ZurQuelle #10 - Titelthema: Körper

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#10

Pro Campus-Presse Award BESTES STUDIERENDENMAGAZIN VON UND FÜR ZAUBERNDE


Ein herz für DONALD TRUMP Ey Donald, du grober Freak! Du trägst doch Lassy auf dem Kopf. Ihre Intelligenz spuckt sie allerdings auf die deine, wenn sich beide zufällig im Fahrstuhl treffen: Flatsch! Einfach so, ohne Vorwarnung. Du bist schlimmer als der Ekel-Opa, der beim Essen stolz vom Krieg erzählt. Du hältst dein demagogisches Fähnchen immer in genau den Wind, der gerade am fremdenfeindlichsten bläht, du heißer Furz von einem Mann. Wer dich wählt, glaubt auch an die Echtheit deiner Haare. Und wenn es nach uns ginge, dann wärest du schon längst gefeuert worden – als alles! You are fired, Donald! Nimm unser Herz als severance package und verfüttere es an den Perro auf deinem Kopf, du Sausack.


Editorial

Thema: Körper

Now You 'bout to Feel the Wrath of a Menace! Neues Jahr. Schon das dritte für ZurQuelle und endlich ist die Zwei­ stelligkeit erreicht. Auch was die Finanzierung betrifft. Wie immer haben wir gebangt und gehofft, aber dann kam Weihnachten und wir konnten statt des bangen Hoffens endlich mal wieder richtig einen trinken und viel zu viel Fleisch essen. Oder eben ähnliches, je nach Präferenz. Währenddessen wurde unsere #10 gedruckt. Und sie ist wundervoll geworden. Sie ist so mega geil, sie ist voller Zorn und bedroht alles, was nicht niet- und nagelfest ist. Die Gestaltung ist hitverdächtig – Dieter Bohlen, Frank Zander, David Hasselhoff und Loona in einem. Einmal wieder einen riesigen Dank an die Artdirektion und die Mädels und Jungs der Agentur sehen und ernten von der HTW. Ihr seid königlich! Und auch inhaltlich: So viel On-Point Titelthemenbezogenheit gab es noch nie. Wir sind in der Monothematik angekommen. Vorteil: Ihr wisst, was ihr kriegt. Nachteil: Wer Körper doof findet, ist jetzt schon raus. Passiert aber nicht, weil wir das Thema von einer Milliarde Seiten beleuchten. Wer ZurQuelle doof findet, liest das zwar nicht, kann mich aber mal: Doppelt, dreifach und kreuzweise. Boom. Wir haben für euch: Menschen, die Teile ihres Körpers lieber absterben ließen als damit zu leben, findet ihr. Nennt sich BIID und ist recht traurig, weil ausweglos. Frauen, die sich auf der Venus Erotikmesse alles geben – also inhaltlich – finden ihren Platz auf der Bühne ebenso wie Schönheitschirurgie, verkackte Vorstellungen von Körperkunst oder verschiedene Konzepte zur Ewigmachung des Bewusstseins bei gleichzeitiger Loslösung vom Körper. Zuletzt findet ihr die Frage verschriftlicht, ob es neben Transgender auch so etwas wie Transrace geben kann – wir wissen es nicht, aber das Nachdenken darüber lohnt! Wir runden ab mit leckeren Desserts und einer Zusammenstellung der sinnvollsten Diäten, die Gott uns gegeben hat. Apropos Körper: Am Lageso, auf dem Mittelmeer und an den EU-Außengrenzen hungern und frieren immer noch Menschen. Macht mit der Info, was ihr wollt. Robert Hofmann


Mareike » Anglistik/Amerikanistik und Germanistik »Don’t push me, ‘cause I’m close to the edge! I’m tryin’ not to lose my head. It’s like a jungle sometimes it makes me wonder how I keep from goin’ under. Ahhahahaha.« (Grandmaster Flash & The Furious Five) Rita » Jura Fidélité » Kulturwissenschaften und Französisch

»Wäre ich ein Idylliker, dann wäre ich ein lieblicher

»Wir sind wie Fische, die den See leer saufen,

Mensch. Aber das bin ich nicht. Ich bemühe mich

in dem sie schwimmen.« (Das Känguru)

vielmehr, hundsgemein zu sein.« (Janosch)

Wenke » Kommunikationsdesign

Thomas » Sinologie

»Kein Mensch muss müssen.« (Lessing)

»I am going to tear down your safe space, brick by brick i shall smash it with glee. You cannot stop me

Yana » Europäische Literaturen

from getting inside, I am cold and I am hard and my

»My mother answers all my fan mail.« (Patti Smith)

name … is Reality.« (Reality, South Park)

Patrick M. » Physik

Ali » Kulturwissenschaften und Anglistik/Amerikanistik

»My body is a temple of doom. Doomed not

»Neu wird bei Toys’R’Us das Spielzeug unisex

to be by your side.« (The Wombats)

verkauft, was die Suche nach dem passenden Geschenk schwieriger macht.« (Blick.ch)

Tilla » Kulturwissenschaften und BWL »Ich habe nichts zu sagen, und ich sage es.«

Marten » Digitale Medien

(John Cage)

»Der Mittler zwischen Hirn und Händen muss das Herz sein« (Metropolis)

Luna » Deutsche Philologie »Ich bin für Cedric Diggory – Potter stinkt.« (Harry Potter und der Feuerkelch)

Sarah B. » Biochemie »I’m building jumper. Roof to roof you see me flying in the air.« (Pixies)


Samuel » Germanistik und Geschichte »Keine weißen Anzüge!« (Silvester Stallone) Robert T. » Sozialwissenschaften »Schlangen und Katzen können nicht Schlatzen zeugen.« (Nikas Luhmann) Sven » Kommunikationsdesign »Bestimmt haben Sie lhre Nase lhrem Mund zu verdanken.« (Morgan Freeman alias Der Boss) Stephan » Psychologie Patrick R. » Wirtschaftsinformatik

»Es stimmt nicht einmal, daß ich immer nur mich

»No problemo.« (The Terminator)

selbst beschrieben habe. Ich habe mich selbst nie beschrieben. Ich habe mich nur verraten.« (Max Frisch)

Christopher » Komparatistik »Ich bin ein naschhaftes Zellenbündel und liege

Robert » Geschichte und Soziologie

im Wasser.« (Robert Müller)

»Auch du, Brutus?« (Gaius Julius Cäsar) --> wer findet den Fehler?

Anne » Englischsprachige Literatur »We like being the pretty one. We like being the

Sören » Soziophobie

center of attention. We want to look skinny and

»ZurQuelle will doubtless tear the country’s

the bigger the guy, the smaller we feel and the

heart out and return the thing a new and far

better we look next to you in a picture.«

richer organ.« (J. D. Salinger)

(Mackenzie Pearson, prägte den Begriff Dad Bod) Alex » Technischer Umweltschutz Vivien » Kommunikationsdesign

»I probably won’t go down in history, but I

»Don‘t cling to anything and don‘t reject

will go down on your sister.« (Hank Moody)

anything.« (Henepola Gunaratana)


#10 Kรถrper




Studienabbrecher der Ausgabe:

Kanye West »When someone comes up and says something like, ›I am a god‹, everybody says, ›Who does he think he is?‹ I just told you who I thought I was. A god. I just told you. That’s who I think I am.« So Recht er haben mag, so ist doch das Erste, woran die meisten denken, wenn sie an Kanye West denken, der große Hintern, mit dem er verheiratet ist. »I am so credible and so influential and so relevant that I will change things.« Mit dieser Meinung steht er zumindest nicht allein da. Die Times wählte Kanye bereits zweimal zu einem der 100 einfluss­reichsten Menschen der Welt, was ihn auf eine Ebene mit Barack Obama, Vladimir Putin und Mutti Merkel setzt. Doch wie kommt ein Gottkomplex in God­-Level-Snea­kers dorthin? Ein Studienabschluss ist dafür nicht zwingend nötig. Im Gegenteil: 1995 hat Kanye sein Studium am Kunstinstitut der Universität Chicago abgebrochen – ganz rapperlike. 2004 stieg dafür sein Debütalbum The College Dropout bis auf Platz zwei der amerikanischen Charts. Damn, Kanye. Erst boomte Late Registration 2005 und dann endlich Graduation 2007 auf dem ersten Platz – wie alle darauffolgenden Alben auch.

Er ist einfach ein Macher! Mit über 60 Millionen verkauften Tonträgern gehört er zu den einflussreichsten Musikern aller Zeiten und prägte den Hip­Hop und Pop der 2000er maßgeblich. Er hatte sie alle: v­ on Daft Punk bis 50 Cent. Dabei hat sich sein Stil seit Beginn seiner Karriere kontinuierlich weiterentwickelt. »Man, I am the No. 1 living and breathing rock star. I am Axl Rose; I am Jim Morrison; I am Jimi Hendrix.« Nein, das ist Kanye nun wirklich nicht – aber er absorbiert sie alle. Leider stellen seine medialen Auftr itte sein Talent immer wieder in den Schatten. Wie sein Auftritt bei den MTV VMAs 2009, bei denen er der süßen kleinen, harmlosen Taylor Swift den Award für das beste Musikvideo nicht gönnte und auf die Bühne stürmte, um dies laut zu verkünden. »Cause I still ain’t seen a video better than Beyoncé to this mothafuckin day!« 20 Jahre nach seinem Studienabbruch wurde ihm ein Ehrendoktor verliehen. Ohne Pauken, einfach mit machen. Und was macht Kanye als nächstes? Na, fürs Weiße Haus 2020 kandidieren! Kanye West for President? Franziska Schulz studienabbrecher


In der Sprechstunde

Prof. Dr. peter brandt Direktor des interdisziplinären Dimitris-Tsatsos-Instituts für Europäische Verfassungswissenschaften, Professor für Neuere Deutsche und Europäische Geschichte an der Fernuni Hagen (emerit.)

