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Interview
from PHmag2021 Österreich
by zweiraum
08 Interview INFOS & NEWS
Bauen mit Verantwortung
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Im Gespräch mit Alexander Zlotek, Bereichsleiter der gemeinnützigen Wohnbaugesellschaft Alpenländische Tirol und Christian Kirchner, Geschäftsbereichsleiter GU der Bodner-Gruppe.
(CMS) Verantwortungsvolles Bauen ist ein herausforderndes Thema für alle Beteiligten. Besonders in Zeiten von Klimaschutz, explodierenden Grund- und Herstellungskosten und technischen Neuerungen im Bereich der Haustechnik sind sowohl Bauträger wie auch Baufirmen einem ständigen Ausloten von unterschiedlichsten Faktoren unterworfen und müssen sich intensiv mit den neuesten Anfordernissen und Bestimmungen beschäftigen. Wir haben Experten von beiden Seiten befragt und interessante Antworten bekommen.
PASSIVHAUSmagazin: Was bedeutet für Sie nachhaltiges Bauen ganz konkret? Alexander Zlotek: Unter nachhaltigem Bauen verstehe ich die ökologisch, ökonomisch und sozial verträgliche Planung und Errichtung von Gebäuden, das Zusammenspiel von Architektur, Qualität, Leistbarkeit und Ressourcenschonung in allen Bereichen, angefangenen bei der Flächeninanspruchnahme. Klimaschonendes Bauen sollte eine Grundhaltung sein. Grundvoraussetzung ist die gesamte Lebenszyklusbetrachtung von der Projektentwicklung über die Realisierung bis hin zum Betrieb der Anlage. Unser Motto bei der Alpenländischen Gemeinnützigen Wohnbau GmbH ist „Vermeiden vor Kompensieren“. Christian Kirchner: Ich sehe hier im Wesentlichen drei wichtige Punkte: Ein Gebäude sollte in erster Linie nicht nur kurzfristig seinen Zweck erfüllen, sondern auf alle Fälle mehrere Generationen überleben. Zweitens sind gute Grundstrukturen und qualitätsvolle, ökologische Baustoffe, möglichst aus der Region, wünschenswert und drittens wird ein gewisser Grad an Vorfertigung beziehungsweise Systematisierung unumgänglich sein, wenn man wirklich nachhaltig und effizient bauen will.
PASSIVHAUSmagazin: Sind die Begriffe „Energieeffizienz und Nachhaltigkeit“ beim Bauen und Sanieren immer noch nur Trend oder inzwischen auch Wirklichkeit geworden? Alexander Zlotek: Meiner Meinung nach gibt es noch Luft nach oben. Solange beim Wohnbau Quantität vor Qualität steht und für Immobilien mit durchschnittlichen Ausführungsqualitäten enorme Preise bezahlt werden, kann man daraus schließen, dass das Thema „Nachhaltigkeit“ die Kauf- bzw. Mietabsicht wenig beeinflusst. Wir sehen es bei uns im Unternehmen als Selbstverständlichkeit an, nicht den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen. Dieser Weg wird auch vom Land Tirol durch Zusatzförderungen und Zuschüsse unterstützt und somit auch erleichtert. Basis für ein energieeffizientes und nachhaltiges Gebäude ist eine Hülle in Passivhausqualität. Durch die geringe Heizlast kann die Haustechnik entsprechend optimiert werden. Mit unserem System der Wärmepumpenkaskade konnten wir auch den Energiebedarf für die Warmwasserbereitung drastisch senken.
INFOS & NEWS Interview 09
Geringe Betriebs- und Instandhaltungskosten leisten einen erheblichen Anteil am leistbaren bzw. kostengünstigen Wohnen.
