Nicolai No 3

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nicolai

Oktober – Dezember 2012

No 3

ZEITUNGSMAGAZIN FÜR KUNST, KULTUR, DESIGN & ARCHITEKTUR

S& I T A R G L L O V T WER

EINE ATELIER-ROUTE Auf den Arbeitsspuren von Künstlern und Schriftstellern

BACKSTAGE ... Zu Besuch in Ateliers, Künstlerwerkstätten und Künstlerlofts

BIJOU D‘ARTISTE Künstlerschmuck oder Kunsthandwerk?

CATWALK Exzentrisch und visionär – internationale Mode in Köln

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Editorial

Inhalt 06/7

Forum

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Eine Atelier-Route

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Kolumne: What about Street Art, Yasha Young? Werkstattgespräch Wie funktioniert eigentlich eine Jury?

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Von der ersten Idee bis zum Verkauf

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Die Stadt, die Farbe und der Tod.

Das Atelier – Lebensraum, Labor und Bühne

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Zwischen Werkstatt und Atelier

A

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Nicht aus dem Rahmen fallen

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Ein Ausstellungsraum, der „Ich“ sagt.

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Backstage: Fashion

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Künstlerateliers

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Dick & Doof

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Bijou d‘Artiste

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Entfants terribles

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nico

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Backstage: Kunst

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Mythos Atelier

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Künstler-Lofts

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Agenda & Guide

Wenn das Atelier als arbeitsintensive Produktionsstätte gleichsam zur künstlerischen Installation wird: Studio Olafur Eliasson, Berlin. Foto: © Olafur Eliasson, www.olafureliasson.net

telierbesuche, Tage der offenen Tür, Atelierfeste; die Einladungen zu derartigen Veranstaltungen sind mannigfach. Das Künstleratelier entfacht bei Sammlern und Kunstfreunden große Neugier und ein stetes Interesse, mehr über den Künstler und sein Werk zu erfahren. Es ist gemeinhin der Ort des kreativen Genius, der künstlerischen Entstehungsprozesse und der unmittelbaren, handfesten Arbeit. Nicht minder sind die Künstler selbst daran interessiert, ihre Ateliers, Studios und Werkstätten dem Publikum zu öffnen und sich in ihrem Arbeitsumfeld zu präsentieren. Und nicht selten avanciert das Atelierbild zu einem festen Sujet innerhalb des Werks eines Künstlers. In der niederländischen Malerei im 17. Jahrhundert wurde das Atelierbild gar zu einem Massenphänomen und in der Genremalerei spiegelte es gleichwohl den Alltag der Künstler als auch das neu erwachte Selbstbewusstsein der Künstler wider. In der Moderne begegnen wir der Atelierdarstellung als Ausgangspunkt von Selbstreflexion und Selbstdarstellung des Künstlers, während in der zeitgenössischen Auseinandersetzung das Atelier als Ort künstlerischer Schöpfung oftmals um die Komponenten von Prozesshaftigkeit, Netzwerk und Kommunikation erweitert wird. Einer umfangreichen Betrachtung und historischen Untersuchung dieser Thematik widmet sich nun die Große Landesausstellung in Stuttgart „Mythos Atelier“ noch bis zum 10. Februar 2013 in Stuttgart (siehe hierzu auch Seite 32). Das Atelier und die Künstlerwerkstatt bergen nach wie vor ungebrochen das Rätselhafte um die schöpferische Kraft und das Entstehen eines Kunstwerkes. Dabei stellt sich auch die Frage, wie viel wir über das Kunstwerk hinaus von Künstlern, ihrem Leben und ihren Arbeitsprozessen wissen müssen und sollten (siehe hierzu die ‚Artists Anonymous‘ auf Seite 27) und inwieweit der Künstler eine Abgrenzung zwischen Wohnen und Arbeiten benötigt oder gar nicht will (siehe hierzu Ralf Hanselles Beitrag ‚Künstler-Lofts‘ auf Seite 33). Die Beiträge in dieser Ausgabe gehen diesen Überlegungen nach und laden Sie ein, sich selbst auf den Weg zu begeben und so manche Ateliertür zu öffnen. Julia Brodauf hat eine ganze Route zusammengestellt, anhand der Sie, liebe Leser, die Wirkungsstätten vergangener Literaten und Künstler besuchen können (‚Eine Atelier-Route‘, ab Seite 8). Ob Atelierhaus, Loft, Werkstatt oder Backstage – es gibt viel zu entdecken. Alexandra Wendorf, Chefredakteurin Titelbild: RCP2 chair, Jane Atfield, England, 1992-1996, Recycled high desity polyethylene board, type C, Hex Socket furniture screws, Foto: © V&A images

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Arbeiten in schönster Ordnung ... Nützliches für die Werkstatt

Museale Ateliers und Arbeitszimmer von Künstlern und Schriftstellern

Zu Besuch im Atelier des Mode-Designers Hien Le

Wie das Blau nach Gelsenkirchen kam

Ein Besuch beim Südtiroler Bildhauer Gehard Demetz

Zu Besuch in einer Rahmenwerkstatt

Ein Laboratorium für junge Kunst in Vlissingen Souburg

Der Cologne Catwalk gewährt einen Blick hinter die Kulissen

Orte zwischen Kunstproduktion und Präsentation

Die dOKUMENTA 13 oder Papier ist geduldig

Künstlerschmuck – Kunst oder Kunsthandwerk?

Die Artists Anonymous

Kunstvolle Neuigkeiten für Kinder und Jugendliche

‚The Box‘: Paul McCarthys Atelier und der Blick in die Seele des Künstlers

Im Atelier offenbart sich das Geheimnis

Heim-Arbeit hinter‘m Vorhang

News, Termine, Veranstaltungen & Service rund um Kunst und Kultur

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Forum Kunst, Fashion, Design und Architektur

Ein Platz für Bücher Christoffer Martens hat in diesem Jahr eine Lösung für alle überfüllten Bücherregale gefunden. Bücher, Zeitschriften und Bildbände müssen nicht mehr horizontal gestapelt werden, sondern können mit Hilfe von zwei Holzplatten und einem elastischen Gurt an einem beliebigen Ort aufrecht stehen. Dank des flexiblen Bandes und einer Nut in den naturbelassenen oder lackierten Eichenplatten, können dem „Bookbinder“ einzelne Bücher problemlos entnommen oder hinzugefügt werden. www.christoffer-martens.de

Modulares Regalsystem Der junge Designer Florian Gross hat für die Müller Möbelwerkstätten das Regalsystem „Konnex“ entworfen. Einfach und individuell lässt sich das Regal nach den eigenen Vorstellungen gestalten. Die quadratischen Module können durch ihre seitlichen Kerben auf verschiedene Weise ineinandergesteckt werden. „Konnex“ erhielt 2011 den Interior Innovation Award der imm cologne. www.muellermoebel.de

Arbeiten in schönster Ordnung Ordnung für die kleinsten Dinge Anspitzer, Klebeband-Spender, Stiftebox und Aufbewahrungsdose umfasst die ‚Another Desktop Series‘ von einem jungen Vertrieb aus Wales. Die Designer von ‚Another Country‘ lassen sich von dem traditionellen Handwerk aus Skandinavien und Japan inspirieren und verbinden sie mit neuen Ideen. So ist der Deckel der Büroklammern-Dose gleichzeitig Radiergummi und die Klebestreifenrolle liegt horizontal in der naturbelassenen Holzvorrichtung. www.anothercountry.com

Papierkorb aus recycelten Filmen Im Februar ist Waltraud Münzhuber für ihren Papierkorb ‚Verwebe deinen Lieblingsfilm‘ mit dem dritten Platz des diesjährigen Recycling Designpreis ausgezeichnet worden. Aus bespielten Video- und Tonbändern entstehen ihre Abfallbehälter. So finden alten Lieblingsfilme auch noch in der Blue Ray-Ära eine sinnvolle Verwendung. Durch das flexible Gewebe kann der Papierkorb verschiedene Größen annehmen und optimal an das wegzuwerfende Papiervolumen angepasst werden. w w w. w a l l y - h u b e rkunststoff.de

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... und nie wieder Kabelsalat Warum den Kabelsalat immer verstecken? Der weiße Rahmen des ‚Charger Frame‘ von Naolab aus Hong Kong bietet mit 75 x 55 cm eine Menge Platz, um die Elektro-Geräte samt ihrer Ladekabel in Szene zu setzen. Praktischerweise sind in den Rahmen zahlreiche Steckdosen eingelassen, damit alle Geräte angeschlossen werden können. Die Kabel können um waagerechte Stäbe in der Mitte gewickelt werden – so wird das Kabelgewirr zu einem Kunstwerk, das sich mit jedem Gerät verändert. www.naolab.com

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Forum Kunst, Fashion, Design und Architektur

Ein wahrer Werkstatthocker Angelehnt an das Industriedesign der 30er Jahre, zeichnet sich auch der ‚Herrenberger Hocker‘ aus dem Atelier Haußmann durch seine Schlichtheit und Funktionalität aus. Die Stahlrohrkonstruktion und die Sitzfläche aus gebeiztem und geöltem Buchenholz machen ihn besonders robust. Ein zeitloses und komfortables Möbelstück, das in jede Werkstatt passt. www.atelierhaussmann.de

Hier wird alles weggestapelt Dieser Schreibtisch von llot llov ist eine Erleichterung für jeden, bei dem sich üblicherweise eine Menge Papier und andere Utensilien stapeln. Hier ist eine freie Arbeitsfläche garantiert. In den unterschiedlichen Fächern, die um die Tischplatte angeordnet sind, kann jedes Teil verstaut werden und ist dennoch sofort griffbereit. ‚Clark‘ wird dominiert von klaren Linien – bis auf ein freches, leicht ausgestelltes Tischbein. www.llotllov.de

Nützliches für die Werkstatt Der etwas andere Wechselrahmen „Printlight Photo“ von Kißkalt Designs ist zugleich Leuchtmittel und Präsentationsobjekt für die eigenen Fotografien. Eine gelungene Kombination, die sich immer wieder neu gestalten lässt. In den Aluminiumrahmen können bis zu sieben Fotos geschoben werden, die durch die Ausleuchtung in ganz neuem Licht erstrahlen. www.kisskalt-designs.de

Ein schönes Arbeitslicht Das innovative Design von Tomás Alonso wird in seiner ‚Mr. Lights Series‘ sichtbar, zu der Standund Pendelleuchten gehören. Energieeffiziente LED T8 Leuchtstoffröhren sitzen in den schlanken Fassungen, die von Holzbeinen gestützt werden. Die knalligen Stromkabel setzen farbige Akzente und ergänzen den tollen Materialmix. Sie machen nicht nur im Arbeitsbereich eine gute Figur. Foto: © Nick Ballon, Courtesy NextLevel Galerie, Paris. www.nextlevelgalerie.com

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So gar kein Schaumschläger ... Der schwedische Designer Staffan Holm entwickelte in Kooperation mit Blå Station eine wirklich ungewöhnliche Garderobe. Der „Visp clotheshanger“ erinnert an einen riesigen Schneebesen. Eine einfache Linie entwickelt sich am oberen Ende zu einer Spirale, die einen Kreis zur Platzierung von Jacken, Schals und Hüten bildet. Dabei ist „Visp“, wie eine Skulptur, auch ohne Kleidung ein Highlight im Raum. www.staffanholm.com



Eine Atelier-Route Museale Ateliers und Arbeitszimmer – Auf den Spuren von Künstlern und Schriftstellern Text: Julia Brodauf

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as mich am meisten erstaunt hat, war, dass der große Meister in so einem kleinen Bett geschlafen hat. Giorgio de Chirico logierte in einer winzigen Kammer, das Bett erschien mir nicht nur schmal, sondern auch unglaublich kurz. Auf einem Bücherregal daneben steht eine kleine Pietà von Michelangelo, ein Gips-Souvenir von einem der unzähligen Händler, die de Chirico auch seinerzeit bereits täglich passierte: Seine Adresse war ein Palazzo aus dem 17. Jahrhundert gleich an der Spanischen Treppe in Rom rechts. Die Wohnung samt Atelier, die de Chirico die letzten 30 Jahre seines Lebens bis 1978 bewohnte, ist heute als Museumswohnung wiederhergestellt, außerdem sind viele seiner Werke aus allen Schaffensperioden hier ausgestellt. Man fühlt sich also sehr museal angesichts der umfassenden Retrospektive in den großen Salons, in denen de Chirico rauschende Zusammenkünfte veranstaltet haben soll. Und erhascht daneben intime Einblicke. Der durchgesessene Fernsehsessel, frontal vor einem großen Röhrenfernseher platziert, abgewetzt vom Hintern des weltberühmten Malers. Im Atelier liegt ein Arbeitskittel (grau), da stehen Pinsel (stumpfgemalt) in Gläsern herum, in den Regalen bewahrte de Chirico Künstler-Monographien und allerlei optisch interessantes Spielzeug und Tinnef auf. Eine Sammlung Pfeifenköpfe (abgenutzt) liegt am Arbeitsplatz und ein Bild (angefangen) steht auf der Staffelei – Giorgio könnte jederzeit hereinspazieren und die Arbeit fortsetzen. Einen schönen Arbeitsraum mit Oberlicht hatte er, darüber eine Aussichtsterrasse mit fulminanter Aussicht. Arbeitsräume von Künstlern – was fasziniert uns so daran? Es ist natürlich die Atmosphäre: Der Ort und die Aussicht, die einem verehrten Maler, Bildhauer oder Autor die notwendige Kontemplation oder Aufregung gegeben hat, um ein beeindruckendes Werk zu erschaffen, verursacht Gänsehaut. Wenn man eintaucht in ein bestimmtes Licht, in einen bestimmten Geruch, wenn man nicht nur das Atelier, sondern vielleicht auch das Wohn-, Schlaf- oder Badezimmer einer Persönlichkeit kennen lernt, die man nur aus Museen oder Bildbänden kennt. Interessant sind tatsächlich die technischen Details: Dass sich Cézanne einen Lichtschlitz einbauen ließ, um seine Malwand optimal zu beleuchten. Dass Nolde einen Raum extra zur Bildbetrachtung bauen ließ, wo er die Werke zweireihig aufhing. Welche Kunstgegenstände und Bücher der jeweilige Künstler im Atelier aufbewahrte – dort, wo die originale Einrichtung noch erhalten ist. Mirò zum Beispiel stellte sein gesamtes Atelier mit Staffeleien, Arbeitstischen und Stühlen zu. Er wollte an möglichst vielen Bildern gleichzeitig arbeiten und ließ sich zu diesem Zweck vom befreundeten Architekten Sert ein großes Atelier im Bauhaus-Stil errichten. Sein Anwesen auf Mallorca thront über dem Küstenort Cala Major, einem Ortsteil von Palma de Mallorca, Mirò lebte hier ab 1956 bis zu seinem Tod 1981 im Alter von 90 Jahren. Ein benachbartes Landhaus aus dem 18. Jahrhundert, das „Son Boter, kaufte Mirò dazu, und nutzte es ebenfalls als Atelier, er hinterließ an den Wänden zahlreiche Zeichnungen, Notizen und Ideenskizzen zu seinen Arbeiten. Auch diese kann der Besucher besuchen, sein Wohnhaus allerdings wird inzwischen privat bewohnt. Dafür wird das Anwesen inzwischen um einen modernen Museumsbau ergänzt, ein Archiv und ständiger Ausstellungsort für rund 2500 Mirò-Werke und Wechselausstellungen. Hier kann sogar der Traum wahr werden, die Arbeitsbedingungen des Künstlers nachzuempfinden und ebenfalls zu nutzen: Die grafischen Werkstätten stehen nach Bewerbung Gruppen und Einzelkünstlern zur Verfügung. Auf dem spanischen Festland spiegeln die Wohn- und Arbeitshäuser von Salvador Dalí in ihrem Mobiliar die abgedrehte ästhetische Welt ihres Bewohners. Das Haus in Port Lligat, einem Ortsteil

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des malerischen Küstenstädtchens Cadaqués am Fuß der Pyrenäen bewohnte Dalí gemeinsam mit seiner Gattin und Muse Gala, das Mobiliar scheint seinen Bildern entsprungen zu sein. Ein Rundgang durch das direkt am malerischen Hafen gelegene Haus gewährt Einblicke in das Atelier des Surrealisten, auch das Schlafzimmer, die Wohnräume und die Terrasse mit Pool lassen dem Gesamtkunstwerk Dalí für den Augenblick nahe kommen. Wer Dalís Aussicht genießen möchte, kann im Hotel nebenan übernachten. 80 Kilometer entfernt, in Púbol, richtete Dali ein weiteres Haus ein: Es wurde als mittelalterliche Burg gestaltet, im Alter lebte erst Gala hier alleine, nach ihrem Tod wählte auch Dali das Haus als Ort des Rückzugs – hier malte er im Herbst 1983 sein letztes Bild. Wer diese beiden Häuser aufgesucht hat, sollte nun allerdings auch das Dali-Museum in Figueres noch „mitnehmen“, das Dalì selbst eingerichtet hat. Und dann ist es auch nicht mehr weit bis Barcelona, im Park Güell ist die Casa Gaudí zu besichtigen. Antonio Gaudí hat das Haus selbst entworfen, Teile seines persönlichen Mobiliars sind hier zu besichtigen. Tour de France: In Aix-en-Provence steht das Haus von Paul Cézanne. Am Hang über Aix ist inmitten eines schönen Gartens das Atelier seiner letzten Jahre originalgetreu hergerichtet, Mobiliar und Arbeitsutensilien sind original, und auch die Gegenstände seiner Stilleben sind, leicht angestaubt und verblichen, vor Ort zu sehen. Fünf ausgeschilderte Spazierwege führen außerdem zu den Orten, an denen die berühmten Landschaftsbilder des Malers entstanden, so sein lebenslanges Selbststudium des Sehens an den Originalschauplätzen nachempfunden werden kann. Auf größerem Fuß lebte Picasso, und das unter anderem ebenfalls in der Provence, nämlich in Antibes: In der zweiten Jahreshälfte 1946 arbeitete er im Schloss Grimaldi, und überließ bei seiner Abreise der Stadt die 23 in dieser Zeit entstandenen Gemälde sowie 44 Grafiken. Später kamen noch 190 Werke dazu, die Picassos Enkelin Jaqueline der Stadt stiftete, auch Werke von Künstlern wie Max Ernst und Mirò sind hier ausgestellt. Ein umfangreicher Einblick in die Werke der europäischen Moderne also, garniert mit ebendieser Brise Seeluft (das burgähnliche Gebäude liegt direkt an der Uferpromenade), dem Ausblick und dem Licht, die Picasso seinerzeit erlebt haben mag. Der Amerikaner Calder verbrachte rund die Hälfte seines Lebens in Frankreich. Das Atelierhaus in Saché in der Nähe von Tours ließ er 1962 extra bauen, um ausreichend Platz für seine monumentalen Skulpturen zu haben. Hier dürfen professionelle bildende Künstler, die das Residenz-Stipendium erhalten, das Atelier nutzen und im Calder‘schen Wohnhaus übernachten. Marina Abramovic, Mark Dion oder Jimmie Durham nutzten im Laufe der Jahre die Möglichkeit. Während der Abschlussausstellung der Arbeitsstipendien steht das Haus auch Besuchern offen. Der impressionistische Maler Auguste Renoir entdeckte zunächst ein Mädchen und später dessen Heimatort für sich: Essoyes in der Champagne wurde zur Sommerfrische der Familie Renoir, Haus und Garten sind heute ein Museum. Dasselbe gilt für das Renoir-Anwesens in Cagnessur-Mer – das Haus wird derzeit umgebaut, Werke und Mobiliar sind deshalb vorübergehend im Grimaldi-Museum zu besichtigen. Auch das Haus und der Garten von Claude Monet und seiner Familie in Giverny sind ein original und detailliert eingerichtetes Künstlermuseum. Im Garten, den der Maler selbst anlegen ließ, finden sich zahlreiche seiner berühmten Motive: Die Seerosen, die japanische Brücke, die „Allee der Rosen“.


