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LOOKBOOK: DAS GIBT ES NEUES
MORE IS more
Das ist sie, die Class of 2022! Und sie vereint charakterstarke Designs, die mehr können als nur gut aussehen. Das große Ganze muss heute überzeugen – und das bis ins kleinste Detail. Worauf es im neuen Interior-Jahr ankommt: Design DE LUXE rollt den Teppich aus.
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TEXT: NICOLA AFCHAR
Nanami von Bretz drückt in seinen fließenden Formen die Verbindung von Standhaftigkeit und Beweglichkeit aus.
B&B Italias Up wirkt wie ein süßes Gummibärchen zum Gemütlichmachen.
itzen, liegen, ja sogar leben wie auf Wolken S – klingt das nicht gut? Zwar hat das noch keiner tatsächlich ausprobieren können, aber alleine die Vorstellung ist himmlisch. Wer sich die Kollektionen der etablierten und upcoming Brands ansieht, wird derzeit immer wieder auf den Wolkenvergleich treffen. Möbelstücke zeigen sich von ihrer ganz weichen Seite, voluminös und leicht zugleich. Insbesondere Sessel und Fauteuils kommen auffallend oft flauschig-weich und optisch aufgepumpt daher. Um nur ein paar Beispiele für die Softies zu nennen: Nana (Freifrau), Coral (Paolo Castelli), Up (B&B Italia), Moro (Sebastian Herkner für La Manufacture) oder Soriana (Cassina). Letzterer erinnert stark an Erwin Wurm, an eine seiner bekannten „Fat“-Skulpturen, und ist wohl die Klimax eines unübersehbaren Trends, der uns das Leben angenehmer machen möchte. Bouclé-Wolle ist mit ihrer angenehmen Textur ein absoluter Designer-Liebling. Die Welt draußen hat so viele Ecken und Kanten, dass die Designer für zu Hause das Kontrastprogramm auffahren. Noch sind wir nicht bereit für eine neue Geradlinigkeit, noch mögen wir es lieber gut gepolstert. Eine aktuelle Studie von IKEA („Life at Home Report“) unterstreicht das Ganze mit eindrucksvollen Zahlen: „84 % der Befragten gaben demnach an, es sei wichtig, die Kontrolle über sein Zuhause zu haben“ – wenn die Welt so unvorhersehbar ist. 60 % haben innerhalb des letzten Jahres Veränderungen in ihrem Heim vorgenommen, eine signifikante Zahl.
Das Sofa avancierte in Zeiten der Pandemie zur Ikone der Veränderung, zum Key- und auch Investmentpiece: mehr Lebensplattform als Sitzmöbel und gefühlt unendlich personalisierbar. Auch hier sind die Formen aufgeweicht. Allerorts abgerundete Kanten, es wellt, es wogt, es umschmeichelt. Johanna Kühne vom stilwerk (neue Standorte in Berlin und Rotterdam im Kommen) bestätigt die neue Welle ganz klar: „Komfort spielt sicher eine große Rolle vor allem bei den Sitz- und Polstermöbeln, hier beobachten wir in der Tat einen gewissen Trend hin zu kuscheligen Textilien wie Lammfell, Samt oder Velours und einen Verzicht auf Ecken und Kanten zugunsten runder Formen. Die trendigen organischen Formen und Erdtöne zeigen auch einen stärkeren Bezug zur Natur.“ Nehmen wir etwa das Sofa Nanami von Bretz. Aus dem Produktkatalog: „Dynamisch wie Neptungras in der Strömung – Nanami erzählt von Unterwasserwelten, wo Standhaftigkeit und Beweglichkeit einander begegnen.“ Und weiter: „Auch die Sitzfläche wirkt wie von den Gezeiten glatt und rund geschliffen.“ Jede Falte der Rückenlehne wird individuell vom Polsterer gelegt und ausgeformt. Große Handwerkskunst, die heute mehr geschätzt wird denn je. Trends sind gut und schön, aber dienen eher als Chance, die eigene Persönlichkeit herauszukitzeln. Der Käufer wird zum Co-Creator, seine Inspiration trifft auf die Kunstfertigkeit des Herstellers. Farben und Stoffe sind schon längst wählbar, modulare Möbel ein Zeichen der Zeit. Bei BoConcept können 80 % der Designs konfiguriert werden. Etliche Brands sind maximal flexibel, wie etwa das türkische Newcomer-Label Maison de Mara, das diesen März mit einem Pop-up-Shop (sowie online) im stilwerk in Hamburg aufhorchen lässt. Kühne: „Maison de Mara setzt bei seinen Möbeln, Accessoires und Textilien auf starke
Soriana von Cassina erinnert an die „Fat“-Skulpturen von Erwin Wurm.
