Anzeiger für das Nordquartier 2021/10

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FOKUS

Bern, 2. Juni 2021

«LETZTE HILFE»-KURS:

Diaconis unterstützt Angehörige im Umsorgen schwer erkrankter und sterbender Menschen Seit mehr als 175 Jahren begleitet die Stiftung Diaconis Menschen in den verschiedensten Lebenssituationen. Am 25. Juni 2021 bietet Diaconis einen «Letzte-Hilfe»-Kurs an, der Angehörige beim Umsorgen von Menschen in der letzten Lebensphase unterstützt. Seelsorgerin Anja Michel und Pflegefachfrau Sandra Kneubühl leiten den Kurs und gaben uns vorab einen ersten Einblick in dieses interessante und schwierige Thema. Bianka Balmer

E

rste Hilfe nach Unfällen zu leisten, wird in unserer Gesellschaft als eine selbstverständliche Aufgabe angesehen. Doch wie helfen wir Menschen, deren Lebensende nahe gekommen ist? Das Lebensende und das Sterben machen uns als Mitmenschen oft hilflos. Der Kurs «Letzte Hilfe» ist ein Angebot für alle, die sich mit dem Sterben auseinandersetzen und mehr darüber wissen möchten, was sie für einen Mitmenschen am Ende des Lebens tun können. Wann und wie ist die Idee für diesen Kurs entstanden? Sandra Kneubühl (SK): Im Rahmen meiner Ausbildung «CAS Palliative Care» im Jahr 2019 wurde das Projekt «Letzte Hilfe» vorgestellt, welches seinerzeit im Kanton Waadt gerade frisch aufgegleist wurde. Ein Angebot, welches die Thematik rund ums Sterben so aufbereitet, dass es für eine breite Bevölkerung zugänglich ist. Das fand ich spannend und es entsprach meinem Bedürfnis, den Palliative-Care-Ansatz der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, den Themenbereich Sterben und Tod nach aussen zu tragen und andere Menschen zur Sterbebegleitung zu befähigen. So erzählte ich meiner Vorgesetzten davon, welche die Idee, den Kurs bei Diaconis anzubieten, sofort unterstützte. Welche Erfahrungen haben Sie zu dem Thema? Warum haben Sie sich als Kursleitende gemeldet? SK: Seit rund sechs Jahren arbeite ich als diplomierte Pflegefachfrau auf der Palliativstation im Diaconis. Zuvor war ich viele Jahre auf der

Onkologie tätig sowie in der Spitex schiedenen Menschen anzuschauen mit dem Schwerpunkt palliative und sich frühzeitig damit auseinanPflege und Onkologie. Diese Arbeit derzusetzen. mit schwerkranken Menschen und die Begleitung ihrer Familien ma- Aus welchem Umfeld kommen die che ich leidenschaftlich gerne. Ich Kursteilnehmenden? staune immer wieder, welche Kräf- SK: Menschen jeglicher Altersgrupte und welcher Ideenreichtum von pen interessieren sich für diesen Angehörigen mobilisiert werden, Kurs: z.B. Mitte 40-Jährige mit bemit wie viel Achtsamkeit und Lie- tagteren oder kranken Eltern, die be sie ihre Kranken begleiten. Sehr sich mit der Thematik auseinanoft lerne ich von dersetzen, älteihnen. Meistens re Ehepaare, die brauchen sie wissen, dass sie einfach eine Art «Offenbar ist bei vielen das einmal in der Brücke von mei- Bedürfnis vorhanden, dem Rolle des Sorgenner Seite. Das den sein werden, Sterben Raum zu geben.» oder erwachsene liegt mir und ich denke, dass ich Kinder, die mit etwas dazu beieinem betagten tragen kann, einerseits die Thema- Elternteil kommen. Auch junge Ertik zugänglicher zu machen und an- wachsene interessieren sich dafür dererseits einfache Handhabungen oder Menschen, die gerade erst jeweiterzugeben. manden verloren haben und den Kurs als Aufarbeitung brauchen, ob Anja Michel (AM): Als reformier- sie alles «richtig» gemacht haben. te Pfarrerin bin ich beruflich stets mit Themen wie dem Sterben, Ab- Gab es solche Kurse schon früher in schied nehmen, dem Trauern und anderen Regionen? Weiterleben konfrontiert und beglei- SK: Die Kurse wurden in Österreich te Menschen auf diesen Wegen. Seit und Deutschland entwickelt und ervier Jahren arbeite ich nun auf der folgreich erprobt. In der Schweiz gibt Palliativstation im Diaconis und be- es sie seit 2017. Die evangelisch-regleite Sterbende, Schwerkranke und formierte Landeskirche Zürich ist ihre An- und Zugehörigen. Von den offizielle Kooperationspartnerin Letzte-Hilfe-Kursen habe ich aus des internationalen Projektes und den Medien erfahren. Offenbar ist Lizenznehmerin der «Letzte Hilfe» bei vielen das Bedürfnis vorhanden, Schweiz. Seit dem letzten Jahr gibt dem Sterben Raum zu geben, Erwar- es die Kurse auch auf Französisch. tungen und Vorstellungen dazu auszutauschen sowie Informationen Welche Inhalte werden behandelt? und Tipps in der Begleitung Sterben- SK: Interessierte sollen befähigt und der zu erhalten. Ich finde es äusserst ermutigt werden, sterbende Menbereichernd, diese Thematik mit ver- schen zu begleiten oder auf Men-

Noch einmal den Garten zu erleben ist ein Wunsch vieler Patienten der Diaconis Palliative Care Station. Bilder: zVg

Im Gespräch mit dem AfdN: Anja Michel, Seelsorgerin und reformierte Pfarrerin …

schen zuzugehen, die jemanden verloren haben. Das Sterben soll als Teil des Lebens erklärbar gemacht werden: Wir zeigen, welche Möglichkeiten der Vorsorge und Planung es gibt, was wir alle praktisch tun können, welche Formen der Trauer es gibt, wohin man sich wenden kann, wenn man Hilfe braucht, und welche Unterstützungsmöglichkeiten vorhanden sind. AM: Zudem bietet der Kurs auch die Möglichkeit, sich für sich selbst mit dem Thema Sterben auseinanderzusetzen: Was wäre mir dabei wichtig? Wie gehe ich mit Schwierigem um? Die Antwort darauf wird auch meine Begleitung Sterbender beeinflussen. Konkret heisst das: Um Sterbende gut zu begleiten, muss ich mir auch selbst im Klaren sein über eigene Haltungen, Neigungen, Charakterzüge, Entscheidungen usw. Dazu kommen Dinge wie die Patientenverfügung und die Vertretungsperson: Was kann da genau geregelt werden, mit wem sollte ich das besprechen, und wäre sowas für mich stimmig oder lasse ich das lieber bleiben? Welche Bestattungsrituale und -formen gibt es und was ist mir dabei wichtig? Wo kann man sich anmelden und wer trägt die Kosten? SK: Die Kosten werden von der Stiftung Diaconis getragen, der Kurs ist für die Teilnehmenden kostenlos. Anmelden kann man sich über unsere Website. ▶F ortsetzung des Interwiews auf Seite 6

… und Pflegefachfrau Sandra Kneubühl.


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