Wo Künstler und Schriftsteller einst gelebt und gearbeitet haben, verweilen heute Touristen und wandeln Kunstinteressierte auf deren Spuren. Von links nach rechts: Das Musee Rodin in Paris, Foto: © Dalberta; das Musee Picasso in Antibes, Foto: © Clemensfranz; Renoirs Atelierhaus in Essoyes, Foto: © Gérard Janot; das Albrecht-Dürer-Haus in Nürnberg, Foto: © Herbert Riedel und das Schlafzimmer im Haus von Gerhart Hauptmann auf Hiddensee, Foto: © Julia Brodauf.

In die Metropole: Die Ateliers, zwischen denen Auguste Rodin in Paris und Meudon pendelte, zählen zu den Hauptattraktionen der Stadt – viele Tausend Kunstwerke sind an beiden Orten zu bewundern, und 700.000 Besucher im Jahr nutzen diese Möglichkeit. Von einem intimen Blick ins Atelier kann also an dieser Stelle nicht gesprochen werden. Nichtsdestotrotz sind in Rodins Villa in Meudon neben dem Ateliersaal, in dem heute die Gipse zu den Bronzestatuen ausgestellt sind, auch Privaträume zu sehen. Das Hôtel Biron in Paris beherbergte seinerzeit verschiedene Künstlerateliers, auch Henri Matisse arbeitete hier. Weitere Ateliers in Paris: Jean Arp und Sophie Täuber-Arp lebten und arbeiteten in einem von ihr selbst entworfenen Haus, das heute zu besichtigen ist. Eugène Delacroix hatte ein Atelier im Gartenhaus seines Wohnhauses, einer Initiative des Künstlers Maurice Denis ist es zu verdanken, dass beide heute der Öffentlichkeit zugänglich sind. Das Atelier des kubistischen Bildhauers Ossip Zadkine und seiner Frau Valentine Prax am Gardin de Luxembourg wird in diesem Herbst nach umfänglicher Renovierung wiedereröffnet. Das Atelier des Bildhauers Constantin Brancusi hingegen ist als Ganzes umgezogen: Es wurde im Centre Pompidou rekonstruiert. An dieser Stelle ein Blick nach Kleve: Das Atelier von Joseph Beuys muss nicht umziehen, um ins Museum zu kommen: Von 1957-1964 arbeitete Beuys in Räumen im Klever Kurhaus, das heute das Museum für moderne Kunst beherbergt. Es reicht also, eine Mauer einzureissen - was im Zuge einer umfassenden Renovierung gerade geschehen ist, im September wird das Museum samt des Ateliers neu eröffnet. Ein Ausflug nach Österreich: Das letzte Atelier Gustav Klimts, in dem er von 1912 bis 1918 in der Nachbarschaft u.a. Egon Schieles arbeitete, liegt im 13. Wiener Bezirk und wird am 30. September nach Sanierung wiedereröffnet. Erstmals wird dann die neu entdeckte Sitzbadewanne des Malers zu besichtigen sein – und abgesehen davon, wo nun dieser Künstler seinen Hintern niederließ, sind eben sein Atelier und sein Empfangszimmer im rekonstruierten Originalzustand geöffnet. Auch Klimts alljährliche Sommerfrische am Attersee, wo von 1900 bis 1916 viele seiner Landschaftsbilder entstanden, lässt sich vor Ort auf ausgeschilderten Wegen nachempfinden. Ein Sprung in eine andere Epoche: Besuchen wir Albrecht Dürer. Sein Haus an der Stadtmauer der Nürnberger Altstadt ist erhalten und als Museum eingerichtet, es spricht mit der Stimme seiner Ehefrau Agnes. Ihr wird per Audioguide die Führung durch das Haus überlassen, und damit gelingt tatsächlich der Sprung in das 16. Jahrhundert und die Welt des Künstlers und Unternehmers Dürer. Es fehlt auch nicht der Hinweis auf eine technische Errungenschaft des Haushalts: Eine innenliegende Toilette war damals der letzte Schrei. Im Obergeschoss: Die Dürersche Werkstatt samt Handpresse, an der auch noch gedruckt wird, ein Grafiksaal und unter dem Dach sein Planetarium. Die Zeitreise kann auch als Live-Führung gebucht werden und samstags ab 20 Uhr als Theater-Inszenierung erlebt werden. Weitere Künstler-Ateliers in Deutschland: Wilhelm Busch kann man an gleich vier Orten nahe sein: In seinem Geburtshaus in Wiedensaal ebenso wie in der Mühle in Ebergötzen, offensichtlich Patin des Max-und Moritz-Finales und heute „Wilhelm-

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Busch-Mühle“ benannt. Später lebte Busch bei seiner Schwester zunächst im Wiedensaaler Pfarrhaus – danach im Pfarrhaus von Mechthausen im Harz, beide heute Museen mit seinen Arbeitszimmern. Und: »Gott sei Dank, sie haben sich!« Bei Busch zuhause in Wiedensaal und Mechthausen und auch in der Buschmühle kann man sogar heiraten. Auf nach München. Hier inszenierte sich Franz von Stuck als Malerfürst, gestaltete dementsprechend feudal auch sein Atelier als opulenten Verkaufsraum. Die Villa Stuck ist ein Museum und Gesamtkunstwerk. Auch Malerfürstenkollege Franz von Lenbach pflegte einen aufwändigen Lebensstil, der in seinem Wohnhaus, dem Museum Lenbachhaus nachempfunden werden kann. Zur Städtischen Galerie im Lenbachhaus gehört auch das „Russenhaus“ in Murnau. Die Malerin Gabriele Münter erwarb es 1909, bis 1914 lebte sie hier gemeinsam mit Wassily Kandinsky. Hier kamen die Künstler des Blauen Reiters zu Arbeitstreffen zusammen. Im Keller des Hauses überdauerte das Werk Münters und Kandinskys den 2. Weltkrieg. Originale Einrichtungsgegenstände, unter anderem die gemeinsam bemalten Möbel und eine von Kandinsky gestaltete Holztreppe zeugen von der Begeisterung des Paares für Volkskunst. Gabriele Münter malte auch mit am Wandbild „Paradies“, dass sich im Atelier von August Macke in Bonn befand – es wurde abgetragen und ist heute im Museum in Münster zu sehen. Das Atelier selbst wurde mit Mobiliar Mackes wieder hergestellt und ist heute ebenfalls zu besichtigen. Auf der Halbinsel Höri am Bodensee, in Gaienhofen, ist dem Maler Otto Dix ein biografisches Museum gewidmet – dem Dichter Hermann Hesse gleich zwei. Sowohl seine erste Wohnung inklusive Arbeitstisch und Schreibmaschine ist im HermannHesse-Höri-Museum zu sehen, später baute Familie Hesse ein eigenes Haus in Gaienhofen, das ebenfalls in Führungen zu besichtigen ist. Das Haus von Otto Dix wird derzeit saniert und im Jahr 2013 wieder eröffnet. Im Atelier von Max Liebermann kann man heute keine rundgemalten Pinsel mehr stibitzen, der Raum ist lergeräumt. Seine etwa 200 Gartenbilder malte Liebermann ab 1910 in seinem Sommerhaus am Wannsee. Die Liebermann-Villa wurde allerdings später von den Nationalsozialisten übernommen und nach Nutzungen als Krankenhaus (der Operationssaal befand sich im Liebermann-Atelier!) und Taucherclub erst 2006 als Gedenkstätte wieder eröffnet. Heute kann man dort den direkten Bezug zwischen den ausgestellten Werken Liebermanns und dem geliebten Garten des Malers herstellen und diesen Eindruck bei einem Kaffee mit Blick auf Gartenanlage und Seeufer noch vertiefen. Im Berliner Norden lebte mit Hannah Höch eine der wichtigsten Vertreterinnen des Dadaismus. Hinter dem Tegeler Forst in Heiligensee erwarb sie 1939 ein Flugplatzwärterhäuschen und verwandelte den dazugehörigen Garten in ein grünes Paradies – in den Kriegsjahren lebte sie auch ganz praktisch vom Gemüseanbau und Blumenverkauf und vergrub einige ihrer Werke im Garten. Ein Künstler lebt und arbeitet seit ihrem Tod 1978 im denkmalgeschützten Haus und Atelier, pflegt und bewahrt den Garten und ermöglicht auch Führungen.

Kunstkurse für Jedermann gibt es bei Emil Nolde in Seebüll. Auch dieser Maler ließ sich ein Atelier nach seinen Vorstellungen extra bauen, heute kann man es besichtigen. Und vor Ort übernachten und speisen – die Nolde-Stiftung kooperiert mit einem gastronomischen Ausbildungsbetrieb. Außerdem wurde das Ruderboot Noldes rekonstruiert, so dass man nun wie der Maler persönlich kleine, geführte Bootstouren unternehmen kann. Und noch einmal zu den Schriftstellern: Das Anwesen von Karl May in Radebeul zeigt, wie sehr ein Künstler mit seinem Werk verschmelzen kann. Die goldenen Lettern mit dem Schriftzug „Villa Shatterland“ ließ May selbst anbringen, auch die Ausstellung zum Leben der Indianer Nordamerikas in der „Villa Bärenfett“ im Garten geht auf seine Sammlung zurück. Ein opulent ausgestattetes Arbeitszimmer samt Bärenfell, der Henrystutzen und die Silberbüchse, das alles lässt einen fast glauben, Karl May hätte seine Abenteuer tatsächlich selbst erlebt. Ein Gegensatz dazu ist die bescheidene Wohnung der Schriftstellerin Anna Seghers. Heute ist die Straße, in der sie von 1955 bis 1983 lebte und schrieb, nach ihr benannt – die Anwohner erinnern sich noch an das Klappern der Schreibmaschine: Die Remington-Maschine, in der vollkommen original belassenen Gedenkstätte zu sehen, trug die Dichterin oft auf dem Balkon. Für die Häuser des Nobelpreisträgers Gerhart Hauptmann gibt es einen eigenen Museumverbund, der gleich fünf Wohnsitze umfasst – in Schlesien, Radebeul, Berlin und auf Hiddensee. Auf dieser Insel, die bereits seit den 20ern ein Mekka besonders für Berliner Schriftsteller und Künstler auf der Suche nach Abgeschiedenheit war, erwarb Hauptmann ein Haus im Kloster und erweiterte es um einen Arbeitstrakt. Ein Verbindungsgang nach Art eines Kreuzgangs, in dem der Schriftsteller zu diktieren pflegte, führt in ein großes Arbeitszimmer samt Stehpult, Flügel und Bücherwand und mit großen Fenstern zur Ostsee. Im Obergeschoss des Wohnhauses sind die Schlafzimmer von Hauptmann und seiner Ehefrau zu besichtigen und, von Ferne, ist zu erkennen, dass der von Alpträumen geplagte Hauptmann des Nachts mit dem Bleistift in seinem Bett Gedanken und Ideen notierte - merke: Auch Nobelpreisträger sind nachts eher von Pathos als von Klarsicht geleitet. Eine kleine Klappe verband Hauptmanns Schlafzimmer mit dem seiner Frau, im Flur hängt noch die knallrote Schuhbürste und im Museumsshop kann man seine Lieblingsweinsorte kaufen – und damit all den privaten noch einen kulinarischen Eindruck hinzufügen.

Diese und andere Künstlerateliers, die Sie besuchen können: www.atelier-cezanne.com | www.muenter-stiftung.de www.fondazionedechirico.org | www.miro.palmademallorca.es www.klimt.at. | www.wilhelm-busch-haus.de www.liebermann-villa.de | www.georg-kolbe-museum.de www.hannah-hoech-haus-ev.de | www.salvador-dali.org www.august-macke-haus.de | www.fondationarp.org www.renoir-aube-champagne.com | www.musee-delacroix.fr www.hermann-hesse-haus.de | www.casamuseugaudi.org www.anna-seghers.de

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Werkstattgespräch Wie funktioniert eigentlich eine Jury? Interview Isabel Richter

What about Street Art, Yasha Young?

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ine Jurysitzung ist ein Prozess von Diskussion und Entscheidungsfindung und nicht selten sitzen die Jurymitglieder bis tief in die Nacht, weil sie sich für einen oder die besten entscheiden müssen. Ähnlich wie die Arbeit in einer Werkstatt wird konzentriert gearbeitet und um das beste Ergebnis gerungen. Keine leichte Aufgabe angesichts der Verantwortung gegenüber den Bewerbern und großen Vielfalt der eingereichten Arbeiten. Wir haben beim Blooom Award by Warsteiner nachgefragt und den Direktor und künstlerischen Leiter der ART.FAIR und BLOOOM Walter Gehlen und die Sängerin und Malerin MiMi Westernhagen gesprochen, die die 10 Finalisten mit ausgewählt haben, die Anfang November auf der ART.FAIR in Köln dem kunstbegeisterten Publikum vorgestellt werden. Lieber Walter Gehlen, können Sie uns den Pozess einer Jurysitzung kurz beschreiben?

Am Ende soll auch eine herausragende Ausstellung stehen. Die Auswahl der Top 100 geht relativ schnell, weil einfach nur die Kraft der einzelnen Arbeit zählt. Wenn es um die Verdichtung auf die letzten 20 geht, dann ist die Diskussion im vollen Gang und die einzelnen unterschiedlichen Standpunkte der Jurymitglieder kommen zum Tragen. Vor dem Hintergrund einer funktionierenden Ausstellung kann es dann schon sein, dass man sich innerhalb einer Kategorie schweren Herzens für eine von vier starken Arbeiten entscheidet. Die Entscheidung ist dann das Ergebnis des Diskurses innerhalb der Jury. Bisher haben wir das immer einstimmig geschafft. So drückt jede Jurykonstellation ihren eigenen Stempel bei der Auswahl auf. Letztendlich geht es immer um Qualitätskriterien, wie Idee, optimale Umsetzung und künstlerische Tiefe der Arbeit. Liebe MiMi Westernhagen, wie Sie sehen als Künstlerin so eine Jurysitzung?

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enn ich an Kunst denke, dann denke ich auch an lange Bahnfahrten. Gleicher Tisch, gleiches Abteil und aus dem Fenster schauend sehe ich dahinfliegende Landschaften, während ich wieder auf der Suche nach Neuigkeiten bin. Dieses Mal erzähl ich Euch etwas über Island. Hier ist der Bruch zwischen alter Tradition und Neuen, eine Aufbruchstimmung so spürbar. In jeder Straßenecke, in jedem Museum, in jedem Café. Die Hauptstadt Reykjavic ist das kreative Zentrum für jeden auf der Insel. Neuartige, innovative Architektur steht in Harmonie mit moderner Kunst wie etwa im HARPA-Musik-Center www.en.harpa.is. Für dieses Gebäude hat Ólafur Elíasson die Fassade gestaltet und das Designkonzept entwickelt. Dieser riesige Gebäudekomplex, der Bienenstöcken ähnelt, war einer der Gründe, die Island schon drei Mal in der New York Times zu einem der „Top places to visit“ werden ließ. Junge Isländische Designer arbeiten mit Künstlern zusammen und werden in der ganzen Welt zu Ausstellungen eingeladen, um die großartigen kreativen Kräfte zu zeigen, die dieses kleine, zum Teil noch völlig unentdeckte Land mit gerade mal 300.000 Einwohnern, entwickelt. Wir kennen vielleicht Bjoerk und vielleicht auch noch Sigur Ros, aber das Isländische Musikfestival „Airwaves“, das 1999 gegründet wurde und in einem stillgelegten Hangar veranstaltet wird, kennt kaum jemand. Dabei ist dieses Festival mittlerweile zu einem der wichtigsten Musikwettbewerbe für Neue Musik geworden (www. icelandairwaves.is).

Als Künstlerin kann ich den Prozess hinter den Sachen beobachten. Ich weiß, wie hart einige der Abläufe sind und denke oft ‚Wow, wie viel Arbeit da drin steckt!“. Das ist aber nicht alles, was Kunst ausmacht. Wichtig ist auch die Idee dahinter! Es war wirklich toll, einen ganzen Tag verschiedene Sichtweisen zu diskutieren, was Kunst letztlich großartig macht! Es ist so wichtig, ein Gleichgewicht von verschiedenen Meinungen zu haben. Was im Endeffekt dabei herauskam war, dass wir uns tatsächlich auf die herausragendsten Arbeiten einigen konnten, obwohl wir alle verschiedene Geschmäcker und Hintergründe haben.

Die naturgewaltigen Kräfte der Vulkane und die schroffen, kargen Küsten und die vom Vulkangestein geschwärzten Strände sind der natürliche Spiegel der Kunst, die man hier sehen und finden kann. Auch sie ist von ähnlicher Kraft, magisch und mystisch wie das Land. Viele Menschen glauben hier noch an längst vergangene Religionen, Runen und Feen, legen gar Früchte und Kuchen vor die eigene Tür, um diese freundlich zu stimmen. Hingegen erinnern die Art und Weise wie die Fischer ihren Fang über alte Holzbretter mitten in die Stein- und Moosvegetation hängen, an Damien Hirsts frühe Skulpturen. Und in den kleinen Straßen von Reykjavic veranstalten die Galerien ihre Vernissagen die ganze Woche lang ohne Pomp und Glamour aber mit harter Arbeit und einem ungebrochenen Willen. Der Wille, sich zu entwickeln und sich zu entfalten. Sie sind die Wurzeln und Kraft, nicht unbeachtet zu bleiben. Ich werde zurückkehren ... Die Jury des BLOOOM Award by WARSTEINER 2012. Foto: © Achim Hehn

10 Finalisten haben es aus über 800 Einreichungen geschafft. Was zeichnet diese Künstler besonders aus, Herr Gehlen?

Mut und Engagement vor allem. Viele Bewerber sind ausgesprochen engagierte und enthusiastische junge Künstler, die sich einem größeren Publikum stellen möchten. Die brennen darauf, dass die Leute sehen, womit sie sich beschäftigen. Ich bin erstaunt, zu sehen, dass viele der Bewerber teilweise bei weltbekannten Künstler assistieren und neben hochkarätigen Akademieabschlüssen auch sehr spannende autodidaktische Lebensläufe haben. Ich denke, dass der BLOOOM Award by WARSTEINER mit Sicherheit der einzige offene weltweite Kunstwettbewerb ist, der eine solche hohe künstlerische Qualität zu bieten hat. Und das begeistert mich! Und was erwartet nun die Künstler, MiMi?