Farben, spannende Materialkombinationen und die individuellen Wünsche der Kunden.“ Soll heißen: Glas trifft auf Marmor, Holz, Metalle und Stoffe – es darf frei kombiniert werden. „So entstehen charakterstarke Einzelstücke, die den Wohnraum prägen.“
Charakterstarke Einzelstücke – das ist es, was sich viele im Jahr 2022 wünschen! Während früher oft nur das Endprodukt im Fokus stand, ist es heute der holistische Zugang, der zieht. Der Konsument interessiert sich für die Geschichte.
Coral von Paolo Castelli lädt zum Reinkuscheln und Entspannen ein.
Er will das große Ganze, aber auch die Perfektion bis ins kleinste Detail. Die Handwerkskunst unserer Vorfahren ist wieder in – aber man muss sie auch zeigen. Storytelling ist das Nonplusultra und zieht sich durch alle Branchen. Woher kommen die Materialien? Wer sind die Menschen hinter dem Design? Wie lange wird die Tradition schon gelebt? Kooperationen sind ein oft gewählter Aufhänger. Kaum ein Label verzichtet darauf. Zwei Beispiele, die besonders interessant sind, wenn es um Ungewöhnliches geht: der Thonet-Stuhl 119, Design Sebastian Herkner, und die Küche Very Simple Teklan Edition. Zu Thonet: Der Stuhl, besonders schön in dunkelrotem Hochglanzlack, ist ein leichter Lounger, der als Generalist punktet. Herkner: „Sowohl das Design als auch die Fertigung des Loungesessels 119 unterstreicht die Balance zwischen Tradition und Innovation.“ In der Herstellung trifft handwerkliches Bugholzverfahren auf neueste CNC-Technologie. Die Bespannung aus Rohrgeflecht erlaubt grandiose Licht-Schattenspiele – zwar nur ein Detail, aber ein bezauberndes. Jetzt zu Very Simple Kitchen, einem noch recht jungen Unternehmen aus Bologna, das auf klare Linien und kräftige Farben setzt. Die Küchen sind Nomaden, können versetzt und erweitert werden. Die aktuelle Zusammenarbeit mit Tekla Evelina Severin ist
Die Very Simple Teklan Edition beweist Mut zur Farbe.
Thierry von Piero Lissoni für Kartell versprüht Farbenfreude. einfach so 2022. Leichter rostfreier Stahl trifft auf italienischen Marmor – Letzterer fungiert nicht nur als Arbeitsplatte, sondern auch als vertikales Designelement. So clever, so edgy und in zwei Farbvarianten wählbar. Insbesondere das Modell mit pinkem und rotem Marmor und einem Terrakotta-Finish der Küchenmodule ist ein Eyecatcher. Sowohl der Thonet 119 als auch die Very Simple Kitchen rücken ein weiteres Trendthema in den Fokus: Farbe.