interview: Robert HOfmann


011 Wer sich nicht für Menschen interessiert, ist fehl am Platz. Was ist Ihre Lieblingsfigur aus der Geschichte? Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Eine andere spannende Figur ist Harro Harring. Der hat Mitte des 19. Jahrhunderts in der ersten norwegischen Arbeiterbewegung mitgewirkt, war in Griechenland im Freiheitskampf und auch in Südamerika war er zugange – eine Art Freibeuter der Revolution. Kennen Sie Loona? Ich weiß eigentlich nicht, wer das ist, aber Bailando habe ich gehört. Es ist nun nicht so, als könnte ich nur die hohe Kunst schätzen, aber damit kann ich nichts anfangen. Woher kommt Ihre Faszination für die Geschichte im Allgemeinen und die Arbeiterbewegung im Besonderen? Das hat sicher einen familiären Hintergrund, denn da habe ich lebendige Schilderungen aus der klassischen Arbeiterbewegung mitbekommen. Außerdem ist das eine der großen Emanzipationsbewegungen der Weltgeschichte. Das Interesse für Geschichte kam auf ganz kindliche Weise zustande. Ich las deutsche Heldensagen und beschäftigte mich viel mit dem Mittelalter. Für echte Historiker wird übrigens fast alles interessant, in das man sich lange genug hineinwühlt. Außerdem: Wer sich in unserem Fach nicht für Menschen interessiert, ist fehl am Platz. Wer nur die Strukturen erforschen will, wird zum Verwalter von Begriffen. War Politik für Sie mal eine Option? Ich bin mein Leben lang politisch engagiert gewesen, heute vor allem in der politischen

Publizistik. Insofern weise ich die Frage zurück. Aber was Sie wissen wollen: Politik als Beruf. Ich glaube, ich habe beides in mir. Das kontemplative, analytische und auch das aktivistische. Aber mit einem Vater, der Spitzenpolitiker ist, wäre es mir komisch vorgekommen, diesen Weg zu gehen. Warum die Fernuni? Nachdem ich mich habilitiert hatte, war die Fernuniversität die erste Uni, die mich nahm. Und dann geht man ja nicht nach einem Jahr wieder weg. Relativ schnell merkte ich aber auch, dass ich mir dieses Reformprojekt zu eigen machen möchte. Dann wollte ich auch nicht mehr weg. Allerdings: Hätte ich einen Ruf nach Harvard gekriegt, hätte ich schon noch mal überlegt. Wie ist es möglich, an der Fernuni nach Sympathie zu bewerten? Naja, es ist ja nicht unbedingt wünschenswert, nach Sympathie zu benoten. Aber es ist nicht so, dass man die Leute gar nicht sieht. Es gibt ergänzend zu den schriftlichen Kursen auch semi-obligatorische Präsenzveranstaltungen am Wochenende. Diejenigen, die auf solche Veranstaltungen gehen, schneiden in der Regel auch besser ab. Ist die Arbeitsbelastung an der Fernuni im Vergleich zur Präsenzuni größer? Jein. Der Hammer sind die Korrekturen, die es aber an der Präsenzuni auch gibt. Zum Teil machen sich Kollegen aber große Illusionen wie wir arbeiten. Die denken, wir könnten auch an der Südsee sitzen oder so. www.zqzaubert.de


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Meinen Sie, die Kollegen der Präsenzunis haben weniger Respekt vor den Professoren der Fernuni? Nein. In Deutschland ist die Kenntnis einzelner Personen wichtiger als die der Uni. Wir haben keine Universitäten, die als Ganzes besser sind als andere. Anders als etwa in den USA, wo manche Universitäten irrsinnig viel Geld haben. Die können natürlich überall auf der Welt wie ein Magnet die Top-Leute rausziehen. Sowas haben wir hier bisher nicht und ich bin gespannt, ob es gelingt, das in diese Richtung zu entwickeln. Ist das denn erstrebenswert? Nein, es widerspricht auch ganz unserer Tradition. Aber wenn man die Mittel so verteilt, dass arme und reiche Universitäten entstehen, geht die Tendenz natürlich in diese Richtung. Sie leiten das Institut für Europäische Verfassungswissenschaften. Wie sehen Sie die Zukunft der Europäischen Union? Als der Euro eingeführt wurde, habe ich zu den Skeptikern gehört, weil es problematisch ist, eine Währung einzuführen, ohne gleichzeitig eine Wirtschafts- Finanz- und politische Union zu schaffen. Die Hoffnung war, dass es einen Sog gäbe, der dann das andere hinter sich herzieht. Dieser Prozess gelangt nun an einen Punkt, der eine Entscheidung verlangt: Soll Europa wie bisher ein Transmissionsring der Entfesselung des Marktkapitalismus sein? Oder soll es ein Schutz- und Gestaltungsraum sein? Die Nationalstaaten, die man auch als Reichtum Europas sehen kann, werden nicht einfach verschwinden wie der Zucker im Kaffee. Aber sie werden Souveränität abgeben müssen, damit wir uninterview

ser Zivilisationsmodell mit Demokratie und Sozialstaat bewahren und weiterentwickeln können. Aber das Problem wird sein, das in eine Beziehung zu bringen. Wir brauchen eine EU, die so demokratisch ist wie die Natio­ nalstaaten es jetzt sind. Hat Nation nicht auch immer etwas protektionistisch Egoistisches? Ich unterscheide zwischen dem souveränen Nationalstaat und der Nation als Kommunikations- und Bewusstseinsgemeinschaft. Kann denn die EU existieren, ohne dass es das auf gleichberechtigter Basis auf EU-Ebene gibt? Skeptiker sagen, es könne weder auf »ethnisch-kultureller« noch auf politischer Basis ein Europäisches Volk geben. Es ist aber durchaus vorstellbar, dass man ein Europäisches Volk zunächst mal begrifflich konstruiert. Nicht ausschließen würde ich aber, dass man eines Tages einen quaisrevolutionären Akt, eine Durchbrechung der Legalität vollzieht. So wie das in den USA auch war: Irgendwann wurde ein Kongress einberufen, und fast handstreich­artig die USA gegründet: »We the People of the United States«. Aber dafür braucht es politischen Willen. Ganz emotional: Fänden Sie es gut? Ja, ich will Europa. Aber ich habe auch ein positives Verhältnis zu Deutschland. Von mir aus auch einen Europäischen Bundesstaat. Aber man muss die Menschen mitnehmen, damit die Leute Europa nicht mehr nur mit Marktradikalismus, der Aufhebung von Regulierungen und abgehobenen Bürokraten in Brüssel identifizieren.



text: Robert tiede

Von Trondheim nach Sankt Petersburg

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erasmus

Für junge Leute ist wohl Sankt Petersburg die attraktivste russische Stadt und das hat zwei Gründe. Erstens: Seit September studiert Mehmet hier. Zweitens: Studierende kommen hier auf ihre Kosten. Denn Kunstausstellungen, Bars, Konzerte und natürlich wilde Partys sind in der nördlichsten Millionenstadt der Welt der beste Weg, um sich warmzuhalten – Vodka, tanzen … geil! Sankt Petersburg wirkt an manchen Tagen aber irgendwie zerrissen. Zwar ist die Stadt westeuropäisch, locker und in bester Partylaune, doch da ist eben auch das andere Russland mit seiner Korruption, Autokratie und Angepasstheit. Überall in der Stadt gibt es Stände mit Wladimir-Souvenirs. Touristinnen sehen darin vor allem Scherzartikel, doch viele Russinnen tragen ihr Putin-Shirt mit Inbrunst. Auch an der Uni wird Systemkritik gerne runtergeschluckt und überall patrouillieren Sicherheitskräfte. Da hast du es nicht leicht, als herrschaftskritische Politikstudierende. Davon mal abgesehen: Sankt Petersburg ist wirklich großartig! Und Mehmet kann das beurteilen, denn er hat schon vielerorts studiert: in Gießen, Heidelberg, Trondheim und seit diesem Herbst eben schen und der Stadt wolle er viel mehr Zeit und größere Aufmerksamkeit schenken. In Trondheim hat er in einem entspannten Wohnheim mit Studierenden aus aller Welt gelebt – mit jeglichen Freiheiten. Und da ging schon so einiges – in jeder Hinsicht – das verstehe sich. Auch wenn die Norwegerinnen immer einige Drinks bräuchten, um

Die Norwegerinnen hätten immer einige Drinks gebraucht, um ihre introvertierte Art abzulegen, findet er.

in »Piter«, wie Sankt Petersburg von seinen Bewohnerinnen liebevoll genannt wird. Während seines ersten Erasmusstudiums in Trondheim habe sein Fokus fast ausschließlich auf Partys, Reisen und Frauen gelegen, aber das wäre jetzt anders – außer das mit den Frauen! Mehmet sagt, er habe dazugelernt und gehe seine Monate in Russland nun ganz anders an. Der Kultur, den Men-

ZQZAUBERT.DE

ihre introvertierte Art abzulegen und sich »mal ein bisschen locker zu machen«. In Russland scheint das ganz anders zu sein. Da kommt es schon mal zur unverbindlichen (aber hoffentlich geschützten) Nummer in einem der (im Gegensatz dazu recht un-)geschützten Hinterhöfe Sankt Petersburgs. Und dafür ist nicht einmal die große Menge Vodka nötig, wie es den Russinnen immer nachgesagt wird. Schaden tut der Fusel aber dennoch nicht, höchstens am nächsten Morgen – Auslandsstudium halt! Offiziell geht Mehmet zur Heidelberger Partneruni, aber das Studium stand schon in Trondheim eher hinten an. Anstatt zu behaupten, er könne die Marginal Rate of Substitution for Inferior Goods berechnen (kann er wirklich nicht), möchte Mehmet zumindest nach diesem Semester stattdessen sagen können, dass er viele Freundschaften geschlossen und einfach unvergessliche Erfahrungen gesammelt hat. »Piter« bleibe für ihn in Russland auf jeden Fall »the place to be«. Allerdings nur noch für ein paar Monate – denn dann muss Mehmet die Stadt an der Newa wieder verlassen.


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Micaela Sch채fer

mia julia

fickschnitte18

lexy roxx

bettie ballhaus

melanie m체ller


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Ein Tag im Porno Von einer, die auszog, sich aufgeilen zu lassen und auf der Lifestyle-Messe für Erotikkram bitter enttäuscht wurde. ZurQuelle hat sich auf der Venus auf die Suche nach Erotik gemacht und fand Nackideis, Silikon und alte Herren.