Der BLOOOM Award by WARSTEINER hat es sich zur leidenschaftlichen Aufgabe gemacht, Künstlern dabei zu helfen, sich in der Zukunft einen Weg für ihre Karriere zu bahnen. Wir wollen ihnen helfen, ihren Platz zu finden und bemerkt zu werden. Der Award ist besonders, weil er einen nachhaltigen Effekt haben kann. Die Künstler gewinnen nicht und werden dann alleine gelassen. Nein, die Ratschläge und die Unterstützung geht weiter und alles wird getan, um ihnen beim Beginn ihrer Karriere unter die Arme zu greifen. Die ausgewä̈hlten Finalistenarbeiten werden vom 1. bis 4. November 2012 in einer Sonderausstellung auf der ‚BLOOOM – the converging art show.‘ in Köln präsentiert. Mehr Infos: www.blooomaward.com

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Von der ersten Idee bis zum Verkauf Zu Besuch im Atelier des Modedesigners Hien Le Interview Olivia Steinweg

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liebe, habe ich es noch nicht in meinen Kollektionen verwendet. Ich fühle mich noch nicht bereit für Schwarz.

as Atelier des Modedesigners Hien Le befindet sich in einem Kreuzberger Hinterhof. An die Wände sind Stoffmuster, Zeichnungen, Mood- und Styleboards gepinnt. Die neue Kollektion für den Sommer 2013 hängt an einer großen Kleiderstange. Gleich nach dem Interviewtermin hat sich ein Einkäufer angekündigt, sagt Hien Le. Der Modemacher mit laotischen Wurzeln gehört zu den vielversprechendsten Nachwuchstalenten in Berlin. Als ausgebildeter Bekleidungsschneider sammelte er praktische Erfahrungen bei der belgischen Modedesignerin Veronique Branquinho. 2008 erlangte er seinen Abschluss zum Modedesigner an der HTW in Berlin. Zwischendurch arbeitete er beim französischen Hochglanzmagazin Marie Claire und in der PR-Agentur Agency V. 2010 gründete Hien Le sein gleichnamiges Modelabel. Im kreativen Chaos seines kaum größer als 25 qm großen Ateliers beginnt der Schaffensprozess einer jeder seiner saisonal erscheinenden Damen- und Herren-Kollektionen.

Welches sind Deine bevorzugten Materialien?

Mein Lieblingsmaterial ist Alcantara. Es ist dankbar, weil es sich sehr gut und vielfältig verarbeiten lässt und fantastisch auf der Haut liegt. Ein tolles Material ist auch Seide. Sie ist zwar leider nicht einfach in der Verarbeitung, aber fühlt sich - wie auch Alcantara - wunderbar an. Für mich als Designer hat die Haptik einen sehr hohen Stellenwert bei der Herstellung von Kleidung. Ansonsten liebe und verarbeite ich auch sehr gerne Wolle und Baumwolle. Wie wichtig ist es Dir, dass Deine Mode „Made in Germany“ ist?

Ich bin deutscher Nationalität und Hien Le ist eine deutsche Marke. Ich finde die Wertschätzung von Produkten und Service aus der eigenen Heimat sehr wichtig. Italien und Skandinavien sind gute Beispiele. Sie lassen fast ausschließlich im eigenen Land produzieren weil sie zur Qualität, die ihr Land zu bieten hat, stehen. In Deutschland ist das ein wenig in den Hintergrund geraten. Wir sollten die Qualität, die wir zu bieten haben und die auch im Ausland sehr geschätzt wird, wieder mehr in unser Bewusstsein zurückrufen. Dann sind mir auch noch die kurzen Kommunikationswege und die Möglichkeit der Produktionskontrolle wichtig.

Bis Mode endgültig im Handel erscheint und den Endverbraucher erreicht, müssen viele Stationen durchlaufen werden. Die Ideenfindung ist einer der ersten Schritte. Hien, woher nimmst Du Deine Inspirationen?

Meine Inspiration schöpfe ich aus ganz unterschiedlichen Bereichen. Mal ist es die Kunst, dann wieder Musik, Filme, das Leben auf den Straßen in Großstädten und natürlich Menschen. Aber auch das Rauschen des Meeres und seine Wellen können einen Sog auf mich ausüben, der sich dann in einer Kollektion widerspiegelt.

Im Sommer 2010 wurde vom Berliner Senat Deine erste Fashionshow finanziert. Wie wichtig ist es am Anfang, finanzielle Unterstützung in Anspruch nehmen zu dürfen?

Wie läuft das Konzipieren von Modestrecken ab? Oben: Impressionen aus dem Modeatelier. Fotos ©: Birgit Böttcher. Unten: Der junge Modedesigner Hien Le. Foto ©: Thuy Pham

Auf der Basis einer Idee finde ich ein Arbeitsthema, an dem sich das Konzept entlang entwickelt. In meiner fünften und aktuellen Sommerkollektion 2013 wurde ich zum Beispiel von den Miami Vice Filmen beeinflusst. Ich habe mich mit den Formen, Farben, Symbolen und dem Zeitgeist auseinandergesetzt und daraus dann meine eigene, zeitgemäße Interpretation entwickelt.

Designer und man muss überleben können auf diesem Markt der so hart umkämpft ist.

Dein Großvater war Schneidermeister. Wie hat er Dich beeinflusst?

Die Idee ist gefunden und das Konzept der neuen Kollektion steht. Wie geht es weiter?

Schon als Kind wusste ich sehr früh, dass ich etwas mit Mode machen will. Ich beobachtete meinen Großvater bei seiner Arbeit und ich denke, unbewusst hat dies meine Interessen gelenkt. Welche Bedeutung die Arbeit meines Großvaters hatte ist mir dann endgültig bei meiner Schneiderlehre bewusst geworden. Bei der Schneiderlehre sollte es aber nicht bleiben. Sie war als Basis, zum Erlernen des Handwerks wichtig. Mich interessierte eher Design.

Ich fertige Moodboards und erste Skizzen an. Dann besuche ich Stoffmessen, lasse mir Proben und Informationen über Gewebe und Farbmöglichkeiten zuschicken. Später lege ich Materialien und Farben fest, fertige technische Zeichnungen an und erstelle erste Schnitte. Dann geht es ans Probenähen. Die Entwicklung der Kollektion dauert bis zur Fertigung des Originals. Bis dahin kann sich täglich etwas ändern.

Wie wichtig ist es für Dich, Kollektionen auch kommerziell zu gestalten?

Natürlich sehr wichtig! Ich habe das Glück das machen zu können was mir gefällt. Dabei geht es mir unter anderem auch darum nicht allein Mode zu machen die schmückend ist, sondern tragbar und sich gut verkaufen lässt. Es gibt so unendlich viele

nicolai | No 3 | Oktober – Dezember 2012

Welche Bedeutung haben Farben und Formen in Deinen Kollektionen?

Sie haben eine ganz wichtige Bedeutung denn sie sind ausschlaggebend für die jeweilige Kollektion und ein essentieller Bestandteil meiner Handschrift. Bisher bin ich immer ein sehr klares Farbkonzept gefahren. Viel Weiß und Beige, teilweise mit frischen Farbakzenten. Auch wenn ich persönlich Schwarz sehr

Ich gewann mit zwei anderen Newcomerdesignern einen Showslot auf der Berlin Fashion Week. Solche Unterstützungen sind sehr wichtig für Newcomer, denn selten können wir uns die Preise, die man für einen Auftritt auf der Fashion Week zahlen muss, leisten. Dabei ist es so wichtig, hier vertreten zu sein und in Kontakt mit Einkäufern zu kommen. Um Nachhaltigkeit zu gewährleisten würde ich mir eine kontinuierliche Förderung von Designern über mindestens drei Saisons wünschen. Die fertige Kollektion muss an den Einkäufer gebracht werden. Wie funktioniert das?

Es steckt viel Akquisearbeit dahinter. Das heißt, interessante Boutiquen und Geschäfte recherchieren, die Kontakte der Einkäufer erfragen, sie anschreiben, Lookbooks verschicken und sie zu Messen einladen. Dann ist erst einmal viel Geduld gefragt. Ein Einkäufer beobachtet deinen Werdegang erst einmal über ein paar Saisons bevor er kauft. Und letztendlich ist auch immer eine große Portion Glück wichtig! Verrätst Du uns zum Abschluss noch Dein Lieblingsteil in Deinem Kleiderschrank?

Ich liebe weiße T-Shirts mit Jeans. Sie sind praktisch und kommen nie aus der Mode. hien-le.com |

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MiR, das Musiktheater im Revier, Gelsenkirchen, Großes Haus. Foto: © Pedro Malinowski

Die Stadt, die Farbe und der Tod. Wie das Blau nach Gelsenkirchen kam Text Ulrich J. C. Harz

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n diesem Jahr gilt es in Gelsenkirchen, einen großen Todestag und einen gewichtigen Geburtstag zu feiern, sich einer Bauhütte zu erinnern, die einen Künstler weltberühmt gemacht hat, nämlich den Monochromisten Yves Klein. Zwar denkt, wer Gelsenkirchen und Blau zusammen denkt, zwangsläufig an den optisch die Stadt beherrschenden Fußballverein Schalke 04 mit seinen zigtausend Fans, die bei Heimspielen in einem auch blau zu nennenden Zustand durch die Stadt marodieren. Das weltweit berühmte Yves-Klein-Blau hat seine Heimat aber im Musiktheater im Revier, einem der schönsten Theaterbauten der jungen deutschen Republik. In diesem Jahr, in dieser Spielzeit erinnert das MiR sich und seine Besucher an den 50. Todestag des großen Yves Klein und den 90. Geburtstag seines Urhebers, des Architekten Werner Ruhnau. Beide waren die Köpfe einer Bauhütte, die von 1957 bis 1959 die noch heute Maßstab setzende Theaterarchitektur schufen. Rückschau: Paris, im März 1957. Der junge Architekt Werner Ruhnau und seine Frau Anita besuchen die Eröffnung einer Ausstellung von Norbert Kricke in der Galerie Iris Clert. Die Galeristin stellt ihnen Yves Klein vor, der mit seinen Monochromen für Kopfschütteln und Ratlosigkeit bei der Pariser Klientel gesorgt hat. Ruhnau ist auf Anhieb begeistert. Die Konzentration, das Meditative, die Befreiung von beliebiger Buntheit entsprechen seinem architektonischen Ideal. Ruhnau lädt Kricke und Klein ein, ihn künstlerisch bei seinem Großprojekt eines Theaterbaus in Gelsenkirchen zu begleiten. Im Sommer 1957 reist Yves Klein an die Emscher, erkennt die Dimensionen der zu gestaltenden Wandflächen und macht eine euphorische Prophezeiung: „Das wird das Foyer des Jahrhunderts.“ In der alten Feuerwache gegenüber der Baustelle entsteht bald eine Arbeitsgemeinschaft, die sich den mittelalterlichen Gedanken der Bauhütte zu eigen macht. Dieser von Goethe geprägte Begriff hatte in den großen Kathedralbauten in Köln und Straßburg seinen Ursprung, etwas lax könnte man die Zusammenarbeit, das Zusammenleben von Ruhnau, Klein und später noch Robert Adams, Paul Dierckes, Norbert Kricke und Jean Tinguely auch eine kreative Männer-WG nennen. Zusammen

nicolai | No 3 | Oktober – Dezember 2012

mit Anita Ruhnau und der späteren Werbeikone Charles Wilp entwarfen die Kreativen nicht nur den Plan einer Universität, sie gründeten auch die Partei der blauen Patrioten. In der alten Feuerwache fanden sich die Brand- und Anstifter einer ganz neuen Kultur zusammen, sie entflammten für Visionen, Ideen, Projekte. Zum Beispiel die „Schule der Sensibilität“: sie sollte in Kleins Geburtsstadt Nizza begründet werden, 20 Lehrer sollten 300 Schüler unterrichten, Imagination und Immaterialisation waren die Schlagworte des pädagogischen Konzepts und diese Schule sollte nur 10 Jahre existieren, ihre Wirkung nicht auf einer Spanne von Zeit beruhen, sondern auf der Konzentration von Ideen. Mit der konsequenten Abkehr von Lehrplänen und Prüfungen war es 1959 ein Vorgeschmack auf das, was Joseph Beuys später als Freie Universität postulierte.

Uecker pflegt den Nachlass, feilt am Image des singulären Ausnahmekünstlers, arbeitet an der Wertsteigerung seiner Objekte, verdrängt aber willentlich jene kollektive Phase, in der Klein erst zu seiner Kunst gefunden hat, wie der Briefwechsel zwischen ihm und Ruhnau belegt. Der Architekt erinnert an seinen Freund vor 40 Jahren mit einigen Sondereditionen, die aus den alten Pigmenten mit Kleins Schwammtechnik gefertigt wurden. „In Erinnerung an die Zusammenarbeit mit Yves Klein 1957 – 60“ steht auf den weißen Rahmen, die das Blau so ultramarin strahlen lassen. Das Musiktheater nimmt sich seiner Urheber auf besondere Weise an. Dem neunzig Jahre jungen Lear unter den Architekten heftete man zum Geburtstag das Bundesverdienstkreuz ans Revers, der so Ausgezeichnete bedankte sich mit einer Philippika gegen den Irrsinn städtischen Bauens heute.

Als Yves Klein am 6. Juni 1962 mit 34 Jahren an einem Herzinfarkt starb, galt auch für ihn das Credo „Work hard, die young“, aber die ehrgeizigen Pläne der Freunde wurden nicht mehr weitergeführt. Ruhnau hat seinem früh verstorbenen Freund mit mehreren Erinnerungsserien im IKB (International Klein Blue) ein Memorabilia gesetzt, der Neunzigjährige erfreut sich noch heute im MiR an den größten Monochromen der Welt, einem kunsthistorisch unschätzbaren Wert. Die Farbe Blau hatte seit der Romantik eine Sonderstellung, galt sie doch als jene metaphysische Naturfarbe, die an fernen Horizonten Himmelsblau und Meeresblau zu einer Einheit zusammen fügte. Für den jungen Yves Klein, der sich östlicher Philosophie immer nahe fühlte, der in jungen Jahren nach Tokio fuhr, um sich als Judoka den schwarzen Gürtel zu verdienen, war Blau auch eine Protestfarbe gegen das akademisch-malerische Œuvre seiner Eltern. Höhepunkt der blauen Phase war die Eintragung als Patent Nr. 63471 am 19. Mai 1960 beim Pariser Patentamt.

Das Musiktheater realisierte am 30. Juni die einzige von Yves Klein 1947 komponierte Symphonie – Monoton – Silence, die er als Quintessenz seines Lebens betrachtete. Ein gewaltiger D-Dur-Klang im Prozess seiner Auflösung, im Übergang in eine ausgedehnte, absolute Stille. Das Werk fernab vom Repertoire wurde treffend mit fünf gregorianischen Gesängen und zwei Klavierstücken von Erik Satie zur Aufführung gebracht, ein grandioser musikalischer Feinschmeckerabend unter den gewaltigen Monochromen in einer ewig gültigen Architektur. Am 6. Oktober folgt als weiterer Höhepunkt die Uraufführung von „Sprung in die Leere“, einem Auftragswerk des MiR. Der Komponist Felix Leuschner und der Librettist Reto Finger werden Yves Klein dann aus 40 Jahren Retrospektive ihre Reverenz erweisen. Und wenn der große Spiritualist Yves Klein in einem KBI-blauen Himmel weilt, wird ihm das gefallen.

Klein starb jung, war aber schon ein Star der Kunstszene und hinterließ ein beträchtliches Werk, legendär ist die Ausgabe der Zeitschrift Dimanche vom 27. November 1960, die er zum 22. Geburtstag seiner Frau gestaltete, auf dem Titel das berühmte programmatische Bild „Sprung in die Leere“. Seine Witwe Rotraut Klein-Moquay, die Schwester des Nagelkünstlers Günther

Hommage an Yves Klein, „Sprung in die Leere“, Oper von Felix Leuschner und Reto Finger Uraufführung: 6. Oktober 2012, 21.00 Uhr, Foyer Großes Haus Weitere Termine: 10., 25. und 31. Oktober 2012 Karten und Information: Musiktheater im Revier, Theaterkasse, Tel.: 0209/4097-200, theaterkasse@musiktheater-im-revier.de www.musiktheater-im-revier.de

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Zwischen Werkstatt und Atelier Ein Besuch beim Südtiroler Bildhauer Gehard Demetz Text und Interview Gérard Goodrow

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eit seiner ersten Einzelausstellung vor genau 10 Jahren im Ausstellungsraum des Vereins „Kreis für Kunst und Kultur“ in St. Ulrich bei Bozen sorgt der Südtiroler Holzbildhauer Gehard Demetz für Schlagzeilen in der internationalen Presse. Nicht nur wegen der für manche Betrachter unbequemen Auseinandersetzung mit Kindern in gewagten Rollenspielen irgendwo zwischen Unschuld und Erwachsensein wird er vom Publikum gleichermaßen umjubelt und verdonnert, sondern auch und vielleicht vor allem wegen seiner Technik, die auf der althergebrachten Tradition der sogenannten „Herrgottschnitzerei“ zurückzuführen ist. Gérard Goodrow sprach mit Gehard Demetz über seine Arbeitsmethoden, seine Ausbildung als Holzbildhauer, und das Leben zwischen Kunst und Kunsthandwerk. Lieber Gehard, Deine Kunst basiert auf einer uralten Tradition innerhalb der Kirchenkunst, die Du schon als Teenager von der Pike auf gelernt hattest – was übrigens nicht besonders ungewöhnlich ist für die Region, in der Du aufgewachsen bist, nämlich in der italienischen Ortschaft Wolkenstein in Gröden, mitten in einem idyllischen Skigebiet in über 1.500 Metern Höhe. Eine Diaspora für engagierte Gegenwartskunst, oder?

Das stimmt! Aber die Isolation hat sowohl Vorteile als auch Nachteile. Man kann ja z.B. ganz in Ruhe arbeiten, ohne große Ablenkungen. Das ist für mich und meine Arbeitsweise sehr wichtig. Und die günstige Lage von Wolkenstein, an der Grenze zwischen Italien und den deutschsprachigen Ländern ist sicher von Vorteil. So konnte ich viele verschiedene kulturelle Einflüsse und Anregungen aufsaugen und für mich und meine Kunst nützlich machen. Ich reise sehr gerne und mag es, fremde Städte zu besuchen. Doch nach einer Weile muss ich unbedingt zurück nach Wolkenstein, wo ich meine Ruhe finde – Ruhe und Stille, aber auch Abstand, was für mich und meine Arbeit essentiell ist. Ich lese auch viel, um neues zu lernen und meine Vorstellungskraft zu erweitern. Wie kamst Du dazu, profane Gegenwartskunst mittels einer altmodischen Handwerkstradition zu schaffen, die stark von der Kirche (wie auch von Kitsch) geprägt ist?

Schon als Kind war ich fasziniert von den großen Heiligenstatuen in den Dorfkirchen meiner Heimat. Ich träumte davon, solche imposanten Heiligenfiguren irgendwann mal selber schnitzen zu können. Bernini, Riemenschneider, Ignaz Günter waren damals meine Vorbilder. In gewisser Weise beeinflussen sie mich noch heute.

war erst 14 Jahre alt, als ich die ersten Skulpturen gemacht hatte. Ich verbrachte die ersten sechs Jahre meiner Ausbildung zum Bildhauer in der Kunstschule in Wolkenstein. Dann wechselte ich 1989 zur Fachschule für Bildhauer, wo ich dann später, von 1996 – 2006 auch selber unterrichtet habe. Während dieser Zeit versuchte ich, meine freie Kunst weiterzuentwickeln. Ich besuchte beispielsweise die Internationale Sommerakademie in Salzburg und machte auch eine Ausbildung beim Bildhauermeister Matthias Resch aus Steinegg, der für seine geschnitzten Heiligenfiguren bekannt ist. Das Medium spielt in Deiner Kunst eine wesentliche Rolle. Was findest Du so besonders an Holz?

Ich bin von der Wärme und Sanftheit von Holz fasziniert. Es ist ja organisch und somit ideal für meine Arbeiten. Ich nutze fast ausschließlich Lindenholz, denn seine Beschaffenheit ist perfekt für meine Zwecke – es ist relativ weich und die Farbe ist fast monochrom, hell und irgendwie transparent, fast wie Menschenhaut. Da die Maserung kaum sichtbar ist, gibt es keine unnötigen Störungen auf der Oberfläche der fertigen Skulpturen. Wie nennst Du Deine „Arbeitsstätte“? Ist es ein Atelier oder eher eine Werkstatt? Gibt es für Dich überhaupt einen Unterschied zwischen diesen beiden Begriffen?