IM JAHR DES TIGERS
Pantone hat im Dezember 2021 unter gewohnt viel Tamtam seine Farbe des Jahres 2022 verkündet. „Very Peri“ ist ein Lilaton, der Lebensfreude verspricht. Ein toller, intensiver Ton, der in so mancher Wohnung gut zur Geltung kommen wird. Dennoch: Es sind eher die gedeckten Töne, die Erdfarben, die das Designgeschehen bestimmen. Der Terrakotta-Ton der Very Simple Teklan Kitchen ist ein hervorragendes Beispiel dafür. Ebenso aufsehenerregend: die Kooperationen von Farbenherstellern mit Fliesen- und Tapetenherstellern. Farrow & Ball curated by Liberty nennt sich eine Kollektion, die 15 zeitlose Farb- und Stoffkombinationen matcht. Bei Little Greene x Bert & May treffen Fliesen und Wandfarbe in genau aufeinander abgestimmten Nuancen aufeinander. Genial – denn ganz ehrlich: Auch wenn Personalisierungen boomen und Online-Konfiguratoren fast schon Standard sind, manchmal ist man eben auch über fixfertige Lösungen froh. Neben all den gedeckten Tönen ist Orange ein unübersehbarer Mikro-Trend, in der Mod wie im Möbeldesign. Beispiel: die transparente Glas-Beistelltisch-Serie Thierry (Piero Lissoni für Kartell), die geradezu eine Hymne an die positive Energie von Farbe ist. Oder die Re-Edition der Flos-Leuchte Parentesi in den Farben Türkis und Orange, den Lieblingsfarben der beiden Designer – back to the 70s! „Farbe feiert ein Revival, und zwar beim Leuchtenkörper“, bestätigt auch Manfred Peckal von Flos Österreich. Und gerade die wilden Siebziger haben es vielen Designern spürbar angetan. Auch Michael Niederer von St. Corona Interiors und Mastermind von Villa Antoinette sowie Fernblick schwört auf die Ära. Seine Einschätzung: „Es
ist ein klarer Trend in Richtung weicher, deckender Farben, poppigen Designs und einer Farbwelt der 70er und 80er erkennbar.“ Das passt, ist 2022 doch das Jahr des Tigers und verspricht in Sachen Design allerhand Wowness. Der Minimal Chic hat an Boden verloren. Stattdessen erobert sich das Exaltierte, Ausladende und Verspielte mehr Terrain. Niederer zitiert nur zu gerne Donatella Versace mit „Less is less“: „Wir haben schon vor 10 Jahren mit unserer Villa Antoinette einen füllig-eleganten Retro-Stil lanciert.“ Der Interior- und Bettendesigner ist bekannt für seinen großzügigen Einsatz von Textilien, insbesondere Tapeten haben es ihm angetan. „Es freut mich wahnsinnig, dass alteingesessene Hersteller wie Élitis, Pierre Frey und Romo an die nächste Generation übergeben haben, vor allem die letzte Kollektion von Élitis war eine reine Freude.“ Niederers strahlendes Gesicht spricht Bände. Die Motive dürfen Spaß machen, die unerträgliche Leichtigkeit des Designs versprühen, wichtig ist nur: Es geht um Spaß mit Substanz, denn Nachhaltigkeit ist kein reines Lippenbekenntnis mehr. Jeder der von Design DE LUXE befragten Experten macht genau das klar: Es geht nicht mehr ohne. Bei Very Simple Kitchen werden Marmorreste verarbeitet, bei Nomad Teppiche aus Schaffell-Überresten gefertigt, und bei Flos liegt der Anteil an Recycel-Abfall während des Produktionsprozesses bei 80 %. Besonders spannend sind freilich auch Produkte aus innovativen Materialien: Böden aus Pilzen, Textilgarne aus
Hersteller Sandhelden arbeitet mit Sand in 3DDruck. Parentesi von Flos perfektioniert den Retro-Chic.
PET-Flaschen, Leuchten aus Orangenschalen, Fliesen aus Eierschalen oder Waschbecken aus Sand. Klingt visionär, ist aber Realität. Design DE LUXE sprach exemplarisch mit Laurens Faure von Sandhelden.
INDIVIDUELL OHNE KOMPROMISS
Eine Badewanne aus Sand, gefertigt im 3D-
Drucker. Dazu Waschbecken, die gleichermaßen funktional und skulptural anmuten.
Die Chemise Kitchen von Little Greene mit Fliesen von Bert & May.
