Der Offizier (September 2022)

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Offizier ÖSTERREICHISCHE POST AG MZ 14Z040084 ÖSTERREICHISCHEM SCHWARZENBERGPLATZOFFIZIERSGESELLSCHAFT1,1010WIEN Wir fordern 6 + 2 Monate ... ansonsten schießen im Einsatz nur mehrWerPapiersoldatenwürdeschießen?Soll Österreich neutral bleiben? Wiederbelebung der Umfassenden Landesverteidigung

und über Qualitäten von Drohnen verfügen, die es uns erst ermöglicht, in einem modernen Einsatzszenario zu beste hen. Nehmen wir an, dass das schon mehrfach angedachte Konzept von autarken Kasernen flächendeckend umgesetzt ist, dass dezentral gekocht, repariert und getankt werden kann, dass auch die Munitionsversorgung, die Sanitätsver sorgung, die Stromversorgung und die Wasserversorgung dezentrale Autarkie ermöglichen. Nehmen wir an, dass wir unsere Truppen auch über unsere eigenen Flüsse überset zen können, wenn Brücken zerstört sind und dass wir aus reichend Hubschrauber haben. Nehmen wir an, dass wir Fliegerangriffen nicht völlig schutzlos ausgesetzt sind, ja, dass wir sogar über eine ausreichende Fliegerabwehr verfü gen, die nicht nur auf kurze Distanz hinter einem Flugzeug nachschießen kann, das seine Raketen und Bomben bereits eingesetzt hat, sondern auch in große Höhen wirken kann, ja, dass wir vielleicht sogar Städte schützen könnten. Denn wenn man schon die Panzerschlacht ausschließen möchte, weil wir ja von Freunden umgeben sind, was sich aber auch als fataler Irrtum darstellen könnte, sollte man wenigsten ernst nehmen, dass man nicht durch Marschflugkörper und Luftangriffe gefährdet oder durch angedrohte Luftangriffe erpressbar ist. Nehmen wir an, dass wir nicht nur zu einer bundesbeschafften Drohnenabwehr in der Lage sind, wie sie der Polizeidienst erfordert, sondern dass wir auch mili tärisch relevante Drohnen abwehren können, insbesondere wenn diese Kamikazeabsichten gegen militärische Ziele ver körpern. Nehmen wir an, dass auch unsere Abwehr atoma rer, biologischer und chemischer Bedrohungen funktioniert. Wenn also alle diese Annahmen zutreffend wären, dann wä ren dies die erforderlichen Fähigkeiten für die militärische Landesverteidigung, eine Aufgabe, die die Bundesverfassung dem Bundesheer zuordnet. Ich überlasse es aber jetzt den Experten, intern einen Soll/Ist-Vergleich anzustellen, denn eine öffentliche Abhandlung dazu könnte wegen meist er schütternder Tatbestände als Nestbeschmutzung oder gar Landesverrat ausgelegt werden.

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Und was tut sich bei uns –auf der Insel der Seligen?

ehmen wir einmal an, dass die hohen Panzer verluste im Ukrainekrieg für unsere allfällige Verteidigung von Vorteil sind, denn es können im Moment nicht (mehr) so viele Panzer kommen. Neh men wir an, dass das auch für die Artillerie gilt. Nehmen wir weiters an, dass für die noch vorhandenen österreichi schen Kampf-, Schützen- und Artilleriepanzer sowie ande re schwere Waffen genügend Munition vorhanden ist, um mehr als nur einen Kampftag zu bestreiten. Nehmen wir auch für die Panzerabwehrwaffen an, dass die Lenkwaffen nicht am Ende ihrer Lebensdauer sind und dass wir auch hier mehr Waffen und Munition haben, als man zum Ab decken der Ausbildung bräuchte. Nehmen wir weiters an, dass unsere durch politische Fehlentscheidungen stark re duzierte und in der Qualität nur bedingt genügende aktive und passive Luftraumüberwachung auch in kommenden Zeiten ausreichend dotiert werden kann, ja angesichts der sicherheitspolitischen Umwälzungen vielleicht sogar doch auch gestärkt wird. Nehmen wir an, dass wir es schaffen, die staatliche und die militärische Kommunikation auf allen Ebenen jederzeit aufrechtzuerhalten und gegen elektroni sche Kampfführung und Cyberattacken abzusichern. Neh men wir an, dass die Funkausstattung der Truppe und der einzelnen Soldaten qualitativ, aber auch quantitativ den An forderungen eines modernen Gefechts entspricht und dass alle Soldaten ausreichend mit Schutzausrüstung ausgestat tet werden können. Nehmen wir an, dass wir ausreichend Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren haben, die nicht zu einer Ladestation müssen, denen aber auch nicht die Zu satzstoffe ausgehen und die auch nicht mit einer Tankkarte bei einer zivilen Tankstelle stauen müssen. Nehmen wir an, dass wir genügend feldverwendungsfähige Soldaten haben, die auch in allen erforderlichen Einsatzarten und Gefechts techniken ausgebildet und durch verpflichtende Übungen, auch nach dem Präsenzdienst, zusammengespielt sind, also keine Rekruten, die erst die Grundbegriffe von all dem ler nen. Nehmen wir an, dass wir über eine ausreichende Zahl

02 OffizierDER Ausgabe 3/2022

03OffizierDERAusgabe 3/2022

Beschluss des Nationalen Sicherheitsrates betreffend die militärische Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine

Inhalt4BriefdesPräsidenten6Werwürdeschießen?11Bittezerstörtnichtmeine Träume

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IhrHaraldChefredakteurPöcher

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Medieninhaber und Herausgeber: Österreichische Offiziersgesellschaft, Schwarzenbergplatz 1, 1010 Wien, ZVR-Zahl: 795014511

Namentlich gezeichnete Beiträge und Ausführungen des „Wächters“ müssen sich nicht mit der Meinung des Herausgebers decken.

während es in Europa lichterloh brennt, und dies nicht nur wegen der Wetterkapriolen, herrscht in Ös terreich eine sicherheits- und verteidigungspolitische Eiszeit. Die mit viel Pomp verkündeten Versprechen für mehr Geld für das Bundesheer sind offensichtlich verhallt./Alles, was man so spärlich aus den Medien er fährt, ist, dass die Koalitionspartner in abhörsiche ren Schützengräben verhandeln, verhandeln und weiterverhandeln. Ich frage mich, was es da noch zu verhandeln gibt, außer dass man sich in der Koali tion darüber einigen muss, dass die überlebensnot wendigen Erfordernisse des Bundesheeres, auch wenn sie nicht alle explizit im Regierungsüberein kommen aufgelistet sind, im Sinne der Sicherheit aller Bürgerinnen und Bürger umzusetzen sind.

Chefredakteur: Generalmajor i. R. Hon. Univ.-Prof. (NKE) Dr. Harald Pöcher, offizier.redaktion@oeog.at Erscheinungsort: Wien

Die ABC-Abwehr im Bundesheer –„Mutig und hilfsbereit“

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/ Eine für die Umsetzung gut geeignete Empfeh lung gibt es mit dem Bericht „Unser Heer 2030“, herausgegeben vom damaligen Bundesminister Starlinger. Die Umsetzung des Berichtes würde bedeuten, dass erstmalig in der Republik das Ziel „militärische Landesverteidigung“ in den Fokus trä te und das Bundesheer effektiv würde, das heißt, die richtigen Dinge täte.

Die anderen mögen sich vorbereiten, Tu felix Austria aber verschließe die Augen vor der Realität

Wann wird wieder so richtig geübt wie einst?

/ Es gibt aber auch einen Hoffnungsschimmer, denn der Nationale Sicherheitsrat hat einen Be schluss betreffend die Aufrechterhaltung der „Um fassenden Landesverteidigung (ULV)“ gefasst und dass über die Wiederbelebungsmaßnahmen der ULV die zuständige Bundesministerin oder der zuständige Bundesminister an das Parlament zu berichten habe. Das Bundesministerium für Lan desverteidigung hat bereits einen Folder aufgelegt, in dem auch die „ökologische Landesverteidigung“ vorkommt. Ist dies vielleicht wieder eine Hinter tür, um sich an Investitionen für die militärische Landesverteidigung vorbeischwindeln zu können?

Offenlegung gemäß § 24 und § 25 Mediengesetz: Die Zeitschrift befindet sich zu 100 Prozent im Eigentum der Österreichischen Offiziers gesellschaft, Schwarzenbergplatz 1, 1010 Wien. Die Richtung der überparteilichen Zeitschrift ist durch die Statuten der ÖOG bestimmt und bezweckt Informationen in Wort und Bild zu Themen der internationalen und nationalen Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

Hersteller: TARGET GROUP Publishing GmbH, Brunecker Straße 3, 6020 Innsbruck

Druck: druckhaus scharmer GmbH, 8280 Fürstenfeld, Flurstraße 67 Fotos: gem. Einzelnachweis

Das Amt für Rüstung und Wehrtechnik (ARWT)

Hinweis zur Ausgabe 3/2022: Diese Ausgabe enthält als Beilage die Mitteilungsblätter der OG T bzw. OG B für deren Mitglieder.

Marketing: Dr. Michael Radike, marketing@oeog.at

Das Verteidigungsministerium startete eine Informationskampagne (ULV)

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Beschluss des Nationalen Sicherheitsrates betreffend die Aufrechterhaltung der „Umfassenden Landesverteidigung (ULV)“

DER OFFIZIER

GeschätzteVorwortLeserin,geschätzter Leser,

12 Die Zukunft der Neutralität

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Denn ökologische Landesverteidigung kann auch bedeuten, dass kein Müll, beispielsweise Patronen hülsen, anfallen sollte. Dies würde dem aktuellen Zustand des Bundesheeres zugutekommen, denn wer schießt im Bundesheer noch wirklich?

Rudolf Striedinger –neuer Generalstabschef

WILKEÖOG/FOTOSTUDIO©

/ Rudolf Striedinger ist seit Okto ber 2015 Vizepräsident der ÖOG und hat federführend das „Positionspa pier 2017“ mitgestaltet. In wichtigen Grundsatzfragen – wie Wehrpflicht, Milizsystem mit Übungspflicht, Bedeu tung der Umfassenden Landesverteidi gung (ULV) – spricht dieses eine klare Sprache./Esdarf aber nicht übersehen wer den, dass die wichtigen Weichenstel lungen für das Bundesheer auf dem politischen Parkett getroffen werden.

Favoriten für dieses Amt ausgewählt und damit Weitsicht bewiesen. Rudi Striedinger ist ein exzellenter Offizier, der eine Bilderbuchkarriere absolviert hat. Angesichts der geopolitischen Herausforderungen kommen große Aufgaben auf ihn zu, für die ich ihm viel Soldatenglück wünsche“, war mei ne erste Reaktion im Namen der ÖOG in einer Presseaussendung.

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Brief desEinePräsidentenPremiere

Am 17. August 2022 gab Verteidi gungsministerin Klaudia Tanner be kannt, dass sie sich für GenMjr Rudolf Striedinger als neuen ChGStb ent schieden hat. „Ministerin Tanner hat unter hervorragenden Kandidaten den

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m 26. Jänner 1960 wurde die Österreichische Offiziersge sellschaft als Dachorganisa tion der neun Landesoffiziersgesell schaften gegründet. Eine treibende Kraft war General der Artillerie Emil Liebitzky, der frühere Leiter der Sek tion VI des Bundeskanzleramtes, dem Amt für Landesverteidigung, aus dem 1955 das Bundesministerium für Lan desverteidigung hervorging. Für ihn war die ÖOG ein Brückenkopf und ein Sprachrohr des Militärs in der Zivilge sellschaft. Gemeinsam mit dem ersten Generaltruppeninspektor (GTI) der Zweiten Republik, General der Infan terie Erwin Fussenegger, baute er das Bundesheer neu auf. Liebitzky war – bis zu seinem Tod am 12. April 1961 – der 1. Präsident der ÖOG. GTI Fusseneg ger führte als Vizepräsident die Ge schäfte der ÖOG bis zur Neuwahl am 9. Dezember 1961.

/ In der Geschichte der ÖOG gab es also bereits einen GTI als amtsführen den Präsidenten. Aber erstmals wurde nunmehr ein Vizepräsident der ÖOG zum Chef des Generalstabs bestellt.

gerückt. Er nahm dabei auch Stellung zu Diskussionen im Juni 2020.

Der Generalstabschef hat eine be ratende Funktion für die Ministerin. Letztlich obliegt es aber ihrem politi schen Geschick, in Verhandlungen mit dem Bundeskanzler, dem Vizekanzler und dem Finanzminister jene Rahmen bedingungen zu schaffen, die aus mili tärischer Sicht sinnvoll und notwendig sind.

Fokus auf die Landesverteidigungmilitärische

In seinen ersten Interviews hat der neue Generalstabschef klar Position bezogen und angesichts des UkraineKriegs die militärische Landesvertei digung ins Zentrum seiner Planungen

Der Herbst der Wahrheit

Einen Tag nach dem Einmarsch russi scher Truppen in die Ukraine hat der Nationale Sicherheitsrat einstimmig „die Notwendigkeit einer glaubwürdi gen militärischen Landesverteidigung im Sinne eines gut ausgestatteten und ausgebildeten Bundesheeres mit einem dementsprechend hoch dotier ten Budget im Sinne der verfassungs mäßigen Vorgaben“ gefordert. Außer dem empfahl er der Bundesregierung

/ Zuletzt waren immer wieder Zwei fel gestreut worden, ob er denn wirk lich der Beste für das Amt wäre. Und ausgerechnet seine Arbeitskleidung, die Uniform, wurde ihm zum Vorwurf gemacht. Vor einiger Zeit hat ein bei einer Übung verletzter Soldat in einer Bushaltestelle Pause gemacht und auf die Sanitäter gewartet. Anrainer ver fielen in Panik und haben die Polizei gerufen, da sie an einen bewaffneten Terroristen dachten. Ähnlich absurd erschien die Hysterie um Striedingers Flecktarnuniform in der GECKO-Kom mission. Es wirft ein beschämendes Licht auf den wehrpolitischen Zustand Österreichs und seine „Geistige Lan desverteidigung“, wenn derartige In halte wochenlang für Erregung sorgen.

zusätzlich mehrere Milliarden brau chen, um den Investitionsrückstau der letzten Jahrzehnte zu beheben.

/ Und für die Befähigung für eine Ab wehroperation wird ein Budget unter halb des NATO-Standards von 2 % des BIP nicht ausreichend sein.

2. Steigerung der geschützten/gepan zerten Mobilität

/ Nach medialen Ankündigungen sind die Erwartungen an die zukünf tige finanzielle Ausstattung des ÖBH entsprechend groß – die Skepsis aber auch. Denn allzu oft sind in der Ver gangenheit großen Worten nur kleine Taten gefolgt.

3. Investitionen in die Autarkie des ÖBH

/ Weitere Handlungsfelder sind die dringende Wiederherstellung einer Luftabwehr und ein notwendiger Fä higkeitszuwachs im Bereich der Luft streitkräfte.

1. Verbesserungen bei der (Schutz-) Ausrüstung und der Waffenwir kung der Soldaten

GewissenSicherheitspolitisches

/ Wenn also 2023 das Budget des ÖBH tatsächlich auf 1 % des BIP erhöht wird, dann werden wir das als Zwi schenschritt sicher anerkennen – es entspricht ja auch einer jahrelangen Forderung. Es wird aber unzweifelhaft

„die Aufrechterhaltung der ‚Umfas senden Landesverteidigung‘ sowie der Vorlage eines diesbezüglichen Infor mationsberichts über die Wiederbe lebungsmaßnahmen der zuständigen Bundesministerinnen und Bundesmi nister an das Parlament.“

/ Der neue ChGStb hat drei erste Schwerpunkte angekündigt:

Unter dem Eindruck der geopoliti schen Veränderungen hat die Dele giertenversammlung der ÖOG die Ausarbeitung eines neuen Positions papiers bis Ende 2022 beschlossen.