Für mich gibt es kaum einen Unterschied. Atelier hört sich nur cooler an. Wobei, wenn man das Wort „Werkstatt“ hört, denkt man eher an Handwerk und Arbeit; und ein Atelier klingt fast romantisch und ist eher ein Ort der Kreativität, des Künstlerdaseins. Hast Du einen geregelten Arbeitstag? Dein Atelier befindet sich in Deinem Wohnhaus, so dass Du das Haus gar nicht verlassen musst. Bist du, wenn Du bei der Arbeit bist, im Kopf völlig weg von zuhause oder können Deine Frau und Deine Kinder jederzeit ins Atelier reinkommen?

Ich mag keine Leute in meinem Atelier während ich arbeite. Ich spüre ihre Präsenz und das irritiert mich. Meine Werkstatt ist im Wohnhaus, es war meine Entscheidung. Ich trete aus einer Welt aus und begebe mich in eine andere, so empfinde ich das. Mein Arbeitstag ist nicht geregelt, möchte ich auch nicht. Mein Kopf und mein Körper geben mir die Zeiten vor. Ich liebe es, im Herbst und Winter lange zu arbeiten, Frühling hasse ich, denn es raubt mir viel Kraft und ich kann kaum was anstellen.

Es gibt doch eine lange Tradition der Holzbildhauerei in Südtirol, oder?

Bei Deinen Arbeiten sind Gesicht, Hände, Beine – überall wo man Haut sieht – perfekt modelliert. Zuweilen wirkt die Oberfläche wie Marmor. Das Haar und die Kleidung der Kinder sind hingegen eher roh gehauen und kantig. Wie wird das Holz bearbeitet? Welche Werkzeuge benutzt Du?

Genau! In der Region, wo ich geboren und aufgewachsen bin – und heute noch lebe –, gibt es eine jahrhundertealte Tradition von Holzbildhauerei, die vermutlich ursprünglich aus Polen stammt. Ich

Es gibt da keine Geheimnisse oder besondere Arbeitsmethoden. Das alles habe ich in der Kunstschule gelernt. Meine Arbeit basiert auf der klassischen Holzbildhauerei. Ich nutze ganz normale

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Links: Gehard Demetz, One eye sees, one eye serves, 2012, Lindenholz, ca. 165 cm hoch. Rechts: Gehard Demetz, How do you feed spirits, 2012, Lindenholz, ca. 165 cm hoch. Fotos ©: Egon Dejori

Schnitzerwerkzeuge wie Schnitzbeitel, Holzhammer, Schmirgelpapier und andere ganz normale Werkzeuge zum Schnitzen und Raspeln, aber auch eine Motorsäge. Am Anfang jeder Figur steht eine Skizze. Ich mache ständig und überall kleine Skizzen und Zeichnungen zu tausenden Ideen, die mir spontan einfallen – auf Papierschnipsel, Umschläge, alles was ich in die Hände bekomme. Im zweiten Schritt setze ich die grobe Form der Figur aus Holzblöcken zusammen. Es sind kleine Holzblöcke, die wie Module wirken – die Logik hat viel mit Computern zu tun. Die zusammengeleimten Holzblöcke sehen beispielsweise aus wie große Pixel. So kann ich die gewünschte Form Stück für Stück aufbauen, das heißt, ich schaffe zuerst eine Art Plastik. Erst dann beginnt die bildhauerische Arbeit des Abtragens, so dass aus der Plastik eine Skulptur entsteht. Somit habe ich viel mehr Möglichkeiten und Freiheiten, die ich nicht hätte, wenn ich traditionelle Skulpturen machen würde. Auf dieser Weise kann ich also das Holz gleichzeitig formen und schnitzen, d.h. ich kann ja aufbauen und abtragen wie ich möchte, nach meinen eigenen Wünschen und Vorstellungen. Die Figuren und auch die integrierten Sockel haben „Löcher“, d.h. die Holzblöcke sind nicht immer genau aneinander geklebt, so dass Lücken entstehen in unregelmäßigen Abständen. Man könnte meinen, sie wären irgendwie unfertig. Was hat das für eine Bedeutung?

Es hat sich so ergeben. Ich kann es nicht genau erklären, aber vielleicht hat es etwas damit zu tun, dass die Kinder auch nicht ganz fertig sind. Sie sind in einem Zustand der Transition, von einer Lebensphase oder von einer Bewusstseinsebene in eine andere. Die Rücken sind übrigens auch offen und scheinbar unfertig. Doch viele Heiligenfiguren aus Holz sind ebenfalls auf der Rückseite „unfertig“ . Das hat damit zu tun, dass sie für Nischen konzipiert waren, so dass man den Rücken nie sehen konnte. So hat man Holz und auch Energie gespart, denn der Rücken war

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sowieso nicht sichtbar. Bei meinen Skulpturen ist das anders. Sie stehen meistens frei im Raum. Der „unfertige“ Rücken ist also sichtbar. Es unterstreicht aber die Idee von Transition. Das hat viel mit meinen Auseinandersetzungen mit Rudolf Steiner zu tun. Laut Steiner erleben Kinder bis ungefähr 6 - 7 Jahre eine Art kollektives Gedächtnis. Bis dahin sind sie unschuldig. Danach erleben sie Scham und Schuld, auch wenn sie im Prinzip noch unschuldig sind. Es geht um das Erwachsen-Werden, eine Transition von einem Daseinszustand zum anderen. Ich versuche diese Transition durch die Lücken zwischen den Holzblöcken sowie durch den offenen Rücken irgendwie sichtbar zu machen.

Vielleicht habe ich gerade deswegen heute eher ein Atelier. Wer weiß? Und ist es wirklich wichtig?

Wie lange arbeitest Du an einer Figur? Hast Du Assistenten?

Es hängt von der Größe und Komplexität der Figur ab, aber im Allgemeinen kann man sagen, dass ich für die kleineren Skulpturen ein paar Wochen und für die größeren bis zu drei Monate brauche, bis ich zufrieden bin und sagen kann, „ja, Du bist nun fertig“. In der Regel arbeite ich alleine. Das Atelier ist relativ klein und ich brauche meine Ruhe, um gut arbeiten zu können. Assistenten stehen meistens nur im Wege und können nicht so präzise arbeiten, wie ich es von ihnen verlange. Also mache ich das meiste lieber selber. Es dauert zwar länger, aber dafür stimmt die Qualität. Wie hat sich Deine Arbeit bzw. Deine Arbeitsweise geändert, seitdem Du als freischaffender Künstler unterwegs bist.

Am Anfang habe ich Skulpturen für Kirchen gemacht – echte, fromme „Herrgottschnitzerei”. Später verdiente ich mein Geld durch profane Auftragsarbeit – eine lebensgroße Harley Davidson aus Holz zum Beispiel. Das war regelrechtes Kunsthandwerk. Sehr gutes, aber immer noch Handwerk. Ich glaube, man könnte sagen, ich hatte damals eine richtige Werkstatt. Heute ist es anders. Ich nehme keine Aufträge mehr an. Meine Arbeit ist viel intimer geworden und ich arbeite nur für mich selber.

Der Südtiroler Bildhauer Gehard Demetz zwischen seinen Holzskulpturen. Foto ©: Michael Dannemann.

www.geharddemetz.com

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Nicht aus dem Rahmen fallen Zu Besuch in einer Bilderrahmenwerkstatt Text Julia Brodauf

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ie sind die Backgroundsänger der Kunstgeschichte: Die Bilderrahmen. Ob aus Holz, aus Aluminium, aus Gips, versilbert, vergoldet, lackiert oder naturbelassen, die meisten Bilder benötigen eine verlässliche und stilistisch passende Fassung. In Sachen Kunst und Kunstwerk begnügen sich die Bilderrahmen in der Regel mit einem ideologischen Platz in der zweiten Reihe, obwohl sie oft genug kunstfertig hergestellt wurden und werden und ihre eigene Historie vollzogen haben.

entwickeln kann, der sein Sortiment aus Rahmen-Leisten und Passepartout-Papieren kennt und vielleicht den ein oder anderen überraschenden Vorschlag macht, der das Bild wirklich zur Geltung bringt. Wer den Weg zum Rahmenbauer scheut, findet im Internet eine Menge Möglichkeiten, Rahmen und Passepartouts auf Maß zu bestellen, ist dann aber bei der Auswahl und im Zusammenbau auf sich alleine gestellt. Daher sollte man sich vorher überlegen, ob so eine eventuelle Sparmaßnahme der Investition, die man in den Kauf des zu rahmenden Bildes gesteckt hat, auch entspricht.

Zu ihrer ursprünglichen und grundlegenden Funktion, ein Bild zu schützen und unbeschädigt an der Wand zu positionieren, gesellten sich seit dem 15. Jahrhundert vielfältige Entwicklungen. Im Barock erfuhr der Bilderrahmen solche Bedeutung, dass er das eigentliche Kunstwerk bisweilen in den Hintergrund drängte und zu architektonischer und skulpturaler Größe anschwoll. Auch in der Renaissance konnte ein geschnitzter Bilderrahmen teurer sein, als das Bild selbst. Im 19. Jahrhundert fertigten viele Künstler für ihre Bilder eigene Rahmen, schufen also wertvolle, da kunstgleiche Einrahmungen. Im Jugendstil wanderte die Bildgestaltung bis hinaus auf den Rahmen und verband Bild und Leiste zu einer vollendeten Symbiose. In Zeiten der Konzeptkunst emanzipierte sich der Rahmen und wurde selbst zum Kunstwerk erhoben, in der Abstraktion verlor er an Bedeutung und wurde oft als obsolet betrachtet. Heute gilt: Ein Rahmen kann ein Bild erst richtig zur Geltung bringen, doch ihn selbst sollte man möglichst wenig wahrnehmen.

Um zu sehen, wie ein Rahmen heute entsteht und welche Arbeitsschritte dazu gehören, bis ein Bild tatsächlich seinen Rahmen gefunden hat, haben wir uns auf den Weg zu einem der größten Rahmenhändler Deutschlands gemacht. Die Firma Boesner ist inzwischen mit ihren Filialen in jeder größeren Stadt vertreten, ihre Waren und Rahmen sind auch über das Internet und per Katalog zu bestellen. Vor Ort gibt es die persönliche Beratung, eine große Auswahl an Wechselrahmen der Hausmarken und auch die Möglichkeit, ein Bild individuell rahmen zu lassen. Und diese Aufträge wandern, zumindest wenn sie in Berlin, Leipzig oder Dresden aufgegeben werden, in die Rahmenwerkstatt der Firma im Berliner Süden: Nach Marienfelde. Etwa 90 000 vorgefertigte Rahmen werden hier jährlich hergestellt und ausgeliefert. Ein Team von 20 Mitarbeitern reicht das Holz von Station zu Station weiter, bis ein Bilderrahmen daraus geworden ist: Die Leisten werden gesägt und getackert, die Gährung nachgearbeitet, das Glas wird geschnitten, eingesetzt, die Rückwände werden mit aufgenieteten Aufhängern versehen, das ganze wird zusammengebaut, verpackt, eingeschweißt, und auf geht es damit in die Läden.

Historische Bilderrahmen – heute im internationalen Kunstmarkt hoch gehandelt – wurden in den Folgezeiten ihrer Entstehung oft aus Geschmacksgründen entfernt und auch zerstört. Museen wissen ein trauriges Lied davon zu singen, suchen zum Teil fieberhaft nach originalen Rahmungen für die im Depot „nackt“ verwahrten Bildwerke. Heute werden Rahmen wieder zahlreich erworben, ob historisch, neu oder rekonstruiert. Ein spannendes Thema also, für die Kunstgeschichte ebenso wie für Künstler und Kunstsammler.

Für eine aufwändigere Inszenierung sorgen die Berater an der Rahmen-Theke: Musterstücke der 1500 unterschiedlichen Leistenprofile erleichtern die Auswahl – gefertigt werden die Hölzer von Herstellern überall in Europa, die meisten kommen aus Spanien, Italien und Deutschland. Ein „Rahmengremium“ aus erfahrenen Mitarbeitern trifft sich regelmäßig, um darüber zu entscheiden, welche Materialien ins Sortiment aufgenommen werden. Ein vielfältiges Spektrum aus Farben, Formen, Gold und Ornament prangt an der Präsentationswand, doch obwohl die Auswahl so groß ist, laufen die einfachen Leisten am Besten: Weiß, Schwarz, Naturholz und Silber sind die Bestseller. Aktuell neu im Angebot: Schwebende Papiere. Das eingerahmte Blatt wird mit Abstand unsichtbar befestigt. Auch möglich: präzise geschnittene 6-fach Passepartouts, jede Schicht eine andere Farbe, es erscheint ein Streifenmuster im Anschnitt. Das geht nur mit der präzisen Computer-Schneidemaschine: auf Knopfdruck bewegt sich ein Schneidekopf über die Pappe, schneidet erst die Formate aus und später den inneren Ausschnitt in einem 45 Grad-Winkel.

Wir haben aus diesem Grund einen Rundgang durch eine heutige, hochmoderne Rahmenwerkstatt unternommen und den Rahmenmachern über die Schulter geschaut. Doch fangen wir erst mal ganz von vorne an; Schritt für Schritt: Ein Bild soll an die Wand, und es ist nicht nur damit getan, einen Nagel in die Wand zu schlagen und es daran aufzuhängen. Vielleicht ist das Bild aus Papier, dann benötigt es eine Halterung und ein schützendes Glas. Auch Leinwände, die schon auf Keilrahmen aufgespannt sind, können zwar per se einfach so an der Wand hängen, aber nicht immer unterstützt diese Nacktheit auch das Bild. Der Künstler, der das Bild gefertigt hat, oder der Galerist, der es ausstellen möchte, oder spätestens der Sammler, der es aufhängen möchte, muss sich also über die richtige Rahmung Gedanken machen. Der Möglichkeiten gibt es einige. Wer sich unsicher fühlt, sollte jemanden fragen, der sich damit auskennt – der richtige Rahmen, das richtige Passepartout kann eine Arbeit veredeln, zum Schweben bringen und unterstützen. Der falsche Rahmen, das falsche Glas kann das gleiche Bild unsichtbar machen oder im wahrsten Sinne des Wortes erschlagen. Wichtig ist auch, dass das Werk mit säurefreiem, professionellem Material umgeben ist, sonst macht im Laufe der Zeit die Chemie der Kunst den Garaus. Ein Geschäft für Bilderrahmungen findet sich in jedem Telefonbuch, und hier werden Kunstkäufer einen aufmerksamen Gesprächspartner finden, der mit hoffentlich erfahrenem Blick eine Idee für die richtige Präsentation der Neuerwerbung

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Alle Abbildungen, von oben nach unten: Die Rahmenwerkstatt von Boesner in Berlin, Marienfelde: Hier wird von den Rahmenleisten bis hin zum Passpartoutschnitt alles zusammen- und fertiggestellt. Per Hand oder mit Präzisionsmaschinen, im individuellen Kundenauftrag oder für den Großhandel. Fotos: © Julia Brodauf und oben Boesner.

Die frisch eingerahmten Bilder können schließlich in den jeweiligen Filialen wieder abgeholt werden. Bleibt dann nur noch die Aufgabe, das Werk aufzuhängen und den richtigen Platz mit entsprechender Beleuchtung auszwählen, um sich an dem Kunstwerk endlich zu erfreuen. Die richtige Position an der Drahthängung oder Galerieschiene zu finden oder schlicht den Nagel zum Aufhängen an der passenden Stelle in die Wand zu schlagen. Wobei das immer zwei Nägel sein sollten: Ein Rahmen, der nur auf bzw. an einem Nagel hängt, könnte sich früher oder später verbiegen. Weitere Informationen: www.boesner.com


Ein Ausstellungsraum, der „Ich“ sagt. Ein Laboratorium für junge Kunst: die Stichting IK in Vlissingen Souburg Text Peter Lodermeyer

Ein Ausstellungsgebäude setzt ein klares Zeichen: Luftaufnahme der beiden Pavillons der Stichting IK in Vlissingen Souburg. Foto: © Jan van Munster

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eeland ist zahllosen deutschen Touristen als Feriengebiet bestens bekannt. Insbesondere für Urlauber aus Nordrhein-Westfalen führt der kürzeste Weg zum Meer direkt in diese südwestlichste der zwölf Provinzen der Niederlande, in beschauliche Kleinstädte wie Domburg, Westkapelle oder Zoutelande, an Sandstrände und in Fischrestaurants. Kunsthistorisch beschlagene Besucher machen sich auf die Suche nach den Kirchen, Türmen und Dünenlandschaften im Umland von Domburg, die Piet Mondrian in der Zeit von 1908 bis 1910 malte, bevor er seine Kunst rigoros in die Abstraktion trieb. Dass man dem berühmtesten niederländischen Maler der Moderne in unmittelbarer Nähe des Domburger Badpavillons ein Denkmal setzte, ist zwar aller Ehren wert, dass es ausgerechnet aus einer weiblichen Bronzefigur in biederstem Realismus besteht, doch eher schmerzlich. Wer sich für zeitgenössische Kunst in Zeeland interessiert, kommt an der „Vleeshal“ in der Provinzhauptstadt Middelburg nicht vorbei, einem Ausstellungsraum von extremer Schönheit, der mit seinem spätgotischen Kreuzrippengewölbe fast unvermeidlich eine sakrale Stimmung hervorruft, obwohl das Gebäude im frühen 16. Jahrhundert für einen höchst profanen Zweck errichtet wurde: Damals diente es als Markthalle für Fleischwaren, die in dem kühlen Gewölbe länger frisch blieben. Seit kurzem gibt es in Zeeland eine weitere wichtige Adresse für aktuelle Kunst, die „Stichting IK“, die auf die Initiative des Künstlers Jan van Munster zurückgeht. Van Munster ist einer der bedeutendsten lebenden Künstler der Niederlande, ein Bildhauer, der seit den frühen 70er-Jahren mit konzeptioneller Strenge das Thema Energie (im weitesten Sinne des Wortes) als skulpturale Größe untersucht und in seinen Skulpturen so ungewöhnliche Themen wie Kälte und Wärme, Elektrizität, Radioaktivität, Magnetismus und vor allem Licht behandelt. Zu seinen bekanntesten Arbeiten gehört zweifellos die unfangreiche Serie der „Brainwaves“. Dabei handelt es sich um Neonskulpturen und -installationen, die Ausschnitte aus van Munsters eigenem Elektroenzephalogramm (EEG) verwenden und mit den vergrößerten Schwingungen seiner Hirnströme die eigene Denktätigkeit zur Anschauung und zum Leuchten bringen. Der Name der IK-Stiftung geht auf eine Reihe von Arbeiten zurück, in denen van Munster das Wort IK (niederländisch für: ICH) verwendete,