Sexy Fleisch gestern und heute Fleischige weiße Schenkel werden kraftvoll aufeinander gepresst. Die linke Hand verdeckt mit dem langen Haar dürftig den Blick auf die Vulva. Und obwohl eine Brust entblößt ist, liegt ein Ausdruck von Gelassenheit in den Augen. Boticelli spiegelte mit seiner Venus das Verständnis von Erotik seiner Zeit wider. Sie verzaubert und ihr Blick ist so eindringlich, dass auch wir die Vereinigung von Scham und Lust erkennen können, welche ihre Geburt zur Folge hatte. Sie verdeckt das meiste und zeigt doch vieles. Das können auch die Plakate

der 19. Venus. Auf ihnen sehen wir Micaela Schäfer und Mia Julia in immer neuen Posen, Dreiviertelpromis der Erotikbranche und Werbegesichter der Lifestyle Messe. Pralle, gebräunte Pobacken und bestechende, bräunliche Brüste in gesund bräunlich gebräuntem Braun, die hinter wallendem Haar nur darauf zu warten scheinen, sich der zahlenden Besucherin ins Gesicht zu pressen.

Text: sarah bender und robert hofmann


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Nicht nur in S-Bahnhöfen sind die beiden seit Herbstbeginn omnipräsent – die Werbung ist überall. Aber gerade auf die müden Gemüter der Menschen im ÖPNV wirken sie besonders aphrodisierend. In zwanzig Sekunden sieht man sich satt und darf sich eine Station weiter über das nächste appetitlich angerichtete Plakat freuen. Und sie wirkt auf uns. Als große Aficionadas der Erotikfilmkunst wollen wir erleben, wie das Leben jenseits der Kamera pulsiert. Wir wollen uns fühlen wie in einer Wildwest-Show, in der wir plötzlich Teil der Action sind. Wir wollen den Erotikfilm von innen sehen und uns fühlen wie Jenna Jameson, Tommy Gunn oder Ron Jeremy, wenn sie lustverzerrten Blicks während des Geschlechtsakts mit schönen Menschen Ekstase präsentieren. Mit sexuellem Fleisch geschmückte Messehallen Draußen ist es kalt. Frauen mit roten Haaren und kurzen Röcken kichern mit der besten Freundin; die meisten der älteren Herren sind offensichtlich allein gekommen und testosteronschwangere Männergruppen erquicken sich mit taurinhaltigen Getränken. Drinnen ist es viel zu warm. Besucherinnen stört das, doch sind sie eben nicht angemessen gekleidet. Angemessen hieße: nicht. Die Venus-Stars nämlich tragen kaum Textilien am Körper. Ihre Nacktheit aber erhält hier eine völlig neue Bedeutung. Wir emfinden die Körper nicht mehr als schutzlos. Denn nicht nur sind die Horden geifernder Sextouristinnen Studium

wegen eben dieser hier, auch stellen sie an diesem Ort die Norm dar. Man selbst ist es, die zu Besuch ist und die die eigene Komfortzone verlassen hat. Womöglich strahlen die nackten Frauen auch einfach ein solches Selbstbewusstsein aus, dass wir von ihnen, oder vielleicht besser, der Indifferenz, mit der sie ihre Körper zeigen, fasziniert sind – wir könnten unsere Körper nicht so einfach auf diese Weise präsentieren. In der Show-Area warten auf uns Körper. Frauen tanzen, räkeln sich auf dem Parkett der Bühne oder den Sofas darauf. Sie machen all das, was wir vor allem aus Erotikfilmen kennen. Im Viertelstundentakt betritt eine andere Frau das Podium. Auch wenn sich die Shows unterscheiden, das Schema bleibt das gleiche. Anfangs sehen wir die Frau, deren Geschlechtsteile bedeckt sind. Am Ende sehen wir sie nackt. Mal geht sie mehr, mal weniger aktiv mit ihrem Körper um. Immer wieder holt sich eine der Frauen peinlich berührte Jungs aus dem Publikum zu sich. Die wenigsten wirken, als wüssten sie, wie ihnen geschieht, wenn sich plötzlich eine nackte Frau auf ihnen windet und ihnen ungefragt Spermaimitat ins Gesicht spuckt. Weil wir die Handlungen auf der Bühne sonst nur über ein Medium transportiert kennen, können wir ihnen im direkten Angesicht keine Erotik zuschreiben. Sie bleiben stumpf und künstlich. Fern wie in einer anderen Welt, der wir nicht angehören. Wenn wir das Geschehen allerdings durch den Sucher unserer Kameras beobachten, ertappen wir uns hin und wieder dabei, wie es uns näher geht, uns berührt – und die Idee, dass


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wir uns dabei selbst berühren, scheint nicht mehr ganz so fern zu liegen.

immer das Nonplusultra der Verletzung darzustellen. Fröhlich tut er später so, als lese er die Titel der DVDs vor, die er kurz darauf in die Menge wirft. Sex im Kanzleramt ist dabei, Sex auf der Intensivstation und Sex im Asylantenheim natürlich auch. Schallendes Lachen begleitet seine Ausflüge in tagesaktuelle Mediendiskurse. Wir gucken uns das schleimig-flutschige Spektakel etwa zwei Stunden an, widmen uns dann aber wieder journalistischeren Dingen.

Der Heizer Silikonkissen und Fickschnitten Und dann kommt der Anheizer: ein untersetzter Mannum die siebzig, der seine weißen Haare licht trägt. Statt aber die Stimmung in den Pausen zwischen den Shows anzuheizen, treibt er sie jedes Mal aufs Neue eiskalt ab, schabt sie mit einem rostigen Löffel aus. Das ist kurios, impliziert doch der Titel des kleinen, dicken Mannes seine Funktion, seine Daseinsberechtigung: das Anheizen. Heiß werden bei den flapsigen Sprüchen, die er wie ätzende Buttersäure in sein Mikro spuckt aber höchstens die Gemüter – zumindest wenn man einen gewissen ethischen Kompass besitzt. Sexismus ist wohl unausweichlicher Teil einer solchen Veranstaltung, und anderes zu erwarten, wäre verlogen. Dieser Mann aber bemüht sich bewusst, die Gemüter-Brühe weiter bedrohlich brodeln zu lassen. Er begrüßt die Tänzerinnen auf der Bühne mit, »Ah, da sind ja meine Ärsche!« und beschimpft einzelne Zuschauer mehr exals implizit als schwul. Die Infragestellung der Sexualität der offensichtlich heterosexuell aufgegeilten Zuschauerinnen scheint noch

Auch außerhalb der Show-Area fühlen wir uns unverändert fehl am Platz. Wir mischen uns unter die Menge, die mit gierigem Blick durch die engen Gänge strömt und deren konstant halbsteifen Penisse schon in den Augen durchscheinen. Wie gerne wären wir ebenso angegeilt, wie gerne würden wir die Atmosphäre spüren, die es all diesen Leuten ermöglicht, sich hier derart wohl zu fühlen. Aber es will nicht funktionieren. Zu künstlich, zu vulgär ist all das, was sich hier um uns windet. Vielleicht sind wir nicht alkoholisiert genug. Da sind Ausstellerinnen, die ästheti­ sche Chirurgie promoten: Frauen jenseits der Fruchtbarkeit lächeln mit knallroten Lippen und prallen Ausschnitten die Besucherinnen an und lassen sie die Authentizität von Silikonkissen fühlen. Rechts gibt eine rothaarige Frau Autogramme. Lexy Roxx ist die einzige Darstellerin, die an ihrem Stand im Streetlook auftritt. In Tanktop, Jeans und Chucks. Ihrer Beliebtheit scheint das keinen Abbruch zu tun. Sie wirkt nicht unzufrieden. www.zqzaubert.de


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Die meisten Frauen hier sehen jedoch nicht allzu glücklich aus, und das, obwohl das Venus-Magazin behauptet, die Stars seien »ganz wild darauf […] ihren Fans ganz nahe zu sein«. Wenig später sehen wir einen wenig appetitlichen Fan mit Plastikbecher in der Hand auf Fickschnitte18 zutorkeln. Wir fragen Fickschnitte18 nicht, ob sie wild darauf ist, ein Foto mit ihm zu machen. Aber andere Dinge. Sie hatte schon bei der Recherche unser Interesse erregt. Denn wer nennt sich bitte Fickschnitte18? Die Erkenntnis fiel dann wenig überraschend aus. Fickschnitte18 nämlich nennt sich Fickschnitte18. Das ist nicht ihr echter Name. Wir hatten unsere Fragen nach der inneren Struktur eines Dramas, aber ihre Antworten sind vorhersehbar und offensichtlich mehr dem Marketing als der Wahrheit verpflichtet. Sie lobt ihre Arbeit, sie lobt ihre Fans und sie bleibt so glitschig und ungreifbar wie ihre Sexspielzeuge nach einer Stunde in der Private Session vor der Webcam: »Was passieren muss, damit ich vor der Kamera kommen kann? Na, wenn die Männer mir heiße Sachen schreiben.«

nackte Frauen, die Dinge tun, als befänden sie sich in eben diesem Film. Und doch will nie wirklich das Gefühl aufkommen, wegen dessen der Großteil der Leute hier ist. Sie wollen die Erotik spüren, die die Charaktere in Erotikfilmen zu spüren scheinen, wollen Erotik erleben. Tatsächlich sind sie aber nur Teil der Produktion dieses Films. Mitsamt all der kalten Künstlichkeit, die dazugehört. Die Künstlichkeit wird zur Authentizität, ob die Zuschauerinnen das wünschen oder nicht. Und trotzdem, seien wir ehrlich, hat es für die meisten Besucherinnen für den hart herbeigesehnten Halbsteifen auch gereicht, knallharter Sexismus hin oder her. Ob es allerdings stimmt, wenn Fickschnitte18 behauptet, kein Orgasmus ihrer Amateurvideos sei gefaked, muss man wohl für sich entscheiden.

