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ESSAY
PERSPEKTIVEN
WECHSELDE LUXE!
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Es kommt immer auf die Sichtweise an. Wie Ein - schränkungen im Außen un - sere Kreativität im Innen und Liebe zum eigenen Zuhause wecken können. Wie kleine Details doch den großen Unterschied machen.
TEXT: BARBARA WALLNER
Das Zentrum unseres Wohnraums ist nur allzu oft die Küche – hier von next125 –, die auch gleichzeitig Innen und Außen verbindet: Hier kochen wir für uns selbst, bewirten aber auch Gäste. dänische Begriff ist es, der unseren Rückzug in die Geborgenheit der eigenen Höhle zum Aus druck bringt. Das wunderschöne Element, das darin aber auch mitschwingt, ist, dass es kein „Ich gegen die Welt“-Gefühl ist, das uns dabei antreibt. Wir möchten lediglich die gesunde Balance zwischen uns und einer Außenwelt hal - ten, die wir ebenso brauchen. Wir brauchen und genießen die Interaktion mit der Gemeinschaft. Wir müssen sie nur nicht immer haben. Die Reaktion darauf beschreibt auch EOOS-De 26) signer Martin Bergmann im Interview (S. ganz wunderbar, wenn es darum geht, ein Möbel für diese unglaublich unterschiedlichen Bedürfnisse zu kreieren: Schließlich lümmeln die meisten von uns ganz unrepräsentativ und ge -
Flexibel ist Trumpf – in dieser Kreation von next125 wandert das Homeoffice neben die Küche. vollkommen sicher fühlen dürfen. Unsere Höhle, unser Rückzugsort, unser kreativer Spielplatz. Wie viele von uns haben in den letzten beiden Jahren den spielerischen Zugang zu ihrem Zuhause gelernt, haben Möbel umgestellt, frische Farbe an die Wände gebracht, renoviert und umgestaltet, was das Zeug hält? War es nicht großartig? Ungeachtet aller Unbill, die uns dazu gebracht hat und die immer noch vor der Tür lauert? Im Übrigen können wir diese Tür immer wieder einfach zuschlagen und ein bisschen für uns sein, die Welt draußen lassen. Trendforscherin Oona Horx beschreibt im 22) sowohl das Spielerische, die Interview (S. „Playfulness“, die uns neugierig und aufmerk - sam werden lässt, als auch das Bedürfnis nach Rückzug als unglaublich positiv. „Hygge“: Dieser
Und warum? Später, mit dem Aufkommen des Coronavirus – dem wir uns (keine Sorge) hier nur kurz widmen wollen –, ist die Freiheit wieder großes Diskussionsthema. Während es für die einen der ultimative Eingriff in die persönliche Freiheit ist, sich impfen zu lassen, sehen es die anderen wiederum als die einzige Möglichkeit, die Freiheit wiederzuerlangen, die ihnen Lock - downs, Schließungen und Einschränkungen im täglichen Leben genommen haben. Und wieder ist der Gegner die Sicherheit: Man will sich nicht impfen lassen, weil man um die eigene körper - liche Sicherheit fürchtet. Man will oder soll sich impfen lassen, um die eigene Sicherheit und die anderer vor einer Infektion zu gewährleisten. Gegensätzliche Positionen verschanzen sich in rhetorischen Schützengräben und beschießen sich gegenseitig mit Argumenten über Freiheit und Sicherheit – und was übrig bleibt, ist oft der Wunsch, dem allem den Rücken zu kehren und einfach man selbst sein zu dürfen. Die gute Nachricht ist: Es gibt diesen einen Ort, an dem die Begriffe der Freiheit und der Sicher - heit nicht gegensätzlich sind. Wo sie miteinan der fröhlich in Harmonie leben dürfen und wir mit ihnen: unser Zuhause. Der eine Ort, an dem wir uns völlig frei entfalten und uns gleichzeitig
ies über alles: Sei dir selber treu“, so heißt es schon bei Shakespeare.
