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«Wir brauchen einen Strukturwandel in den Köpfen»

Die Zeit von Franziska Driessen-Reding als erste Präsidentin des Synodalrates der Katholischen Kirche im Kanton Zürich ist zu Ende. Wegen Amtszeitbeschränkung konnte sie nicht mehr zur Wahl antreten. Mit Magdalena Thiele und Sibylle Ratz hat sie sich über ihre Arbeit, ihr Engagement und die Zukunft der Kirche unterhalten.

Was kommt nach dem Synodalrat?

Ich dachte eigentlich, mehr freie Zeit zu haben. Aber jetzt werde ich in Zell gebraucht. Dort werde ich übergangsweise die Sachwaltung verantworten. Sollte ich doch irgendwann ganz viel freie Zeit haben, werde ich Schiffsköchin und schippere den Marnekanal entlang. Ansonsten bleibe ich der katholischen Kirche in Zürich natürlich erhalten. Einige Projekte habe ich schon angestossen.

Du warst zwölf Jahre im Synodalrat, fünf davon als Präsidentin. Hast du es jemals bereut, diese Position übernommen zu haben?

Nein, keine Minute. Während meiner Arbeit im Synodalrat ist mir bewusst geworden, was die katholische Kirche neben dem Kerngeschäft Gottesdienste für wichtige Beiträge leistet. Das hat mich sehr beeindruckt. Als die Neuwahlen anstanden, hat mir der damalige Präsident, Benno Schnüriger, gesagt: «Wenn du wirklich etwas erreichen willst, musst du in die Exekutive.» Meine Familie hat mir das Go gegeben und ich habe es versucht – und es hat auch geklappt.

Hättest du gerne weitergemacht?

Ich liebe mein Amt und hätte gerne noch ein paar Jahre drangehängt. Aber ich finde auch gut, dass es für diese Position eine Amtszeitbegrenzung gibt –frischer Wind ist nie verkehrt.

Apropos frischer Wind: Was wünscht du dir von deinem Nachfolger?

Ich wünsche mir, dass die Arbeit weiterhin so gut funktioniert im Synodalrat – dass wir gemeinsam vorankommen, aber auch miteinander streiten. Wir haben eine gute Kommunikationskultur etabliert – mehr als ein blosses Verwalten. Der Synodalrat hat die Aufgabe zu gestalten, kirchliches Leben zu ermöglichen.

Und ich weiss, dass mein Nachfolger, Raphael Meyer, den Mut besitzt, auch unbequeme Themen anzusprechen.

Einiges konntest du – auch auf unbequeme Art und Weise – bewegen. Gibt es ein Ziel, das du in deiner Amtszeit nicht erreicht hast?

Mir war besonders wichtig, dass die Menschen von dem erfahren, was wir tun und was die Kirche alles Gutes tut. Leider schaffen wir es nicht, aus den Negativschlagzeilen herauszukommen. Natürlich muss über Fehler und Versäumnisse berichtet werden – das ist wichtig. Aber daneben sollten wir stärker aufzeigen, für was der Synodalrat eigentlich da ist. Wir pflegen zum Beispiel einen intensiven interreligiösen Dialog – die Zusammenarbeit mit anderen Gemeinschaften funktioniert toll. Dass wir es nicht schaffen, damit in die Medien zu kommen, das fuchst mich und treibt mich wirklich um.

Und wie ist es dir insgesamt kirchenpolitisch ergangen?

Die kirchlichen Oberen haben einen langen Atem. An der Bischofssynode in Rom dürfen ein paar Frauen mitreden – ausgewählt von den Bischöfen. Da denke ich mir schon: So wie es jetzt ist, schafft ihr es nicht mehr lange. Es sind wieder fünf Jahre vorbei und kein Bischof mag auch nur ein wenig etwas Neues wagen. Auch unser Bischof. In seinem Alter hat er doch nichts mehr zu verlieren. Er könnte doch einfach mal sagen: «So und jetzt machen wir das mal ganz anders!» Wieso verstecken sich alle hinter Rom? Das finde ich sehr schade.