S Seltsamste Körperfunktion der Autorin:

Erotikfilm ohne Erotik

»Ich besitze den sogenannten irrepressible­in-shape-body. Monatelang chill ich auf dem

Nun ist die Erfahrung, dass wir auf einer Lifestylemesse mit Erotikfilmdarstellerinnen auf Sexismus und Künstlichkeit treffen, keine, die wir nicht erwartet hätten. Vielleicht ist das sogar die Erfahrung, die die Veranstalterinnen für uns entworfen haben. Auf der einen Seite sollen wir das Gefühl bekommen, live auf dem Dreh des geilsten Erotikfilms aller Zeiten herumzulaufen. Überall sehen wir Studium

Sofa und tu nix. Dann geht's in Rekordzeit um den Stadtpark.«

R

Seltsamste Körperfunktion des Autors: »Pupsen. Kann alles: macht Spaß, riecht gut und befreit. Wenn man aber nicht kann, drückts und knatterts dann, wenn es nicht soll. Ach, Pups.«


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Zeigt her eure

Geliebt oder gehasst, mehr oder weniger

beschäftige mich nicht über die Maßen mit

flach, rund, behaart, haarlos, gestählt, wa-

meiner Bauchmuskulatur, sondern lieber

bbelig – es gibt den Bauch in allen Formen

mit Pizza und Bier!«.

und Ausführungen. Manchmal übel gelaunt

In Zeiten des Fitness- und Gesund-

und grummelig, manchmal viel zu voll

heitswahns ist so ein dad bod also eine

und beizeiten bis an den Rand gefüllt mit

angenehme Abwechslung, die zugleich

Fluginsekten. Seit Kurzem ist er (wieder)

unsere Betrachtungweise verdreht: Denn

voll im Schwang und wölbt sich sanft

mit dem dad bod wird die Norm zum Trend.

gerundet über viele Hosenbünde, schmiegt

Bäuche sind angesagt und Bauchliebhabe-

sich liebkosend von Innen an das ihn bede-

rinnen müssen sie nicht einmal mehr begriff-

ckende Textil und erweckt dabei ein Gefühl

los schön finden müssen, sondern können

von wohliger Zufriedenheit – zumindest in

ihren Favoriten unter den Bäuchen immer

einigen von uns.

mit einem passenden Begriff versehen.

Neben kuriosen Bezeichnungen wie Lumbersexuals (gepflegter Bart, Körper-

Bäuche sind wichtig und letztlich wissen doch alle – ob nun Post-Suff oder

fettanteil 5 bis 8 Prozent statt der empfoh-

gar Magendarm: Wenn mit dem Bauch

lenen 16 bis 20), Bears (starke Behaarung,

etwas nicht in Ordnung ist, dann geht gar

massive Gestalt, über 35 ) und Twinks

nichts mehr. Also, gönnt euch doch einmal

(eher schmächtig, Körperbehaarung

eine ordentliche Portion Pommes zu eurem

fehlt nahezu ganz, unter 22) gibt es nun

Fitness-Salat und tut euren Bäuchen damit

auch eine Bezeichnung für den Mann mit

einen Gefallen – denn sie sind das Beste!

Bauch: dad bod (kurz für dad body). Damit ist aber kein Bauch à la Winnie the Pooh

Anne-Kathrin Gräfe

gemeint – nein, nein! Viel mehr ein kleines süßes Bäuchlein, das zu uns spricht: »Ich

dessert



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Life-Hacking-Level:

>9000

Das ewige Leben dürfte im eigenen Körper nicht möglich sein. Deswegen, Neoliberalismus 101: Outsourcing. Der Geist braucht zwar eine Hülle, doch welche, ist ihm egal. Text: Patrick Reuter

Das Leben nach dem Tod ist so eine Sache. Während die einen dem puren Nihilismus frönen und zeitlebens ordentlich auf die Kacke hauen, gibt es diverse religiöse Sichtweisen auf das, was nach dem Tod kommen könnte. Es ist ja auch verständlich: Wer den größten Teil seines Lebens – 40 Stunden die Woche, 40 Jahre lang – in einer Fabrik Autoteile lackiert, gehaltlose Marketingtexte schreibt oder fette Körper umher wuchtet, freut sich darauf, zumindest im Jenseits die Füße hochlegen zu können. Mittlerweile bröckeln

aber die religiösen Strukturen, die über Jahrhunderte die Gesellschaft durchzogen haben. In modernen Großstädten hat der Atheismus den Weltreligionen längst den Rang abgelaufen. Viele Pfarrer haben sich mehr als gut um ihre Messdiener gekümmert. Paradox, dass sich der Papst trotzdem genötigt sieht, ein Rockalbum herauszubringen, um junge Menschen mit der Botschaft Gottes zu erreichen. Womöglich leidet das Image der katholischen Kirche, einst unbefleckt wie der Jungfrau Marias Cocktailkleid, doch. www.zqzaubert.de


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Während die Wirkungskraft des religiösen Opiums also verblasst, sind ein paar gerissene Menschen auf die Idee gekommen, die Frage nach dem Tod einfach aufzuschieben. Denn wieso über einem solchem Problem brüten bis man tot ist, wenn auch ein paar Life Hacks den Zerfall des Körpers egalisieren und das ewige Leben schlüpfen lassen können? Hell yeah – Science: 1, Death: 0! Mit der Theorie, dass unser Geist sich nur in einer Hülle bewegt, lässt sich als Forscher nämlich sehr gut arbeiten. Werden wir alle blaue Katzenmenschen? Mit diesem Ansatz hat der russische Unternehmer Dmitri Itzkow eine Forschungsgruppe gebildet und beschäftigt circa 30 Wissenschaftlerinnen. Das Ziel dieser Menschen ist es, bis 2045 einen Avatar zu designen, in den ein Mensch sein Bewusstsein laden kann. Dadurch soll es möglich sein, in einer Art Cyborg-Hülle umherzustiefeln. Klingt fast so, als hätte Itzkow als Kind zu viel in den SciFi-Büchern seines Vaters geblättert. Wer James Camerons Avatar kennt, sich die cineastische Zumutung namens Surrogates angeschaut hat oder weiß, dass auch​in der Matrix-Trilogie Körper und Geist trennbare Einheiten darstellen, kommen die Fanta­sien von Itzkow nicht unbekannt vor. Doch scheitert es im Jahr 2015 weiterhin daran, das Gehirn korrekt zu modellieren oder eine digitale Abbildung zu schaffen. Schon in den 1950er Jahren, nach ersten Durchbrüchen bei der Forschung im Bereich der künstlichen Intelligenz, schien die Zustudium

Titelmotiv: Original: Philipp Ledényi – »Split In Half« Bearbeitung: Thomas Schwaiger

kunft für einige Wissenschaftlerinnen zum Greifen nah. Viel getan hat sich seitdem aber noch nicht. Systeme wurden zwar effizienter und die Flut an Daten größer, von einem digitalen Gehirn ist das alles aber noch meilenweit entfernt. Verschiedene Teams versuchen sich also weiterhin an der Gehirnforschung. Es geht um gewaltige Forschungsgelder, die in die Milliarden gehen. Das Militär. Wer sonst? Interesse an diesen gibt es besonders im militärischen Sektor. Schon im zweiten Weltkrieg waren es die riesigen Walzen der Turingmaschine und Benedict Cumberbatch,


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die dafür sorgten, dass die Enigma-Codes der Nazis geknackt werden konnten. Auch heute wäre ein digitales Gehirn im Krieg ein riesiger Vorteil. Ein Computer, smarter als ein Mensch, ist gar nicht mehr so weit weg von Skynet und seinem Terminator. Durch Hackerinnenangriffe auf Atomkraftwerke oder die Lahmlegung von Finanzmärkten können riesige Schäden entstehen. Nicht umsonst haben einige Staaten bereits Hackerinnenabteilungen im Einsatz. Zurück zu Itzkow und seinen Avataren. Im aktiven Militäreinsatz klingt so ein Avatar eher nach einer riesigen Partie Counter-Strike 1.6 in höchster Grafikauflösung. Itzkow hat aber eher zivilere Anwendungen im Sinn. Er möchte komplette Bereiche des Lebens umkrempeln. Wieso 18 Stunden in der Holzklasse zwischen zwei adipösen Kerlen eingeklemmt sein, die nach Knoblauchsoße und Zwiebeln riechen, wenn man sich auch einfach einen Avatar in Neuseeland oder Mexiko mieten kann? Zack. Schon ist der Geist via Glasfaserkabel auf die andere Seite der Erde übertragen und die Entdeckungstour im Bandenkrieg kann losgehen. Wenn was passiert, zahlt die Haftpflicht, Backpacking 2.0 sozusagen. Teilzeit-Avatare sollen vor allem für Geschäftsleute praktisch sein, die ansonsten den ganzen Tag um den Globus touren und ihr halbes Leben im Flieger verbringen. Mittelfristig sollen die Teile dann so erschwinglich werden, dass sich jede eine neue Hülle leisten kann und nicht mal mehr ihre vier Wände verlassen muss. Doch das Problem, das seit Ewigkeiten in Star-Trek-Foren weltweit diskutiert wird, bleibt bestehen: Diese Szenarien klingen eher nach einer Kopie des Bewusstseins, das in eine neue Hülle überführt wird. Dabei wird also nicht das übertragen, was wir als Mensch verstehen, sondern eine möglichst genaue Kopie von uns. Es wird noch einige Jahre dauern, bis die Grundlagen geschaffen sind, um Itzkows Fantasien Wirklichkeit werden zu lassen, mindestens ein bis zwei Avatar-Hollywood-Sequels und vielleicht auch noch eine Vorgeschichte über das Leben auf Pandora. P Seltsamste Körperfunktion des Autors: »Essen beim All-You-Can-Eat. Keine Ahnung, wie das möglich ist, aber bei Bergen von Sushi setzt das Sättigungsgefühl einfach nicht ein.« www.zqzaubert.de


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Text: Fidélité Niwenshuti-Mugwaneza


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Was bedeutet das Einhorn auf deinem Unterarm?

www.zqzaubert.de


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Körper zu bemalen hat eine lange Tradition und häufig einen tieferen Sinn. Doch in unserer Kultur dient sie, wie so vieles, meist nur der Selbstdarstellung und Langeweilereduktion. Und das ist völlig in Ordnung.