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um das Ich, das Subjekt, zu einem skulpturalen Thema zu machen (wobei IK nicht notwendigerweise die Person des Künstlers meint, sondern sich, je nach Kontext, ebenso auf das Kunstwerk selbst, die einzelnen Personen in seiner räumlichen Umgebung bzw. auf den Betrachter beziehen kann). Die Stichting IK ist beheimatet in Oost-Souburg, einem Vorort der Industriestadt Vlissingen. Sie ist Teil eines architektonischen Ensembles, das sich als eine Art „Gesamtkunstwerk“ präsentiert, wobei sich auf außergewöhnliche Weise öffentliche und private Areale kreuzen: Die Stiftung befindet sich auf einer von einem Wassergraben umschlossenen „Insel“, dem IK-Eiland, dem Privatgelände von Jan van Munster, direkt neben der stark befahrenen Autobahn A 58 und in Sichtweite des wichtigen Seehafens von Vlissingen, des drittgrößten der Niederlande. Überragt wird das Ensemble von einem 35 Meter hohen Wasserturm, einem mit dezenten Art déco-Elementen versetzten formschönen Ziegelbau. Auf die Spitze des Turmes, der ihm u. a. als Atelier dient, hat van Munster einen gläsernen Pavillon als Büro- und Besprechungsraum setzen lassen, von dem aus man einen spektakulären Panoramablick über die Umgebung hat. Errichtet wurde der Turm nach den Plänen des Ingenieurs J.H.J. Kording im Jahre 1939, dem Geburtsjahr von Jan van Munster. Die Identifikation des Künstlers mit dem Bauwerk geht so weit, dass er sein privates, auf kreisrundem Grundriss erbautes Wohnhaus direkt nebenan in exakt den Maßen des 450 Kubikmeter umfassenden Wasserreservoirs des Turmes entworfen hat. 2006 gründete van Munster die IK-Stiftung mit der Absicht, eine Arbeits- und Ausstellungsmöglichkeit für junge Künstler zu schaffen. Nach jahrelanger Bauzeit und nachdem alle bürokratischen Hürden genommen waren, konnten am 3. September 2011 die beiden von van Munster entworfenen Pavillons auf den Grundrissen eines I bzw. K feierlich eingeweiht werden. Obwohl die Stiftung ihre Ausstellungstätigkeit schon während der Bauphase aufgenommen hatte, konnte ihr Programm erst mit Vollendung der Pavillons in vollem Umfang realisiert werden. Kernstück der IK-Stiftung ist das Angebot einer Künstlerresidenz: Drei- bis viermal im Jahr soll sowohl internationalen wie auch regionalen Künstlern die Gelegenheit gegeben werden, im I-Pavillon für ca.

vier Wochen zu leben und zu arbeiten und eine Ausstellung im K-Gebäude vorzubereiten. Ab dem 1. Oktober 2012 wird der Niederländer Willem Besselink das Gästeatelier beziehen. Der Ausstellungspavillon ist trotz aller geometrischen Klarheit und Funktionalität aufgrund der ungewöhnlichen K-Form mit den vier großen Glasflächen an den Schmalseiten eine Herausforderung für jeden ausstellenden Künstler, eine markante Form, der man standhalten muss. Feste Bestandteile des Ausstellungsprogramms sind die Gelegenheit für die Künstler, eine Edition zu fertigen, die von der Stiftung vertrieben wird, sowie die Publikation von Ausstellungskatalogen. Das architektonische Gefüge auf dem IK-Eiland wird durch den Hoek-Pavillon, zu deutsch: Eckpavillon komplettiert, in dem thematisch weiter gefasste zusätzliche Ausstellungen stattfinden. Zuletzt war dort eine Auswahl aus der ebenso qualitätvollen wie umfangreichen, normalerweise nicht öffentlich zugänglichen Privatsammlung von Anno Lampe und Lex Plompen aus Den Haag zu sehen. Die gesamte Tätigkeit der Stiftung entspringt privatem Engagement. Von der Organisation der Ausstellungen mit Vernissagen, Publikationen und Finissagen, Betreuung von Schulklassen und Besuchergruppen bis hin zur Pflege der Website wäre eine solche Arbeit ohne ehrenamtliche Mitarbeiter nicht möglich. Privates Engagement ist gerade in Zeiten drastischer Einschnitte in die Kulturbudgets, von denen die Niederlande in besonderem Maße betroffen sind, von enormer Wichtigkeit. Das gilt umso mehr, als diese Einsparungen wiederum zur Folge haben, dass die größeren öffentlichen Ausstellungshäuser unter dem Druck stehen, möglichst viel Publikum anzuziehen, was experimentelle Ausstellungsprojekte mit jungen, noch unbekannten Künstlern nahezu unmöglich macht. Die IK-Stiftung ist nicht nur für die Provinz Zeeland mit ihrer überschaubaren kulturellen Infrastruktur von unschätzbarem Wert, sie könnte auch für die vielen (in der Mehrzahl deutschen) Touristen eine Entdeckung abseits der ausgetretenen touristischen Pfade und der üblichen Sehenswürdigkeiten sein. Bleibt zu hoffen, dass sich die Existenz dieser außergewöhnlichen Institution bald herumspricht. http://stichtingik.nl

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Backstage: Fashion Der Cologne Catwalk gewährt einen Blick hinter die Kulissen Text Alexandra Wendorf

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ashion made in Cologne. So könnte es bald heißen, wenn in Köln die Mode regelmäßig Einzug hält. Unlängst geschehen auf dem Cologne Catwalk, der nunmehr zum dritten Mal in Folge von DAAB MEDIA veranstaltet wurde und internationale junge Mode an den Rhein brachte. In der neu renovierten Industriehalle Dock.One in Nachbarschaft zu dem in der Kunstszene angesagten Design-Hotel The New Yorker fand sich die atmosphärisch richtige Location, wo Modebegeisterte, Stars und Sternchen sich ein Stelldichein geben konnten. Tage zuvor wurden via Facebook Models und solche, die es gerne einmal werden möchten, öffentlich eingeladen, sich zu bewerben, um schließlich in stundenlangen Castings ausgesucht zu werden. Besondere Typen und Charaktere wurden ausgewählt, die in ihrer Austrahlung ein wenig an Musiker und Künstler der 80er Jahre erinnerten. Wer es dann von den Bewerbern ins Finale geschafft hatte, konnte die visionären und

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extravaganten Entwürfe der zuvor prämierten Mode-Designer auf dem Catwalk vorführen. Dieser kam zuweilen einer Theater artigen Show gleich und stellte an die Maske eine echte Herausforderung dar. Riesig aufgetürmte Frisuren, die wie Zuckerwatte auf den Köpfen thronten, bleich geschminkte Gesichter oder metallene Gestelle, die sich kunstvoll auf den Schultern der männlichen Models aufbauten. Doch bevor der Catwalk beginnen konnte, musste erst einmal ein ganzes Organisationsteam geschaffen werden, um die Idee schließlich Wirklichkeit werden zu lassen. Angefangen von der Wahl des Ortes, der Choreographie bis hin zur Moderation musste alles bis ins kleinste Detail stimmen. Wir trafen Ralf Daab, den Initiator des Cologne Catwalks nach der erfolgreichen Abendveranstaltung in seinem Kölner Verlagsbüro und fragten ihn u.a. nach seinen Beweggründen und den Entstehungsprozessen, die einer Modenschau dieses Formats vorausgehen.

Herr Daab, was motiviert Sie, als Verleger, einen solch großen Event in Sachen Fashion zu organisieren?

Wir haben den 1. COLOGNE CATWALK im Jahre 2009 aus einer spontanen Idee veranstaltet. Anlass war die Veröffentlichung des Buches YOUNG EUROPEAN FASHION DESIGNERS in dem die Kölner Designer Eva Gronbach, Fenja Ludwig und Chang 13 vorgestellt wurden. Mit den dreien haben wir dann in den Spichern-Höfen eine Modenschau gemacht, die auf sehr viel positive Resonanz gestoßen ist. Den 2. COLOGNE CATWALK haben wir dann während der Art.Fair in den Expo Hallen in Köln gemacht und 10 Designer aus Europa ausgewählt. Der COLOGNE CATWALK 2012 basiert auf unserem Buch NEW ON THE CATWALK und da wir als Verlag Zugang zu den Designern und in die Modewelt haben, ist die Idee, eine Plattform in Form einer Modenschau für sie zu bieten genauso naheliegend wie eine Ausstellung für Künstler zu organisieren.


Cologne Catwalk: Während vor der Bühne das gespannte Publikum wartet und die Entwürfe der jungen Mode-Designer beurteilt, findet hinter den Kullissen eines reges Treiben statt. Schnell müssen die Models in der Maske passend zu den jeweiligen Kollektionen geschminkt und frisiert werden. Jeder Handgriff muss sitzen, alles griffbereit und im Vorfeld minutiös geplant sein. Große Fotos: © Thomas Leege, kleine Fotos: © Taimas Ahangari

Mode verortet man ja momentan eher in Berlin. Auch die Galerien sind mehrheitlich dort anzutreffen. Was überzeugt Sie vom Standort Köln?

Berlin ist schon cool und hat sehr viel zu bieten, ist international, hat Geschichte und zieht dadurch viele Kreative an. Aber der Glamour der Modemessen und der Galerien reicht für den Alltag nicht aus. Es ist unglaublich schwer als junger Kreativer in einer Stadt zu bestehen, wo kein Kapital ist. Nur umsonst geht auf Dauer nicht. Da hat Köln für mich eine bessere Mischung aus Kreativität und Umsetzung der Dinge, was nicht unbedingt für die Stadt und deren Politik gilt. Hier gibt es aber ein großes Potential durch Medien und Kunst, die sich wieder sehr positiv durch junge Galerien und Künstler entwickelt hat, nachdem die Etablierten nach Berlin gezogen sind. Das zeigt sich auch in der Mode, wo eine neue Szene von Designern entstanden ist, die in Köln ihre Ateliers und Shops eröffnet haben. Ein neues Modeformat wie der COLOGNE CATWALK hätte in Berlin keine Chance, aber Köln hat buchstäblich viele Jahre darauf gewartet dass in Sachen Mode wieder etwas passiert und nicht nur lokal sondern auch international wieder wahrgenommen wird. Sie bewegen sich mit Ihren Aktivitäten zwischen Kunst, Design und Lifestyle. Durch Ihre ständige Arbeit mit Kreativen sind Sie ganz nah am Puls der Zeit. Was wird sich Ihrer Meinung nach in den nächsten Jahren verstärken, was wird sich vielleicht gar ändern? Sehen Sie bestimmte Trends?

Die einzelnen Disziplinen vermischen sich mehr und mehr, Künstler sind auch Designer, oder umgekehrt, Modedesigner orientieren sich u. a. an der Architektur, der Architekt entwirft gleich die Möbel mit und die Kunst am und im Bau. In China z. B. ist das schon weit fortgeschrittener als in der westlichen Welt, in

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der Künstler keine Häuser bauen dürfen oder sich Architekten und Designer doch bitte aus der Kunst raushalten sollen. Ich denke, es wird in den nächsten Jahren auch bei uns alles etwas freier werden. Gerade in schwierigen wirtschaflichen Zeit bietet die Kunst und die Kultur eine Form von Rückzug, Besinnung aber auch Möglichkeiten für neue Ideen. Für uns ist das sehr aufregend, sich mit diesen Themen beruflich zu beschäftigen. Können Sie uns etwas zu Ihrem Verlag sagen? Sie haben gerade wieder sehr opulent gestaltete Bücher auf den Markt gebracht. Was können wir demnächst von Ihnen erwarten?

Ich habe den Verlag 2003 gegründet, in einer Zeit, in der Coffeetable Books mit vielen Bildern und wenig bis gar keinen Texten sehr gut verkauft wurden. Die wirtschaftliche Krise mit einem veränderten Kaufverhalten hat uns vor zwei Jahren erfasst, wodurch klar wurde, dass wir eine neue Ausrichtung mit relevanten Themen und originären Inhalten brauchen. Mit dem Neustart 2010 haben wir ein komplett neues Programm aufgebaut und arbeiten jetzt mit renommierten Autoren, Redakteuren und Lektoren zusammen. Die Gestaltung unserer neuen Bücher macht die Agentur Meiré und Meiré, wodurch sich die inhaltliche Qualität auch über die Gestaltung der Bücher definiert. Das Buch RISING z.B. ist ein Synonym für uns und für viele Beteiligte der Beginn einer neuen Zeit. Mit drei neuen Büchern, die in diesem Herbst erscheinen wie THE LABEL BOOK OF CLOTHING CULTURE, in dem es um traditionsreiche Modemarken geht oder PRIDE & GLORY, ein fantastisches Fotobuch über Lederjacken der Rockers, und ein neues Kunstbuch mit dem Titel BRIGHT! erweiteren wir unser Angebot an Kunst und Kulturthemen.

Sie sind auch im Internet sehr aktiv, haben eine eigene Kreativ-Platform geschaffen. Welche Idee steckt dahinter?

Die Idee von edaab.com hatte ich vor fünf Jahren. So wie man Modenschauen und Ausstellungen in der realen Welt organisieren kann, bietet edaab.com eine Plattform für Kreative und damit die Möglichkeit, sich einem weltweiten Publikum online zu präsentieren. Man kann kostenlos ein Profil einstellen und seine Arbeiten in Galerien zeigen, das alles in einem klaren und funktionalen Design. Und nun noch einmal zurück zur Mode - was ziehen Sie am liebsten an? Welche Empfehlung können Sie unseren Lesern in Sachen Fashion geben?

Ich fühle mich in Jeans und T-Shirt am wohlsten, ohne großen Schnickschnack, trage auch mal gerne einen schlichten Anzug. Ich lege aber mittlerweile keinen Wert mehr auf bestimmte Marken, die überteuert sind und bei denen oft die Qualität auf der Strecke bleibt. Es geht vielen Menschen heute so, dass sie mehr Individualität suchen, wieder mehr bei den lokalen Händlern gute Qualität kaufen als in den Shops der Modeketten, die man in jeder Stadt findet. Kleine Modelabels haben tolle Sachen, die nicht teurer sind als die bekannten Marken. Und man lernt manchmal den Designer persönlich kennen was es noch spezieller macht, ein Jacke, ein Hemd oder eine Hose zu tragen. Einfach mal durch das Belgische Viertel in Köln auf Entdeckungsreise gehen oder online bei NOT JUST A LABEL reinschauen, die als größte Online-Plattform für junge Modedesigner gilt und einer unserer Partner beim diesjährigen COLOGNE CATWALK war. Weitere Infos zum Cologne Catwalk: www.daab-media.com

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O. l.: Der Dandy kommt nie aus der Mode und ist doch der Anti-Typ jedweden modischen Diktats. So können die Entwürfe von Stefan Orschel-Read als Credo für den eigenwilligunabhängigen Mann gesehen werden, mit leicht androgyner Note. Oben r. , unten l.: Edward Finney spielt mit historischen Motiven und tradierten Erwartungsbildern, während Barbara í Gongini das Feminine und damit verbundene Klischees und Grenzbereiche auslotet.

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ie jungen Mode-Designer, die beim diesjährigen Cologne Catwalk präsentiert wurden, waren die Finalisten einer Jury un dzeigen unterschiedlichste Positionen einer avangardischen Mode, die zeuweilen mit Ironie und künstlerischer Übertreibung das Publikum zu begeistern verstand. Sowohl zurückhaltende Eleganz mit detailfreudiger Rafinesse als auch laute, provokante Entwürfe waren zu sehen, als auch technoid wirkende Anleihen bis hin zu frischen Neuinterpretationen alter Muster und Formen. Edward Finney studierte an der renommierten Central Saint Martin‘s College of Art and Design und sammelte praktische Erfahrungen bei Chittlebourough & Morgan und Alexander McQueen in London und John Galliano in Paris, bevor er 2009 sein eigenes Label gründete. Finneys raffinierte Fusion aus Pariser Haute Couture und Modern British Punk mit einem Hauch Savile Row brachte ihm schnell internationale Anerkennung. Jede neue Kollektion ist von einer starken, wenn auch teils obskuren legendären Frau inspiriert – von der exzentrischen exotischen Tänzerin und Spionin Mata Hari bis hin zur skandal umwobenen amerikanischen Erbin Alice de Janze. Barbara í Gonginis Mode ist geprägt durch ihre Kindheit auf den nordatlantischen Färöer Inseln. Ziel des jungen, 2005 gegründeten Labels ist es, nordische Mode zu schaffen, die zwischen Tradition und Avantgarde schwebt. Die dänische Designerin nimmt aktiv teil am künstlerischen Diskurs in den nordischen Ländern durch interdisziplinäre Zusammenarbeit mit anderen Künstlern aus den Bereichen Musik, Fotografie, Film etc. Hierbei spielt Ethik und Nachhaltigkeit eine zentrale Rolle. Barbara í Gonginis Stil ist minimalistisch, aber auch androgyn und futuristisch, mit einem Fokus auf einfachen Formen und monochromen Farbflächen, häufig in Schwarz und Weiß mit gelegentlichen Grautönen.


Oben links und rechts: Ralf Daab, der Initiator des Cologne Catwalks während der Show. Die Kreationen von Alice Palmer basieren auf eine unbedingte Freude an Strick und fließenden Stoffen. Dass man bei Wolle und Strick längst nicht mehr nur an Pullover denken muss, belegt sie mit ihren leichten Kleidern, die u.a. durch ihre ausgefallenen Schnittführungen auffallen. Branco Popovic schafft experimentelle Entwürfe, die nahezu alle Materialien zulassen. Futuristisch und expressiv erinnern sie stark an Theaterkostüme und avantgardistische Filmmotive. Unten: Die Mode-Designer nach dem erfolgreichen Catwalk sichtlich entspannt und erfreut. Nun heißt es, den Cologne Catwalk als Sprungbrett für die internationale Haute Couture zu nutzen. Von links nach rechts: Edward Finney, Branco Popovic, Alice Palmer, Stefan Orschel-Read und Barbara i Gongini. Fotos: Alle Models: © Ulla Burghardt; Ralf Daab und die Mode-Designer: © Thomas Leege

Stefan Orschel-Read wurde in Indien geboren und ist in Schottland aufgewachsen. Bevor er seinen BA in Menswear an der Central Saint Martin‘s College of Art and Design und seinen Master an der Royal College of Art in London machte, absolvierte er zuerst ein Jurastudium und war darüber hinaus auch Goldmedaillengewinner in Dressurreiten. Seine großte Inspiration findet er in der britischen Literatur und nannte schon Kollektionen nach Virginia Woolfs „Orlando“ und Shakespeares „Was Ihr Wollt“. Aber auch indische Kunst, James Bond, Militäruniformen und die multikulturelle Jugendszene in London sind wichtige Bezugsquellen für die eleganten und zum Teil gewagten Designs des Multitalents. Alice Palmer studierte an der Glasgow School of Art, bevor sie ihr Master-Studium an der Royal College of Art in London absolvierte. Spezialisiert auf elegante Strickwaren aus feinster Merinowolle, Seide und Viskose, tastet Palmer die Grenzen sowohl von Design als auch von der Produktion in der Hoffnung, Maschenware in die Riege der Haut Couture zu erheben, aus. Ihre unkonventionellen Designs, die häufig als „skulptural“ beschrieben werden, sind durch ihre langjährige Leidenschaft für Kunst und Architektur inspiriert, mit einem besonderen Blick auf Muster, Form und Farbe, und schweben an der Schwelle zwischen traditionellen und unkonventionellen Strickverfahren. Branko Popovic wurde im ehemaligen Jugoslawien geboren und emigrierte mit seiner Familie in Folge des Bürgerkrieges 1995 in die Niederlande. Seine Kollektionen, die er seit 2007 unter seinem eigenen Label präsentiert, sind von seinem persönlichen Schicksal sowie von seinen Begegnungen in der internationalen Kunstszene inspiriert. Seine „Avantgarde Menswear“-Kollektionen werden vor allem wegen seiner gewagten Experimente mit Materialien wie Karton, Holz oder Plastik international gefeiert. Neben seinen eigenen Kollektionen kreiert er auch Bühnenkostüme und ist auch Mitgründer der FASHIONCLASH Stiftung, einer Plattform für junge Designer und Künstler aus der ganzen Welt.