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Erwartungen Offiziersgesellschaftder

Mag. Erich Cibulka, Brigadier Präsident der OffiziersgesellschaftÖsterreichischen

In den nächsten Wochen und Mona ten stehen also wichtige Weichen stellungen an, die von der ÖOG

sorgfältig beobachtet und nötigen falls kommentiert werden. Um dabei Interessenskonflikte zu vermeiden, hat unser Vizepräsident seine Funk tion ruhend gestellt und wird bei der nächsten Wahl aus dem Präsidium der ÖOG ausscheiden. Für eine weiterhin kameradschaftliche Zusammenarbeit wird das aber kein Hindernis sein.

Die Arbeiten dazu laufen auf Hoch touren. Doch eines lässt sich bereits absehen: Die zeitlich und räumlich be grenzte Schutzoperation wird in Zu kunft nicht der Maßstab sein, an dem wir die Fähigkeiten der Streitkräfte orientieren wollen.

aktuellImmerinformiert. oeog.at/newsletterEintragen.Jetzt.ÖOGNewsletter TrippoltBundesheer/DanielFoto: Der

„Papiersoldaten“

ahrzehntelang kritisch beäugt, in den Schatten gestellt und zuletzt fast schon als unnötig erachtet, sind Experten für die Ausübung des Kriegshandwerks auf einmal wie der gefragt. Angesichts der Ereignisse in der Uk raine darf man es inzwischen wieder laut sagen: Der Beruf des Soldaten hat Zukunft. Zumindest dann, wenn den jüngsten Ankündigungen der Politik auch die entsprechenden Taten folgen. Besonderes Engagement beim geplanten Auf rüsten der eigenen Streitkräfte zeigten zuletzt Deutschland und Österreich. Beide Länder hat ten in den vergangenen Jahren ihr Militär zwar nach außen hin stets als schlagkräftig darge stellt, es tatsächlich aber in einen Dämmerschlaf versetzt. Das soll sich nun ändern. Wirklich. Schon demnächst.

Fast jeder dritte Soldat des Einsatzheers hat seine Kameraden noch nie gesehen.

Quelle: Bundesministerium für Landesverteidigung (Stand: Mai 2022)

/ Es mutet banal an. Tatsächlich wird jedoch auch militärischen Laien schnell klar: Panzer abwehrwaffen, Artilleriegeschütze und Luft abwehrlenkwaffen, mit denen sich die ukrai nische Armee gegen die russischen Invasoren sehr erfolgreich wehrt, wollen gekonnt bedient werden. Von Soldaten, die daran ausgebildet sind, und die, wenn es darauf ankommt, ihren

Präsenzkräfte16.200BefristetbeorderteMilizsoldaten55.000SoldatinnenundSoldaten

Folgt der Dürre das Füllhorn?

Milizkräfte

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Euro an. In Österreich brach zunächst eine klei ne Debatte über Sinn (oder Unsinn) der Neut ralität aus, anschließend folgten ebenfalls Ideen zur Hochrüstung der Armee. Oder eigentlich: zum Aufholen der Versäumnisse der Vergan genheit. Die diskutierte Budget-Bandbreite lag zwischen den aktuellen und äußert knapp be messenen 2,7 Milliarden Euro und reichte bis hin zu fast fantastischen sechs Milliarden Euro jährlich./Wie fast immer stand dabei die Neuan schaffung von Ausrüstung und Kriegsgerät im Fokus: Kampffahrzeugzeuge, Raketen, Panzer. Nur die eine, womöglich entscheidende Frage stellte niemand. Wenn all das neue Material tatsächlich kommen sollte: Wer wird schießen?

Berlins Regierungschef Olaf Scholz legte vor. Unter dem Eindruck der ersten Kriegsbilder aus der Ukraine kündigte Deutschlands Bun deskanzler die Hochrüstung der Bundeswehr mit einer Sonderinvestition von 100 Milliarden

Wer würde schießen?

von Andreas Wetz

/ Einheiten, deren Mitglieder einander per sönlich kennen, die bereits miteinander geübt haben und das ihnen zur Verfügung gestellte Kriegsgerät blind beherrschen, können den Unterschied ausmachen. In der Auseinander setzung zwischen Russland und der Ukraine ist das täglich zu sehen. Kann das das Bundesheer auch?

ist im Ruhestand. Und wie so viele seines Schlags nie wirklich aus der „Firma“ ausgeschieden. Oder abgerüstet, wie Soldaten sagen. Der andere, ebenfalls ein Offizier von hohem Rang, ist aktiver Soldat und hat in seiner Funktion guten Einblick in die Personalstruktur der Armee.

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Kameraden links, rechts, vor und hinter ihnen im Kampf ihr Leben anvertrauen.

Meister der Mangelwirtschaft

/ Im Vergleich zur Friedensorganisation sogar gewaltig. Die 20.900 präsenten Kräfte bekom men dann 34.100 zusätzliche Kameraden aus der Miliz (beide Zahlen schwanken immer ein wenig). Das Bundesheer wird so 55.000 „Mann“ – darun ter 662 Frauen – stark.

Kritischer Befund aus dem Inneren News tauchte für die Recherchen in die kom plexe Welt der militärischen Einsatzplanung ein. Sprach mit ehemaligen und aktiven Spitzen kräften, die – anders wäre das nicht möglich –anonymisiert, aber offen gravierende Defizite schilderten. Wir besuchten den General und ak tuellen Leiter der Einsatzkoordination, der mit all diesen und über die Jahre von Politikern aufge bauten Defiziten leben und arbeiten muss. Und wir sprachen mit Vertretern der Miliz, die im Ein satzfall den personell größten Teil der Streitkräf te stellen soll. Unsere Reise beginnt im vierten Stock eines Wiener Bürohauses aus Stahl, Glas und Beton. Hier, unweit des jüdischen Viertels der Leopoldstadt, treffen wir zwei Spitzenkräfte des Bundesheers. Einer von ihnen, ein General,

Problem eins: die Papiersoldaten „Wenn der Krieg ausbricht, werden wir feststel len, dass ein Gutteil der heute noch verplanten Soldaten nur auf dem Papier existiert und nie mit jenen Kameraden geübt hat, mit denen sie im Ernstfall gegen den Feind vorgehen.“ Der zentrale Befund der beiden Spitzenkräfte klingt vernichtend. Aber stimmt er auch? Die Antwort vorweg: Ja. Der Weg zur Erkenntnis ist jedoch verworren. Wenn – vereinfacht gesagt – der Krieg ausbricht, wird aus dem Bundesheer, wie wir es kennen, die sogenannte Einsatzorganisa tion. Im Grunde bedeutet das: Die „präsenten Kräfte“ (Berufssoldaten und Grundwehrdiener) erhalten Verstärkung durch Soldaten aus dem Milizstand. Das Bundesheer wächst auf, wie die Fachleute sagen.

/ Die Sache ist nur: Etwa 16.200 von ihnen haben dann die Kampfverbände, denen sie zu gewiesen sind, zum Zeitpunkt der Alarmierung noch nie gesehen, geschweige denn mit ihnen geübt. Dies sind jene „Papiersoldaten“, von de nen uns der General und sein Offizier berichte ten. Warum tut das das Bundesheer? ›

Der vorsichtige Befund lautet: jetzt, in Frie denszeiten oder im Auslandseinsatz, ja. Öster reichs präsente Kräfte sind trotz aller Defizite bei der Ausrüstung gut ausgebildet und enga giert. Aber wenn die Armee das Land verteidi gen soll, dafür nach Plan stark aufwächst und zur sogenannten Einsatzorganisation wird, dann wird es schwierig. Sehr schwierig. Viel leicht sogar unmöglich, die in zahllosen Geset zen, Doktrinen, Konzepten und Plänen festge schriebenen Aufgaben am Schlachtfeld, an der Grenze, womöglich auch „nur“ beim Schutz be deutender Infrastrukturen zu erfüllen. Die vom Gesetzgeber gestellten Anforderungen gehen mit der Ressourcenzuteilung der Regierungen der vergangenen Jahrzehnte einfach nicht zu sammen.

/ Beide, erzählen sie bei Kaffee und einer Ka raffe stillen Wassers, schätzen ihre Kameraden. Sie alle wären längst Meister darin, aus geringen Mitteln das Maximum zu holen, zu improvisie ren. Angesichts der Ereignisse in der Ukraine müsse man nun aber offen darüber reden, ob wir auch könnten, was die Ukrainer können. Ef fektiv und in Teams kämpfen nämlich. Der Ge neral und der hohe Offizier sagen: Nein, könn ten wir nicht.

Mein Kamerad, der Anonymus Weil es anders nicht funktionieren würde. Die 34.100 Milizsoldaten, die im Einsatzfall und laut Plan annähernd zwei Drittel der Armee stellen, sind nämlich nicht alle gleich. Zumindest nicht nach Heeresmaßstäben. Etwas mehr als die Hälfte von ihnen – 19.950 – sind Freiwillige, die sich nach dem Grundwehrdienst aus den unter schiedlichsten Gründen selbst dazu verpflichte ten, sich in den kommenden Jahren regelmäßig als Soldaten fortzubilden, in Form zu halten, kurz: zu üben, um im Fall des Falles Gewehr bei Fuß zu stehen. Einfache Mannschaften müssen über einen Zeitraum von mehreren Jahren 30 Tage in Form von Übungen abdienen, bekom men ihr Gehalt im Zivilberuf während der Übun gen vom Staat ersetzt. Bei Milizunteroffizieren sind es 120, bei Milizoffizieren 150 Tage.

Wenig Übung an Waffen

Mehr als 16.000 Chargen und Mannschaften sind nur auf dem Papier vorhanden.

/ Zur Gruppe der Übungspflichtigen kommen jedoch fast ebenso viele Nichtübungspflichtige, die in den Planungspapieren der Armee trotz dem die für sie vorgesehene Position einneh men. Kritiker wie unsere beiden Offiziere spre chen deshalb von Papiersoldaten. Natürlich sind diese 16.200 jungen Männer „echte“ Menschen aus Fleisch und Blut. Aber: Anders als jene, die sich freiwillig zum Üben verpflichteten, müssen sie zu Manövern gar nicht erst erscheinen. Bei den betroffenen Personen handelt es sich aus nahmslos um Grundwehrdiener, die am letzten Tag ihres sechsmonatigen Wehrdienstes ein Pa pier namens Bereitstellungsbescheid ausgehän digt bekamen.

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Problem zwei: Ausbildung

Von den 55.000 Personen des Einsatzheeres fehlen mehr als 1.000 Offiziere und 3.000 Unteroffiziere.

/ Aber sie sei zu schaffen, sagt er. Und nennt für fast jede seiner Sorgen ein Gegenargument, warum sich die Bevölkerung im Ernstfall dann doch auf „unser Heer“ verlassen könne.

/ In diesen Einheiten sollen sie dann gemein sam mit Berufs- oder Milizsoldaten kämpfen, die – anders als sie selbst – regelmäßig üben. Mit so einer Armee will sich Österreich vertei digen?

Dabei geht es nicht ums Wollen. Das Land hat gar keine andere Wahl. Das ist einer der Gründe, warum österreichische Soldaten in den vergan genen Jahren eine regelrechte Virtuosität darin entwickelt haben, das Beste aus dem Mangel zu machen. Einer dieser Virtuosen ist Stefan Thaller. Der Offizier im Generalsrang (Brigadier) hat sein Büro im wuchtigen Backsteinbau des Verteidi gungsministeriums am Wiener Donaukanal. An der Wand hängen Fotos des Bundespräsidenten, der Verteidigungsministerin, des Generalstabs chefs. Und: ein Katana, ein Ninja-Schwert. Unter den Augen seiner obersten Vorgesetzten ist er als Leiter der Abteilung für militärstrategische Einsatzkoordination dafür verantwortlich, dass bei jedem der 55.000 Soldaten-Arbeitsplätze des Einsatzheers ein Name steht. Angesichts der zahllosen Baustellen des Militärs ist das keine leichte Aufgabe.

Es stimme schon, sagt er, dass die durch re gelmäßiges Üben entstehende Kampfgemein schaft im Einsatz ungemein wichtig sei. „Das sieht man gerade in der Ukraine.“ Andererseits: Die in den österreichischen Plänen vorgesehe nen zwei Monate Einsatzvorbereitung nach der Einberufung würden ausreichen, um ebendie sen Mangel zu beheben. So könnten auch die in

Ein Großteil des Aktivkaders ist überaltert und nicht mehr an vorderster Front verwendbar!

Stark vereinfacht gesagt bedeutet der Bescheid, dass man während eines bestimmten Zeitraums im Kriegsfall und nur dann, also wenn das Bun desheer auf seine Einsatzgröße von 55.000 Mann aufwächst, einrücken muss. Kommt kein Einsatz, sind die abgerüsteten ehemaligen Grundwehrdiener lediglich dazu da, um die offe nen Positionen jener Einheiten aufzufüllen, de nen sie laut Einsatzplanung zugewiesen wurden.

Für Wachen reicht es

Die sehr zahlreichen Inlandseinsätze der ver gangenen Jahre (Grenzkontrollen, Covid-Assis tenzeinsatz etc.) führten jedoch dazu, dass viele Grundwehrdiener schon nach dem ersten Teil der Basisausbildung ihren militärischen Wis sensstand nicht mehr weiter ausbauen konnten. „Diese Soldaten können wir im Einsatz mit Mas se nur als Wachen oder zum Schutz von Infra struktur einsetzen“, sagt Thaller. Panzerjagd aus dem Hinterhalt wie in der Ukraine? Das scheint wohl ausgeschlossen.

/ Bei Kaffee und Wasser – Soldaten scheinen nichts anderes zu trinken – erzählt uns Thaller dann aber von anderen Sorgen, die ihn plagen. Vom oft höchst unterschiedlichen Ausbildungs stand der von ihm einzuteilenden Soldaten. Und vom Mangel an Fachkräften und Komman danten./Gleich einige Tausend Freiwillige und unbe fristet Beorderte der Miliz sind offenbar näm lich gar nicht geeignet für das, was Laien den Schießkrieg nennen. Die Art der Feldverwen dung eines Soldaten hat nämlich auch mit den absolvierten Ausbildungen zu tun. Am einfachs ten zu verstehen ist das am Beispiel eines klas sischen Jägers (Infanterie). Als solcher erreicht man die volle Einsatztauglichkeit erst nach Ende der sechs Monate Wehrdienst, ist dann – ge meinsam mit seinen hauptberuflichen Kamera den – dazu in der Lage, das vorgesehene Waf fenarsenal vollumfänglich zu bedienen: Pistole, Sturm-, Scharfschützen und Maschinengewehr, Panzerabwehrrohr, Lenkwaffen, Handgranaten, Granatwerfer und mehr.

Kämpfer ohne Kommandeure

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„Train as you fight – fight as you train.“ So lau tet ein weltweit genutztes Prinzip der militäri schen Ausbildung. Die Idee ist, dass unter Stress gesetzte Handlungen – etwa im Gefecht – nur dann weiterhin korrekt ablaufen, wenn sie un ter möglichst einsatznahen Bedingungen oft wiederholt, also geübt, und damit automatisiert wurden. Militärische und polizeiliche Sonder einheiten treiben diese Art des Trainings auf die Spitze, doch auch konventionelle Kräfte profitie ren von diesem Zugang.