Ein wichtiger Bestandteil einer Kultur sind Riten. Ein Akt von Deformierung oder Verstümmelung des Körpers scheint oft unnötig oder gar grausam. So würde das Abschleifen der Zähne, wie es bei dem Mentawaistamm üblich ist, hierzulande auf Unverständnis stoßen. Oft wird dabei vergessen, dass diese Art des Rituals ursprünglich einen unabweisbaren Sinn hatte. So konnte es etwa der Initiation, als Indikator für den gesellschaftlichen Status oder als Ausdruck der Spiritualität dienen. Bleibende Schäden und gesundheitliche Konsequenzen werden dabei nicht selten außer Acht gelassen. Doch die Gesundheit spielt in einem solchen Rahmen natürlich nur eine untergeordnete Rolle, denn es geht um viel mehr als das. Der Schmerz durch den Dorn wird von den Mentawai auf eine besondere Art und Weise empfunden. Er erzeugt Euphorie und ist für das indigene Volk der Mentawai-Inseln die bedeutendste Art zu leiden. Für sie steht die Vollendung der Tätowierungen für den Einklang des Körpers mit dem Universum. Die Mentawai glauben an ein Leben nach dem Tod und an die dortige VereiniKultur

gung mit den Ahnen, die sie anhand der Tätowierungen im Jenseits wiedererkennen sollen. Die künstlerischen Gebilde, die auf den Körper und das Gesicht verteilt sind, ahmen die Formen eines Sagobaums nach. Jede Tätowierung steht für einen neuen Lebens­ abschnitt und für neugewonnene Stärke. Wer schön sein will, muss leiden. Hierzulande ist der Schmerz ein lästiges Stechen, ungeduldig wird gewartet auf das Resultat. Denn für die neuesten und beliebtesten Motive aus der Welt der Körperkunst ist ein bisschen Gepiekse auch mal auszuhalten. Man lebt schließlich nur einmal. Maritime Symbole, geometrische Figuren oder Tattoos, die wie Aquarelle aussehen: gerade total angesagt. Ziemlich out hingegen sind die Arschgeweihe und Tribals. Warum lässt man sich überhaupt ein Tattoo stechen? Antworten reichen von »keine Ahnung« über »weil ich es so wollte und weil ich es kann« hin zu »habe ich im Fernsehen gesehen«. Oder aber es steckt wirklich eine tiefere Bedeutung dahinter, eine ganz persönliche Geschichte. Doch die ist für Außenstehende natürlich meist nicht ersichtlich.


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In jedem Fall spielt der kulturelle Hintergrund einer körperlichen Verstümmelung, wie bei den beliebten Skarifizierungen und Brandings, in der Regel keine Bedeutung mehr. Wieso auch? Im Gegensatz zu den rituell praktizierten Künsten fehlt eben ein gemeinsamer Hintergrund. Bedeutsamkeit in Zeiten des Kapitalismus Diese scheinbare Bedeutungslosigkeit wollen nicht alle hinnehmen und es gibt auch im Bereich der Körperkunst subkulturelle Strömungen: Die »Modern Primitives« etwa begegnen dieser Entwicklung damit, dass sie der Körperkunst wieder einen bedeutsameren Rahmen zu geben versuchen. Dabei eifern sie bereits existierenden Kulten nicht nur nach, sondern interpretieren sie vielmehr um. Die Bewegung verschreibt sich den Prinzipien des Ursprungs und der Bedeutsamkeit jeglicher Körperdeformierung. Damit wollen sie der modernen Trivialität der Körperkunst ein Gegengewicht sein. Bei den »Modern Primitives« wird die Tätowiererin zur Schamanin und das Studio zum Ort der Zeremonie. Ihre Bibel ist die 1989 erschienene Interview- und Essaysammlung, die der Bewegung ihren Namen gab und sie aus dem Untergrund in den Bereich des Mainstreams hob. Insofern ließe sich in dieser Hinsicht vielleicht wieder streiten, ob der rituelle Anspruch hier wirklich erfüllt wird, oder es sich doch bloß um eine weitere Modeerscheinung handelt. Fast ließe sich sagen, dass genau hierin das Dilemma unserer westlichen Ge-

sellschaft liegt: Alles, was es schafft, eine gewisse Verbreitung zu erlangen, wird am Ende ausverkauft und erhält damit eine andere Bedeutung, eine kommerzielle. Und genau die wird gerne als bedeutungslos wahrgenommen. Auch wenn das offene Tragen von Tattoos heute in der Regel weder ein Ausdruck von Spiritualität noch ein Akt der Rebellion ist, so sind Tätowierungen trotzdem mehr als Trends und können für einen Lebensstil, eine Lebenseinstellung, oder für den künstlerischen Ausdruck eines Menschen stehen. Was früher ein Gang- oder Häftlingstattoo – Stichwort Knastträne – oder der Anker der Seefahrerin und ein Zeichen für soziale Ab- oder Ausgrenzung war, ist heutzutage nurmehr eine von vielen alltäglichen Modeerscheinungen. Trägerinnen von Körperkunst treffen sich auf zahlreichen Tattoomessen und zeigen sich gegenseitig stolz ihre bisherigen Verzierungen. Und jetzt mal wirklich: Wer einen Anker tragen will, der muss keine Piratin sein.

F Seltsamste Körperfunktion der Autorin: »Lautlos niesen und das ohne einen Tropfen zu verlieren! Ich warte immer noch darauf, dass mein Gehirn dabei explodiert …« www.zqzaubert.de


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David Carre単o Hansen DISBAUXA, GRESCA, XERINOLA, ACLAPARADOR FUETADES, TONYINA


034



»El silenci no existeix, però sí l'harmonia acústica«



038 text: patrick mテシller

窶認remde Gliede eige Kテカrpe gesellschaft


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emde eder am enen per—

Fast jede ist ab und zu unzufrieden mit dem eigenen Körper. Bei Menschen mit BIID ist es der Normalzustand und viele wünschen sich, körperlich behindert zu sein. ZQ traf zwei Betroffene.


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»Als Kind habe ich immer davon geträumt, dass uns die Kindergärtnerin in einen Käfig sperrt und dann die Arme abschneidet.« Was für die meisten wie ein furchtbarer kindlicher Alptraum klingt, ist für eine BIID-Betroffene eine schöne Kindheitserinnerung. BIID steht für »Body Integrity Identity Disorder«, eine 2004 zum ersten Mal diagnostizierte Störung. Von ihr Betroffene empfinden Teile ihres Körpers als Fremdkörper; oft verspüren sie das Bedürfnis, den Körper durch Amputation ihrem Idealbild anzugleichen. Expertinnen vermuten, dass es weltweit mehrere tausend Menschen mit BIID gibt. Zwei Menschen mit BIID haben uns erklärt, dass das Spektrum der Gefühle von einem als unästhetisch empfundenen Erscheinungs­bild bis zu einem geradezu quälenden Alltag mit dem Körperteil reicht. Für einige enthält der Amputationswunsch auch eine sexuelle Komponente. So oder so dreht sich ein Großteil aller Gedanken um die Verbesserung des falschen Körpergefühls. Amputationen gesunder Kör­ perteile sind verboten Die Amputation eines gesunden Armes würde das Recht auf Unversehrtheit verletzen sowie grundsätzlich gegen die ärztliche Ethik verstoßen. Und wer die ethischen Vorstellungen der Ärztinnen finanziell nicht auflockern kann, muss der Einschränkung des Körpers künstlich nachhelfen, etwa mit dem Eingipgesellschaft

sen einer Hand oder durch das Tragen einer Augenklappe. Damit kommen die Betroffenen ihrem Wunschkörper immerhin ein Stückchen näher. Doch vielen reicht das noch nicht, sie greifen zu krasseren Methoden, Selbstverstümmelung eingeschlossen. Eine Schülerin, die von BIID betroffen ist, sagt: »Wenn ich einen Weg wüsste, wie ich mit Sicherheit querschnittsgelähmt werden könnte, dann würde ich mich sofort dafür selbst verletzen.« Es gab schon Fälle, bei denen eine Person ihr Bein solange in Eiswasser gehalten hat, bis es abstarb und amputiert werden musste. Ein Großteil der BIID-Community lehnt Selbstverstümmelungen aufgrund der damit verbundenen Gefahren jedoch ab. Sie sind sich aber ebenso sicher, dass weder psychologische noch medikamentöse Behandlungen eine langfristige Lösung darstellen. Beide Befragten, die Schülerin und ein Mann mittleren Alters, sind überzeugt davon, dass nur eine Amputation ihre Lebensqualität wirklich verbessern würde. Auch am Erreichen ihrer Lebensziele würde sie diese nicht hindern. Der befragte Mann zum Beispiel nutzt in seinem Beruf hauptsächlich den Computer. Der Verlust einer Hand würde ihn kaum stören. Auch Schach, sein größtes Hobby, könnte er fast problemlos mit einer Hand spielen. BIID ist keine Psychose Woher dieses gestörte Körpergefühl kommt, können die Betroffenen zumeist nicht erklären. Oft üben Amputationen bereits in der Kindheit eine große Faszination


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auf sie aus. Auch die Wissenschaft konnte bisher keine wirkliche Ursache finden. Die Betroffenen sind sich ihres ungewöhnlichen Wunsches vollständig bewusst, sodass es ihnen aus Angst vor Ablehnung oft nicht möglich ist, über ihr Körpergefühl zu sprechen. Ihnen ist bewusst, dass sie es einfacher hätten, wenn sie diesen Wunsch nicht verspürten. Dennoch sehen sie BIID als essenziellen Bestandteil ihres Lebens. Geoutet haben sich die wenigsten. Selbst Familie und enge Freundinnen werden nur selten eingeweiht. Beide Befragten haben – von einer Psychologin abgesehen – noch mit niemandem über ihre Störung gesprochen. Die Psychologin habe der Schülerin zwar nicht helfen können, ihr aber zumindest das Gefühl gegeben, nicht allein zu sein. Es mache viel aus, mit jemanden über die geheimsten Gedanken und Vorstellungen reden zu können. Neben den Unsicherheiten bezüglich des eigenen Körpers entsteht auch eine große soziale Unsicherheit. Geborgenheit findet sich vor allem in der Anonymität des Internets oder im Kreis von Gleichgesinnten. Was kostet ein Arm? Für Kritikerinnen spielt der gesellschaftliche Kostenaspekt von BIID eine entscheidende Rolle. Die Kosten für Amputationen übernehmen in der Regel die Krankenkassen. Als Beispiel: Eine Beinamputation und die Nachbehandlung in den ersten drei Jahren kostet ungefähr 90.000 Dollar. Doch im Gegensatz zu den Kosten für Geschlechtsumwandlungen weigern sich Krankenkassen, BIID-bedingte Operationen zu bezahlen. Für

viele ist daher bereits aus Kostengründen keine Operation möglich. Gleichzeitig würde eine Operation eventuelle Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit mit sich bringen, sodass die Betroffenen von staatlicher Unterstützung leben müssten. Oft wird Menschen mit BIID deshalb unterstellt, sie würden das Sozialsystem ausnutzen wollen. Ästhetische Vorstellungen sind immer individuell. Was für die eine ein ekliger Restkörper ist, erscheint der anderen als der schönste aller Stümpfe. Niemand sollte sich aus Angst vor Diskriminierung in die Einsamkeit zurückziehen müssen. Ob gefangen im falschen Geschlecht oder im falschen Körper: Wenn alle Therapieansätze versagen, sollten wir zumindest aus Rücksicht vor diesen Menschen alle Optionen durchspielen, die es Betroffenen ermöglichen, ihre Körper nach dem eigenen Gutdünken zu modifizieren.

