – hohe regionale Wertschöpfung inklusive. Auch in der Kraftwerksgruppe Reißeck errichten wir ein neues unterirdisches Kavernenkraftwerk mit zwei Pumpturbinen und einer Gesamtleistung von 45 MW und investieren bis 2023 60 Mio Euro. Bei beiden Projekten kommen spezielle Maschinensätze zum Einsatz, die hoch flexibel auf den Bedarf an Ausgleichs- und Regelenergie im Netz reagieren können. Wir passen so bestehende Anlagen noch besser an die Anforderungen der Energiezukunft an und stärken die Rolle der Wasserkraft als verlässliche Partnerin von Wind und Sonne.

zek: Inwieweit bleibt für Sie die Wasserkraft der wichtige oder ein wichtiger Partner für volatilere Formen der Erneuerbaren wie Wind und Photovoltaik? Strugl: Als einer der größten Stromerzeuger aus Wasserkraft in Europa ist und bleibt die effiziente Stromerzeugung aus Wasserkraft das Herzstück von VERBUND. Dabei liegt der Fokus sowohl auf dem Substanzerhalt der bestehenden Wasserkraftwerke als auch auf der permanenten Optimierung der flexiblen Erzeugungsanlagen, um auch in Zukunft eine CO2-freie Grund- und Spitzenlasterzeugung in den Kernmärkten Österreich und Deutschland gewährleisten zu können. Darüber hinaus werden wir unser Engagement bei Windkraft und Photovoltaik stark ausbauen. Bis 2030 soll ein Viertel unserer Erzeugung aus erneuerbaren Energien kommen. Dazu setzen wir laufend neue Projekte um. Ein Beispiel ist die Flächen-Photovoltaikanlage in Schönkirchen im Weinviertel, die wir im Dezember 2020 zusammen mit der OMV eröffnet haben. Es gibt damit in unserem Portfolio eine stärkere technologische Diversifizierung.

zek: Wie beurteilen Sie das Ausbaupotenzial in der Wasserkraft hinsichtlich Sanierungen und Revitalisierungen? Strugl: Wir haben eine Reihe von Revitalisierungsprojekten am Laufen: Neben der Kraftwerksgruppe Malta und der Oberstufe Kaprun auch an den Donaukraftwerken Ottensheim-Wilhering und Ybbs-Persenbeug. Österreichs ältestes Donaukraftwerk YbbsPersenbeug wird seit 2012 stufenweise modernisiert. Nach Abschluss der Revitalisierungsmaßnahmen nächstes Jahr an allen sechs Maschinensätzen wird sich das Regelarbeitsvermögen um 77 GWh und die Engpassleistung um 18 MW erhöhen.

zek: VERBUND setzt im Bereich Wasserkraft auch sehr stark auf Digitalisierung: Können Sie näher erläutern, welche Schwerpunkte dabei verfolgt werden und was man sich davon regeltechnisch, aber auch wirtschaftlich erwartet? Strugl: Digitale Lösungen leisten einen wichtigen Beitrag zu weiteren Verbesserungen im Bereich des Betriebs und der Instandhaltung von Wasserkraftwerken sowie der Personen- und Anlagensicherheit. In unserem Projekt „Digitales Wasserkraftwerk“ im Kraftwerk Rabenstein in der Steiermark schauen wir uns die systematische Entwicklung und Bewertung von digitalen Testsystemen praxisnah an. Die Digitalisierungsmöglichkeiten in der Wasserkraft sind vielfältig und reichen von Plattformlösungen für unterschiedlichste Bereiche, smarten Sensorik-Konzepten, mobilen Assistenzsystemen, maschinellem Lernen, digitalen Zwillingen, Drohnen, 3D-Druck bis hin zu innovativen Inspektionsgeräten. Alles in allem verfügen wir über eine gewaltige Menge an Daten, deren Wert in der Auswertung liegt, die ein Mensch niemals bewältigen kann. zek: 27 TWh – so lautet der avisierte Kapazitätszuwachs bis 2030: Abgesehen von PV und Wind wären das 5 Freudenau-Kraftwerke: Wie soll das gehen? Strugl: Das ist ein mehr als hoch ambitioniertes Ziel. Deswegen ist es wichtig, jetzt ins Tun zu kommen und auf das gemeinsame Ziel hinzuarbeiten. Vielleicht schaffen wir bis 2030 nicht ganz die 100 %. Aber jede lange Reise beginnt mit den ersten Schritten.