Ein weiteres Problem sind die fehlenden Offi ziere und Unteroffiziere. Während die Zahl der „Papiersoldaten“ und der Freiwilligen unter den Mannschaftsgraden der Miliz seit 2009 von ca. 18.500 auf 28.500 stieg, reduzierte sich die Zahl der für diese Soldaten zuständigen militärischen

/ Davon, dass Österreichs Streitkräfte abseits der Sonderverbände so üben, wie sie im Einsatz kämpfen würden, kann allerdings keine Rede sein. Insbesondere bei den nahezu ausschließ lich aus Milizsoldaten bestehenden Verbänden wird das sichtbar. Diese setzen sich großteils aus zehn in der ganzen Republik verteilten Jägerba taillonen (einem pro Bundesland, zwei in Wien) zusammen. In den Planungsdokumenten und Tabellen, die General Thaller und sein Team im Backsteinbau am Wiener Donaukanal erstellen, besteht ein Bataillon aus 720 Soldaten. Und kein einziges von ihnen ist dazu in der Lage, in Nor malbesetzung zu üben: Es gibt schlichtweg zu wenig Übungspflichtige. Besonders dünn ist die Personaldecke im Westen. Die Jägerbataillone Vorarlberg, Tirol und Salzburg kommen aktuell auf allesamt weniger als 400 Mann. Und selbst jene Einheiten mit den höchsten Befüllungsgra den im Land (Steiermark, Niederösterreich, ›

/ Gerade Unteroffiziere sind manchmal hoch spezialisierte Fachkräfte, ohne deren Arbeit der Betrieb im Einsatz gar nicht funktioniert. Es geht um Mechaniker, Experten für Nachschub und Logistik oder dienstführende Unteroffizie re („Spieß“), die zu Hunderten fehlen. Aufgrund der Relevanz dieser Positionen sind die genau en Zahlen aus Sicherheitsgründen vertraulich. General Thaller, der „Problemlöser“, arbeitet derzeit mit Umschulungsprämien gegen den Fachkräftemangel an.

Problem drei: die Übung

Führungskräfte deutlich: Nämlich von etwa 7000 auf 4000 bei den Unteroffizieren und von etwa 3000 auf 2000 bei den Offizieren. Selbst Thaller bezeichnet diesen Rückgang vor allem bei den Unteroffizieren als „dramatisch“.

der Truppe bis dato wenig geschätzten „befris tet Beorderten“ Teil eines Teams werden. Nach satz: „Aber ich gebe zu: Bei einem allenfalls kurzfristig zu bewältigenden Einsatz sind zwei Monate eine lange Zeit.“

Abdruck eines Artikels der Zeitschrift © NEWS 20/2022 v. 20.05.2022. Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung von NEWS.

Kritik an Söldnermentalität Seither, sagt er, würden sich, auch wegen der Mi lizprämienmodelle, zu viele Leute mit Söldner mentalität melden. Eine bedenkliche Entwick lung, findet er, die nur durch eine allgemeine Übungspflicht nach dem Wehrdienst gestoppt werden könnte. Leise politische Ideen in diese Richtung gab es bereits. Ob es je wieder dazu kommt, wird wohl auch vom Kriegsverlauf in der Ukraine abhängen. Die Frage, wer also im Krisen fall beim aktuellen Ausrüstungs- und Personal stand schießen würde, beantwortet Stift ohne Ausweichmanöver so: „Wir wohl nicht.“

Die Miliz-Idee ist mehr „Auch wir haben es noch nie geschafft, in vol ler Bataillonsstärke zu üben“, sagt Martin Stift. Der 51-Jährige sitzt mit uns im Gastgarten des Alten AKH in Wien. Abseits des zivilen Lebens ist der Vespa-Fan „Spieß“ der ersten Kompanie des Miliz-Jägerbataillons Wien 1. Und vor allem: Vizepräsident des Milizverbands, der Interessen vertretung der Milizsoldaten.

/ Heute ist Kompanieabend, und die Veran staltung zeigt, dass die Miliz mehr ist als das ministerielle Auffüllen von leeren Plätzen in Einheiten mit Namen, die die Kameraden noch nie gehört haben. Vizeleutnant Stift glaubt, dass Soldaten als Bürger in Österreich stets dafür sorgten, dass das Militär Teil der Bevölkerung blieb. Und dass Kameradschaft gepflegt wird. „Genau das ging mit dem Ende der Pflichtübun gen für alle Wehrdiener verloren.“

8.10.20227.10.2022AUSMUSTERUNGWienerNeustadtneuentdeckenSPECIAL–AUSMUSTERUNG–TAGDERLEUTNANTEPaketFähnrich 1 Nacht im 4* Le Parc mit exquisitem Frühstück, kostenfreiem Parkplatz, Ortstaxe, Sauna- und 3FitnessbereichGängeMenü im Reef & Beef am Hauptplatz Genussvolles Souvenir Preis Doppelzimmer .......................... 149 € p.P. Paket Leutnant 2 Nächte im 4* Le Parc mit exquisitem Frühstück, kostenfreiem Parkplatz, Ortstaxe, Sauna- und 3FitnessbereichGängeMenü im Reef & Beef am Hauptplatz 3 Gänge Menü im haubenprämierten Alten StadtführungBackhaus am Abreisetag mit Maria Theresia Genussvolles Souvenir Preis Doppelzimmer (2 Nächte) ......... 299 € p.P. NÄHERE tourismus-wn.at/packagesINFOS BillaudetMarcel©Foto

Wien) erreichen gerade einmal etwas mehr als 70 Prozent. Die hohen Befreiungsquoten von durchschnittlich 26 Prozent im Fall von befohle nen Übungen sind dabei noch gar nicht mitein gerechnet. „Train as you fight“ bleibt in Öster reich ein Wunschtraum.

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/ Wenn ich heute meine Eltern besu che und bei ihnen eine ganze Woche verbringe, höre ich aus der Kaserne kaum mehr militärische Töne, etwa den Gesang von marschierenden Soldaten oder Startgeräusche von Panzerfahr zeugen. Gehe ich dann in die Kaserne hinein, muss ich sehr weit gehen, um überhaupt noch Soldaten antreffen zu können. Auf meine Frage warum diese Kaserne zur Geisterstadt wurde, fällt meinem Vater nur ein, dass nach 1990 alle Armeen in Europa kräftig abgerüs tet haben und auch das österreichische Bundesheer stark abgerüstet hat. Er sagt auch immer wieder, dass uns der Feind von einst abhandengekommen ist und wir jetzt irgendwelche Bedro hungsszenarien entwickeln müssen, damit uns die Bevölkerung glaubt, dass man auch in diesen friedlichen Zeiten ohne greifbare militärische Bedrohung noch eine militärische Landesverteidi gung braucht. Er macht mir aber trotz dem Mut, und sagt, es werden wieder bessere Zeiten kommen und man wird dem Bundesheer wieder mehr Auf merksamkeit schenken. Er sagt auch, dass ich mir keine Sorgen machen sol le, denn es wird auch für mich noch interessante Beschäftigungen beim Heer geben. Ich glaube zwar meinem Vater, aber etwas neidvoll blicke ich schon zu meinem älteren Bruder, wel cher gerade mit dem Medizinstudium fertig geworden ist und nach seiner Facharztausbildung Militärarzt werden will. Ich bleibe aber trotzdem Optimist und hoffe, dass die Verantwortungsträ ger in der Politik und ihre militärischen Berater und so mancher opportunisti sche Einflüsterer nicht meine Träume zerstören werden und mir ein österrei chisches Bundesheer erhalten bleibt, in dem es ebensolche interessante Jobs gibt, wie sie einst mein Vater vorfand. (Der Name des Autors liegt der Redakti on vor.)

/ Meine Eltern haben nach wie vor diese Wohnung, mittlerweile konnte mein Vater diese Wohnung ins Eigen tum erwerben. Es ist ja nicht schlecht, neben einem Ferienhaus an einem größeren See auch eine große Woh nung in Stadtnähe zu haben. Mein Vater beklagt sich aber trotzdem und kritisiert die damalige Regierung, weil er eigentlich noch vor 60 in Pension gehen wollte und jetzt, will er noch

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Ansichten eines Offiziersanwärters zur Zukunft des Bundesheeres

I

eine brauchbare Pension erhalten, bis 65 arbeiten gehen muss.

/ Ich vertraute daher darauf, dass das Bundesheer noch das Aussehen hatte, welches ich als junger Bub mit erlebt hatte, als mein Vater in einer großen Kaserne am Rande einer gro ßen Stadt in Westösterreich Dienst versah. Wir wohnten damals in einer sogenannten Naturalwohnung an grenzend an die Kaserne. So konnte ich täglich das Kasernengeschehen hautnah miterleben und auch öfters meinen Vater besuchen. Schon da mals als kleiner Bub faszinierten mich die großen furchterregenden Panzer fahrzeuge und auch die Fliegerab wehrkanonen, welche mich besonders begeisterten, weil sie sich so schnell drehen konnten wie ein Ringelspiel.

Bitte zerstört nicht meine Träume

/ Mein Wunsch, Offizier zu werden, wurde durch meinen Vater bestärkt. Er ist Jahrgang 1965 und absolvierte die Militärakademie Mitte der 1980erJahre. Mein Vater ist gerade von einer längeren Auslandsverwendung wieder nach Österreich zurückgekehrt und hat nun eine hohe Funktion im Vertei digungsministerium erhalten. Er hat in seiner bisherigen militärischen Karrie re viele interessante Funktionen inne. Zwischen meinem zehnten und 18. Le bensjahr war mein Vater Militäratta ché in zwei schönen Städten der Welt. Und bereits als junger Offizier war er mehrere Male im Auslandseinsatz tä

tig und verdiente dabei recht gut. Für mich war jedenfalls die Zeit, als meine Eltern und ich im Ausland wohnten, eine Zeit, in der ich nicht nur mehrere Sprachen erlernte, sondern auch viele Kinder ausländischer Militärs kennen lernte, mit denen ich noch heute be freundet bin. Die damaligen großzügig bemessenen Wohnverhältnisse und die Annehmlichkeiten des täglichen Lebens (ich konnte sehr teure Schulen besuchen) waren für mich prägend für mein weiteres Leben. Vom Militär in der Heimat bekam ich nicht sehr viel mit und so hatte ich kein klares Bild über das österreichische Bundesheer im Jahre 2018, als ich zum Grundwehr dienst einrückte. Ich vertraute den Hochglanzbroschüren, welche mir die heile Welt des österreichischen Bun desheeres präsentierten.

ch bin im Jahre 2000 geboren und absolviere gerade die Offi ziersausbildung im dritten Aus bildungsjahr an der Theresianischen Militärakademie. Schön ist es schon beim Militär, in der freien Natur am Truppenübungsplatz Allentsteig und auch im Sommer im Akademiebad. Gerne denke ich auch noch zurück an die fordernde Ausbildung im Win ter am Truppenübungsplatz Wattener Lizum sowie an das Schießtraining bei glühender Hitze in Bruckneudorf. Einen großen Mehrwert hatte die Sportausbildung und die Ausbildung zum Hochalpinisten. Besonders inter essant war die Ausbildung an auslän dischen Militärakademien, ich war in West Point in den USA und hatte auch das Glück, da ich recht gut italienisch spreche, nach Modena entsandt zu werden./Eigentlich war es von frühester Jugend an mein Wunsch, so wie mein Vater Offizier des Österreichischen Bundesheeres zu werden, aber in letzter Zeit sind mir einige Zweifel ge kommen, ob ich mit dieser Berufswahl eine Lebensstellung bis zur Pensionie rung erhalten kann und es mit immer geringer werdenden Großwaffensys temen überhaupt noch interessante militärische Kommandantenfunktio nen für mich geben wird.

er Krieg in der Ukraine hat uns vor Augen geführt, dass der Friede in Europa keine Selbstverständlichkeit ist. Finnland und Schweden haben sich entschlossen, der NATO beizutreten, weil sie auf deren Sicherheitsgarantien vertrauen. Diese Entscheidung hat auch in Österreich den Status der Neutralität zur Diskussi on gestellt.

Als NATO-Mitglied wäre Österreich Kriegspartei und müsste sein Territo rium für die Stationierung von Vertei digungskräften der NATO oder den Transport von Kriegsmaterial zur Ver fügung stellen. Es wäre somit ein legiti mes Ziel für russische Raketenangriffe, um Waffenlieferungen der NATO durch Zerstörung der Transportinfrastruktur zu unterbinden. Bleibt Österreich neu tral, besteht eine hohe Wahrscheinlich keit, sich aus dem Krieg herauszuhal ten. Ein Beitritt zur NATO bringt keinen erkennbaren Sicherheitsgewinn.

von General i. R. DI Mag. Günther Greindl

/ Es gibt natürlich keine Garantie, dass Österreich nicht in einen Krieg in Europa hineingezogen werden könnte. Würde eine Kriegspartei unsere Neu tralität verletzen, fielen alle Verpflich tungen weg. Österreich wäre frei, mit Nachbarländern gemeinsam Wider stand zu leisten. Deshalb ist es wichtig und richtig, die eigenen militärischen Kräfte so vorzubereiten, dass sie im Be darfsfall mit den befreundeten Nach barländern operieren können. Das waren übrigens 1995 die Beweggründe für die Teilnahme an der NATO-Part nerschaft für den Frieden.

Der Preis der Freiheit

/ Die Freiheit Österreichs ist histo risch mit der Neutralität verbunden. Im Moskauer Memorandum vom 15. April 1955 verpflichtete sich Österreich, sich nach dem Vorbild der Schweiz für im merwährend neutral zu erklären. Die Zustimmung Österreichs zur Neutra lität erfolgte aufgrund der Erkenntnis, dass das Verlangen der Sowjetunion den realpolitischen Verhältnissen ent sprach./Österreich hat seine Neutralität von Beginn an selbst interpretiert. Es hat sich für eine aktive Friedenspolitik im Rahmen der Vereinten Nationen entschieden. Bereits drei Wochen nach dem Beschluss des Neutralitätsgeset zes ist Österreich am 14. Dezember 1955 den Vereinten Nationen beigetre ten, ein Schritt, den die Schweiz erst 2002 vollzog. Seitdem ist die Charta der Vereinten Nationen der verbindli che Rahmen unserer aktiven Friedens politik./Heute wird die Neutralität laut Umfragen von mehr als 80 % der Ös terreicher unterstützt. Österreich hat verstanden, dass Sicherheit und Frie den nur durch einen Ausgleich der In teressen möglich ist und dass unsere

/ Sollte es zu begrenzten Ausei nandersetzungen oder einem Krieg zwischen der NATO und Russland kommen, sind alle NATO-Staaten zum gegenseitigen Beistand verpflichtet.

/ Mit der Auflösung des Warschauer Paktes hat die NATO ihren ursprüngli chen Zweck verloren. Das neu entstan dene Russland sah die NATO als Relikt des Kalten Krieges und propagierte das

strategische Lage verbessert hat und ein Landkrieg für Österreich ziemlich unwahrscheinlich geworden ist.

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Neutralität dazu einen Beitrag leistet. Die Neutralität ist mit unserer Freiheit, mit dem stetigen Aufschwung der ös terreichischen Wirtschaft und mit dem Wohlstand verbunden, den Österreich seither erlebt. Diese emotionale Bin dung ist jedoch kein Grund, die Neu tralität nicht einer sicherheitspoliti schen Prüfung zu unterziehen. Wie ist die Sicherheit Österreichs am besten gewährleistet? Was bedeutet Neutrali tät im Rahmen der Weltordnung? Kann ein neutraler Staat einen Beitrag zur Si cherheit Europas leisten? Das sind die Fragen, die zu beantworten sind.