P Seltsamste Körperfunktion des Autors: »Im Gesicht rot werden. Da verzapft man schon irgendwas peinliches und fängt dann noch an zu leuchten, damit es auch bloß alle merken.«

www.zqzaubert.de


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HÜPFT FREUNDE,

»Teddybär, Teddybär dreh dich um; Teddybär, Teddybär mach dich krumm …« – sorglose Kindheiten kamen ohne nicht aus und in den Pausen bot es oft den einzigen

dybär, Teddybär, dreh’ dich um« ist jetzt

Lichtblick: Seilhüpfen!

der Single Down Under 360, und »Teddybär, Teddybär, heb’ ein Bein« wird zum Single

Doch irgendwann hörten wir auf mit dem Gehopse. Dabei täte dieses uns auch

Foot. Die hartgesottensten Kuscheltiere erproben sich gar in einer Kombination

noch heute mehr als gut, denn wir sind

aus beidem: dem Single Foot 360. Sowohl

zu dick und mittlerweile auf Platz vier im

der Double Cross Step mit erst links, dann

europäischen Fettvergleich. Doch es gibt

rechts überkreuzten Beinen als auch der

Hoffnung, eine Brücke zwischen Nostalgie

Criss-Cross, bei dem die Arme im Wechsel

und gutem Workout: Die Hopserei wurde

gekreuzt werden, lassen Herzen höher

ins dritte Jahrtausend getragen und nennt

schlagen, die sonst nurden sanften Rhyth-

sich heutzutage ganz offiziell Speedrobic.

mus des Fernsehprogramms gewöhnt sind.

Dabei springt man Seilchen, hüpft, dreht sich vorwärts über Kreuz, rückwärts

Laut der Fit for Fun werden beim sorglosen Seilchenspringen locker 250

über Kreuz. Eigentlich ist in diesen Kursen

Kalorien in 15 Minuten verbrannt. Jetzt

alles wie damals auf dem Pausenhof, nur

nicht mehr nur zum Zeitvertreib und aus

besser. Und zwischendurch wird das

Spaß, sondern auch als Kilo-Killer. Das

ausdauernde Springen gar durch Kombina-

Leben als Pausenhof. Für immer. In diesem

tionen aus Krafttraining und Kampfsport

Sinne: Teddy bear, teddy bear, single down

ergänzt. Obendrein gibt es anspornende

under single foot 360!

Spaßmusik. Selber singen war gestern – wir sind ja keine Grundschülerinnen mehr. Seilchenpringen im Jahre 2015; alle Sprünge tragen nun neue Namen: »Ted-

dessert

Luna Graffé



Lost in Trans Iden tiTÄTEN

Das »trans« nicht immer auf das Geschlecht bezogen sein muss, zeigt der Fall von Rachel Dolezal. Und er polarisiert. Transrace ist halt was anderes als Transgender. Oder?


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Text: Mareike vogt

1976 gewinnt Caitlyn Jenner olympisches Gold im Zehnkampf der Männer. Prompt ist sie Nationalheldin. Denn Caitlyn bringt nicht nur eine Medaille samt neuem Weltrekord mit nach Hause, sondern besteigt das Siegertreppchen noch vor der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion. Amerikas Ehre war gerettet. Das ist in Zeiten des kalten Krieges und kurz nach der Schmach in Vietnam natürlich sehr wichtig. Dringend braucht es traditionell denkende, republikanische Heldinnen, die der Nation sechs Kinder aus drei Ehen schenken und selbstverständlich gegen die Homo-Ehe wettern – der fleischgewordene amerikanische Traum aus weißem Testosteron. Boom, C’est Le Shock! Doch fast vier Dekaden später der Schock: Der Mensch, den alle als Bruce Jenner kennen, lebte jahrelang in anonymer Transidentität. Eine transgender Frau also, die in einem Körper, mit dem sie sich nicht identifiziert, olympisches Gold holt. Und das in einer der Disziplinen, die gemeinhin als besonders männlich betrachtet werden. Im Juni 2015 outet sie sich und erzeugt dadurch einen riesigen Medienrummel. Mit einer Fotostrecke in der Vanity Fair unter dem Titel Call me Caitlyn nimmt sie finalen Abschied von Bruce. So viel Mut und Ehrlichkeit wird unter anderem mit dem ESPY Award für athletische Errungenschaften ausgezeichnet. Es geht natürlich im Speziellen darum, was

Caitlyns Outing für die Transgender-Gemeinschaft bedeutet. Ereignisse wie dieses deuten darauf hin, dass Transidentität der gesellschaftlichen Akzeptanz immer näher kommt. Für Caitlyn bringt das Outing und die positive Resonanz ein völlig neues Lebensgefühl. Sie muss jetzt keine Herrenanzüge mehr über ihrer Spitzenunterwäsche tragen, wenn sie in Talkshows erscheint. In einem Post-Outing Interview mit Ellen DeGeneres trägt sie stattdessen eine schicke weiße Bluse und einen stylischen Bleistiftrock. Sie erklärt der Talkmasterin, weshalb sie als bekennende Republikanerin bis vor einigen Jahren noch gegen die Homo-Ehe war und das Konzept nach wie vor nicht ganz für voll nimmt. Aber Schwamm drüber, denn es geht ja schließlich darum, dass sie Dank der breiten Akzeptanz nicht mehr lügen muss. It Don’t Matter if You’re Black or White Fernab all der Aufmerksamkeit sitzt Rachel Dolezal in Spokane, Washington vor ihrem Fernseher und weint mitfühlend, als sie von Caitlyns Outing hört. Auch sie ist eine transidente Frau. Weil der Mut zum Outing fehlt, bricht sie 2006 den Kontakt zu ihren Eltern ab und zieht mit ihren Söhnen nach Washington State. Dort kann sie so leben, wie sie sich schon immer fühlt. Als Schwarze engagiert sie sich im lokalen Vorstand der National Association for the Advancement of Colored People (NAACP), unterrichtet Africana Studies an der Uni www.zqzaubert.de


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und setzt sich gemeinsam mit der örtlichen Polizei gegen rassistisch motivierte Diskriminierung ein. Außerdem ist sie Künstlerin und verdient mit ihren Bildern, die einen klaren Fokus auf afro-amerikanischer Kultur und Geschichte legen, gutes Geld. Auf diesem Weg kann sie sich auch mit den Erfahrungen ihrer Leute auseinandersetzen. Ein gutes Beispiel ist ihr Gemälde The Shape of Our Kind. Es zeigt ein Segelschiff auf offener, stürmischer See und will die Verfrachtung afrikanischer Sklaven nach Amerika thematisieren. So weit so gut, oder eben leider nicht. Was Rachel noch nicht ahnt, als sie Caitlyns Weg auf der Mattscheibe verfolgt, ist, dass auch sie kurz vor dem Outing steht. Den Job übernehmen allerdings ihre Eltern. Die Eltern lassen die schwarz­ weiSe Katze aus dem Sack Ruthanne und Lawrence Dolezal wollen nicht länger akzeptieren, wie ihre Tochter die Leute in ihrem Umfeld belügt, weil sie ihre Transidentität verheimlicht. Sie lassen die Katze aus dem Sack und sorgen dafür, dass Rachel und ihr Gesamtwerk ebenfalls im Juni 2015 öffentliches Interesse erwecken. So bekommt in diesem Zusammenhang auch das eben erwähnte Gemälde einige Aufmerksamkeit. Googelt man nämlich J.M.W. Turners 1840 veröffentlichtes Bild The Slave Ship, sieht es so aus, als habe Rachel eine malen-nach-Zahlen Version als ihr eigenes verkauft. Abgesehen davon, dass es verwundert, wie eine so offensichtliche Kopie bisher niemandem auffallen konnte, liegt der Plagesellschaft

giatsvorwurf auf der Hand. Doch es hagelt weitere Vorwürfe für Rachel. Anlass sind ihre Geburtsurkunde und Jugend. Nicht, weil sie im Körper eines Mannes geboren wurde und vorgibt, eine Frau zu sein. Die längste Zeit ihres Lebens hat sie als Weiße verbracht und erlebt, auch wenn sie heute behauptet, sich schon immer als Schwarze gefühlt zu haben. »Transrace«, nennt das Rachel, »kulturelle Aneignung und Täuschung«, sagen andere. Aber wo liegt das Problem? Trans hin oder her. Mensch ist Mensch, und Caitlyn akzeptieren wir doch auch, oder? Außerdem sind Rachels Bilder wirklich schön und ihr Engagement für Gleichberechtigung ist echt. Tja, der Teufel steckt im Detail. Transgender Frauen dürfen bis heute nicht im Frauenteam antreten. Und auch wenn Rachel sich wirklich so fühlt, die Erfahrungen auf denen ihre Kunst basiert, haben weder sie in ihren Jahren als Weiße noch die Millionen Amerikanerinnen seit der ersten Entführung von Afrikernern nach Amerika gemacht.

M Seltsamste Körperfunktion der Autorin: »Der winzige Strahl Flüssigkeit, der mir manchmal völlig unverhofft und unkontrol­ lierbar aus dem Mund schießt. Ist mir bis heute ein Rätsel.«


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Mein körper ist mein

Der neueste Stern am Himmel der Startups, von denen niemand je gedacht hätte, dass

aber weit entfernt von einem aufgeklärten

sie jemals gegründet würden, heißt Ohlala.

Geschlechterverständnis.