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Künstlerateliers Orte zwischen Kunstproduktion und Präsentation Text Lena Hartmann

7 Reece Mews, Francis Bacon Studio. Photograph: Perry Ogden, Collection: Dublin City Gallery The Hugh Lane © The Estate of Francis Bacon. All rights reserved, DACS

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om Duft des Terpentins schon leicht benebelt, betritt man einen Raum, der für den Begriff „kreatives Chaos“ verantwortlich sein muss. Dreckige Lappen, offene Farbtöpfe, Papierfetzen, Keilrahmen und Leinwände stehen und liegen überall verstreut. Unzählige benutzte Pinsel weichen bündelweise in Gefäßen auf farbverschmierten Regalen und Stühlen ein. Vor lauter Kunst und Müll ist kaum freier Platz geblieben. So würde wohl unsere Vorstellung von einem Künstleratelier aussehen und tatsächlich hinterließ Francis Bacon so sein Londoner Studio nach seinem Tod 1992. Dass ein Klischee allerdings nur selten der Realität entspricht, ist uns ohnehin bewusst und stellt sich auch in diesem Fall anhand einer kurzen Reise durch die Kunstgeschichte heraus. In den Bauhütten des Mittelalters, die zahlreiche Steinmetze und Gehilfen beschäftigten, musste ein geregelter Arbeitsablauf garantiert werden, so dass neben dem benötigten Baumaterial und den unverzichtbaren Musterbüchern kein Platz für die Einrichtung eines individuellen Arbeitsumfelds blieb. Zeugt Bacons Atelier von einem regelrechten Kampf, in dem sich die Kunst erst durch den körperlichen Einsatz materialisiert, war die Künstlerwerkstatt im Verlauf der Geschichte oft ein Ort der Ruhe, der Kontemplation, kurz: der geistigen Arbeit. Dabei wurde das Studiolo, der in der Renaissance vorherrschende Ateliertypus, mit Wandvertäfelungen oder Gemälden geschmückt und mit Büchern, verschiedensten Studienobjekten und Kunstwerken ausgestattet. Auf derartige Inspirationsquellen verzichteten die Maler der Romantik wiederum völlig, für die jegliche Dekoration der Arbeitsstätte eine vermeidbare Ablenkung von der künstlerischen Tätigkeit bedeutete. Allen voran Caspar David Friedrichs Werkstatt, die in ihrer absoluten Leere unübertroffen blieb.

Picasso öffnete 1949 dem Filmemacher Paul Haesaerts die Tür seines Ateliers. Es entstand ein überaus poetischer Dokumentarfilm, in dem Picasso auf Glasplatten malt und wir unwillkürlich den Atem anhalten, wenn durch die Hand des Meisters scheinbar in der Luft Blumenstillleben und Frauenporträts entstehen. Ebenso beeindruckend ist es, Jackson Pollock bei seiner berühmten DrippingTechnik zu beobachten. Hans Namuth stellte aus seinen Aufzeichnungen von 1951 den Film Jackson Pollock 51 zusammen, der den Begründer des Action Paintings in Aktion zeigt. Mit Farbklecksen übersäten Arbeitsschuhen läuft er um und über die auf dem Boden liegende Leinwand und lässt mit einem Holzstab und konzentriertem Blick die schwarze Farbe auf den weißen Untergrund tropfen. Man schaut dem Maler zu und ist darüber verwundert, wie freigiebig er den Zuschauer an seinem Schaffensprozess teilhaben lässt. Ironischerweise haben gerade diese Aufnahmen, die scheinbar so viele Geheimnisse preisgeben, den Mythos um Pollock noch verstärkt. ‚Action‘ erwarteten auch die Besucher einer kleinen Londoner Galerie, als sie 1996 vor der VideoInstallation ‚A real time piece‘ von Darren Almond standen. Eine Live-Übertragung gewährte dem Publikum 24 Stunden lang Einblick in das Atelier des britischen Künstlers. In dem spärlich eingerichteten Raum war alles vorbereitet. Es fehlte nur der Künstler, der jeden Moment hineinkommen musste, um sich an den Zeichentisch zu setzen und Werke für die an der Wand lehnenden, leeren Rahmen zu schaffen. Die Zeit, die auf der Digitaluhr angezeigt wurde, schritt voran, der Raum veränderte seine Atmosphäre durch die unterschiedlichen Lichtverhältnisse, der junge Künstler tauchte jedoch nicht auf. Das Atelier selbst war zum Kunstwerk aufgestiegen.

Nahezu parallel entwickelte sich im 19. Jahrhundert eine entgegengesetzte Meinung über das ideale Atelier. Traditionell und in erster Linie eine Produktionsstätte von Kunstwerken, wurde es nun von wohlhabenden Künstlern in einen opulent dekorierten, repräsentativen Salon verwandelt. Legendär die Ateliers von Franz von Lenbach und Hans Makart, die mit einer Fülle an kostbarsten Möbeln und Kunstschätzen ausgestattet waren. Wie ein Zeitsprung in die Renaissance oder ein Ausflug in eine fantastische Märchenwelt wirken sie. Hier standen ganz andere Aspekte als das Handwerk im Vordergrund: Die Kreation eines optimalen Ambientes für die Präsentation der eigenen Kunstwerke und die Selbstinszenierung als erfolgreicher Künstler und angesehenes Mitglied der oberen Gesellschaftsschicht. In diesem Jahrhundert, in dem das Atelier eine nie dagewesene Aufmerksamkeit erhielt, wurde die Künstlerwerkstatt von einem Rückzugsort zu einer öffentlichen Bühne, die eine immer größere Faszination auf Kunstinteressierte ausübte.

Seit die Konzeption und Produktion von Marcel Duchamps Ready-mades nicht mehr an einem Ort stattfanden, seit Daniel Buren seine Kunstwerke im öffentlichen Raum realisierte, lautet die Frage: Was und wo ist das Künstleratelier? Für Thomas Hirschhorn gibt es eine klare Antwort: Sein Atelier ist vor allem ein Raum in seinem Kopf. Für Jeff Koons und Damien Hirst sind es Industriehallen, wo die Arbeit streng vom Privatleben getrennt ist, wo sich ein großes Team um die Umsetzung der Ideen des Künstlers bemüht, wo die Herstellung wie in der freien Wirtschaft outgesourct wird. Ein solches international agierendes Unternehmen leitet auch Olafur Eliasson in Berlin. In der Ziegelhalle neben dem Hamburger Bahnhof, die Eliasson als Laboratorium bezeichnet, sind über 40 Mitarbeiter beschäftigt (siehe Abb. auf S. 3). Architekten, Ingenieure und Kunsthistoriker experimentieren, produzieren und archivieren. Eine Assistentin erinnert den Chef an Telefonkonferenzen. Keine Spur mehr von den zahllosen Mythen, die einst das Künstlerdasein umgaben.

Man wollte an dem geheimnisvollen Geschehen im Atelier teilhaben. Um die zahlreichen Mythen zu überprüfen, die schöpferische Atmosphäre aufzusaugen und dem wundersamen Ereignis beizuwohnen, wie eine künstlerische Idee Gestalt annimmt. Beste Chancen dazu hatte man in den Kunstmetropolen München, Berlin, London, Paris oder Wien. Die Öffnungszeiten und Adressen von den Ateliers der berühmtesten Künstler waren wie Touristenattraktionen in Reiseführern, Tageszeitung oder Fachzeitschriften annonciert, so auch die Arbeitsstätte von Hans Makart in Wien. Für eine Stunde öffnete er jeden Nachmittag sein Atelier, das gegen ein Eintrittsgeld besichtigt werden konnte. Wobei man als Besucher nicht davon ausgehen konnte, dass sich der Maler Zeit für eine intellektuelle Plauderei nahm, wenn er gerade tief versunken an einem seiner Riesengemälde arbeitete.

Was alle Ateliers über die alle Epochen und Auffassungen verbindet, ist die Tatsache, dass sie in ihren unterschiedlichen Formen und Gestaltungen zu einem gewissen Grad den Charakter des jeweiligen Künstlers widerspiegeln. War seine Arbeitsstätte eine klassische Werkstatt, so bleibt sie – und damit ein Teil seiner Persönlichkeit – als kleiner Trost nach seinem Tod bestehen. Je größer die Berühmtheit des Künstlers zu Lebzeiten, desto größer auch die Bemühungen, seine Wirkungsstätte für die Nachwelt zu erhalten. Es gibt unzählige Beispiele, in denen Künstlerhäuser zu Gedenkstätten umgewandelt und Werkstätten musealisiert wurden. Nicht zuletzt die kreative Rumpelkammer Francis Bacons. Sein Londoner Studio wurde 2011 aufgelöst und in der Hugh Lane Gallery in Dublin originalgetreu wieder aufgebaut – mitsamt aller Kunst und dem ganzen (kreativen) Chaos.

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Dick & Doof Die dOKUMENTA 13 oder Papier ist geduldig Text Ulrich C. Harz

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er in diesem Jahr die 100-Tage-Veranstaltung documenta 13 besucht hat, wird einen Trend bemerkt haben, der schon bei der letztjährigen Biennale di Venezia unübersehbar war: Je dünner die Konzepte, desto dicker die Kataloge. Wer Körpertraining mit Kunstbetrachtung verbinden will, kann kiloweise Material durch Kassel schleppen, kann sich schon 100 Tage vor den 100 Tagen ungeahntes Wissen anlesen, kann Logbücher und Begleitbücher studieren, um am Ende doch nur sehr wenig Kunst zu sehen. Nichts gegen Konzepte, die von falschen Hypothesen ausgehen, die einen Kunstbegriff neu definieren wollen, aber fazitär lässt sich sagen, dass die documenta 13 so pseudo-politik-nah wie kunstfern gewesen ist und dabei so viel Papier produziert hat, wie kein Kunstgroßereignis zuvor. Wie bei der Biennale 2011 war der Katalog dreigeteilt. Das so genannte Logbuch (30 Euro) bietet die Vorgeschichte, die Planungsphase, die Anlage der 13. Documenta, versehen mit SmartphoneFotos der Kuratorin, ein Buch für Ausstellungsarchäologen, ein „Making of...“ , aber of what? Die Kuratorin Carolyn Christov Bakargiev hat ihre Documenta als Geisteszustand bezeichnet, aber welch Geistes Kind ist dieses Allerlei, dies Überall und Irgendwie denn wirklich? Wer die Documenta brav abwandert, braucht das Begleitbuch (24 Euro). Hier werden die Künstler vorgestellt, ihre Vita, ihre Werke, alles ergänzt mit narrativen Einführungen (sic) und visuellen Statements (sic). Das Begleitbuch braucht man wirklich, weil sich zum Beispiel im Park der Orangerie so gut wie keine Erklärungen oder Informationen finden. An einem großen Hügelbiotop findet sich zwar sechs Mal das Schild „Betreten verboten“, aber sonst nichts an Information. Logbuch und Begleitbuch sind aber noch lange nicht alles. Die fundamentalen Konzeptgedanken, Hintergrundberichte, Erkenntnisgewinne finden sich in dem Mehrkilowälzer mit dem bescheidenen Titel ‚Das Buch der Bücher‘ (68 Euro). Um dieses Dickschiff der soziologischen Kunst- Welttheorie angemessen zu verkaufen, erhält König Kunde alle drei Bände zum Paketpreis (122 Euro). Soviel Bohei wurde in den letzten Jahrhunderten nur noch um Marxens Kapitalbände 1 – 3 gemacht, aber da hat der geneigte Leser deutlich mehr Erkenntnisgewinn. Und bei Winnetou 1 bis 3 ganz klar mehr Lesefreude. Denn der kunsthistorische sozialkritische Stil wabert sich durch Begriffe wie „Denken in miteinander verschränkten Ontologien“ zu keinerlei Schlussfolgerung. Alles offen, alles prozessual im Fluss, alles sprachmäandernd ohne Sinn und Ziel.

Doof ist allerdings, auch wieder wie bei der Biennale, dass etliche Highlights nur für die Zeit zwischen Vorbesichtigung und Eröffnung realisiert werden. Bleibt nur noch die Spurensuche. Wer zum Beispiel dem in Vorberichten so genial inszenierten afrikanischen Schamanen bei der Arbeit zuschauen wollte, fand nur noch ein seltsam bestücktes Areal mit allerlei merkwürdigen Gegenständen, der Schamane war nach zwei Wochen wieder abgereist. Dieses Inszenieren auf die Eröffnung hin und anschließende Ausschleichen aus dem Angebot macht die vom Konzept her an Höhepunkten arme Documenta 13 noch armseliger in ihrer Publikumsverachtung. dOCUMENTA (13) Katalog 2/3, Das Logbuch, Hrsg. documenta und Museum Fridericianum Veranstaltungs-GmbH, Gestaltung von Leftloft, Deutsch/Englisch, 2012. 320 Seiten, 664 Abb., 20,70 x 25,20 cm, gebunden, ISBN 978-3-7757-2952-9. Foto: © Rosa Maria Ruehling, Hatje Cantz Verlag

Kunst braucht Inspiration. Und professionelle Beratung.

Dipl.-Kfm. Ralf Chr. Bühler Wirtschaftsprüfer Steuerberater Limburger Straße 1 | 50672 Köln 0221/9525115 info@wpstbbuehler.de www.kuenstlerberatung-koeln.de

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Giambologna, Raub der Sabinerinnen, © VGF - Fotolia.com

Hierzu sei eine Kostprobe aus dem Begleitbuch, S 274, zitiert, zu der Arbeit von Maria Loboda, bestehend aus einer Reihe von Buchsbäumen in Blumenkübeln: „Lobodas nomadische Skulptur, die als Gruppe von Zierpflanzen durchgehen kann und sich doch von der natürlichen, wenngleich von Menschenhand gepflegten Umgebung der Karlsaue absetzt, ist Teil ihrer fortlaufenden Untersuchung zum Thema Schönheit und Gefahr. Ihre Arbeiten erkunden Vorstellungen von Eroberung sowohl im politischen Sinne der Besetzung eines Landes wie auch im amourösen Sinne – bezwungen, besiegt, bewegt zu werden – sowie verschiedene Funktionen und Formen von Täuschung; daher die für ihr Werk charakteristische Wandelbarkeit der Anordnung und Bedeutung ihrer Skulpturen. Dazu gehört untrennbar auch das Gefühl der Bedrohung, das durch Veränderung hervorgerufen werden kann.“ Wem das nicht reicht, für den hält die Weichschrifttumskammer noch 100 ‚Notes‘ bereit, 100 kleine Heftchen zum Schmökerpreis zwischen 4 und 8 Euro, quasi für jeden Documenta-Tag eines. Da schreiben Künstler, Kenner und Kuratoren Textwüsten für die gebildeten Stände. Soviel zum dicksten Angebot an sekundierender Sekundärliteratur einer Großausstellung.


Bürgerschloss

Sternenklar

Schreiben Sie Geschichte!

Entspannung, Genuss – und viele Sterne: das Hotel BUDERSAND

Text Wilhelm von Bodien

Text Tom Melzer

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Jeder, auch noch so kleine Betrag zählt. Viele Tropfen füllen das Meer! Jeder Spender gibt nach seinen Möglichkeiten, jeder mit Freude, damit Berlin als unsere gemeinsame Hauptstadt in seinem Zentrum wieder so schön wird wie früher. Dann wird das Werk gelingen! Finden Sie sich im Schloss persönlich wieder, jeder Spender mit mehr als 50 Euro wird dort individuell geehrt!

Fast alle der luxuriös ausgestatteten 79 Zimmer und Suiten verfügen über eigene Balkone oder Terrassen mit endlos freier Sicht in alle vier Himmelsrichtungen. Mehr als 200 Kunstwerke schmücken zudem das Hotel. Gemälde, Zeichnungen, Fotografien und Druckgrafiken von insgesamt 40 zeitgenössischen Künstlern ergänzen sich zu einer einmaligen Hotel-Kunstsammlung. Werke von Joseph Beuys, Bilder des japanischen Pop-Künstlers Yoshitomo Nara, des Amerikaners Benjamin Butler, des Richter-Schülers Thomas Schütte oder Werke von Vertretern der „Neuen Leipziger Schule“ lassen das Sammmlerherz höher schlagen. Von der Lobby über das Restaurant und die Gänge bis zu jedem einzelnen der 79 Zimmer und Suiten hängen die international angesehenen Werke.

s ist soweit: Das Berliner Schloss wird seit dem 21. Juni 2012 wieder aufgebaut! Der Wiederaufbau des Schlosses kann allerdings nur gelingen, wenn neben dem großartigen Engagement der bisherigen Förderer sich viele weitere Bürger ebenso damit identifizieren und für seine Rekonstruktion spenden. Der Staat finanziert zwar den modernen Kern mit den Museumsbauten im Inneren, gibt aber keine Steuergelder für die Rekonstruktion der historischen Fassaden. Das Schloss bleibt so in der Obhut einer gemeinsamen Initiative vieler Bürger, die dafür ihren Beitrag leisten. Es wird ein Bürgerschloss!

Für Ihre ganz persönliche Unterstützung sagen wir Ihnen schon heute unseren ganz besonderen Dank! Wilhelm von Boddien Geschäftsführer Förderverein Berliner Schloss e.V. Spendenkonto: 0772277 bei der Deutschen Bank Berlin, BLZ 10070000 www.berliner-schloss.de | info@berliner-schloss.de

as BUDERSAND Hotel - Golf & Spa - Sylt besticht bereits von außen durch seine moderne, helle Architektur. Mit großzügigen Glasflächen und Fassaden aus filigranen Holzelementen fügt sich das 5-Sterne-Superior Hotel behutsam in die raue Sylter Natur ein. Im Inneren vereint das BUDERSAND beispiellosen Genuss mit unzähligen Entspannungsmöglichkeiten und einem erlesenen Kulturangebot.