D

/ Die Sicherheitspolitik eines Lan des wird im überwiegenden Maß von der geostrategischen Lage bestimmt. Darauf hat der erste Bundespräsident der Republik Karl Renner bereits 1946 in einer Grundsatzrede vor der Öster reichischen Liga der Vereinten Natio nen hingewiesen: „Wegen dieser seiner Lage kann Österreich sich nicht einsei tig binden, ohne das Gleichgewicht der Interessen zu stören und selbst eine Wiederholung von 1914 und 1939 mit heraufzubeschwören. Österreich ist in der ernsten und vielverheißenden Lage keinen anderen Partner wählen zu dür fen als die Organisation der Vereinten Nationen.“/Österreich ist mit Ausnahme der Westgrenze zur Schweiz von NATOStaaten umgeben. Diese geostrate gisch günstige Lage ist das Ergebnis der NATO-Osterweiterung, die ohne jeg liches Zutun Österreichs vonstatten ging. Deshalb können daraus keinerlei sicherheitspolitische Verpflichtungen gegenüber der NATO abgeleitet wer den, auch wenn sich dadurch die geo

Zur Zukunft der Neutralität

Dabei ist der Rückstand an nötigen Investitionen so groß, dass auf Jahre hinaus keine Gefahr falscher Investi tionen besteht. Der Bericht des Ver teidigungsministeriums „Bundesheer 2030“ verdeutlicht in anschaulicher Form, was sofort dringend nötig ist. Die Notwendigkeit, in die militärische Landesverteidigung zu investieren, ist so offensichtlich, dass jede Verzöge rung nur Zeitverschwendung ist. Der Neutrale muss dafür Sorge tragen, dass im Kriegsfall sein Territorium von kei ner Kriegspartei genutzt werden kann. Er darf keine Zone minderer Sicherheit sein. Seine Landesverteidigung zur

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gemeinsame Haus Europa. Das man gelnde Vertrauen des Westens in die Absichten Russlands und die Interes sen osteuropäischer Staaten, ihre neue Freiheit abzusichern, ließen jedoch alte Fragen europäischer Machtpolitik wie der aufleben. Mit dem strategischen Konzept 1991 war der Grundstein ge legt, Einsätze der NATO auch außer halb des Bündnisgebietes (out of area) durchzuführen. Das neue strategische Konzept hat in Übereinstimmung mit den amerikanischen Sicherheitsstrate gien eine Transformation eingeleitet, deren Ziel es ist, auf sämtliche Bedro hungen weltweit reagieren zu können. Bei einer Mitgliedschaft in der „NATO neu“ würde von Österreich erwartet, sich an „out of area“-Einsätzen der NATO zu beteiligen.

Die Entscheidung, den Vereinten Natio nen beizutreten, hat der klassischen Neu tralität nach dem Vorbild der Schweiz die Satzungen der Vereinten Nationen als Leitlinie für eine aktive Friedenspoli tik zur Seite gestellt. Die österreichische Neutralität bewegt sich somit im Span nungsfeld zwischen Neutralitätsgesetz, Charta der Vereinten Nationen und den Verträgen der Europäischen Union.

senden Landesverteidigung in Bezug auf Bevorratung, Staunen1,5fürVerteidigungsministerin,tont.wiederdesverteidigungnitätsdienstEnergieversorgungErnährungssicherheit,undintegriertenSagewesenwären./DieNotwendigkeit,inunsereLanzuinvestieren,wirdvonallenpolitischenLagernbeDennochlöstedieForderungderdasBudgetdieVerteidigungschrittweiseauf%desBIPanzuheben,ungläubigesaus.Wiederumwirdgefordert,zuerstdieSicherheitsdoktrinzuüberarbeitenundneuerlichdieAufgabendesBundesheereszubeschreiben,umfalscheInvestitionenzuvermeiden.

Das Gesetz sieht vor, dass die Neutralität „mit allen zu Gebote stehenden Mitteln“ zu verteidigen ist. Diese Verpflichtung hat Österreich immer sträflich vernach lässigt. Die Konzeption der Umfassen den Landesverteidigung und der Raum verteidigung waren sicherheitspolitisch und militärstrategisch richtige Ansätze, die 1983 von allen politischen Parteien im Parlament beschlossen wurden. Sie scheiterten an der unzureichenden Fi nanzierung und fielen 1989 mit dem Fall der Mauer zu Unrecht dem geänderten Bedrohungsbild zum Opfer. Der Krieg in der Ukraine führt uns vor Augen, wie erfolgreich Raumverteidigung sein kann und wie nötig die Vorgaben der Umfas

Das Neutralitätsgesetz

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Die Handhabung der Neutralität

2013 Verleihung des Egon RanshofenWertheimer-Preis für Verdienste um die Republik Österreich im Ausland Gründungs- und Ehrenpräsident der Vereinigung Österreichischer Peacekeeper

Anschließend Verwendung als Referent für territoriale Verteidigung im BMLV und Studium der Raumplanung an der TU Wien 1973 Kommandant Stabsbataillon, 3. Panzergrenadierbrigade in Mautern 1977 Auslandsverwendung als Chief Operations Officer und KontingentskommandantÖsterreichischerinZypern(UNFICYP)

Erde und in der Luft muss sich an den Standards des sicherheitspolitischen Umfeldes messen.

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/ Die Schweiz kann diesbezüglich als Vorbild und Messlatte dienen. Mit fünf Milliarden Euro jährlich gibt die Schweiz doppelt so viel für die Vertei digung aus wie Österreich. Das öster reichische Verteidigungsbudget von derzeit 0,62 % des BIP müsste zumin dest auf 1,3 % angehoben werden, um vergleichbar zu sein. In der Aufbaupha se der Raumverteidigung betrug das damalige Verteidigungsbudget zwi schen 1,2 % bis 1,4 % des BIP. Es gibt also keinen Grund heute nicht zu tun, was damals möglich war. Bei einem Beitritt zur NATO müssten sogar 2 % des BIP aufgewendet werden, um die Vorgaben zu erfüllen.

General i.R. DI Mag Günther Greindl, Präsident des Vereins Aufbruch-Österreich

1993 bis April 1994 Sonderbeauftragter des UN-Generalsekretärs in der „United Nations Protection Force“ (UNPROFOR) im ehemaligen Jugoslawien

1966 bis 1969 Generalstabskurs an der verteidigungsakademieLandesWien

1993 bis 2000 Leiter der SicherheitspolitikGeneralstabsgruppeundinternationaleBeziehungenimBMLV

1992 bis 2002 Vorsitzender der Arbeitsgruppe: „UN Consultative Group on the Use of Military and Civil Defence Assets in Disaster Relief“ (MCDA)

1961 bis 1966 Pionieroffizier in Linz und Salzburg

/ Die Glaubwürdigkeit der Vertei digungsanstrengungen ist nicht nur am finanziellen Aufwand zu messen. Laut Bundesverfassung Artikel 79 ist das österreichische Bundesheer nach den Grundsätzen eines Milizsystems einzurichten. Ein Milizsystem ist durch eine relativ kurze Ausbildungszeit der Wehrpflichtigen und verpflichtende Truppenübungen gekennzeichnet. Die verpflichtenden Truppenübungen wur den 2004 ebenfalls der sogenannten Friedensdividende geopfert. Mit ihrer Aussetzung wurde das Milizsystem, wie es die Bundesverfassung vorsieht, zunichte gemacht. Ohne eine Wieder einführung verpflichtender Truppen übungen entspricht das Bundesheer nicht den verfassungsgesetzlichen Vor gaben./Die Weisheit der Römer „Si vis pacem para bellum“ heißt für den Neu tralen „Wenn du den Frieden willst, bereite deine Verteidigung vor“. Kon kret heißt das die Umfassende Landes verteidigung wieder zu beleben, das

1957 Matura BRG Linz

1979 bis 1992 UN Force Commander am Golan (UNDOF), Zypern (UNFICYP) und UN Chief Military Observer in Irak- Kuwait (UNIKOM)

2000 bis 2002 erster Militärrepräsentant bei EU und NATO. Anschließend Versetzung in den Ruhestand

ZUM AUTOR

1958 bis 1961 Theresianische MilitärakademieinWr.Neustadt

/ Falls militärische Einsätze ohne UN-Mandat erfolgen würden, wäre eine Beteiligung jeweils im Einzelfall zu beurteilen. So könnte zum Beispiel bei humanitären Rettungs- und Katastro pheneinsätzen eine Beteiligung erfol gen. Für diese Fälle haben die Verein ten Nationen unter Mitwirkung der EU und Österreichs bereits entsprechende Richtlinien verfasst.

Die Charta kennt keine Neutralität. Sie ist nicht erforderlich, da im Falle eines Krieges der Sicherheitsrat Maßnahmen ergreift, an die sich alle Staaten zu hal ten haben. Neutrale Staaten können sich an allen militärischen und nicht militärischen Zwangsmaßnahmen, die der Sicherheitsrat autorisiert, beteiligen. Österreich hat sich seit 1960 mit über 120.000 Soldaten und Soldatinnen an den friedenserhaltenden Operationen der Vereinten Nationen beteiligt. 1988 wurde den Friedenstruppen der Frie densnobelpreis verliehen, ein Ausdruck internationaler Wertschätzung.

/ Wie immer sich die GSVP entwi ckeln wird, bleibt eine starke nationale Verteidigung zu Erde und in der Luft der wichtigste Beitrag für die eigene Sicherheit und die Sicherheit der EU.

/ Das Ideal der Vereinten Nationen, nämlich die Geißel des Krieges zu ban nen, ist in der realen Welt oft nicht möglich. Der Krieg in der Ukraine ist ein klassisches Beispiel. In diesem Fall lebt die Neutralität wieder auf.

Menschen verursachten Katastrophe betroffen ist. Eine Auswirkung auf die Neutralität ist davon nicht ableitbar, weil die genannten Szenarien keine Kriegshandlungen darstellen.

Die Neutralität in der EU

/ Die Gemeinsame Sicherheit- und Verteidigungspolitik: Nach Artikel 42 (1) ist die Gemeinsame Sicherheitsund Verteidigungspolitik (GSVP) inte graler Bestandteil der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik.

Die Charta der Vereinten Nationen

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/ Die EU hat schon zahlreiche eigen ständige Missionen zur Erhaltung des Friedens durchgeführt, die mit der akti ven Friedenspolitik Österreichs in völ ligem Einklang standen. Widersprüche zur Neutralität treten dann auf, wenn

die EU militärische Einsätze ohne UNMandat durchführt. Der gerade von der EU beschlossene „Strategische Kompass“ sieht die Aufstellung einer Eingreiftruppe in der Stärke von 5.000 Soldaten vor. Die Beteiligung an der Aufstellung dieser Eingreiftruppe ist, so wie die bisherige Beteiligung an den EU-Battle-Groups, neutralitätspolitisch unproblematisch. Kommt es jedoch zu einem Einsatz, so gilt wie bei allen Aus landseinsätzen des Bundesheeres das österreichische Entsendegesetz.

/ Während die Rechte und Pflichten der neutralen Mächte und Personen im Kriegsfall in den jeweiligen Haager Ab kommen klar geregelt sind, besteht im nichtmilitärischen Bereich ein relativ großer Handlungsspielraum. Solange der UN-Sicherheitsrat keine Maßnah men ergreift, kann in allen anderen Bereichen nach eigenem Ermessen vorgegangen werden. Es muss le ›

/ Die Beistandsklausel: Nach Artikel 42 (7) des EU-Vertrages schulden im Falle eines bewaffneten Angriffs auf einen Mitgliedstaat die anderen Mit gliedstaaten ihm alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung. Es obliegt aber den hilfeleistenden Mitgliedstaaten, Art und Umfang der Unterstützung konkret zu bestimmen. Außerdem lässt die Beistandspflicht den „besonderen Charakter der Si cherheits- und Verteidigungspolitik be stimmter Mitgliedstaaten“ unberührt (irische Klausel). Österreich kann sich auf diese Klausel berufen und ist zu keinen militärischen Hilfeleistungen verpflichtet./Zudem ist für die NATO-Staaten der EU die NATO das Rückgrat der Ver teidigung und der sicherheitspolitische Akteur im euro-atlantischen Raum. So bald ein Angriff auf einen NATO-Staat der EU erfolgt, ist es ein Angriff auf die NATO und nicht auf die EU. Das bedeu tet, dass die EU keinen eigenständigen Verteidigungsraum darstellt. Die An wendung der irischen Klausel ist somit nicht nur de jure, sondern auch aus geostrategischer Sicht gerechtfertigt.

Milizsystem mit verpflichtenden Trup penübungen wieder einzuführen und jährlich 1,2 % bis 1,3 % des BIP für die militärische Landesverteidigung aufzu wenden.

/ Die Gemeinsame Außen- und Si cherheitspolitik: In der Praxis tut sich hier ein ständiges Spannungsfeld zwi schen den nationalen Interessen der Mitglieder und den gemeinsamen Aktionen der EU auf. Für das neutrale Österreich trifft dies in besonderem Maße zu.

Die Solidarität im gemeinsamen Han deln, der Beistand im Falle eines bewaff neten Angriffs, die Gemeinsame Sicher heits- und Verteidigungspolitik (GSVP) sowie die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, sie alle berühren die Neutralität Österreichs in unterschiedli chem Maße.

/ Die Solidaritätsklausel: Nach Arti kel 222 des Vertrages über die Arbeits weise der Europäischen Union handeln die Mitgliedstaaten gemeinsam im Geiste der Solidarität, wenn ein Mit gliedstaat von einem Terroranschlag, einer Naturkatastrophe oder einer vom

/ Österreich hat als neutraler Staat gute Voraussetzungen mit einem un getrübten Blick am Aufbau einer mul tipolaren Weltordnung aktiv mitzuwir ken. Die Mitgliedschaft in der EU sollte so einer Politik nicht im Wege stehen, da die EU-Verträge ausdrücklich vor sehen, ihre Politik unter Beachtung der Charta der Vereinten Nationen zu gestalten. Wenn Österreich seine Möglichkeiten mit innovativen Ideen, diplomatischem Geschick und mutiger Entschlossenheit wahrnimmt, kann es als neutraler Staat für den Weltfrieden mehr bewirken als im Rahmen eines transatlantischen Bündnissystems. Die Neutralität hat Zukunft, es gibt keinen Grund sie aufzugeben.

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Der Wert der Neutralität

reich sollte sich jeder Kriegsrhetorik enthalten, sich in der humanitären Hil fe engagieren, gute Dienste anbieten und den Dialog mit allen Parteien auf rechterhalten. Aktive Friedenspolitik erfordert vorausschauende Planung, diplomatisches Geschick und in einem emotional aufgeheizten Klima viel Mut. Eine Änderung des EU-Vertrags zur Abschaffung der Einstimmigkeit in der GASP würde den Handlungsspielraum der Neutralität vollends beschränken und ist nicht im Interesse Österreichs.

Im Laufe der Geschichte hat sich die Menschheit auf unterschiedliche Weise der Errichtung einer Friedensordnung genähert. Die Hoffnung auf einen dauer haften Weltfrieden bleibt als Sehnsucht der Menschheit weiter bestehen. Nie mand weiß, ob der Traum je in Erfüllung gehen wird, aber es wäre unverantwort lich, nicht alles zu unternehmen, um die ses Ziel zu erreichen.

diglich darauf geachtet werden, die Kriegsparteien gleich zu behandeln. Die Neutralität verpflichtet auch nicht, die Wirtschaftsbeziehungen von Priva ten zu regulieren oder einzuschränken.

/ Die weitere Entwicklung der EU ist ungewiss. Das Ziel einer GASP, die europäischen Interessen eigenstän dig und unabhängig vertritt, ist als Wunschziel unbestritten. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn die EU für ihre Sicherheit selbst Verant wortung übernimmt. Der Vorschlag von Präsident Emmanuel Macron für eine „strategischen Autonomie“ greift die Idee einer eigenständigen europä ischen Sicherheit erneut auf. Er zielt letztlich auf eine europäische Vertei digungsunion, die auch ohne NATO schlagkräftig genug ist, um die eigene Unabhängigkeit selbst zu verteidigen. Eine solche Verteidigungsunion müsste auch eine Komponente der atomaren Abschreckung enthalten. Frankreich als einzige verbliebene Atommacht in der EU müsste diese Rolle überneh men. Der Vorstoß Frankreichs stieß in Deutschland auf sofortige Ableh nung. Eine Verteidigung Europas ohne Schutz der USA sei eine Illusion. Besser kann man die Schwäche der EU und ihre Abhängigkeit von den USA nicht verdeutlichen. So bleibt Europa der politische Zwerg, der zu sein es immer beklagt. Ebenso ergibt eine EU-Armee, die als Fernziel angestrebt wird, ohne eigenständige EU-Verteidigung keinen strategischen Sinn.