D
Ein guter, aber beileibe kein leicht umzusetzender Rat, denn zwischen Verpflichtungen, Erwartungen, Pragmatismus und Notwendigkeiten bleibt uns kaum die Zeit zu fragen, wer dieses Ich ist, dem wir treu blei ben sollen. Es entbehrt nicht einer gewissen Iro nie, dass just dieser Satz auch bei dem großen englischen Barden am Ende einer ganzen Litanei von anderen guten Ratschlägen steht, wie man sich zu verhalten habe. Natürlich wollen wir uns treu sein. Die Freiheit haben, uns zu entfalten, uns auszudrücken. Dieses Heft soll die Möglich keit bieten, zumindest eine Seite dieses Ichs zu entdecken. Beim genüsslichen Blättern Schönes zu entdecken, das uns sagt: Das spiegelt mich wider. Aber gerade in den letzten Jahren ist der Frei heit zum eigenen Selbst in der öffentlichen Diskussion ein vermeintlicher Gegner entgegen getreten: die Sicherheit. Der Freiheit des Men - schen, sich zwischen Ländern, Orten, Kontinen ten zu bewegen, ist mit der sich zuspitzenden Lage in der Flüchtlingskrise die Grenzsicherheit entgegengetreten – wer darf sich bewegen?
Möbel wie der Hortensia Armchair von Moooi drücken die Verspieltheit aus, die wir alle gerade brauchen. Edelwagen-Hersteller wie Bentley legen den Fokus auf Details. Lenkräder beispielsweise werden handvernäht.
mütlich auf derselben Couch, auf der wir Gäste empfangen. Die Kuscheldecke weicht den schönen Weingläsern, die Popcornschüssel einem Tablett mit Kanapees. Aber es geht. Der Trick ist es, Möbel zu erschaffen, die genauso modular und flexibel sind wie unser Leben.
Und noch einen zweiten Aspekt möchten wir in diesem Magazin in den Vordergrund stellen: die Liebe zum Detail. Schließlich sollte das Virus nicht das Einzige in unserem Alltag sein, das zugleich winzig und doch bestimmend ist. Denn Kleinigkeiten sind etwas Großartiges. Die Prise Salz, die ein Gericht perfekt, der eine Pinselstrich, der aus einem Gemälde ein Kunstwerk macht. Gerade im Design ist es die Wertschätzung der kleinen Details, die die Meisterklasse ausmacht. Die individuell ausgesuchten, fein beleuchteten Griffmulden in der Küche, die dem Konstrukt eine elegante Tiefe geben, die funktional und schön gestalteten Innenleben der Schubladen, die das Leben nicht nur leichter, sondern auch einfach Freude machen. Im Garten ist es der sorgfältig gesetzte Lichtpunkt, der beim abendlichen Blick aus dem Fenster das Auge anzieht. Die bis ins kleinste gestaltete Komposition aus Wegen, Blickrichtungen und Gewächssorten, die den Garten zum Lebensraum macht. Besonders schön auch zu beobachten in der Autoindustrie – mit der wir nun zum Schluss wieder den Bogen zum Eingangsthema schlagen wollen: Denn kaum etwas vereint den Freiheitsaspekt und das Sicherheitsbewusstsein so sehr wie das Auto. Für die Hersteller von Nobelgefährten ist die Herausforderung der Brückenschlag zwischen persönlicher Entfaltung des Kunden und einer wiedererkennbaren Markenidentität. Und dieser Brückenschlag passiert nun einmal im Detail. Sei es die einfache Gabel, mit der bei Bentley der Stichabstand der handvernähten Lenkräder gemessen wird, oder die absolute Gestaltungsfreiheit, mit der man als Fahrer den Wagen an die eigenen Bedürfnisse und Vorlieben anpassen kann. Doch damit bei Weitem nicht genug – so viele Details, Aspekte, Überraschungen gibt es auf den folgenden Seiten zu entdecken. Gute Reise! ∏