Wunderbar entspannen lässt es sich in der Bibliothek, in der 1.200 von Elke Heidenreich handverlesene Bücher zum Schmökern einladen. Kulturinteressierte finden im Salon.budersand ein hochkarätiges Programm mit Lesungen und ausgewählten Kulturveranstaltungen. Wer Entschleunigung für Körper, Geist und Seele sucht, ist in der ausgedehnten Spa-Landschaft auf 1.000 Quadratmetern perfekt aufgehoben. Und wer es gerne sportlich mag, kann sein Handicap auf dem 18-Loch-Golfplatz verbessern: Der Links-Course nach schottischem Vorbild ist eine echte Besonderheit. Im Hotel BUDERSAND werden aber auch die Gourmets unter den Gästen fündig: Das hauseigene Restaurant KAI3 steht für echte kulinarische Hochgenüsse. Küchenchef Jens Rittmeyer hat mit seiner nordisch angehauchten Küche und seinen exquisiten Gemüse-Kreationen einen Michelin-Stern für das Fine-Dining-Restaurant erkocht. Noch viel mehr Gourmet-Sterne erstrahlen im November über der Sylter Südspitze, wenn das Hotel BUDERSAND Gastgeber des Festivals der Sterne 2012 ist. Vom 4. bis zum 7. November hat Jens Rittmeyer befreundete Meisterköche, Wegbegleiter und Lehrmeister eingeladen – die 13 Gastköche bringen es gemeinsam auf 21 Auszeichnungen im Guide Michelin. Die Gäste des Festivals der Sterne dürfen sich auf köstliche Verheißungen der Spitzenklasse bei Luncheons, Workshops, und abendlichen Gala-Diners freuen. Zum Festival der Sterne 2012 bietet das Hotel BUDERSAND vielfältige Arrangements für kulinarische Momente, die individuell zusammengestellt werden können. Die Tagesund Abendveranstaltungen können einzeln oder zu mehreren sowie als Übernachtungs-Arrangement gebucht werden. So kostet beispielsweise die Teilnahme am Kaviar-Lunch am 6. November inklusive einer Übernachtung ab 294 Euro pro Person im Doppelzimmer. Weitere Informationen unter: www.festival-der-sterne.de oder www.budersand.de

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Bijou d’Artiste Künstlerschmuck – Kunst oder Kunsthandwerk? Text Denise Wendel-Poray Übersetzung aus dem Französischen Marietta Thien

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trägt, muss sich eine künstlerische Beziehung entwickeln; das sage ich auch immer meinen Sammlern – für einige ist es Max Ernst; für andere Braque oder Picasso. Von allen Künstlern hat sicherlich Picasso die Frauen und ihre Erotik am besten verstanden. Seine Medaillons zeigen sehr sinnliche Sujets. Der Faune ist am Ende der Voyeur, wie Picasso selbst einer war.

iana Küppers Sammlung von Künstlerschmuck, die sie in 30 Jahren zusammengetragen hat, besitzt heute einen zentralen Stellenwert. Ob Kupfer-, Messing- oder Golddraht, der von Alexander Calder zu Broschen und Ringen gebogen wurde, in Gold getriebene Medaillons von Picasso oder Masken von Max Ernst, Anhänger mit kleinen Rubinen und Diamanten von George Braque, emaillierte Stücke von Niki de Saint Phalle – die Sammlung erzählt „eine andere Geschichte“ von Werken der großen Künstler des 20. und 21. Jahrhunderts. Diana Küppers erklärt für nicolai, auf welche Weise eine kunstvolle Umsetzung des Gesamtwerkes und der Sprache bekannter Bildhauer und Maler in ihrer jeweiligen Schmuckgestaltung stattfindet. Sie betrachtet künstlerischen Schmuck als für sich stehende Arbeiten, in denen sich die künstlerische Ausdruckskraft der großen Meister z.B. im Kernstück eines kleinen Medaillons spiegelt.

Ab 1989 hatten Niki und ich den Wunsch, eine ganze Serie zu machen. Bis dahin gab es nur ein Schmuckstück von ihr, ‚Le Serpent Jaune‘ (die gelbe Schlange) von 1977. 1989 habe ich die Künstlerin dann mit Gian Carlo de Montebello, der sie kannte, in der Nähe von Paris besucht und wir haben mehrere Stücke geplant und ausgeführt.

Wann haben Sie sich zum ersten Mal für Künstlerschmuck interessiert?

Gibt es Künstler, die Sie noch gerne beauftragen würden?

Nachdem ich für die renommierte Pariser Galerie Charpentier 1962 in Köln eine Galerie eröffnete, habe ich als Kunstberaterin gearbeitet und 1978 eine große Ausstellung zum Thema Künstlerschmuck für die Colonia Versicherung in Köln organisiert in Zusammenarbeit mit Pariser Leihgebern und Sammlern. In Frankreich wurden in den 70er Jahren auf den Verkauf von Schmuck und sogar auf den Verkauf von Schmuck von Künstlern 33 % Steuern erhoben, so dass eine Zusammenarbeit und der Verkauf der Objekte in Deutschland sinnvoll war. Es kam somit zu einer Kooperation mit den Goldschmiedeateliers von Francois und Pierre Hugo, Gian Carlo Montebello in Mailand und Sven Boltenstern in Wien.

Es gibt vielleicht ein Projekt mit Gotthard Graubner, einer der wenigen Maler, der nicht auch Bildhauer ist. Wir haben viel Zeit damit verbracht, uns über ein Schmuckstück zu verständigen. Ich habe zu ihm gesagt: „Sie sind Maler, und als Träger für ihre kleinsten Objekte nehmen wir den gleichen Armreif, den Gian Carlo Montebello für Lucio Fontana verwendet hat. Dieser dient dann nur als Träger für das Objekt und z. B. eines Ihrer kleinen Kissen wird wie eines Ihrer Unikate getragen.

Sie haben bereits fertige Schmuckstücke erworben, aber auch bei Künstlern in Auftrag gegeben. Sie konnten von Niki de Saint Phalle außergewöhnliche Schmuckstücke entwerfen lassen, die heute in Ihrer Sammlung Stücke von seltener Schönheit darstellen.

Aber damit haben Sie Einfluss auf den Künstler bis zum fertigen Werk genommen.

Welche Rolle spielen Goldschmiede-Meister im kreativen Prozess?

Ja, aber man braucht das Vertrauen des Künstlers und die Gewissheit, dass man sein Werk nicht aus kommerziellen Gründen missversteht. Auch der Künstler muss die Freude an seiner Schöpfung bewahren. Er muss damit auch später im Alter noch zufrieden sein.

Die Goldschmiedemeister haben sich als geniale Handwerker hinter die Künstler gestellt, die die kreativen Träume der Künstler umsetzen, weil es dann ein Werk ist, das vom Künstler selbst kommt.

Kann es sein, dass Schmuck von vielen dieser Künstler zum Spätwerk gehören?

Die Qualität der Werke hängt nicht unbedingt mit der Wertigkeit des Materials zusammen.

Nein, bestimmt nicht. Die Arbeit ist meist das Werk eines goldschmiedenden Bildhauers. Ich habe im Jahr 2010 Günther Uecker als Künstler gebeten, zusammen mit Gian Carlo Montebello frühe Entwürfe auszuführen. Uecker war begeistert von der Idee, aber die Stücke waren am Ende, ob aus Gold oder Silber, ziemlich ausdrucksstark gearbeitet, wie das Werk von Uecker mit den charakteristischen Nägeln ist. Gibt es eine eigene Ethik in der Herstellung und der Bearbeitung von Künstlerschmuck? Sind wie bei einer Skulptur die Größe, das Material und die Nummerierung in einer Serie wichtig für die Reproduktion eines Werkes?

So sollte es in der Tat sein, ist aber nicht immer der Fall. Der Goldschmied wie auch der Händler, der die gesamte Arbeit präsentiert, tragen eine große Verantwortung. Der Goldschmied hat den Auftrag, das Schmuckobjekt zu fertigen und muss jedes Stück nummerieren und bezeichnen. Ich würde niemals zulassen, dass die zwischen dem Künstler und mir vereinbarte Stückzahl überschritten wird. Von allen Ihren Schmückstücken tragen Sie ‚Le Petit Faune‘ von Picasso am häufigsten.

Jeden Tag und das seit 32 Jahren. Was bedeutet Ihnen dieses Schmuckstück heute noch?

Wie Niki de Saint Phalle es sagte: „Schmuckstücke sind meine Glücksbringer. Sie beschützen mich und üben auf mich magische Kräfte aus“. Ich glaube, das gilt auch für mich und meinen ‚Petit Faune‘ von Picasso. Zwischen dem Schmuck und der Person, die ihn

nicolai | No 3 | Oktober – Dezember 2012

Stimmt! Außer bei Alexander Calder, der schon in den 30er Jahren Schmuck in seinem Atelier gefertigt hat, weil er keine Mittel für große Skulpturen hatte. Alles, was Calder entworfen hat, seine Mobilés, sein Marionettentheater, all die Schmuckstücke, die er selber gestaltet hat, hatte große Kontinuität. Wo befindet sich am Ende der Schmuckkünstler? Ist er näher dem Kunsthandwerk oder dem Kunstwerk zuzuordnen?

Man kann es betrachten wie die MikroVersion des Gesamtwerks, aber es darf nicht einfach eine Verkleinerung, sondern muss ein von großer Intensität getragenes Konzentrat sein. Man muss die Eigenheit des Künstlers respektieren und verhindern das große Serien aus kommerziellen Interessen geschaffen werden. Für mich ist Le Bijou d’Artiste das „Objet d’Art“ des Künstlers – wie ich es bereits in meinem Buch „KÜNSTLERSCHMUCK OBJETS D’ART”, im Jahr 2009 erläutert habe – ein kunsthandwerkliches Erzeugnis oder gleichermaßen wahres Kunstwerk … www.diana-kueppers-artinjewel.de

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nicolai

ZEITUNGSMAGAZIN FÜR KUNST, KULTUR, DESIGN & ARCHITEKTUR

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War nicolai schon wieder vergriffen? Für eine Portospende von 12 Euro verpassen Sie keine der nächsten 6 Ausgaben und jeder höhere Betrag unterstützt die Kulturarbeit von nicolai.

Bestellen Sie noch heute nicolai: per E-Mail an Marietta Thien: m.thien@velbrueck.de oder rufen Sie uns einfach an: +49-2254-836 03 18

Wir freuen uns auf Sie!


Artists Anonymous, Ausstellungsansicht mit aktuellen Arbeiten in der Lazarides Gallery, London. Die Ausstellung läuft noch bis zum 13. Otober 2012. Alle Fotos: © Ian Cox, Courtesy by Lazarides Gallery

Entfants terribles Die Artists Anonymous Text Edgar Abs

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er Name ist Programm. Artists Anonymous, kurz AA, nennt sich eine Künstlergruppe, die sich durch Anonymität den Gepflogenheiten des etablierten Kunstmarktes widersetzt und ihn zugleich durch ihren wachsenden Erfolg bestätigt. Ein Widerspruch, den diese Künstler meistern, indem sie das Paradoxon als ein Wesen der Kunst ansehen. Seit ihrer Gründung 2001 gehen sie in einer verblüffenden Mischung aus Künstlerdasein und Galeristentätigkeit in eigener Sache ihren kompromisslos autarken Weg, als Enfants terribles, oftmals unerkannt und maskiert, immer irritierend. Sie agieren subversiv und entwickeln ihre Kunstwerke gemeinsam in dem von ihnen neu entwickelten ‚negativen Verfahren‘, schaffen Rauminstallationen, verwirrend, psychedelisch, surreal. Die von ihnen behandelten Themen und Sujets sind provokant, gesellschaftskritisch und ironisch. Widerspruch und Mehrdeutigkeit sind ihre Stilmittel, um Eindeutiges und Unwahres zu entlarven und den Betrachter nicht selten mit unbeantworteten Fragen zurückzulassen. Nach eigener Aussage gehen sie das Risiko ein, extreme moralische Positionen und inhaltliche Standpunkte in ihren Arbeiten zu vertreten bzw. zur Diskussion zu stellen, um Kommunikation und Dialog zu ermöglichen. Der Betrachter und folglich der Rezipient ihrer Werke soll direkt angesprochen und zum Diskurs über Kunst und das was sie kann bzw. nicht kann angeregt werden. „Kunst im 21. Jahrhundert muss sich auf die Wirklichkeit beziehen. Der Künstler lebt nicht für sich selbst, macht keine Kunst, sondern Wirklichkeit. Unsere Themen sind Realität, denn Bilder zu malen, die nichts mit der Welt und der Wirklichkeit zu tun haben, ist nicht Kunst“, lautet eines ihrer Statements. Die Artists Anonymous spielen bewusst mit der Wahrnehmung von Realität und der damit einhergehenden Erwartungshaltung des Betrachters, indem sie ihre Motive durch das so genannte ‚negative Verfahren‘ umkehren. Ein Prozess, der nur durch die Technik des Malens und nicht etwa durch fototechnische Manipulationen entsteht. Die Bezeichnung „negativ“ wird durchaus auf die gemeinhin sprachliche Beurteilung zurückgeworfen, gleichbedeutend mit schlecht oder falsch. Mit dem Negativ(en) wollen die Künstler auf etwas Gegenteiliges hinweisen, auf etwas Anderes, das fehlende oder nicht sichtbare Gegenstück, letztlich auch auf das Unbekannte. Die Artists Anonymous erklären dieses Verfahren und die zugrundeliegende Idee folgendermaßen: „Negative Materie ist immer noch nicht wirklich erforscht oder verstanden und bildet eine ebenso große und umfassende Realität wie die uns bekannte positive. Durch das Gegenübersetzen von positiv und negativ kann eine Neutralisierung stattfinden, ein Ausgleich, ebenso, wie Spannung entsteht. Es gab bisher nicht die Frage, ob ein Bild negativ ist. Jetzt gibt es diese Perspektive, die sich in der Malerei sofort wieder ad absurdum führen lässt: Gerhard Richter hat uns vor Augen geführt, dass Farbe nicht unscharf sein kann. Ebenso wenig gibt es Farbe, die negativ ist. ,Wir malen negative abstrakte Bilder‘, ist ein Paradox, eine Unmöglichkeit in sich, die in der Unsicherheit, die sie erzeugt, den Punkt trifft, an dem unsere oder Kunst im allgemeinen stattfindet. Von einem positiven Nachbild wieder ein Ölgemälde herzustellen, das dann farblich richtig, also positiv, doch per definitionem ein negatives Bild ist, beschreibt das Paradox. Denn das Bild stellt das Negativ von etwas real Existierendem dar.“

Dieses künstlerische Prinzip findet seine Entsprechung in der generellen Arbeitsweise der Künstlergruppe und mündete schließlich auch in der Namensgebung, die eine klare Position zum Kunstmarkt darstellt. Auch wenn die Sammler die Künstler durchaus persönlich kennen, wissen sie doch nicht, wer von ihnen welchen künstlerischen Anteil an dem jeweiligen Werk hat. Die Urheberschaft bleibt unerkannt, Rückschlüsse auf die Person des Künstlers sind nicht oder nur bedingt möglich. „Einige der Sammler kennen uns nicht persönlich, mit anderen hat sich eine sehr freundschaftliche Beziehung aufgebaut und der persönliche Kontakt ist sehr wichtig, aber unsere Anonymität wird besonders in diesem Zusammenhang oft missverstanden. Wir sind nicht als Personen anonym und müssen es auch nicht sein. Es ist nicht notwendig unsere Gesichter zu verstecken oder Namen zu verheimlichen, denn die Kunst selbst ist ja anonym, und darum ging es uns von Anfang an und geht es immer noch. Die Kenntnis des Künstlers und Urhebers wird immer unmittelbar die Bewertung und Interpretation des Kunstwerkes beeinflussen. Eine von einer weiblichen Person geschaffene Arbeit wird anders beurteilt werden, als die von einer männlichen Person kreierte; sie wird nach Alter, Herkunft und anderen Attributen des Künstlers bewertet. Unsere Werke sind immer ein ‚Artist Anonymous‘, ein Kunstwerk mit unbekannter Herkunft, das so wie es ist, ohne den Zusatz der Künstlerpersönlichkeit, überzeugen muss.“ So Maya van Malden, eine Stimme der „anonymen“ Künstler.

Im Dumont-Verlag ist das großformatige Buch ‚Artists Anonymous. The Apocalyptic Warriors‘ erschienen. 264 Seiten, Hardcover, EUR 39,95, ISBN 978-3-8321-9222-8. artists-anonymous.com

Dieser sehr komplexe Ansatz durchzieht sämtliche Arbeiten der Artists Anonymous, die jeweils eine Negativ- und eine Positiv-Version eines Motivs schaffen. Es existieren also immer zwei Bilder innerhalb eines Werkes, die wie die zwei Seiten einer Medaille zu verstehen sind. Erst in ihrem untrennbaren Zusammenhang erhalten sie ihre Bedeutung.

nicolai | No 3 | Oktober – Dezember 2012

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nico Kunstvolle Neuigkeiten für Kinder und Jugendliche Zusammengestellt von Wiebke Ollendorf

Bauhaus für jugendliche ab 10 jahren

Mit Tipp Tapp durch die Wörterwelt brausen

Fotografieren, illustrieren, werben – Workshops im Bauhaus Dessau

Fünf Hunde, ein Faultier, drei Gänseblümchen und ein Mädchen mit Fahrrad bevölkern den Bildschirm des Computers. Eine flink von Kinderhand, nicht Zauberhand, getippte bunte Geschichte. Mit Tipp Tapp von Anouck Boisrobert und Louis Rigaud können Kinder ihre eigenen animierten Bildergeschichten erfinden und sofort am Bildschirm entstehen lassen. Das interaktive Bildwörterbuch Tipp Tapp macht die Computertastatur zur Spielekonsole. Seine grafisch abstrahierten Illustrationen sehen aus, als wären sie aus farbigem Transparentpapier ausgeschnitten. Genauso erscheinen sie auch auf dem Bildschirm, sobald das zum Bild passende Wort getippt wird. Besonders schön: Die Farben der Flächen mischen sich hier genauso transparent wie im Buch. Und die Dinge sind in Bewegung.

Das Bauhaus Dessau lädt Jugendliche ab zehn Jahren ein, seine historischen Werkstätten und Produktvielfalt kennenzulernen: Möbel, Lampen, Schmuck, Typografie, Fotografie und Architektur. In verschiedenen Werkstätten machen sie sich auf eine Reise in die Bauhausgeschichte und in das Bauhausdesign. Unter professioneller Anleitung können die Jugendlichen werken, installieren, fotografieren, werben und gestalten. Was war das Besondere an der Bauhausfotografie? Wie können wir heute das Bauhaus und seine Designprodukte ablichten? Mit Kameras und dem Neuen Sehen der Dessauer ausgestattet, fotografieren die Jugendlichen das Bauhaus aus vielen Perspektiven. Sie haben dabei Gelegenheit, mit dem Medium und den Objekten zu experimentieren, die Gesetzmäßigkeiten zu erkunden oder auch eine fiktive neue Lebenswelt zu erschaffen.

SEin buntes Wunder erleben mit dem Mitmachbuch

Der französische Künstler Hervé Tullet hat ein zauberhaftes und scheinbar ganz einfaches Kinderbuch zum Mitmachen gestaltet. Tullet fordert Kinder ab zwei Jahren auf, aktiv zu werden. Los geht es mit einem gelben Kreis. Ein Druck mit dem Finder genügt, und beim Umblättern werden aus einem gelben Kreis zwei, drei und später viele. Reibt das Kind über die Punkte, wechseln sie die Farbe: gelb, rot, blau. Und mit ein bisschen Schütteln bringt das Kind die Kreise durcheinander, oder es kippt sie ganz aus dem Bild. Das macht Spaß. Kleinkinder lernen mit dem Mitmachbuch die Farben, sie zählen oder bestimmen Lage und Ort der Kreise. Und sie erleben ihr buntes Wunder. Hervé Tullet, Mitmachbuch, Velber Buchverlag, 11,95 Euro

Wie wird aus einer Vorstellung, aus einem Gefühl eine aussagekräftige Form? Wie lässt sich mit nur wenigen Strichen die Architektur des Bauhauses einfangen, und zwar von innen und außen? In diesem Workshop lernen Kinder und Jugendliche etwas über Perspektive und Bildausschnitte, über Strichführung, Linienstärken und unterschiedliche Zeichenstile. Nebenbei kommen sie so zu ihrem eigenen Stil. Um eigene Ideen vermitteln zu können, muss man auch beschreiben, illustrieren und werben können. Deshalb experimentieren die Teilnehmer in der Werkstatt Reklame mit Typografie und Grafik. Am Ende steht vielleicht ein Werbe-Flyer für das eigene Möbel, die eigene Designidee oder aber auch für den beliebten BauhausKlassiker aus der Dessauer Zeit. In der nächsten Bauhauswerkstatt geht es um Reklame. Sie findet vom 17. bis 18. November von 10 bis 15 Uhr statt. Anmeldung unter Telefon 0340 / 6508 320 oder unter museumspaedagogik@bauhaus-dessau.de Teilnahmegebühr: € 20,– (inkl. Mittagessen), ab 10 Jahre Übrigens: Die Teilnehmer können während des Workshops im historischen Ateliergebäude im Bauhaus wohnen. (EZ: 35, - Euro/DZ 55,-Euro, Buchung unter Tel. 0340-6508318)

nicolai | No 3 | Oktober – Dezember 2012

Meisterzeichner im Bonner Kunstmuseum Immer dienstags treffen sich im Atelier des Kunstmuseums Bonn Kinder ab acht Jahren, die gerne zeichnen und das Handwerkszeug dafür von Grund auf lernen wollen. Erst genau hingucken, dann das Gesehene aufs Papier bringen. Dabei schulen die Kinder ihre Fantasie und die eigene Handschrift. Der Meisterzeichner-Kurs baut auf die kontinuierliche Entfaltung der Talente, er findet jeden Dienstag von 16 bis 18 Uhr statt. Karten gibt es an der Museumskasse.