/ Die besten Chancen für einen Weltfrieden liegen in einer multipola ren Weltordnung, die auf einer Macht balance beruht, die in das kollektive Sicherheitssystem der Vereinten Na tionen eingebettet ist. Die Regeln der Vereinten Nationen wären jene über geordnete Kraft, die es benötigt, um eine Machtbalance aufrechtzuerhalten oder sie bei grober Verletzung wieder herzustellen. Der Friede erhält sich nicht von selbst, er benötigt ständige Pflege. Die kooperative Sicherheit, wie sie von der OSZE entwickelt wurde, hätte diese Aufgabe und wäre die un verzichtbare Ergänzung einer multipo laren Weltordnung.

/ Diese Ausrichtung der GASP wird Österreich dazu nötigen, oft Maßnah men mittragen zu müssen, die mit ei ner glaubwürdigen Neutralitätspolitik im Widerspruch stehen. Der Krieg in der Ukraine und die von der EU ver hängten Sanktionen haben dieses Di lemma aufgezeigt. Einseitige Sanktio nen gegen eine Kriegspartei sind mit der Neutralität nicht vereinbar. Es wird dem Geschick unserer Außenpolitik obliegen, darauf zu achten, gravieren de Beschränkungen unserer Neutrali tät möglichst hintan zu halten. Öster

/ Dieser Handlungsspielraum wird durch die GASP, so wie sie von der EU gehandhabt wird, erheblich einge schränkt. Der Europäische Rat unter strich in seinen Schlussfolgerungen vom Dezember 2013: „Die GSVP wird sich in vollständiger Komplementarität mit der NATO im vereinbarten Rah men der strategischen Partnerschaft zwischen EU und NATO … weiterent wickeln“./DieGemeinsame Sicherheit- und Verteidigungspolitik (GSVP) als Teil der GASP bestimmt somit das Han deln der EU in enger Abstimmung mit der NATO. Im Zweifelsfall werden sich aufgrund der realen Machtverhält nisse die amerikanischen Interessen durchsetzen. Die GASP hat sich damit in die Abhängigkeit der USA begeben. Die ursprüngliche Begründung der EU, durch den Zusammenschluss europä ischer Staaten als europäische Frie densmacht der wirtschaftlichen Stärke auch ein eigenständiges politisches Gewicht zu verleihen, ist damit verlo ren gegangen.

/ Der Nationale Sicherheitsrat befür wortet humanitäre Unterstützung in all ihren Formen und empfiehlt der Bun desregierung nachbarschaftliche Hilfe unter anderem für schutzbedürftige Menschen zu leisten.

/ „Der Nationale Sicherheitsrat verur teilt die militärische Aggression der Rus sischen Föderation auf das Staatsgebiet der Ukraine auf das Schärfste und for dert die Russische Föderation vehement auf, sämtliche Kampfhandlungen mit so fortiger Wirkung einzustellen. Überdies fordert er die Russische Föderation auf, ihre Truppen umgehend und vollständig vom Staatsgebiet der Ukraine abzuzie hen. Die militärischen Handlungen der Russischen Föderation stellen einen massiven Bruch des Völkerrechts dar.

/ Sie macht aus Sicht des Nationalen Sicherheitsrates zudem die dringende Notwendigkeit einer nachhaltigen und strategischen Reduktion der Abhängig keit Europas von fossilen Energieträgern sowie eine Diversifizierung der Gasher kunftsländer deutlich. “

Zugang zu einem nicht nur für die österreichische, sondern gleichfalls auch im großen Kontext der Ereignisse des Zweiten Weltkriegs bedeutenden Aspekt nachrichtendienstlicher Tätigkeit gestaltet sich erfrischend pragmatisch. Ausgehend von Jugenderinnerungen nähert sich Cibulka ‚sei nem Onkel Fredi‘ aus einer ungewöhnlichen Perspektive an.“ (Dr. Christian Ortner, Direk tor Heeresgeschichtliches Museum Wien)

pen in die Ukraine von den Staats- und Regierungschefs indossierten weiterfüh renden Sanktionen. Diese Sanktionen müssen nun rasch und mit Eindringlich keit implementiert werden. Unter Ver weis auf Punkt 7 der Schlussfolgerungen des europäischen Rates vom 25.02.2022 unterstützt der Nationale Sicherheitsrat auch Bemühungen um eine weiterge hende Verschärfung der Sanktionen.

Beschluss des Nationalen Sicherheitsrates vom 25. Februar 2022

/ Diese aktuelle Krise zeigt dem Na tionalen Sicherheitsrat die Notwendig keit einer glaubwürdigen militärischen Landesverteidigung im Sinne eines gut ausgestatteten und ausgebildeten Bun desheeres mit einem dementsprechend hoch dotierten Budget im Sinne der ver fassungsmäßigen Vorgaben.

/ Der Nationale Sicherheitsrat be kennt sich unmissverständlich zur Sou veränität, territorialen Integrität und Unabhängigkeit der Ukraine. Mehr als dreißig Jahre freundschaftliche diploma tische Verbindungen haben unsere Län der näher zusammenrücken lassen. Er empfiehlt der Bundesregierung, rasche humanitäre Schritte zur Unterstützung der ukrainischen Bevölkerung zu setzen.

er Nationale Sicherheits rat hat in seiner Sitzung am 25. Februar 2022 beschlossen:

/ Des Weiteren wolle der Nationale Sicherheitsrat beschließen: „Der Natio

Alfred Schwarz (1904–1988) erwarb sich schon in jungen Jahren Wohl stand, indem er Kemal Atatürk bei der Indust rialisierung der Türkei unterstützte. Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete er in Istanbul für den britischen und den amerikanischen Geheimdienst. Als Jude wollte er am Kampf gegen den Nationalsozialismus teilnehmen und leitete unter dem Decknamen „Dogwood“ das größte Agentennetzwerk des Office of Strategic Services (OSS) – dem Vorgänger der CIA. In der Zusammenarbeit mit deutschen, österreichischen und ungarischen Wider standsgruppen sowie den Geheimdiensten der Zionisten stand er im Brennpunkt des geopolitischen Ringens um die Zukunft Eu ropas. Das Buch beschreibt seine Erfolge und sein Scheitern – und wirft neue Fragen auf. Erich Cibulka arbeitet an der Schnittstelle von Wirtschaft, Militär und Politik. Als Brigadier des Österreichischen Bundesheers ist er ein fachkundiger Erzähler für ein militär- und spionageaffines Publikum. Er kannte Alfred Schwarz persönlich, als dieser nach dem Krieg in Wien lebte. Diese Erinnerungen an die 1970er-Jahre sind einzigartig und beschrei ben eine bisher völlig unbekannte Lebens periode von Alfred Schwarz. Mit dieser Biografie leuchtet Cibulka dessen schillernde Persönlichkeit aus und setzt ihm ein ehrendes „ErichAndenken.Cibulkas

nale Sicherheitsrat beschließt weiters, dass gemäß § 7 Abs. 1 des Bundesgeset zes über die Errichtung eines Nationa len Sicherheitsrates die Vertraulichkeit hinsichtlich dieses Beschlusses aufge hoben wird.“

betreffend die militärische Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine

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/ Der Nationale Sicherheitsrat fordert deshalb klare Konsequenzen für diesen eklatanten Bruch des Völkerrechts durch die Russische Föderation. Ausdrücklich begrüßt er daher die von der Europäi schen Union am 23. Februar 2022 als Reaktion auf den Beschluss der Russi schen Föderation, die Unabhängigkeit der selbst ernannten Volksrepubliken Donetsk und Luhansk anzuerkennen, verhängten restriktiven Maßnahmen sowie die am 24. Februar 2022 als Reak tion auf den Einmarsch russischer Trup

/ Der Nationale Sicherheitsrat unter streicht seine uneingeschränkte Solida rität mit der ukrainischen Regierung und der ukrainischen Bevölkerung.

/ Der Nationale Sicherheitsrat appel liert mit Nachdruck an die Russische Föderation, die Politik der Gewalt ein zustellen und an den Verhandlungstisch zurückzukehren. In zivilisierten Gesell schaften werden Konflikte nicht mit Ge walt, sondern durch Dialog gelöst.

/ Der Nationale Sicherheitsrat stellt fest, dass mit dem Einmarschbefehl nicht nur die Grundpfeiler unseres weltweiten friedlichen Zusammenlebens gebrochen wurden, sondern eine Reihe von grund legenden Dokumenten und Verträgen der internationalen Sicherheitsarchi tektur, wie unter anderem die Satzung der Vereinten Nationen, die Helsinki Schlussakte, die Charta von Paris, der Vertrag über konventionelle Streitkräf te in Europa, das Wiener Dokument und das Budapester Memorandum, von der Russischen Föderation schlichtweg ignoriert wurden. Es darf niemals das Recht des Stärkeren, sondern die Stärke des Rechs gelten.

/ Sohin ist die ABC-Abwehr nicht als Waffengattung im klassischen Sinn zu verstehen, sondern als ein stark inein andergreifendes System, das einerseits den Schutz vor ABC-Gefahren gewähr leitet und letztlich Menschenleben, un beschadet ob Militär- oder Zivilperson, rettet.

sowie die (militär)strategische Beratung und im Zusammenwirken mit den Sani tätsdiensten die Dekontamination von Patienten. Darüber hinaus obliegt der ABC-Abwehrtruppe der Luftstreitkräfte auch der Objektbrandschutz und Tä tigkeiten der Bodendienste (Reinigung und Schneeräumung der Flugplätze, Wartung von Fangeinrichtungen etc.).

von Oberst Otto Strele, MSD

/ Zum allgemeinen Verständnis wer den in der Folge spezifische Fachaus drücke vereinfacht niedergeschrieben.

Die ABC-Abwehr im Bundesheer baut auf dem ABC-Individualschutz jeder einzelnen bzw. jedes einzelnen Ressort angehörigen auf. Die ABC-Abwehr aller Truppen (vormals Truppen ABC-Ab wehr) gewährleistet auf der gefechts technischen und unteren taktischen Ebene erste organisierte ABC-Schutz maßnahmen. Die ABC-spezifische Bera

lljährlich erklingt am Traditi onstag der ABC-Abwehr der von Robert Stolz 1975 für die damalige Luftschutztruppenschule und Luftschutztruppe komponierte Marsch „Mutig und hilfsbereit“. Treffend wird darin zum Ausdruck gebracht, was die Soldatinnen und Soldaten der nun mehrigen ABC-Abwehr auszeichnet. Mutig einzustehen, um die unsichtba ren radiologischen, biologischen und chemischen Gefahren abzuwehren, und hilfsbereit zu sein, um jederzeit Menschen in schwerer Not nach ele mentaren Ereignissen außergewöhnli chen Umfangs zu helfen.

Die Wurzeln der heutigen ABC-Abwehr im ÖBH finden sich im Ersten Weltkrieg einerseits in der Maßlosigkeit der Che miewaffeneinsätze und andererseits in der Bedrohung der Städte durch Luft fahrzeuge (Luftschiffe und Flugzeuge als „Bomber“).

/ Bereits im Oktober 1914 hat sich unter anderem die Westfront festge

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Laborarbeit gehört zum Alltag der ABC-Truppe.

BUNDESHEER©

BUNDESHEER©

Die ABC-Abwehr im Bundesheer –„Mutig und hilfsbereit“

Aufbau der ABC-Abwehr

Die Wurzeln ABC-Abwehrtruppeder

A

tung der Kommandanten und Stäbe auf allen Führungsebenen wird durch die ABC-Abwehrfachdienste gesichert. Die ABC-Abwehrtruppe der Land- und Luft streitkräfte sind die operationellen Ele mente zur ABC-Aufklärung, zur Dekon tamination, zur Rettung und Bergung, zur Wasseraufbereitung (einschließlich Transport und Abpackung) und zum Brandschutz./Besondere Fähigkeiten der ABC-Ab wehr sind die qualifizierte Probennah me, (wissenschaftliche) Analyse, das Luftspüren und die Luftprobennahme

Der Tödlichkeit der Gaswaffe wurde auch durch Vorschriften für die Ausbildung begegnet.

Zwischenkriegszeit

Die Friedensverhandlungen von Saint Germain schränkten die Entwicklung der Österreichischen Streitkräfte stark ein, damit eine offensive Kriegsfüh rung Österreichs für die Siegermäch te ausgeschlossen werden konnte. Umso mehr war man gezwungen, sich möglichst auf defensive Verfahren und Reaktionsfähigkeit im Inland zu konzentrieren. Im Jänner 1934 wur de in Österreich mit der periodischen Zeitschrift „Der Luftschutz“ (offizielles Organ des österreichischen Luft- und Gasschutzverbandes) ein umfassender Luftschutzgedanke in Umlauf gebracht. Weil keine staatliche Organisation – das

/ Der Zweite Weltkrieg brachte, wie von vielen befürchtet, Zerstörung in weit von der Front entfernte Städ te durch Spreng- und Brandbomben. Dabei bewährten sich die Vorberei tungen des Luftschutzes, die in der ›

Bundesheer verfügte bis 1936 lediglich über passive Luftschutzeinheiten – die Mittel für einen umfassenden Gas- und Luftschutz (wie auch nicht gegen bio logische Kampfstoffe, die in der Zwi schenkriegszeit vor allem im asiatischen Raum eingesetzt wurden) aufbringen konnte, musste die Bevölkerung mo tiviert werden, selbst Vorsorge gegen Gas- und konventionelle Bombenangrif fe in einem künftigen Krieg zu treffen. Dabei wurden sie durch den Österrei chischen Luft- und Gasschutzverband tatkräftig mit Informationen, gezielten Beratungen und häufigen (Zivilschutz-) Übungen unterstützt. Erst 1936 wurde in Österreich der Bedrohung durch che mische Kampfstoffe vermehrt Aufmerk samkeit verliehen. Dies führte 1937 zur Gründung der Luftschutzschule in der Carl-Kaserne./Nachder Annexion Österreichs durch das Deutsche Reich wurden die wenigen staatlichen Luftschutzorgani sationen in den Reichsluftschutzbund bzw. in die Wehrmacht integriert.

BUNDESHEER© AUTORARCHIV©

Zu Kriegsbeginn 1939 wurde neben dem zivilen Luftschutz der Sicherheits- und Hilfsdienst, deren mobile Einheiten später als Luftschutz-Abteilungen der Luftwaffe unterstanden, jedoch den Luftgaukommanden gegenüber wei sungsgebunden waren, geschaffen.

mutlich 90.000 Soldaten getötet und 1,2 Millionen verwundet wurden. Wenig bekannt ist, dass gegen Ende des Ersten Weltkrieges sieben italie nische Flugzeuge über Wien flogen und Flugzettel abwarfen. Auf diesen wurde hingewiesen, dass es den Itali enern möglich sei, Bomben über der Hauptstadt des Kaiserreiches abzula den. Zwar waren die Wienerinnen und Wiener mehr von dem Husarenstück angetan als von der Bedrohung durch Bomben. Dennoch blieb diese Tat und dies in Verbindung mit der steten Ent wicklung leistungsfähiger Flugzeuge in kollektiver Erinnerung. Der Gedanke zur Schaffung eines Luftschutzes blieb auch nach dem Krieg besonders bei den Angehörigen des Österreichischen Luft- und Gasschutzverbandes (Politi ker, Magistrate, Bundesheer, Gendar merie, Polizei, Rettungsorganisationen etc.) präsent.