Als neue Synodalratspräsidentin hast du dir in einem Interview einen Bischof, der zuhört, gewünscht. Hat dir der Bischof zugehört?

Ja! Wir haben mit Joseph Maria Bonnemain einen Bischof, der zuhört. Einen Bischof, der vor Ort ist und für den Zürich nicht etwas ganz Schlimmes bedeutet – wie für manchen Vorgänger. Immerhin hat er selbst hier gelebt und kennt die Stadt. Und wir haben jetzt endlich einen Bischof, der nicht nur zuhört, sondern seinem Gegenüber auch in die Augen sieht. Aber zuhören heisst noch nicht, in Aktion zu kommen, leider.

Noch funktioniert ja alles? Noch, ja, aber wie lange? Wir müssen uns wirklich überlegen: «Wie möchten wir unser Evangelium künftig unter die Leute bringen?» Es gibt kaum noch Priesternachwuchs. Wie sollen wir mit den Menschen unterwegs sein, wenn die verbliebenen Priester so überhöht sind. Was sind denn das für junge Männer, die da noch kommen? Dabei wäre es so ein attraktiver Beruf. Ein Theologiestudium ist ein Topstudium. Es hat so viel zu bieten. Sicher leidet alles unter dem Reputationsschaden durch die vielen Priester, die ihre Position missbraucht haben. Wer will sich da noch so exponieren und sich täglich rechtfertigen, dass er jetzt nicht so jemand ist, der missbraucht? Dabei ist die Nachricht des Evangeliums an sich nicht schlecht geworden. Sie braucht aber mutige Verkündiger.

Nicht alle deine Äusserungen stiessen im katholischen Umfeld auf ungeteilte Gegenliebe. Wie bist du mit Kritik umgegangen?

Wenn mir sachliche Kritik entgegengebracht wurde, habe ich immer das Gespräch gesucht. Wenn ich die Möglichkeit hatte, den Absender zu kontaktieren, dann habe ich diese immer wahrgenommen.

Natürlich gab es auch anonyme Briefe, Beleidigungen und sogar eine Morddrohung. Für diese Art von Kritik habe ich mir einen Giftordner angelegt. Einmal bekam ich Post, ich solle mich mal «richtig durchficken lassen» – den Ver- fasser dieser Nachricht würde ich gerne fragen, was ihn zu so etwas bewogen hat. Wenn ich Gewaltandrohungen erhalte, denke ich allerdings: «Da ist Hopfen und Malz verloren.»

Nach den Erfahrungen der letzten Jahre - glaubst du noch an den Synodalen Prozess?

Der Begriff Synode bedeutet noch nicht, dass die Kirche demokratischer wird. Der Begriff Synode – auf dem Weg sein – ist so viel grösser und auch interpretierbarer. Während ich sage, synodal unterwegs sein heisst, gleichberechtigt unterwegs sein – per Mehrheitsbeschluss. Ein anderer sagt eventuell: Synodal heisst, dass wir etwas solange diskutieren, bis alle einverstanden sind. Oder sogar, dass wir solange diskutieren, bis möglichst viele zufrieden sind, und dann trifft der Bischof alleine eine Entscheidung.

Wenn wir bei der Begrifflichkeit schon so unterschiedlich unterwegs sind, wie können wir dann jemals diesen Prozess mit Leben füllen? Deswegen blicke ich dem Ausgang der Synode nicht gerade himmelhochjauchzend entgegen – aber auch nicht zu Tode betrübt. Mehr Demokratie wäre wünschenswert, vor allem in der Schweiz.

Wenn du in der katholischen Kirche von heute auf morgen eine Sache ändern könntest, was wäre das?

Zuerst würde ich jede Art von Diskriminierung abschaffen. Und es ist nicht damit getan, Frauen zu Priestern zu weihen.

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