Die Seite gibt Frauen die Möglichkeit, sich

Die Vorbereitungstipps für Dates

online für »bezahlte Dates« buchen zu

kommen den Flirtratschlägen der Bravo

lassen. Gründerin Pia Poppenreiter betont,

gefährlich nahe und das Team empfiehlt,

dass die Beteiligten gänzlich freie Hand

sich auf jeden Fall zu rasieren, Reizwäsche

bei der Auswahl der Aktivität hätten: Von

anzuziehen und sich die Nägel zu machen.

Abendessen bis Analsex – alles ist mög-

Empfohlen wird auch ein sogenannter

lich. Die Jungunternehmerin, die bereits

BUKO (Beischlafutensilienkoffer): Dieser

letztes Jahr mit Peppr die Szene aufwir-

macht deutlich, dass ausschließlich die

belte, warb seinerzeit mit der Möglichkeit

Frau für ihre Sicherheit und damit auch für

zu »niveauvollerer Prostitution«. Auch

die Verhütung zu sorgen hat – schließlich

bei Ohlala stehen Selbständigkeit und

ist sie diejenige, die bezahlt wird.

Anonymität im Vordergrund, so sind die

Sollte bei einem Date einmal »was

Servicekosten gering, und wer dein Profil

schieflaufen«, dann solle man einfach

sieht, entscheidest du selbst. Die Seite lädt

einer Freundin Namen und Adresse des

aufgeklärte Studentinnen ebenso ein wie

Dates senden, und zwar mit der Bitte, das

praktizierende Callgirls und trägt damit

SEK vorbei zu schicken. Eine derart naive

lobenswerterweise zur Entkriminalisierung

Sicherheitspolitik ist wohl der Preis für die

von Sexarbeit bei. Aber Ohlala reproduziert auch Vorur-

Selbständigkeit. Sie macht das Modell aber auch unsicher für Einsteigerinnen.

teile, indem zum Beispiel nur Frauen von Männern gebucht werden können. Das mag

Rita Jordan

eine empirische Realität widerspiegeln, ist dessert


der richtige riecher fĂźr die perfekte nase SchĂśnheitsoperationen sind total im Schwang. Sie kommen der Nase zugute aber auch der Brust oder dem Po. Doch wir alle sind bei der Betrachtung unserer KĂśrper sehr berechenbar: ob wir woLlen oder nicht.


Text: Tilla Kross

Riecher, R端ssel, Zinken, Zacken, Kartoffel, Knolle, Kolben, Nase. Es lassen sich viele Synonyme f端r das mitten im Gesicht platzierte Riechorgan finden. Auch an Redewendungen mangelt es nicht: die Nase r端mpfen, sie voll oder vorn haben, jemandem etwas aus ihr ziehen, direkt vor ihr wegschnappen oder gar auf ihr herumtanzen. Ihr Pappnasen seht, in diesem Artikel geht es immer der Nase nach!


✂ Nicht nur nachts auf der Straße, sondern auch in der Schönheitschirurgie kann man eins auf die Nase bekommen. Weltweit wurden 2014 rund 850.000 Nasenkorrekturen durchgeführt, die meisten davon, ganze 102.000, in Südkorea. In Deutschland wurden über 12.000 Rhinoplastiken vorgenommen. Die Gründe, aus denen einige die Nase voll von ihrer Nase haben, sind vielfältig: Vielen missfällt ihre »Charakternase«, wie man zum Beispiel die hässlichen Höcker-, Lang-, Schief- oder Sattelnasen euphemistisch verfälschend nennt. Diese sind entweder Folge eines Unfalls oder einfach der Gene der Eltern. In vielen Fällen kann auch eine Dysmorphophobie vorliegen. Hier empfinden die Patientinnen ihren Körper als hässlich und versuchen mit Hilfe zahlreicher Operationen ihr Idealbild Fleisch werden zu lassen. Manche haben auch einfach mit Atemproblemen zu kämpfen. Fakt ist: Das Gesicht fällt als erstes ins Auge, lässt uns direkt Rückschlüsse auf die Persönlichkeit oder Stimmung ziehen und sorgt für Sympathie oder Antipathie. Gerade die Nase ist das auffälligste Gesichtsmerkmale und damit alles andere als unwichtig für die Subtilitäten der alltäglichen Kommunikation. Eine als unpassend empfundene Nase kann zu einem großen Leidensdruck führen.

gesellschaft

Was empfinden wir an einem Gesicht als schön? Antworten darauf hat die Wissenschaft. Jene Neuronen, die im Gehirn dafür zuständig sind, das Wahrgenommene als schön oder nicht schön zu beurteilen, reagieren besonders intensiv auf bekannte Dinge. Und ist es nicht gerade der Durchschnitt, den wir am häufigsten zu Gesicht bekommen? Schon 1878 bemerkte Francis Galton, als er anhand ihrer Physiognomie »typische Kriminelle« entlarven wollte: Durchschnittsgesichter erscheinen uns am attraktivsten. Gesteigert werden kann diese Einschätzung, wenn etwa die Wangenknochen oder andere markante Partien des Gesichts besonders ausgeprägt sind. Eine weitere Erklärung liefert der aus dem Kunstunterricht allseits bekannte Goldene Schnitt. Er bezeichnet die idealen Proportionen für die Ästhetik, die in Kunst, Architektur und der Natur ein Objekt besonders harmonisch wirken lassen. So wird auch ein Gesicht als besonders schön wahrgenommen, wenn es die Proportionen des Goldenen Schnitts von 1 : 1,618 besitzt. Demnach muss etwa ein Mund 1,618 mal länger als die Nase sein. Diese mathematischen Erkenntnisse nutzte der Schönheitschirurg Stephen Marquardt und entwickelte nach unzähligen Schönheitsanalysen und Gesichtsvermes-


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sungen die sogenannte beauty mask. Für Marquardt gibt es vier Kategorien, aus deren Zusammespiel ein schönes Gesicht hervorgeht: die Farbe (verschiedene Brauntöne), das Hautbild (ebenmäßig), die Form (nicht definierbar) und die Länge (1/7 bis 1/8 der Körpergröße). Dies sind für den Chirurgen die must-haves für ein schönes Gesicht. Natürlich könnte man jetzt empört aufschreien »Ey, du Nase! Schönheit liegt im Auge des Betrachters!«. Doch wer genau hinschaut, sollte seine Nase lieber in andere Angelegenheiten stecken. Denn Marquardts Maske liegt erschreckend nah am gängigen westlichen Schönheitsideal und passt ziemlich perfekt auf Gesichter wie das von Brangelina. Und um diesem Ideal näher zu kommen, greifen weltweit Millionen Menschen zu Kosmetikprodukten oder legen sich unters Messer. Die austauschbare Perfektion Es ist paradox: Wir alle wollen möglichst individuell sein und feiern unsere Einzigartigkeit. Dabei orientieren wir uns aber scheinbar doch nur an den gängigen Schönheitsidealen, die sich mitunter gar mathematisch berechnen lassen. Sie begleiten uns und die westliche Kultur zum Teil bereits seit vielen Jahrhunderten – von der Nofretete-Büste bis zur Barockmalerei. Neu ist allerdings die Vielzahl von Möglichkeiten, auf unser Erscheinungsbild erheblichen Einfluss zu nehmen:

Allein 2011 wurden weltweit rund 11,6 Millionen Schönheitsoperationen durchgeführt. Und es ließe sich durchaus vermuten, dass dies oftmals auch mit dem Ziel verbunden war, anderen Menschen bei der Nähe zur beauty mask von Stephan Marquardt eine Nasenspitze voraus zu sein. Das ganze geht übrigens sogar so weit, dass internationale Miss Plastic Surgery Wettbewerbe veranstaltet werden. Interessant dabei: Die durchgeführten Schönheitsoperationen und das ihnen zugrundeliegende Schönheitsideal sind teilweise so genormt, dass manche Teilnehmerinnen sich tatsächlich auf den ersten Blick sehr ähnlich sehen. »Perfektion ist eben langweilig«, würde ein Naseweis jetzt vielleicht sagen. Vielleicht hätten sich das auch Michael Jackson oder Voldemort eingestehen sollen, die alle beide nach der perfekten Nase strebten. Vielleicht aber sollten wir uns alle etwas eingestehen: Dass wir alle eben Opfer mathematisch bestimmbarer Proportionen sind. Und das ist total okay. Wir müssen uns ja nicht gleich unter’s Messer legen.

T Seltsamste Körperfunktion der Autorin: »Eine Augenbraue hochziehen. Mein linker Brauenmuskel ist so gut trainiert, dass, wenn ich beide hochziehe, die linke schneller oben ist.«

www.zqzaubert.de



von einer zerstörten

Christopher Gripp Körper sind ziemlich annoying und einschrän-

gut definierten Eigenschaften, die durch sen-

kend. Nur zu gerne würde ich meinen einfach

somotorischen Verlust durch Läsionen in drei

mal ablegen und, von diesem ekeligen Fleisch-

verschiedenen Hirnregionen (nämlich dem

ballast befreit, geistartig durch den Raum

temporoparietalen, dem insularen und beson-

schweben – das entspräche wirklich meiner

ders dem frontoparietalen Kortex) verursacht

Natur. Es ist ein Wunsch, der mit jedem

wird.« Damn you, science!

weiteren Reifejahr dieses pflegebedürftigen Wurmfortsatzes meines Geistes nur noch grö-

Heraus fand man das übrigens mit einem Roboterarm, der zeitversetzt die Bewegungen

ßer wird. Sicher: Irgendwann wird er ohnehin

auf den Rücken der Probandinnen wiederholte,

abgelegt und dem Feuer oder dem Gewürm

die sie kurz vorher selbst ausführten. Diese

zum Fraß angeboten. Doch leider wird auch

zeitversetzten Berührungen werden von den

dann wenig Hoffnung darauf bestehen, schwe-

Teilnehmerinnen an der Studie dann ähnlich

relos umherzuflattern, um als Gespenst Angst

dem Gefühl beschrieben das uns zuweilen

und Schrecken zu verbreiten. Denn wie von

im Dunkeln befallen mag: nicht allein zu sein.