Zweiter Weltkrieg

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fressen, wodurch es weder den Ach senmächten noch der Entente gelang, bedeutend Gebiete für die jeweili ge Streitpartei zu gewinnen. Zudem zwang dieser erste „industrialisierte technische Krieg“, um die konventio nelle Materialschlacht nicht ins Ufer lose entgleiten zu lassen, zu alternati ven Wirkmitteln am Schlachtfeld. Das Deutsche Reich begann bereits im Dezember 1914 (Österreich-Ungarn im Frühjahr 1915) mit den Planungen und Vorbereitungen chemische Kampf stoffe einzusetzen. Hierzu wurden als Offensivtruppen drei Gasregimenter aufgestellt, die Reichswehr mit (relativ fortschrittlichen) Gasmasken ausge stattet und in den Einheiten wie auch Stäben (aller Ebenen) Gasunteroffi ziere bzw. Gasoffiziere ausgebildet. Diesen Fachdiensten oblag nicht nur die Beratung betreffend den Einsatz chemischer Kampfstoffe, sondern auch das Empfehlen von Gasschutzmaßnah men und die Ausführung von „Entgif tungen“. Am 22. April 1915 bliesen die deutschen Truppen aus 5730 Stahlfla schen 180.111 kg Chlorgas gegen briti sche Stellungen bei Ypern ab, wodurch rund 3000 Soldaten den Tod fanden und etwa gleichviel schwer verletzt wurden. Von diesem Tag an war bei den Kriegsparteien (auch ÖsterreichUngarn) die Hemmschwelle über schritten, wodurch bis Kriegsende ca. 115.000 Tonnen 38 verschiedener che mischer Kampfstoffe eingesetzt, ver

Die Dekontamination von Großgerät gehört zum Kerngeschäft der ABC-Truppe.

/ Die Neuausrichtung des Bundes heeres auf die Raumverteidigung und die enorm gewachsene Zahl an Atom waffen und chemischen Kampfstoffen der Blöcke (NATO und WAPA) führte planerisch zur Erlassung des ABC-Ab wehrkonzepts 77 und u. a. den davon abgeleiteten Bereichsplan 14. Daraufhin wurde die Luftschutztruppe neu orga nisiert und in ABC-Abwehrtruppe um benannt. Die ABC-Abwehrfachdienste wurden auf allen Führungsebenen mit ABC- und Schadenslage-Auswertefähig keiten ab der Einheit aufwärts organi

Zwischenkriegszeit angestrebt und während des Krieges intensiv voran getrieben worden waren, so dass die Opferzahlen – gemessen an der An zahl an Bomben – relativ gering wa ren. Auf den Einsatz von chemischen und biologischen Kampfstoffen wurde seitens der kriegsführenden Parteien weitestgehend verzichtet, zumal der Schrecken aus dem Ersten Weltkrieg der Generalität wie auch den Politikern gegenwärtig war.

Curriculum Vitae

/ Dennoch betrat eine neue ultima tive Waffe gegen Ende des Krieges die Weltbühne. Mit dem Abwurf der Atom bombe am 6. August 1945 über Hiroshi ma wurde das Atomzeitalter eingeleitet.

gaben der Luftschutzpioniere waren anfänglich das Retten von Menschen, Bergen von Sachgütern, der Tarn- und Nebeldienst, der Behelfsschutzraumbau und der Brandschutz sowie die „Entgif tung“ (Dekontamination). Später kamen die Aufgaben des ABC-Spürens hinzu. Bereits am 1. Februar 1959 wurde die Luftschutztruppenschule organisiert, die in der Großen-Breitenseer-Kaserne und ab 3. November 1962 in der damals noch schwer zerstörten Wilhelm-Kaser ne stationiert wurde.

2012 Evaluierungsdirektor ABC

Polen 1997

Verbindungsoffizier(Oder-Hochwasser)zuUNHCRundzurRegierungATHUMAlbanien1999(Kosovo-Flüchtlinge)KontingentskommandantAFDRUTürkei(1)1999(Gölcük/Izmit-Erdbeben)KontingentskommandantAFDRUTaiwan1999(Jiji-Erdbeben)

2002 Fachoffizier ABCAbw in der Abteilung StruktPl 2008 Referatsleiter in der AbteilungFGP

1996 dreisemestrige naturwissen schaftliche & technische Zusatzfach ausbildung für ABCAbwO

ZUM AUTOR

Kontingentskommandant ATHUM

Die AFDRU-Spezialisten sind gefragte Helfer bei Katastrophen.

Beim Anlegen KameradinnenSchutzausrüstungderistdieHilfevonoderKameradenüberlebensnotwendig.

1988 Ausmusterung als Kdt ABC AbwZg und stvKdtStbKp/MilKdo OÖ

Oberst Otto Strele, MSD Evaluierungsdirektor ABC (EvalDir ABC im Generalstab des BMLV), nach der ZSO: EvalDir ABCAbw in der Generaldirektion für Landesverteidigung.

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1957 wurde – zwei Jahre nach der Auf stellung des Bundesheeres der Zweiten Republik – die Luftschutztruppe in der Organisation einer Luftschutzabtei lung aufgebaut. Sie bestand aus einer Luftschutzkompanie in Zwölfaxing und einem „Lehrinstitut“ in der Vega-PayerWeyprecht-Kaserne in Wien. Die Auf

Geboren 1965 in Westendorf Matura 1983 erzbischöfliches Kolle gium1984Borromäum/Salzburg1983EF-JagdkampfJgZgKdtimJgB21

(3)BUNDESHEER© BUNDESHEER©

Auslandseinsätze

1997 Kdt ABCAbwKp/MilKdo OÖ

Kalter Krieg

siert. Wesentlich war die Aufstellung der ABC-Abwehrzüge bei den Militärkom manden und einer ABC-Abwehrkom panie des Armeekommandos an der ABC-Abwehrschule. Ebenso wurde über die Jahre die Organisation von ABC-Ab wehrzügen bei den zwölf Landbrigaden vorangetrieben. Die Aufgaben verlager ten sich während des Kalten Krieges hin zu ABC-Aufklärung, Dekontamination von Personen, Waffen und Gerät, Ge lände und Infrastruktur, Retten und Ber gen sowie Brandbekämpfung.

Die ABC-Abwehr heute Nach dem Zusammenbruch der Sowjet union musste sich das Bundesheer neu orientieren. Mit dem ABC-Abwehrkon zept 1996 wurden nach Auflösung der ABC-Abwehrzüge der Brigaden und den noch bestehenden ABC-Abwehr zügen der Militärkommanden (W, T, V, K, B, Sbg) drei ABC-Abwehrkompanien (Wien, Graz, Hörsching) aufgestellt. Diese erhielten nunmehr zusätzlich auch die Aufgabe der Wasseraufberei tung. Die ABC-Abwehrtruppe(Flugplatzfeuerwehren)Luftfahrzeugrettungszügewurdenderzugerechnetund

/ Jedenfalls sind die Soldatinnen und Soldaten sowie Zivilbediensteten der ABC-Abwehr für die künftigen Entwick lungen und Herausforderungen moti viert und gewappnet.

/ In der Zeit des Kalten Krieges wa ren die Luftschutzpioniere 1963 nach Skopje, 1980 Calabritto und 1988 Ar menien (damalige Sowjetunion) zu Rette- und Bergeeinsätzen nach Erdbe ben entsendet. Für die v. a. technische Weiterentwicklung der ABC-Abwehr war der „Tschernobyl-Einsatz“ 1986 von wesentlicher Bedeutung. War bis zu diesem Super-GAU die Ausrichtung der ABC-Abwehrtruppe auf militärische Kampfmittel fokussiert, wurde nunmehr vermehrt die ABC-Bedrohung durch technische Einrichtungen mitberück sichtigt.

sind zwar organisatorisch verfügbar, dennoch nicht durchgängig im Bun desheer wahrnehmbar. Die Ursachen liegen in der Priorisierung der Aufga benerfüllung des Heeres, welche sich nach dem Kalten Krieg mehr und mehr zu einer Assistenztruppe des Innen ressorts entwickelte, sodass bis heute lediglich eingeschränkt Zeit für die ur sächlichen militärischen Aufgaben zur Verfügung steht.

mit entsprechendem ABC-spezifischen Gerät für die ABC-Aufklärung und De kontamination ausgestattet. Die ABCAbwehrschule verlegte aufgrund des enorm erhöhten Raumbedarfes ab 1999 in die Dabsch-Kaserne nach Kor neuburg./AufBasis der nationalen und inter nationalen Einsatzerfahrungen wurde die ABC-Abwehrtruppe stark in die Rol le des Mehrfachnutzens weiterentwi ckelt. So wurde die Kommunikation und die Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Behörden, der Wis senschaft und Blaulichtorganisationen, mit den Vereinten Nationen, der Euro päischen Union, der NATO sowie „stra tegischen Partnern“ (wie Deutschland, Schweiz, Tschechische Republik etc.) intensiviert. Letztlich entwickelte sich daraus 1990 auch die Austrian Forces Disaster Relief Unit (AFDRU), die ihr Können bereits mehrfach bei Einsätzen im Ausland erfolgreich und beispielge bend unter Beweis stellen konnte.

Wie alle Waffengattungen und Quer schnittsysteme des Bundesheeres lie gen die größten Herausforderungen in der Digitalisierung der Gesellschaft und der technischen Systeme. Wenngleich die ABC-Abwehr des ÖBH sehr früh begonnen hat, sich dieser Komplexi tät zu stellen, sind unbeschadet hoher zuerkannter Investitionen in moderne Ausstattung vom ABC-Selbstschutz bis hin zu hochspezialisierten Systemen vor allem moderne und effiziente Organisa tionsformen sowie effektive Führungsbzw. Managementverfahren ausstän dig. Ebenso wird die ABC-Abwehr sich noch mehr im internationalen Kontext betreffend die Ausbildung, den Informa tionsaustausch, die spezifische Weiter entwicklung und vieles mehr vernetzen müssen. Ein guter Weg ist beispiels weise die internationale Entwicklung eines „ABC Monitoring Systems“ der EU (PESCO CBRN-SaaS), bei welchem nunmehr dem ABCAbwZ eine führen de Rolle in der Operationalisierung zu kommt./Die vordringliche Herausforderung für das BMLV wird die der aktuellen (wie beispielsweise gerade die Gefahr des Beschusses von Atomkraftwerken in der Ukraine) und zu erwartenden ABC-Bedrohung angepasste laufenden Weiterentwicklung der ABC-Abwehr im ÖBH sein. Unter anderem wird die ABC-Abwehrtruppe (wie auch andere technische Waffengattungen) quantita tiv reduziert, jedoch im Gegenzug quali tativ entsprechend ausgestattet werden müssen (hochqualifiziertes Personal, au tomatisierte technische Systeme etc.).

AC-Version

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/ Mit den Erkenntnissen aus der Bun desheerreformkommission 2004 wur den die ABC-Abwehrzüge der Militär kommanden aufgelöst und ab 2006 im Gegenzug zwei weitere ABC-Abwehr kompanien (Mautern und Absam) struk turiert. Die ABC-Abwehrschule erhielt besonders hochqualifizierte Fähigkei tenträger, wie beispielsweise die ABCund Umweltmessstelle (bewegliches Feldlabor), eine ABC-Systemwerkstätte etc. hinzu. Sie hatte über drei Jahre hindurch auch die Funktion eines Kom mandos ABC-Abwehr (Bataillonsäquiva lent) wahrzunehmen.

zeugesAllschutzfahrdes„Dingo“2 BUNDESHEER©

Quo vadis ABC-Abwehr

/ Die ABC-Abwehrfachdienste von der Einheit bis zum BMLV wie auch die ABC-Abwehr aller Truppen (vor mals Truppen ABC-Abwehr) waren und

Die Aufgaben des österreichischen Bundesheeres sind dabei im Wehrge setz festgelegt.

• Geistige Landesverteidigung (GLV):

• Zivile Landesverteidigung (ZLV): Darunter fallen der gesamte Zivilschutz wie auch das Funktionieren der zivilen Behörden im Verteidigungsfall oder die Aufrechterhaltung der inneren Sicher heit durch die Polizei.

Unter diese fallen die Bevorratung von Lebensmitteln ebenso wie die Anlage von Energievorräten sowie auch Maß nahmen, dass die Wirtschaft in Krisenoder Kriegszeiten weiterarbeiten kann.

/ „Der Nationale Sicherheitsrat be schließt weiters, dass hinsichtlich des Beschlusses über diesen Antrag die Vertraulichkeit aufgehoben wird.“

Die Geistige Landesverteidigung (GLV) ist neben der militärischen, der wirtschaftlichen und der zivilen Lan desverteidigung Teil der Umfassen den Landesverteidigung. Ihre Aufgabe besteht in der Vermittlung demokra tischer Werthaltungen und der Schaf fung eines umfassenden Bewusstseins für demokratische Freiheiten und die in der Bundesverfassung verankerten Bürger- und Menschenrechte im Rah

men der Politischen Bildung. Sie soll einen Beitrag zur Sicherstellung eines demokratischen Grundkonsenses und des sozialen Friedens sowie zum Ver ständnis des Konzeptes der umfassen den Sicherheitspolitik im nationalen, europäischen und globalen Kontext schaffen. geistige_lv.htmlThemen/schule/schulpraxis/uek/(https://www.bmbwf.gv.at/)

ie Umfassende Landesvertei digung (ULV) wurde als Ver teidigungsgrundlage der ös terreichischen Neutralität im Jahr 1975 im Absatz 2 des Artikels 9a des BundesVerfassungsgesetzes beschlossen. Ziel ist es, „die Unabhängigkeit nach außen sowie die Unverletzlichkeit und Einheit des Bundesgebietes zu bewahren, ins besondere zur Aufrechterhaltung und Verteidigung der immerwährenden Neutralität.“

/ Frau Bundesminister für Landes verteidigung, Mag. Klaudia Tanner, betonte am Nationalfeiertag 2020 bei ihrer Ansprache: „Landesverteidigung endet nicht am Kasernenzaun, denn dort beginnt sie! Sie muss in Schulen, in Unternehmen und sogar in Famili en stattfinden, um ein Bewusstsein zu schaffen!“/Inmodernen

Beschluss des Nationalen Sicherheitsrates vom 25. Februar 2022 betreffend die Aufrechterhaltung der Landesverteidigung“„Umfassenden

Zur umfassenden Landes verteidigung gehören nach Art. 9a der Bundesverfassung:österreichischen

Konflikten setzen Angreifer auf eine Kombination aus

Der Nationale Sicherheitsrat beschließt:

OffizierDER

young reserve officers seminaryr s MILIZOFFIZIERE & ANWÄRTER (m/w) VoranmeldungGESUCHT!undmehr Infos via www.youngofficers.orgyro@oeog.at YOUNG RESERVE OFFICERS SEMINAR voraussichtlich KW10/11 2023 BRNO, TSCHECHIEN (TBC)

„Der Nationale Sicherheitsrat emp fiehlt der Bundesregierung vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie so wie des Ukraine-Konflikts die Aufrecht erhaltung der „Umfassenden Landes verteidigung“ sowie der Vorlage eines diesbezüglichen Informationsberichts über die Wiederbelebungsmaßnahmen der zuständigen Bundesministerinnen und Bundesminister an das Parlament.“

D

• Militärische Landesverteidigung (MLV):

• Wirtschaftliche Landesverteidi gung (WLV):

klassischen Militäreinsätzen, wirt schaftlichem Druck, Computerangrif fen bis hin zu Propaganda in den Me dien und sozialen Netzwerken. Dies alles ist im Zuge des Angriffes auf die Ukraine zu erkennen. Diese „hybride Kriegsführung“ richtet sich gegen das Funktionieren eines Staates sowie seiner Institutionen und trachtet da nach, die Souveränität eines Landes zu beeinträchtigen. Aber auch Natur katastrophen, ein Blackout, Epidemien und Pandemien sind Bedrohungen, die jederzeit auftreten und Krisen hervor rufen können. Das bedeutet, dass sich Gefahren in vielfältiger Weise mani festieren können, was wiederum zeigt, wie notwendig ein vorbereiteter und funktionierender Staat ist.

Das Verteidigungsministerium startete eine Informationskampagne zur Umfassenden Landesverteidigung.