Meteorite nennt sich die Kollektion, der Name erklärt sich durch die metallische Patina, „wie sie auf den seltensten Meteoriten zu finden ist“, so Sandhelden–CEO und Mitgründer Faure. Eine Badkollektion aus Sand zu bauen scheint gewagt, ist aber bei genauer Betrachtung schlüssig. „Das Material fühlt sich natürlich an und hat eine warme und positive Assoziation. Es gehört zu den günstigsten Verfahren im 3D-Druck.“ Sand speichert Wärme und gibt diese nur langsam ab – man kennt dieses wohlige Gefühl aus dem Strandurlaub. „Wir möchten die klassische Wahrnehmung von Sand als loses und vergängliches Material ändern, in dem wir ihn zu langlebigen und robusten Objekten formen.“ Der größte Vorteil, da fackelt Faure nicht lange, ist die Flexibilität. „Sanitärweiße runde Waschbecken können wir zwar auch produzieren, aber das überlassen wir den klassischen Herstellern. Möchte ein Kunde jedoch ein moosgrünes Modell in einer sehr speziellen Größe und Form zu einem fairen Preis, wird er – sehr wahrscheinlich – nur bei uns fündig.“ ∏
SO WIRD UNMÖGLICHESmöglich gemacht Wohnwünsche werden wahr: Hoflehner Interiors steht für individuelle Raumlösungen und maßgeschneiderte Möbel, die in jedes Zuhause und zu jedem Bedürfnis passen.
LEYA SWING SEAT Hersteller: Freifrau
Hype trifft Hygge: Mit dem Leya Swing Seat vereint Freifrau die vertraute Gemütlichkeit des Lieblingsloungechairs mit dem Gefühl von Leichtigkeit und Freiheit. hoflehnerinteriors.at Es ist der unscheinbare Erker, der zur kuscheligen Sitzgruppe wird, die abends dazu einlädt, es sich mit einem guten Buch gemütlich zu machen. Oder das kleine Nebenzimmer, schmal und mit schrägen Wänden, das – in einen begehbaren Kleiderschrank verwandelt – Mädchenträume erfüllt. Für jeden Raum und jeden Wunsch fertigt Hoflehner Interiors die richtigen Möbel – millimetergenau von Wand zu Wand oder frei stehend und von allen Seiten schön anzusehen. Auch gerne immer wieder komfortabel gepolstert und wunderschön tapeziert, zum Draufsetzen, Liegen oder Lungern. hoflehnerinteriors.at
ALAMBRA CUT OUT Hersteller: Rimadesio
Egal wie die Frage lautet, Alambra ist die Antwort. Mit der Möbelserie schafft es Rimadesio, Klassiker wie Sideboard, Vitrine und Schubladenschrank neu und zeitgemäß zu interpretieren. Zum exklusiven Design und der besonderen Struktur gesellen sich raffinierte Details wie die im Fachboden integrierte LED-Beleuchtung. hoflehnerinteriors.at
CLAY
Hersteller: Desalto
Mehr geometrisches Kunstwerk als Tisch: Die Basis für Clay bilden zwei aufeinander ruhende, unterschiedlich große Kegel. hoflehnerinteriors.at
WIE AUF BUNTEN WOLKEN schweben
Weg von der wuchtigen Wohnlandschaft hin zur flexiblen Freiheit: Unsere Sofas präsentieren sich heuer farbenfroh und flexibel formbar.
MELLOO
Hersteller: Pode
Mit drei Sofa-Typen, vierzehn Gestaltungselementen und dem dazu passenden Hocker lässt sich Melloo immer wieder so zusammenstellen, wie es einem vorschwebt. Schwebend leicht sieht das Modell auch aus – abgerundeten Eckteilen sei Dank. wohndesign-maierhofer.at
BELLICE
Hersteller: Leolux
Himmlisch ist hier nicht nur der Farbton: Vielfältige Komfort-Optionen wie die Breite und Höhe der Armlehnen, aber auch die Füllung der Seiten- und Rückenkissen (softe Daunen bis hin zur straffen Polsterung) lassen uns wie auf Wolken liegen. wohndesign-maierhofer.at
FREISTIL142
Hersteller: freistil Rolf Benz
Klassisch proportioniert und ohne Schnörkel steht der freistil142 für all jene bereit, die sich gerne so richtig fallen lassen. Wer gar nicht mehr aufstehen will, kombiniert den Couchtisch freistil188 und hat künftig alles griffbereit. wimmer-wohnen.at
KUMO
Hersteller: Rolf Benz
Im Japanischen heißt „kumo“ Wolke – und der Name ist Programm. Besonderes Highlight: Die verspielten Elemente lassen sich beliebig kombinieren. rolfbenz-fuhrmann.at