Forschern der Ecole Polytechnique Fédérale

Nunja, da also auf das Leben als Geist nun nicht

de Lausanne nun herausfanden, sind Geister

mehr zu hoffen ist, möchte ich in meiner Nie-

leider nicht echt, sondern sie sind, Zitat: »eine

dergeschlagenheit nun gerne ein erbauliches

illusorische eigenen Körperwahrnehmung mit

Gedicht zitieren und mit diesem schließen:

Es wird der bleiche todt mit seiner kalten hand / Dir endlich mit der zeit um deine brüste streichen /Der liebliche corall der lippen wird verbleichen; Der schultern warmer schnee wird werden kalter sand /Der äugen süsser blitz / die kräffte deiner hand / Für welchen solches fällt / die werden zeitlich weichen / Das haar / das itzund kan des goldes glantz erreichen / Tilgt endlich tag und jähr als ein gemeines band. Der wohlgesetzte fuß / die lieblichen gebärden / Die werden theils zu / theils nichts und nichtig werden / Denn opfert keiner mehr der gottheit deiner pracht. Diß und noch mehr als diß muß endlich untergehen / Dein hertze kan allein zu aller zeit bestehen / Dieweil es die natur aus diamant gemacht. Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau: Vergänglichkeit der Schönheit, 1695.

dessert


tummy yummy Di채ten f체r kennerinnen Illustration: Mario Hamborg


I. Spermadiät

II. Bandwurmdiät

»Muss man mögen«, könnte man sagen. Fest steht aber, dass trotz schleimiger Konsistenz und fragwürdiger Herkunft des fast täglichen Abfallprodukts eines jeden im Saft stehenden Mannes, eine Menge Eiweiß im Sperma steckt. Auch musste kein Tier dafür leiden. Ganz im Gegenteil: Ein Lebewesen ist beim Melken sogar voll auf seine Kosten gekommen. Manchmal auch zwei Lebewesen. Geheimtipp: Ananas!

Eklig, vielseitig und narrensicher. Es bedarf nur der Einnahme köstlicher Bandwurmeier. Damit ist alles getan: Das Abnehmen kommt von allein, nämlich mit dem Mega-Gekräusel, das fortan im Darm lebt und mitisst. Der persönliche Mitesser im Bauch: weiß, gewunden und wundervoll gefräßig. Und schleimig. Ihr könnt wirklich essen, was ihr wollt und nach dem Stuhlgang sogar Bewegung in der Schüssel erkennen. Die ultimative Fun-Diät.

III. Sterni-Diät

IV. Thatcher-Diät

Morgens, mittags und abends ein Sterni, die fleischgewordene Studi-Ideologie. Wenn es mal zu viel wird, lass es gleich richtig krachen. Und wenn du dich nach der durchfeierten Nacht dann heftig übergeben musst, so ist dies nur im Sinne der Diät. Aber keine Sorge: Das abendliche Konterbier befördert dich erneut in den Sterni-Himmel! Workout-Tipp: Das Bier aus dem untersten oder obersten Kasten rausnehmen, das lässt die Muckis aufploppen!

Fall aber Whiskey! Die weise Erfinderin war die dekadente Königin der Entbehrung. Maggy Thatcher empfahl, die Diät zwei Wochen zu halten. Keinesfalls länger. Und lassen muss man ihr, dass sie nun wirklich nicht fett war. So rank und schlank wie ihr Sozialstaat war auch die Erscheinung der kaltherzigen Eisenbeißerin. Aber hey, Whiskey!

Morgens Eier und Grapefruit. Mittags Eier und � Zeug, am Abend dann Fleisch oder nichts, auf jeden

V. Einhorndiät:

VI. Red-Bull-Diät

Weil du so einzigartig und bezaubernd wie ein Einhorn bist, ernährst du dich auch dementsprechend. Nimm dir Zeit für dich und deine Nahrungssuche. Die Uni ist doch viel zu irdisch für dich. Während deine Kommilitoninnen in der Vorlesung warten, begibst du dich lieber auf eine Reise in zauberhafteste Welten. Nur dort findest du Nahrungsmittel, die deiner würdig sind. Garniere dein Drachenfilet mit Feenstaub und erfreue dich der Astralwerdung deines Körpers.

Klar, wer die Potenz, die Kraft und das Aussehen eines Stieres haben und auch noch fliegen können möchte, der entscheidet sich für die Red-Bull-Diät. Das klebrige Zeug macht nämlich nicht nur wach, sondern killt auch den Appetit. Was die meisten figurbewussten Fitness-Fails aber vergessen: Red Bull besteht zu 99 Prozent aus Zucker. Schwabbelwabbel geht davon nicht weg, dafür aber das gesunde Körpergefühl, das man von frittiertem Huhn erhält.

VII. Lichtdiät

VIII. Berghain-Diät

Magen. Überhaupt wird der Magen zum unnötigen Organ degradiert. Upside: Sunny! Licht gibt’s reichlich und es ist verdammt kostenlos. Wissenschaftlich belegt ist die Überlebensfähigkeit von Menschen nicht, die nur noch Licht konsumieren. Weil es aber vor allem religiöse Spinner sind, die ihre Ernährung auf Photonen umstellen, ist Wissenschaftlichkeit eh irrelevant. Wir raten ab, gönnen euch aber den gesunden Teint auf der grauen, unterernährten Haut.

so bleibt? Easy! Jedes Wochenende randvoll in die berüchtigsten Techno-Tempel der Stadt. Viele Generationen haben schon aufopferungsvoll an dieser Diät geforscht. Und heute wissen wir: Speed und Koks machen feierbereit, wach und nebenbei auch noch appetitlos. Wichtig: Ohn’ Unterlaß gehören die kleinen Helferchen durch die Schleimhäute gezogen, denn Abhängigkeit ist eure beste Freundin! Psychotrope Substanzen rein, und der Hunger ist gegessen!

� Downside: Oral kommt nichts mehr in den

� Ihr seid jung, seht geil aus und wollt, dass das


zwei aus zwanzigtausend e r i k , ph i l o s o ph i e u n d g e r m a n i s t i k

Welches Lied läuft bei deiner Beerdigung?

Der dümmste Tipp deiner Eltern?

»Rainbow/Eden/Desire« – Talk Talk

Schlosser werden

Unter deinem Bett liegt?

So wirst du sterben

Campusradio-Equipment

Hoffentlich per Duell.

Durch die Nacht mit…

Wer hat uns verraten?

Banksy

Piraten!

Lieblings Sonnenuntergang?

Welche Erfindung braucht die Welt?

Griebnitzsee

Veganes Brathähnchen

Lieblings Videokassette?

Lieblingsserie deiner Kindheit

Werner – Beinhart

Käpt’n Blaubär

In wen bist du heimlich verliebt?

Wer sollte mal ein Buch schreiben?

Joni Mitchell

Dan Brown

Welches Wort bringst du von Zuhause mit?

Warum liegt hier eigentlich Stroh?

»Dun« (Besoffen, platt)

Verdammte Bauern!


zwei aus zwanzigtausend pat r i c k , e l e k t r o t e c h n i k

Welches Lied läuft bei deiner Beerdigung?

Der dümmste Tipp deiner Eltern?

»Dude I totally miss you« – Tenacious D

Gehe raus und spiele mit den anderen Kindern.

Unter deinem Bett liegt?

So wirst du sterben

Eine Staubmaus.

Verträumt, morgens am Straßenübergang zwischen Haupt- und Mathegebäude.

Durch die Nacht mit…

Jack Black und Kyle Gass

Wer hat uns verraten?

Lieblings Sonnenuntergang?

So ziemlich jeder, der uns fliegende Autos versprochen hat.

Der bei Apocalypse Now.

Welche Erfindung braucht die Welt?

Lieblings Videokassette?

Ein Gadget Suite (mit Propeller-Hut versteht sich).

Bon Voyage, Charlie Brown (and don’t come back!)

Lieblingsserie deiner Kindheit

In wen bist du heimlich verliebt?

Kaylee, die Mechanikerin aus Firefly. Welches Wort bringst du von Zuhause mit?

Fiese Möpp

Inspector Gadget Wer sollte mal ein Buch schreiben?

Wer hat noch keins geschrieben? Warum liegt hier eigentlich Stroh?

… und wer räumt die Unordnung wieder auf?



bye, Bye

Lieblingsorgan der Redaktion

Samuel: Mein Bart. 100% organic. Anne: Das Gehirn. So ein Gehirn ist nämlich extrem sexy! Rita: Meine liebe Leber, sie verträgt so herrlich viel und lässt mich selten hängen. Patrick M.: Der Blinddarm. Macht nichts, chillt nur und wird durchgefüttert. Lebt den Traum. Stephan: Zähne sind extrem anziehend. Aber nur sehr gepflegte. Andernfalls das pure Grauen. Fidélité: Auf jeden Fall die Haut. Wäre komisch ohne und fühlt sich gut an. Patrick R.: Mein Magen ist mir heilig. Er lässt mich nicht hängen, egal mit welchem Fraß er konfrontiert wird. Ali: Zunge. Wie soll ich ohne reden wie ein Wasserfall? Außerdem macht küssen einfach mehr Spaß mit. Alex: Die Nase. Super zum atmen. Sören: Mein Lieblingsorgan ist die in Plüsch und falschen Klunker eingefasste Hammondorgel, auf der Helge Schneider am Ende von JAZZCLUB die Marsmenschen durchswingt. Robert: Die Milz. Klingt eklig und niemand weiß, was sie will. Schmeckt sicher nicht schlecht. Oder doch. Keiner weiß es. Mareike: Die Gebärmutter natürlich – da wachsen Menschen drin. Robert T.: Augen. Sie sind gut zum Sehen. Aber bedenke: Schlimmer als blind sein, ist nicht sehen wollen. (Lenin?) Tilla: Ein schöner Rücken kann auch entzücken. Yana: Ähm, das Herz vielleicht?! Tickt meist anders als der Schädel, aber wir finden meist nen Kompromiss. Chris: Der Wurmfortsatz: Noch sinnloser als der überflüssige Blinddarm und mit dem Aussehen eines Wurmes. Die körperinterne allegorische Darstellung unser aller Leben also. Luna: Ohren. Ohrenschmalz schmeckt bitter und außerdem ist der Ohrabdruck genauso einzigartig wie der Fingerabdruck! Marten: Haut. Super groß, super sensibel und super schlau. Also extern wie intern nur von Vorteil.



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