Christian Kirchner: Verantwortungsbewusste, aufgeschlossene Bauherren haben schon mehr Bewusstsein in diese Richtung entwickelt, das merkt man deutlich. Die Frage der Nachnutzung, insbesondere bei gewerblich genutzten Gebäuden, und die Flexibilität werden auch immer wichtiger und die Menschen schauen auch mehr in die Zukunft. Man baut für Generationen und will viele Faktoren, Nutzungen und Stationen des Lebens abdecken. Qualitativ hochwertige Gebäude aus der Vergangenheit können heute beispielsweise gut erweitert und aufgestockt werden.
PASSIVHAUSmagazin: Welche Rahmenbedingungen wünschen Sie sich diesbezüglich als Bauträger bzw. Baufirma von Seiten der Bauherren bzw. Verantwortlichen aus der Politik? Alexander Zlotek: Wenn man von energieeffizientem, nachhaltigem und kostengünstigem Wohnbau spricht, muss man sich im Klaren sein, dass dies einiger Voraussetzungen bedarf, wie beispielsweise: Weniger bebaute Fläche, dafür mehr Geschoße, die Bereitstellung geeigneter Grundfläche für eine wirtschaftliche Bebauung, kürzere Widmungs- und Bauverfahren mit weniger Verwaltungsaufwand. Zudem verteuern extrem lange Bewilligungsverfahren die Bauvorhaben enorm. Mehr Flexibilität in der Energiepolitik wäre auch gefragt – wir denken bereits in „erneuerbaren Energiegemeinschaften“, dafür ist es erforderlich, als Bauträger u. Investor auch als Energieversorger agieren zu können.
Christian Kirchner: Wir sollten weg von reinen Förderungsstrategien als Anreiz für hochwertiges Bauen. Die Überreglementierung in vielen Bereichen der Baubranche durch Normen und Vorschriften müsste fallen und stattdessen an einer flexibleren Gestaltung mit Verantwortung und Vertrauen gegenüber den Firmen gearbeitet werden. Auch zukunftsweisende Innovationen könnte man vermehrt unterstützen und damit deren Einsatz erleichtern bzw. möglich machen.
PASSIVHAUSmagazin: Wie intensiv tauschen sich Bauträger und ausführende Firmen erfahrungsgemäß vor Projektstart miteinander aus und wo liegen die größten Reibungspunkte? Alexander Zlotek: Aktuell liegen die größten Reibungspunkte leider bei den Baukosten. Produktions- und Lieferausfälle der Baustoffindustrie, hervorgerufen durch die Covid-Pandemie, volle Auftragsbücher der Firmen durch die hohe Baukonjunktur und natürlich auch strategische Preispolitik haben die Baupreise extrem ansteigen lassen. Da für uns die Einhaltung einer angemessenen, höchstzulässigen Kostenobergrenze entscheidend ist, wird spätestens in den Auftragsverhandlungen mit den Firmen der Rotstift gezückt. Leider müssen oft Maßnahmen zu Lasten der Ausführungsqualität gesetzt werden. Ein Umdenken von tatsächliche Erstinvestitionskosten in Richtung Lebenszykluskosten könnte dem entgegenwirken. Grundsätzlich sehe ich die Realisierung eines ökonomischen, ökologisch nachhaltigen Baues nur als umsetzbar, wenn es zu einem koordinierten Zusammenspiel aller Projektbeteiligten kommt.
Christian Kirchner: Mit detaillierten Kalkulationen in einer frühen Projektphase unterstützen wir Auftraggeber mittlerweile sehr oft. Damit sind Optimierungen zum richtigen Zeitpunkt möglich. Reibungspunkte sind, wie Alexander richtig erläutert, natürlich die Baukosten, eine gute und vertrauensvolle Gesprächsbasis hilft immer wieder, komplexe und schwierige Projekte gemeinsam in die Bauphase zu bringen.
Foto: Alpenländische
Ing. Alexander Zlotek, Bereichsleiter der Alpenländischen Tirol und Obmann des Netzwerks Passivhaus.
Christian Kirchner, Geschäftsbereichsleiter GU der Bodner Gruppe und Vorstandsmitglied des Netzwerks Passivhaus.
Foto: privat