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/ Verteidigungsministerin Klaudia Tanner: „Die Umfassende Landesvertei digung ist essenziell für die ganzheitli che Sicherheit sowie für die Stärkung der Resilienz unseres Staates. Wir müs sen die Umfassende Landesverteidigung wieder mehr ins Zentrum rücken und diese muss wieder als staatliche Kern aufgabe gesehen werden. Es gibt einen parteiübergreifenden Beschluss darüber, die Umfassende Landesverteidigung wieder zu stärken und damit müssen wir beginnen! Dazu gehört auch, dass Bun

Das

Landesverteidigung.kampagnestarteteVerteidigungsministeriumeineInformationszurUmfassendenPUSCHGUNTERBUNDESHEER©

23OffizierDERAusgabe 3/2022

eit Beginn des russischen Über falls auf die Ukraine hat die Umfassende Landesverteidi gung (ULV) wieder mehr an Bedeutung gewonnen. Neben der militärischen Landesverteidigung, die sich mit den Grundsätzen der Kernaufgaben der Lan desverteidigung beschäftigt, spielen da bei die geistige, zivile und wirtschaftliche Landesverteidigung eine wichtige Rolle. Das Verteidigungsministerium startete nun eine Informationskampagne und rät zu mehr Bewusstsein und Wissensver mittlung im Bereich der Umfassenden Landesverteidigung: „Russlands Überfall auf die Ukraine, Erpressung mit Energie lieferungen, gezielte Falschmeldungen, um eine Bevölkerung gegen die Regie rung aufzuwiegeln oder Cyberattacken, die z. B. Krankenhäuser oder Flughäfen lahmlegen – das sind keine Utopien, es trifft uns alle und gefährdet unsere Sicherheit. Im Zusammenspiel dieser Faktoren entsteht ein gefährlicher Cock tail. Sicherheitsvorsorge verlangt daher, Entwicklungen in ihrer Gesamtheit zu erfassen. Den Gefahren ist umfassend durch Zusammenwirken aller Kräfte zu begegnen. Man darf den Kopf nicht in den Sand stecken, denn Sicherheit be ginnt in den Köpfen!“

zuarbeiten. Es braucht einen guten Informationsaustausch, starke Sensi bilisierung für Themen der geistigen Landesverteidigung und aus Sicht der Bildung zusätzlich auch die Einbindung ziviler Akteure aus dem Bereich der wirt schaftlichen und zivilen Landesverteidi gung und deren zuständigen Behörden und zivilen Institutionen. Gerade wenn es um Themen wie Resilienz, Schutz von Einrichtungen usw. geht, kommt zivilen Stellen und Behörden eine wesentliche Rolle zu. Auch darauf müssen wir in der Vermittlung großen Wert legen. Wir sind dazu im laufenden Austausch mit dem Bundesministerium für Landesver teidigung. Klar ist: Unsere Neutralität ist ein hohes Gut, das auch in Zukunft ge schützt werden muss. Dieses Bewusst sein kann nur durch Information und Wissensvermittlung geschaffen werden.

desheer budgetär wieder besser auszu statten. Die notwendigen Unterlagen sind ausgearbeitet, die Verhandlungen weitgehend abgeschlossen und müssen im nächsten Schritt von allen Parteien und Partnern abgesegnet werden.“

/ „Um unsere Neutralität und Unab hängigkeit auch in Zukunft wahren und schützen zu können, braucht es sowohl eine stabile und widerstandsfähige militärische, als auch die Umfassende Landesverteidigung. Um dieses Be wusstsein bei jedem Soldaten, jeder Sol datin und allen Bediensteten zu schaf fen, haben wir in unserem Ressort eine Informationskampagne gestartet. Im weiteren Schritt werden wir demnächst gemeinsam mit dem Gemeindebund eine bundesweite Kampagne ausrollen. Darüber hinaus laufen auch Gespräche mit den dafür zuständigen Ministerien. Insbesondere mit dem Bundesminis terium für Bildung, Wissenschaft und Forschung sind wir im intensiven Aus tausch, um die geistige Landesverteidi gung auf allen relevanten Ebenen zu be handeln. Wir wollen insbesondere junge Menschen für Fragen wie: ,Warum gibt es das Bundesheer?‘ oder: ,Was bedeu tet geistige und militärische Landesver teidigung überhaupt?‘ sensibilisieren“, führt Tanner weiter aus.

/ Bildungsminister Martin Polaschek:

„Die Umfassende Landesverteidigung ist eine essenzielle Säule in unserer Bundesverfassung und damit unserer Demokratie. Für das Demokratiever ständnis von jungen Menschen ist die Behandlung in der Schule daher von großer Bedeutung. Die Ebene der Bun desländer – Militärkommanden und Bildungsdirektionen – bieten sich hier als jene Akteure an, um bedarfsgerecht und themenorientiert eng zusammen

/ Bereits durchgeführte Studien ha ben gezeigt, dass beispielsweise die geistige Landesverteidigung wieder ver stärkt präsentiert werden muss. In einer Studie des Meinungsforschungsinsti tuts Peter Hajek Public Opinion Strate gies GmbH sprach sich die Bevölkerung klar dafür aus, dass schulpflichtige Ju gendliche in der Schule über Sinn und Aufgaben des Bundesheeres informiert werden sollten (45 Prozent „stimme völlig zu“, 41 Prozent „stimme eher zu“). Drei Viertel der Österreicherinnen und Österreicher (72 Prozent) stehen zudem auch einer Information schulpflichtiger Jugendlicher in der Schule über Kar rieremöglichkeiten beim Bundesheer positiv gegenüber. Die mangelnde Wehrbereitschaft, die mit einem Anteil von 31 Prozent in Österreich niedrig ist, zeigt, dass die Informationen und das Bewusstsein der Landesverteidigung in den Hintergrund gerückt sind.

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Das Amt für Rüstung und Wehrtechnik (ARWT)

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/ Das Amt hat über 300 Mitarbeiter, einen Altersdurchschnitt von knapp unter 50 Jahren und einen Frauenanteil von 18 %. Im Kern stehen 100 Ingeni eure bzw. 150 Außendienstmitarbeiter, die österreichweit Güter prüfen und an die Heereslogistik übergeben, in Nut zung stehenden Geräten wieder auf die Sprünge helfen, Fehler- und Scha densursachen ermitteln oder sicher heitstechnische Kontrollen durchfüh ren. Die Vielfalt an Aufgaben verlangt von allen Mitarbeitern hohe Kompe tenz, Flexibilität, Anpassungsfähigkeit sowie unbedingte Teamfähigkeit.

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as Amt ist mit seinen TechnischesVorgängerorganisationen:fünfMilitärkomi

von Brigadier Mag. Michael Janisch

Das heutige Amt steht, nahezu struk turell unverändert, in der Tradition als ingenieur- und Technischeeingebundenwerden.rektionaberfürnischenBeschaffungsunterlagenStartpunktneraldirektionRüstungnagementsSystemeinführungdarfslagendieoderduelleprioritär.rangigbestimmterdieerfolgreichistmanSystemlebensdauerstützungfügungderdatenAbsichtnigdiesenschenKompetenzzentrumnaturwissenschaftlichesdesösterreichiMilitärs./DieKernaufgabenhabensichinfünfzehnJahrzehntennurweverändert.ImmernochstehtdieimVordergrund,unserenSoldiebestmöglichePerformancebeschafftenRüstungsgüterzurVerzustellen–unddasalsUnterüberdiegesamteGeräte-undhinweg.BetrachtetdieLebensdauervielerGüter,sodas,meinerMeinungnach,ziemlichgewesen.LangeZeitwarenEntwicklungundFertigstellungGüteroderSysteme,vorfürArtillerie-undPioniertruppe,HeutegehtesumdieindiviAnpassungdereinzuführendeninBetriebbefindlichenGüteraufspezifischeneinsatzbezogenenBederNutzer./DasAmtistTeilderGeräte-undundLebenslaufmaderheutigenDirektion5–undBeschaffung–inderGefürLandesverteidigung.dafürsinddietechnischenmitdentechLeistungsbeschreibungen,dieallebeschaffendenStellen,primärfürdieSystemabteilungenderDi5,nachderenVorgabenerstellt/InjedenBeschaffungsvorgangistunserZentrumfürProduktdokumentation,da

/ Die bekannteren Tätigkeiten sind Prüfungen von Waffen und Munition aller Art und Größe sowie Lkw und Fahrzeuge aller Art – zu Land und zu Wasser. Weniger bekannt sind die Auf gaben der Sicherheits-, Schieß- oder Alarmanlagentechnik, die elektromag netische Abstrahlung oder der Schutz davor, Energieversorgung, Medizin-, Betriebsmittel-, Nachtsicht-, Wärme bild- und Tarntechnik, die großen Fel der Pioniertechnik und ABC-Wesen, Kampfmittel-, Tankanlagen-, Explo sivstoff- und Werkstofftechnik oder die Bereitstellung und der Betrieb des Schießplatzes bei Felixdorf im Steinfeld mit seinen vielfältigen Schieß-, Sprengund Ausbildungsanlagen.

Biosicherheitslabor des ARWT

schaften und deren technische Aus prägungen unser Rückgrat. Chemie und chemische Labore sowie Physik und physikalische Labore und damit wissenschaftliche Expertise waren von Anbeginn an dabei. Neben den Werk stätten des Schieß- und Versuchsplat zes etablierten sich im 20. Jahrhundert auch Werkstätten für Fahrzeugtechnik (1906) und Allgemein-Maschinenbau, Textil-, Oberflächen- und AllgemeinWerkstofftechnik (1936), Boote und Allgemein-Schiffsbau (Werft von 1955–2012), Elektronik und Allgemein-Elek trotechnik. Von den 1960er- bis in die 1990er-Jahre war auch die Luftfahrt technik (heute Materialstab Luft) beim Amt. Heute wird Mechatronik, Poly mertechnik und Robotik eingesetzt. Das Amt betreibt die beheimatetBiomedizinVirologieauchonspartner.tionalerÖsterreichzuBiosicherheitslaborzurgieneJahrenHochschulenunterschiedlichentrianInteressensgemeinschaftMilitärrobotik-„TeamAusTechnology“(TAUT),welchevonösterreichischenbeschicktwird./DieBiologiebeganninden1990er-zunächstalsLebensmittelhyundentwickeltesichsukzessiveMikrobiologie.Heutezähltdas(BSL)derStufe3einemdervielseitigstenLaboreinundistgernegefragter,naundinternationalerKooperatiEsbeherbergtmittlerweileMolekularbiologie,Bioinformatik,undbeginnendBiochemie,undBiotechnik.DasAmtdiebiologischeAufklärung

alle Güter in das Logistische Informa tionssystem (LOGIS) eingebracht und vielfach mit Technischen Dienstvor schriften (TDVBH) versehen werden müssen. Das bedeutet alle 20 Minuten einen Auftrag und mehrere hundert Vorschriften pro Jahr!

tee (TMK – 1869–1920), Wehrtechni sche Abteilung (W.T.-Abt – 1918–1935), Kriegstechnisches Amt (KTA – 1935–1938), Gruppe IV – Wehrtechnik (1955–1961) und Amt für Wehrtechnik (AfWT, AWT – 1961–2002) über 150 Jahre alt.

/ Seit jeher bilden die Naturwissen

Zu den einen Einsatz unterstützenden wehrtechnischen Aufgaben zählt auch das Vorhalten strukturierter, wehrtech nischer Organisationslemente und von Experten für Einsatzverbände oder in ternationale Einrichtungen. Die wehr technischen Leistungen des Amts wer den im Bedarfsfall anderen Ressorts oder Dritten mit Übereinkommen zur Verfügung gestellt.

/ Die Covid-19-Pandemie und die seit über zwei Jahren andauernden

/ Grundsatz unserer wissenschaft lichen Stellen ist: Messen – Doku mentieren – Verstehen – Erklären. Über 40 wissenschaftliche Vorhaben werden national oder international im Verbund bestritten. Flexibles und interdisziplinäres Arbeiten ist dabei inhärentes Prinzip der Wehrtechnik. Mehr als 50 Wissenschafter streben nach Erkenntnissen durch angewand te Forschung und die Entwicklung in novativer technischer Lösungen. Die wissenschaftliche Aktivität umfasst Laborentwicklungen, Demonstratoren, Prototypen bis hin zur Beistellung von technologischen Dienstleistungen, um die Auswirkungen moderner Techno logien und deren Nutzbarmachung für künftige Fähigkeiten des Bundeshee res zu erklären. Die Einrichtungen des Amtes garantieren den plangemäßen Einsatz des eingesetzten Steuergeldes. Einzuführendes Gut hat dabei best möglicher Qualität und anwendbaren zivilen sowie militärischen Standards zu entsprechen, um die Einsatzgefähr dung für Soldaten so gering wie mög

Maskenprüfung im ARWT

25OffizierDERAusgabe 3/2022

lich zu halten sowie den Einsatzzweck bestmöglich zu gewährleisten.

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des Bundesheeres und hat ein Allein stellungsmerkmal für Bearbeitung und Auswertung ABC-gemischt kontami nierter Proben in Österreich.

Tätigkeiten und Fähigkeiten des ARWT

/ Das Amt als Teil der Einsatzorgani sation ist mit seinen Mitarbeitern und Einrichtungen gemeinsam mit den an deren Stellen der Direktion 5, dem ARB und den Abteilungen MatWi, ZTA und RüstPl, und den anderen Aufgaben trägern des Bundesheeres 24/7, 365 Tage im Jahr im In- und Ausland für die Sicherstellung der Erfüllung aller Einsatzaufgaben mitverantwortlich.

Testkits-Güteprüfung

/ Bereits im Sommer 2020 erhielt das Amt vor der Zulassung stehende Antigentests zur Evaluation. Über 500 parallele Antigen- und PCR-Tests be stätigten den Wert dieser Methode. Im Herbst wurden die Grenzen der Tests bestimmt und eine Empfehlung für die Bundesbeschaffung abgegeben. Dar

zweier Tage nach Rückkehr in Wien ausgewertet. Es fand auch parallel zur PCR-Testung der erste österreichische flächendeckende Test mit AntikörperSchnelltests statt.

Einsatz- und Unterstützungsleistungen haben das Amt auch über die Grenzen hinaus bekannt gemacht, intern nach haltig geprägt und allen Mitarbeitern schlagartig Einsatzbewusstsein vermit telt. 38.000 Stunden jährlich werden diesbezüglich geleistet, wobei rund 15 % davon im gesamtstaatlichen Kon text eingebracht werden. Alle Ein satzerfahrungen kommen in weiterer Folge wieder dem ÖBH zugute.

Extraktions- und Pipettierroboter und Micro-PCR

/ Im April 2020 wurde aus dem Stand antretend, luftverlegt, die gan ze EUFOR und die ÖB SARAJEWO so wie das österreichische und deutsche KFOR-Kontingent beprobt und binnen

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weg“ aufzubereiten. Hierfür wurde mit Raster-Elektronen- und speziellen UV-Mikroskopen geprüft. Das Amt ar beitete hier im Wirkungsbereich des Arbeitsministeriums. Der Mangel an Desinfektionsmitteln führte zur Pro duktion eines Eigenlaborates zur Flä chendesinfektion./AuchdasBiosicherheitslabor konn

te zur Verfügung gestellt werden. Zu erst wurde die Beprobung für oberste Organe aufgebaut und bis heute ge währleistet. Gleichzeitig wurden die se Laborkapazitäten bis heute in die Befundung im Bundesheer und BMLV eingebracht. Faktisch wurde eine mili tärische „1450“ aus dem Nichts aufge baut und betrieben.

/ Darauf aufbauend wurde das verle gungsfähige Biolabor mit hochmoder nen, miniaturisierten Extraktions- und Pipettierrobotern sowie Micro-PCR entwickelt, was wegen der weltweiten Lieferengpässe bis Sommer/Herbst 2021 dauerte. Diese Geräte wurden in den alten Messbus das Amtes einge bracht, welcher seither für spezifische Ereignisse zur Verfügung steht. Die modulare und skalierbare Ausstattung erlaubt – derzeit – bis zu 1100 Tests am Tag inklusive elektronischer Be fundmitteilung. Da 2020 die ortsfeste Kapazität verdreifacht wurde, können heute ortsfest und mobil gemeinsam, je nach Verfügbarkeit von Laborperso nal und Reagenzien, mehrere tausend Tests am Tag gefahren werden. Diese Aufgaben im Wirkungsbereich des BMSGPK bzw. des Landes Wien führen zur Fachaufsicht durch die MA15. Die Virologie wurde als neues Standbein etabliert: Bis zu SARS-CoV-2 war die Spezialisierung des Amts auf Bakterien als einsatzwahrscheinlichste Erreger form gelegen.