zek: Angeblich benötigt Österreich bis 2030 rund 10 TWh an Speicherkapazität: Gibt es

Rotortausch im Kraftwerk Ybbs-Persenbeug, Österreichs ältestem Donau-Kraftwerk. dafür Pläne, wie diese Kapazität erreicht werden kann? Strugl: Je mehr volatile Erzeugung aus Sonnen- und Windkraft wir ins System integrieren, desto mehr brauchen wir ausgleichende Speicherleistung – ca 10 Terrawattstunden Speichermenge werden wir saisonal vom Sommer in den Winter verschieben müssen, weil wir im Winter zu wenig Erzeugung haben. 3,3 TWh stehen derzeit zur Verfügung, hauptsächlich Speicherkraft, also Wasserkraft. Für die in Summe 10 TWh werden wir auch andere Technologien brauchen. Wichtig: Wir müssen mit jeder zusätzlichen Erzeugungseinheit, ob Windkraft oder Solarpark, zeitlich synchron und regional abgestimmt die Speicher wie auch die Netze ausbauen.

zek: Für wie wichtig erachten Sie den Ausbau der Stromnetze in Europa – Stichwort Beinahe-Blackout? Strugl: Mit dem Umbau des Energiesystems steigt auch die Vulnerabilität. Das ist eine große Herausforderung für das Management des Systems. Die APG muss fast täglich ins Stromnetz eingreifen um die Sicherheit der Stromversorgung gewährleisten zu können – allein im Jahr 2020 waren an 261 Tagen Redispatch-Maßnahmen erforderlich. Deswegen ist der synchrone Ausbau von Speicher- und Leitungskapazitäten parallel zum Erneuerbaren-Ausbau so wichtig, um die Versorgungssicherheit zu erhalten. Beim Frequenzabfall am 8. Jänner im europäischen Stromnetz haben alle ihren Job perfekt

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VERBUND setzt auf steuerungs- und leittechnische Optimierungen seiner Anlagen. Im Bild: Leitzentrale im Kraftwerk Freudenau.

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Foto: VERBUND In Kaprun wird mit dem Bau von Limberg III begonnen: Im Bild: Stollenfräse im Schrägschacht bei den Bauarbeiten zu Limberg II.

gemacht. Das Ergebnis der Summe von Sicherheitsmaßnahmen, darunter Regelreserven vor allem aus der Wasserkraft, thermischen Einheiten aber auch aus einem VERBUNDBatteriespeicher wurden in Österreich zugeschalten, haben das Netz stabilisiert. Zudem hat sich die europäische Kooperation am Strombinnenmarkt bewährt.

zek: Was erwarten Sie vom Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz? Auch im Hinblick auf die Verfahrensdauer für künftige Projekte? Strugl: Wir brauchen ein Regelwerk für den Um- und Ausbau des Energiesystems, damit Unternehmen hier eine gewisse Planungssicherheit – auch bei der Dauer von Genehmigungsverfahren – haben und Investitionen tätigen können. Denn eines ist klar: Die Zeit für unsere Zielerreichung ist knapp.

zek: Noch eine Frage zur Wasserstoffschiene: Wann wird der grüne Wasserstoff marktfähig sein? Wie wichtig wird er für VERBUND? Strugl: Wir glauben, dass grüner Wasserstoff in der Zukunft eine entscheidende Rolle für die Dekarbonisierung und die Sektorkopplung spielen wird. Deswegen engagieren wir uns in unterschiedlichen Projekten und erforschen den Einsatz von grünem Wasserstoff zum Beispiel in der energieintensiven Stahl- oder Zementindustrie. Aus unserer Sicht wird sich eine Wasserstoffwirtschaft entwickeln, in der zunehmend fossile Energieträger substituiert werden können. Der Zeitpunkt der Marktreife ist eher mittel- bis langfristig anzusetzen.

15. Juni 2021 im Zürich Marriott Hotel, Schweiz

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