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Einwegspritzen-Güteprüfung

/ Es begann mit der Prüfung von filtrierenden Halbmasken (engl. Abk. FFP). Binnen Tagen wurde aus einem kleinen Prüflabor eine ständig anwach sende Maskenprüfstelle in Simmering, die heute einen Komplex von sechs Containern umfasst und mit Geräten am letzten Stand der Technik die Funk tionsweise der FFP nach der EN ISO 149:2001 überprüft. Neben dem Bun desheer wurden alle Ämter der Landes regierungen, viele Krankenanstalten und -verbunde, Polizei- und Rot-KreuzDienststellen, Gemeinden, aber auch private Firmen und die Bundesbe schaffung monatelang zu Kunden. Das Amt arbeitet hier im Wirkungsbereich des BMDW. Binnen Stunden konnte durch die Medienarbeit des BMLV eine interaktive Webpage bereitgestellt werden, welche die Bestellungen au tomatisierte. Es wurde auch versucht, die Einwegprodukte FFP als „Mehr

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26 OffizierDER Ausgabe 3/2022

Geb. 1961 in Wien, MilRG Matura Jhg. 1979, Ausmusterung TherMilAk Jhg. 1983, Zugs- und Kompanie kommandant im PzB33 und PzB10, Generalstabsoffizier 1991, Zertifikat Sicherheitspolitik IUHEI/Uni Genf 1992, Militärpolitik 1992–1999, Militärattaché NATO 1999–2001, ChdStb&StvKdt 3. JgBrig (mob) 1995–1998, ChdStb&StvKdt

/ Innovation ist uns wichtig. Mo dernste betriebswirtschaftliche New-

ZUM BrigadierAUTORMag. Michael Janisch

4. PzGrenBrig, 2001–2003, StvCh dStb MNBSW&NCC AUTCON8/ KFOR 2003, BMLV/Ausbildung A und ProjLtr FlFlATS

/ 2021, zu Beginn des nationalen Impfprogramms, fielen bei den ersten 1 ml-Einwegspritzen Mängel auf. Dar aufhin beauftragte das BMSGPK das Amt mit der Güteprüfung von 8,1 Mio. Stk. zugekaufter Spritzen. So konn ten minderwertig gefertigte Produk te aus dem Verkehr gezogen und das Verschwenden zu Beginn kostbarsten Impfstoffs verhindert werden. Diese Prüfungen nach EN ISO 7886-1, 8685 und 11607-1 umfassten fünf Labore zweier Abteilungen.

Wehrtechnik.2011BMLV/Org&Verteidigungsattaché2003–2006,NordischeBaltischeStaaten2007–2011,2011undseitDezemberLeiterAmtfürRüstungund

Leistungs- und Wirkungsorientierung im ARWT

ARWT©

aufhin beauftragte das BMSGPK, das BMLV und das BMLRT das Amt die bundesbeschafften Testkits gütezuprü fen – ein bis heute andauernder Pro zess, der nicht entsprechende Produk te aus dem Verkehr zieht –, lange bevor die EU hierin wirksam wurde. Mittler weile haben auch einige Hersteller ihre Premiumprodukte beim Amt prüfen lassen. Bisher wurden ca. 170 Mio. AGT abgenommen und über den Pharma großhandel und die Heereslogistik be reitgestellt. Es wurden auch die – aus Amtssicht leider – verschmähten An tikörperschnelltests aller drei Klassen geprüft. Das Amt hat erfolgreich meh rere Großtests damit durchgeführt.

In jüngster Zeit wird die Lehre mit Matura forciert. Circa 8–10 % der Lehr linge des BMLV werden heute im Amt ausgebildet./Mehrere Akademiker sind als Lehr kräfte an tertiären Bildungseinrichtun gen tätig und es werden jährlich neben eigenen auch andere Bakkalaureatund Masterstudenten betreut.

27OffizierDERAusgabe 3/2022

Public-Management-Methoden planen budgetär bestmöglich und wirkungs orientiert die Aus- und Fortbildung der Mitarbeiter, die Beschaffungen von Gerät und Infrastruktur für den Eigen bedarf. Das Amt ist EN ISO 9001:2015 zertifiziert./DasAmt

bildet seit jeher Lehrlinge aus und ist seit 1999 ein von der WKÖ ausgezeichneter Ausbildungsbetrieb. Auch für die Ausbildung weiblicher technischer Lehrlinge gab es bereits mehrere „Amazone“-Auszeichnungen.

/ Traditionsnamensgeber ist Feld zeugmeister Lenk von Wolfsberg, Ar tillerie-Offizier, Entwicklungsingenieur und Chemiker, Erfinder des zerlegba ren Gebirgsartilleriegeschützes, eines Annäherungszünders und vor allem der verdichteten Schießbaumwolle. Das Motto des Amtes lautet: / „Premium Service is our Duty.“ www.wehrtechnik.or.at

/ Österreich und seine politischen Verantwortungsträger hatten bei der Ausgestaltung der Landesverteidigung und Organisation der bewaffneten Macht spätestens nach den großen Siegen von Prinz Eugen keine glück liche Hand. Seit dem frühen 18. Jahr hundert schlitterte Österreich durch das Unvermögen seines Heeres in das Debakel des Ersten Weltkrieges, was der Herrscherdynastie, als letztverant wortlich für den Zustand des Heeres, auch den Thron kostete. Nicht aus zudenken, hätte Österreich durchge hend die militärische Qualität der Zeit Prinz Eugens gehabt; Österreich wäre

/ Es muss aber klar gesagt werden: Wenn einem Heer, so wie dem Bun desheer, auf Dauer jene Budgetmit tel verweigert werden, die es benö tigt, um seinen Aufgabenstellungen nachkommen zu können, hat dies auch Auswirkungen auf die Rekruten, welche nach dem Abrüsten eigent lich Multiplikatoren für die Werbung des Dienstes beim Heer sein sollten. Wenn Rekruten während ihrer Ausbil dungszeit kaum Militärisches geboten bekommen außer ein wenig Basisaus bildung und Grenzsicherung, dann ist es nicht mehr weit, dass bei ihnen ein Zweifeln an der Kampfkraft aufkommt, was letztlich auch den Stolz, diesen Streitkräften anzugehören, mindert und die Erkenntnis nährt, dass die Politik ihm zwar bedeutende persön liche Opfer abfordert, nämlich sechs Monate seines Lebens unproduktiv zu opfern, ihm aber jene materiellen Mit tel verwehrt, die für eine angemessene Erfüllung der Aufgaben notwendig wä ren. Dieses Problem kann nicht wegre formiert oder wegdiskutiert werden. Dieses Problem müsste behoben werden: und zwar durch die Ver besserung der Ausstattung und des Geldflusses an das österreichische Bundesheer.

chönwetterjournalismus ist zwar eine einfache Methode, um eine Ausgabe einer Quar talszeitschrift zu befüllen und damit vielen Leserinnen und Lesern zu der Bemerkung zu animieren: Lieber Chef redakteur, „brav“ hast du die Zeitschrift zusammengestellt und dabei niemand angegriffen und ernstlich weh getan. „Der Offizier“ soll aber durchaus auch zu einem kritischen Nachdenken an regen und Defizite in der österreichi schen Sicherheits- und Verteidigungs politik ansprechen.

Die anderen mögen sich vorbereiten, Tu felix Austria aber verschließe die Augen vor der Realität

zu einer Weltmacht aufgestiegen. Die Geschichte verlief allerdings anders und in der Zwischenkriegszeit durfte Österreich aufgrund der Demütigung im Friedensvertrag von St. GermainEn-Laye überhaupt kein leistungsfähi ges Heer aufstellen. Das Vertrauen der Bevölkerung in dieses Heer war nicht sehr hoch, und es schwand zumindest für viele Österreicherinnen und Ös terreicher komplett, als das Heer 1934 auf die eigene Bevölkerung schießen musste. Nach der kurzen Episode als Teil des 1000-jährigen Reiches und der Niederlage im Zweiten Weltkrieg war die Begeisterung der Menschen im Lande zur bewaffneten Macht enden wollend. Erst nach der Wiedererlan gung der Unabhängigkeit 1955 konnte sich das Bundesheer über eine kurze Phase hoher Zustimmung freuen.

/ Die aktuelle Krise hat gezeigt, wie wichtig das Bundesheer als strategi sche Einsatzreserve der Republik Ös terreich ist und welche Vorteile die Republik hat, wenn das Heer bestmög lich gerüstet für den Fall der Fälle parat steht. Ohne das notwendige Geld ist aber eine strategische Einsatzreserve nicht einmal das Papier wert, auf dem sie als strategische Reserve bezeichnet wird. (redDer Offizier/hapoe)

/ Trotzdem das Bundesheer der Zweiten Republik von Beginn an fi nanziell klein gehalten wurde, konnte es die an es gestellten Erwartungen im Großen und Ganzen erfüllen, was sich jedoch nicht in einer finanziellen Besserstellung niederschlug. Stattdes sen waren alle politischen Lager zu frieden, dass man für das Bundesheer nicht mehr Geld aufwenden musste, da es ohnehin mit etwas Glück die an es gestellten Aufträge erfüllen würde können und an einen großen Konflikt in Europa wollte sowieso niemand ernsthaft denken. Eine besondere Verantwortung für das Bundesheer kommt, auch wenn es nicht in seiner Arbeitsplatzbeschreibung steht, dem Bundeskanzler zu. Er gibt indirekt die Marschrichtung auch bei der finanzi ellen Ausgestaltung des Bundesheeres vor. In der Zweiten Republik haben sich die Bundeskanzler da nicht ge rade bundesheerfreundlich gezeigt und man wird sehen, was man über

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S

/ Ganz in diesem Sinne versteht sich der nachfolgende Beitrag, der vom Autor verfasst wurde, als er nach dem Aufräumen seiner Bibliothek ein längst vergessenes Buch eines schon verges senen, ganz großen Vordenkers der österreichischen Sicherheit- und Ver teidigungspolitik wiederfand und darin zu schmökern begann. Hon. Prof. DDr. Erich Reiter veröffentlichte 1987 unter dem Titel „Die Österreicher und ihr Bundesheer. Eine Analyse einer Unter suchung über die Einstellung zu Fragen der Landesverteidigung“ und verfasste ein paar zeitlose Zeilen zum Ergebnis der Untersuchung als Vorspann.

den amtierenden Bundeskanzler im Zusammenhang mit dem Bundesheer einmal sagen wird können.

Wann wird wieder so richtig geübt wie einst?

TRIPPOLTDANIEL©

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/ Danach wurde die Übungssyste matik im Lichte der Reorganisations maßnahmen der frühen 1970er-Jahre geändert. Einen weiteren Einschnitt brachte das Raumverteidigungskonzept mit sich, welches in den 1970er-Jahren ausgearbeitet wurde. Das Raumverteidi gungskonzept von einst umfasste neben der Bereitschaftstruppe auch die raum gebundene sowie mobile Landwehr,

33.000 Sol

welche zum Großteil aus Milizsoldaten bestand. Während mehrerer großange legter Raumverteidigungsübungen wur de das System Raumverteidigung auf seine Funktion überprüft. Im Jahre 1979 wurde die Raumverteidigungsübung 79 im Großraum Wieselburg abgehalten. An der Übung nahmen 27.500 Solda ten mit 480 Ketten- und 4200 Räder fahrzeugen, 125 Artilleriegeschützen, 120 Fliegerabwehrkanonen und rund 190 Granatwerfern teil. Ferner wurde der Einsatz von ca. 90 Luftfahrzeugen (Hubschrauber, Flächenflugzeuge und Jagdbomber) geprobt. Bei der Raumver teidigungsübung 82 Edelweiß im Raum Kufstein nahmen etwa 14.000 Mann mit 165 Ketten- und 1600 Räderfahr zeugen sowie je 20 Flächenflugzeugen und Hubschraubern teil. 1986 wurde die AnManöverabgehalten,Raumverteidigungs-HerbstübungwelchedasbislanggrößteinderZweitenRepublikwar.derÜbungnahmen

daten, davon ca. 20.000 Reservisten, teil. Eines der letzten wirklich großen Manöver war die Übung Schutz 2004 in Kärnten und der Steiermark gemein sam mit der Exekutive und zivilen Or ganisationen, an der etwa 12.300 Sol daten teilnahmen.

I

/ Seit 2004 gab es zwar immer wie der Übungen, aber sie hielten sich, was die eingesetzten Truppenstärken be

trifft, in überschaubarem Rahmen. Dies war eine Folge des Rückganges der Mo bilmachungsstärke des Bundesheeres, aber auch eine Folge des Aussetzens der Truppenübungen.

m Jahre 1965 fand im niederöster reichisch-steirischen Voralpen gebiet die erste Großübung des ÖBH unter der Bezeichnung „Herbst übung 1965“ statt. Dieses Großmanö ver fand unter Beteiligung von fast 30.000 Mann statt. Knapp zehn Jahre nach der Gründung des Bundesheeres der Zweiten Republik bot dieses erste große Manöver Gelegenheit, den Signa tarstaaten zu beweisen, dass Österreich gewillt ist, sein Land zu verteidigen. Bei spielsweise machte sich der damalige Verteidigungsminister der Sowjetunion Marschall Malinowski ein Bild vom Aus bildungsstand der Truppen. Nach der Übung 1965 verlautbarte das Ministeri um, dass hinkünftig alle vier Jahre eine Großübung stattfinden sollte. Gemäß dieser Übungssystematik fand 1969 das Großmanöver „Bärentatze“ im westlichen Niederösterreich unter Teil nahme von 12.508 Mann, 345 Kettenund 2.181 Räderfahrzeugen statt.

/ Groß in den Medien wurde über die Übung in Eisenerz im Juli 2022 berich tet, als wäre das Üben von 1100 Soldatinnen und Soldaten (ausschließlich der Uniformträger, welche im Rah men der regen Besuchstätigkeit der Übung beiwohnten) mit 150 Räder fahrzeugen und zehn Luftfahrzeugen eine Sensation.

/ Auch wenn immer mehr Akade misierung in das Bundesheer ein zieht, ist vieles beim Bundesheer schlichtes „Soldatenhandwerk“. Und zum „Soldatenhandwerk“ passt der Spruch, welcher eigentlich die Regel sein sollte: „Nur Übung macht den Meister!“ Es ist daher höchst an der Zeit, dass beim Bundesheer wieder mehr geübt wird und es wäre schön, wenn zumindest inner halb von vier Jahren abwechselnd in verschiedenen Bundesländern mehr als 10.000 Soldatinnen und Soldaten mit 100 Kettenfahrzeugen, 1.000 Räderfahrzeugen und 20 Flä chenflugzeugen und Hubschraubern üben würden. Oder könnten wir in einem solchen Falle auch nur mehr mit Papiersoldaten üben?

30 OffizierDER Ausgabe 3/2022 20. Jänner 2023 Eintrittskarte E 95,–Studentenkarte E 45,–Wiener Hofburg feierliche Eröffnung um 21:30 Uhr ABSOLVENTENVEREINIGUNG ALT-NEUSTADT 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 1 Telefon: +43 1 715 05 70 E-Mail: info@ballderoffiziere.at BallderOffi ziere Änderungen aufgrund Covid-19 Entwicklung vorbehalten. Online Ticketverkauf ab 1. Oktober 2022 www.ballderoffiziere.at

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32 OffizierDER Ausgabe 3/2022 DasGewissensicherheitspolitischederRepublikÖsterreich

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