Tipp Tapp bebildert die Lebenswelt von Kindern und stellt jedem Bild das passende Wort zur Seite. Die Spieler im Erstlesealter können z. B. einen FROSCH oder mehrere FRÖSCHE auf den Bildschirm schicken, und zwar in sechs verschiedenen Größen von winzig bis gigantisch. Dazu müssen sie lediglich die CD in den Computer schieben und das Spiel starten. Sobald sie ein Wort aus dem Buch eintippen und auf Eingabe drücken, erscheint es als Bild auf dem Bildschirm. Auf Groß- und Kleinschreibung kommt es nicht an, allerdings auf die korrekte Schreibweise des Wortes in Ein- oder Mehrzahl. Ist ein Wort falsch geschrieben, dreht sich die Schrift auf dem Bildschirm solange um sich selbst, bis es korrigiert wird.

Wo? Kunstmuseum Bonn Wann? Immer dienstags von 16–18 Uhr 3,50 Euro pro Kind/Termin www.kunstmuseum-bonn.de Foto: © Kunstmuseum Bonn

Tipp Tapp versammelt eine große Auswahl an Menschen, Tieren, Pflanzen und Gegenständen, mit denen die Kinder immer wieder neue animierte Bilder kreieren können. Sie können über Jahres- und Tageszeit bestimmen. Auch auf Farbe und Größe der Dinge auf dem Bildschirm haben die Spieler Einfluss. Wer Lust hat, kann einen Sturm durch sein Bild brausen lassen, der sogar die Berge umwirft. Und wer keine Lust mehr hat, speichert sein Bild einfach ab oder druckt es sich aus. Anouck Boisrobert/Louis Rigaud, Tipp Tapp, Jacoby & Stuart, 19,95 Euro

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Paul McCarthy, The Box, 1999, Mischtechnik, Holz, 594 x 1666 x 404 cm Staatliche Museen zu Berlin, Friedrich Christian Flick Collection im Hamburger Bahnhof, Ausstellung Neue Nationalgalerie Berlin 2012, © Paul McCarthy, Foto: Wolfgang Siesing

Backstage: Kunst ‚The Box‘: Paul McCarthys Atelier und der Blick in die Seele des Künstlers Text Stefanie Zobel

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m Berliner Glaspalast der Kunstpräsentation – der modernistischen Ikone der Neuen Nationalgalerie – erwartet die Besucher derzeit nicht viel. Auf den ersten Blick. Leere, Weite – und eine schlichte Holzbox. Die rohe Holzkiste weist allerdings imposante Maße auf, da könnte man gar an einen Schiffscontainer denken. Betritt man die Glashalle, sieht man erst einmal lediglich die Rückseite des hölzernen Objekts, das schräg in den Raum gestellt ist. Auf der gegenüberliegenden Front erst offenbart sich die Installation des amerikanischen Künstlers Paul McCarthy dem Betrachter. Durch eine fenstergroße Öffnung kann man hineinsehen in sein Universum: „The Box“ (1999) zeigt sein reales Studio mitsamt einer unüberschaubaren Vielfalt an Dingen und Relikten: Kistenstapel, Aktenregale, Zeichentisch, Videoschnittpult, Tapes über Tapes und vieles an kreativem Handwerkszeug mehr. Das Ganze subsumiert sich im Auge des Betrachters zu einem Sammelsurium, das zwischen willkürlichem Chaos und wohldurchdachter, kleinteiliger Installation changiert und den Zuschauer nicht loslässt. Schon drängeln die nächsten Besucher, denn sehen kann man am besten von wenigen Holztritten aus, die vor der Box aufgestellt sind. Steht man erst einmal oben, dann kann bei aller Neugier auch ein Moment der Enttäuschung aufkommen. Was ist das alles hier? Bei manch einem mag die viel zitierte Frage aufkommen: „Ist das Kunst – oder kann das weg?“ Dieser populäre Kunstbranding-Spruch wird dann aber doch wieder ernst. Banale Alltagsgegenstände verfremden sich wieder zu genau dem, was sie eigentlich sind, oder sie tricksen den kunstbeflissenen Betrachter aus: Ist das nun eine im Baumarkt erstandene 0815-Deckenleute – oder eine konzeptionelle Wandarbeit wie etwa bei Dan Flavin? Selbst ein schnöder Lüftungsschacht erinnert an eine schlichte Skulptur des Minimalismus. Die Konzeption von „The Box“ geht zurück auf ein älteres Projekt und einen Raum des Kunstschaffenden - auf einen langen, scheunenähnlichen Raum, den McCarthy seit den 1970er Jahren in Pasadena in Kalifornien als Atelier nutzte. Für ein Ausstellungsprojekt im Jahr 1999 beschloss er dann, den gesamten Inhalt seines Ateliers – Tische, Werkzeuge, weitere Geräte und Kisten voller Material, das sich seit 30 Jahren angesammelt hatte – fotografisch festzuhalten, zu beschriften, an die Ausstellungslocation zu transportieren und dort als inszeniertes Atelier in den ursprünglichen Maßen wiederaufleben zu lassen. Damit erreichte der Künstler einen Moment des Ungleichgewichts - vom Raum und von den Gegenständen, die ihn bevölkern - indem er alle dreitausend Objekte vom großen und schweren Stahlschrank bis hin zum filigranen Schreibgerät auf Holzplatten befestigte und die ganze Chause um neunzig Grad zur Seite kippte. Im installierten Resultat vermischen sich auf ebenso simple wie gedanklich komplexe Weise Lebens- und Kunstort, Kunst und Architektur.

nicolai | No 3 | Oktober – Dezember 2012

Solche markanten und radikalen Eingriffe zeichnen den amerikanischen Künstler Paul McCarthy (geboren 1945 in Salt Lake City) aus, der mit sozialkritischen, ironischen und körperbetonten Performances und Installationen über unsere heutige Welt der Massenmedien und des Konsums samt ihrer Ikonen weltweit bekannt geworden ist. Die Nationalgalerie präsentiert nun mit „The Box“ endlich wieder ein Hauptwerk dieses außergewöhnlichen Künstlers, das seit über zehn Jahren nicht mehr für die Öffentlichkeit ausgestellt wurde. Raum und seine Fülle oder Leere spielen eine große Rolle im Œuvre des amerikanischen Künstlers. Nicht zuletzt die zugleich paradoxe und doch letztlich logische Parallelisierung von Anhäufung und Leere, wie sie „The Box“ in Berlin geradezu beispielhaft verkörpert, zieht sich durch viele seiner Arbeiten der letzten Jahrzehnte. Eine vielleicht sogar existentiell verstandene Enge und Einschließung von Raum in seinen Werken ist eben nichtsdestotrotz an Momente des Offenen, Weitens angeschlossen, denkt man zum Beispiel an die bühnen- und kulissenartigen Bauten, Häuser und Boxen, die er installiert hat. Sie stehen für Alltags- und Lebensräume, künstliche Welten wie von Disneyland oder Kulissen wie von Hollywood. Der amerikanische Traum wurde dabei auch schon mal zum obszön-sexuellen Abgrund hinter der puritanischen Kulisse oder überhaupt zum Alptraum im kritischen Visier des stets konzeptionell denkenden und arbeitenden Kunstschaffenden. Die künstlerische Arbeit und der Raum. Das Atelier. Dieser Topos, der sich in zahllosen Interieurs und Atelieransichten durch die Kunstgeschichte zieht, hatte bereits historisch viele Facetten: die Werkstatt, der Ort des kreativen Schaffens, die Wirkungsstätte des Genies, der Imaginationsraum. Auch heute, in der „Post-Studio Era“ der digital und weltweit vernetzt, ortlos und ubiquitär tätigen Multimediakreativen, hat sich das Thema noch längst nicht erledigt. Wie auch immer es aussehen mag, und wie oft der Kunstschaffende dort anwesend sein mag, jeder Künstler hat so etwas wie einen Atelierraum. Sei es eine klassische Werkstatt mit Werkzeug, ein White-Cube-Atelier, ein multimedial aufgepimptes Büro oder ein privates Hinterzimmer mit Laptop oder Staffelei. Künstler sind heute vielleicht temporär als Kunstnomaden auf Ausstellungstournee zwischen Hotelzimmer, Museum und Messehalle auf Durchfahrt, aber nicht ortlos. Während etwa sein Landsmann Bruce Nauman in der legendären Arbeit „Mapping the Studio“ (2001) mit der Videokamera sein Studio aufnimmt und in dem Versuch der Vermessung des Ortes gerade das Scheitern dieses Experiments ausstellt, versucht McCarthy Ähnliches mit den realen Objekten im Ausstellungsraum. Bei beiden geht es auch um das Verhältnis zwi-

schen Künstler und Atelier. Das bedeutet immer ein Schwanken zwischen Mythos und Negation, zwischen Stilisierung und Banalisierung der Künstlerwerkstatt. Daran ändert sich nichts, obwohl das Atelier im traditionellen Sinn bereits vielfach für tot erklärt und dessen Status als präferierter und priorisierter Ort der künstlerischen Produktion relativiert wurde. Die Künstler brauchen diesen Ort immer noch. Und (manchmal) wollen sie ihn zeigen, manchmal nicht. Wir wollen ihn (fast immer) sehen. Das Atelier im Kunstbetrieb auszustellen beinhaltet immer zwei Seiten einer Medaille. Der exhibitionistische Moment der Selbstentblößung des Künstlers und seines kreativen Inneren – über die Sichtbarmachung des zwischen privat und öffentlich changierenden Zwischenraums des eigenen Ateliers steht auf der einen Seite. Auf der anderen Seite stehen wir, die Neugierigen, Interessierten, wenn nicht sogar auf voyeuristische Einblicke hoffenden Kunstzuschauer, die neues, nur Insidern bekanntes Hintergrundmaterial fürs Auge erhaschen wollen. Mehr sehen, hinter die Kulissen schauen, quasi on Backstage in der Kunst. Damit hoffen wir vielleicht darauf, einen kurzen Blick in die Seele des Künstlers zu werfen. Das ist im Fall von Paul McCarthy in der Tat nicht ganz uninteressant. Was für ein Mann ist das, der mit zynischen Arbeiten zu Spießermoral und Sexismus immer genau dahin haut, wo es weh tut? Bei ihm sieht man, was einerseits den Voyeurismus schürt, andererseits sich dann aber wieder in die Abwendung davon verkehrt. Wer will das am Ende noch sehen? Sex sells auch im Ausstellungsbetrieb – aber Sexorgien, Perversionen und der ganze Horror einer amerikanischen (und nicht nur dieser) Gesellschaft, die das ganze Unliebsame, nicht Gewollte, die Schattenseiten ihrer Selbst unter den Teppich kehrt. Da sieht es in der „Box“ hingegen doch recht ordentlich und konventionell aus. Organisierte Subversion, made by McCarthy. Wie viel kann dieses Studio also offenbaren? Zumal - ist das Atelier erst mal ins Museum verfrachtet, es doch kein Originalschauplatz mehr ist. Es ist Exponat. Der Künstler zeigt hier nur, was er will. Was er freigibt. Immer auch ist es ein Spiel mit dem Betrachter. Mit der Sehnsucht nach Einblick in die Tiefen nicht nur der amerikanischen, sondern in Pauls Seele. Doch die bleibt uns unzugänglich. „The Box“ ist das Atelier. Nicht mehr und nicht weniger.

„The Box“ ist bis zum 4. November 2012 in der Neuen Nationalgalerie zu sehen. Das Werk gehört zu den zahlreichen Dauerleihgaben der „Friedrich Christian Flick Collection im Hamburger Bahnhof“. Zur Ausstellung wird eine Publikation erscheinen. www.smb.museum

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nicolai

Mythos Atelier Im Atelier offenbart sich das Geheimnis

ZEITUNGSMAGAZIN FÜR KUNST, KULTUR, DESIGN & ARCHITEKTUR

Text Clemens Hofmayer

SIE N E G A S RE UNS IH NG! MEINU

Ihre Meinung und Wünsche sind uns wichtig!

Nicolai, das Zeitungsmagazin, ist überall für Sie da – via E-Mail, im Web und auf Facebook.

www.nicolai-mag.de

alexandra.wendorf@nicolai-verlag.de

www.facebook.com/Nicolai.Zeitungsmagazin.de

Wir freuen uns auf Sie!

Pablo Picasso, Das offene Fenster (Das Atelier des Künstlers), 1929, Öl auf Leinwand, 130 x 162 cm Staatsgalerie Stuttgart, Sammlung Steegmann, © Succession Picasso / VG Bild-Kunst, Bonn 2012

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em Atelier als Ideenschmiede und Entstehungsort von Kunst geht die Große Landesausstellung 2012 der Staatsgalerie Stuttgart ab dem 27. Oktober detailliert nach und unternimmt eine Reise durch 200 Jahre Kunstgeschichte. In dieser erstmaligen Überblicksschau werden umfassend die Bedeutung des Künstlerateliers und seine Darstellung in der Moderne aufgezeigt. In den verschiedenen Medien der Malerei, Fotografie, Videokunst und in raumgreifenden Installationen präsentiert die Ausstellung nahezu 200 Werke von der Romantik bis zur Gegenwart in spannenden und oftmals unverhofften Dialogen. Mit der Atelierdarstellung als Ausgangspunkt der Selbstreflexion und Selbstdarstellung des Künstlers wird die Frage, wie der Künstler über sich selbst nachdenkt, nicht nur gestellt sondern versucht, eingehend zu beantworten. Die Schau beginnt chronologisch mit dem Atelier im frühen 19. Jahrhundert. Hier wird das Atelier als Ort künstlerischer Schöpfung zu einem zentralen Bildthema in der Kunst. In der Romantik als Raum der Konzentration auf innere Bildwelten für Maler wie Caspar David Friedrich und Carl Gustav Carus oder als Zufluchtsort gesellschaftlich geächteter Künstler im Umfeld des Impressionismus in Frédéric Bazilles „Atelier“. Auch als prunkvoller Repräsentationsraum von Malerfürsten wie Hans Makart erfährt das Künstleratelier im 19. Jahrhundert eine kultische Aufwertung. Es folgt die Atelierdarstellung in der Moderne, in der es seine wichtigste Ausprägung findet. Zentrale Atelierbilder des frühen 20. Jahrhunderts wie das Gemälde „Atelier des Künstlers am Brandenburger Tor in Berlin“ (1902) von Max Liebermann leiten über zu Schlüsselwerken der Klassischen Moderne von Pablo Picasso, Henri Matisse, René Magritte, Ernst Ludwig Kirchner, Gabriele Münter, Giorgio de Chirico, Georges Braque, Max Beckmann oder Alberto Giacometti, dem eigens ein eigener Raum mit Fotografien, Skulpturen, Gemälden und originalen Atelierwandfragmenten gewidmet ist. Die Atelierdarstellung in der Gegenwart zeigt schließlich das Atelier als Fabrik, Büro und soziales Netzwerk, wobei seit den 1960er Jahren erneut eine intensive und teils kritisch-ironische Beschäftigung mit dem Mythos des Künstlers und seines Ateliers einsetzt. Bruce Nauman, Joseph Beuys, Dieter Roth, Paul McCarthy und Lois Renner erweitern die Atelierdarstellung mit Installationen, Videokunst und Computertechnik medial und inhaltlich in der Verknüpfung des Ateliers als Lebensraum, Labor und Bühne. Der Kuratorin Ina Conzen ist es gelungen, für diese Ausstellung nicht nur thematisch schlüssige Beispiele sondern auch bedeutende Hauptwerke der modernen und zeitgenössischen Kunst zu versammeln, sowie u. a. die bedeutende 7-Projektoren-Installation „Mapping the Studio“ (2001) von Bruce Nauman zu präsentieren und die originalgetreue Rekonstruktion des Ateliers von Piet Mondrian nach Stuttgart zu holen. Mythos Atelier: Von Spitzweg bis Picasso, von Giacometti bis Naumann, Große Landesausstellung Baden-Württtemberg, bis zum 10.02.2013 in Stuttgart. Weitere Informationen: www.staatsgalerie.de


Künstler-Lofts Heim-Arbeit unter‘m Dach Text Ralf Hanselle

„Die Grenze ist der eigentliche Ort der Erkenntnis“ hat der Theologe Paul Tillich einmal behauptet. Was aber, wenn es keine Grenzen gibt? In den Künstler-Lofts vom Martin Eder, Torsten Warmuth und Max Friesinger (v.l.n.r.) sind die Grenzen zwischen Arbeits- und Lebensbereich nur schwer auszumachen – ein schwarzer Vorhang, angedeutete Verpackungskisten, eine Skulptur als Raumteiler. Doch reicht das schon aus, um die private von der künstlerischen Person zu trennen? Die Künstler jedenfalls fühlen sich wohl in dieser räumlichen Einheit. Fotos: © Andreas Muhs

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igentlich ist ein Loft ein Dachboden. So sagt es zumindest das Wörterbuch. In alten Fabriketagen und ehemaligen Industriebauten jedoch haben namhafte Künstler das Loft-Living zu einem Mythos gemacht. Nirgendwo kann man das zur Zeit besser beobachten als in der Kunstmetropole Berlin. nicolai ließ sich von drei namhaften Berliner Künstlern durch ihre Wohnateliers führen. Im Zentrum der Kunst steht fast immer ein Traum. Einer, wie ihn zum Beispiel Martin Eder geträumt hat. Ein Traum von Kindfrauen, Katzen und Kanarienvögeln. Sie sind das Grundrepertoire der zwischen Erotik und Surrealismus chargierenden Bilder des in Berlin lebenden Malers. Mitten in Eders Loft-Atelier in einem zweiten Hinterhof an der Berliner Brunnenstraße steht sein Traum-Utensiel: Ein karges altes Himmel-Bett. Der großgewachsene langhaarige Mann, der mit seinem Mix aus Trash und Nacktheit zu den Stars der neuen deutschen Malerei avancierte, nutzt diese von seinem Urgroßvater ererbte Schlafstätte indes nur noch selten. Nicht, weil es für ihn nichts mehr zu Träumen gäbe. Doch um das Bett herum steht meist sein Werkzeug: Leinwände, Farben, Frauenbilder. Es riecht nach Ölfarben und Lösungsmitteln. Was dem Auge als schönes Märchen erscheint, schlägt sich in der Nase als gewöhnliche Arbeit nieder. „Früher“, sagt Eder, „war in dem Loft eine Druckerei untergebracht. Da gab es hier Zwischenwände und nackten Estrich“. Mit Hilfe einer Architektin aber habe er das umgestaltet. Er habe Wände herausreißen und dunkles Massivparkett verlegen lassen. Sieben Jahre sei das jetzt her. Sieben Jahre, in denen Martin Eder auf einer geräumigen Fabriketage nicht weit entfernt von der einstigen Berliner Mauer einen alten Künstlertraum zu realisieren versucht hat: Die Vision von der räumlichen Einheit aus Arbeit und Leben. Eine Vision, die bereits viele vor ihm hatten: Robert Rauschenberg zum Beispiel oder Andy Warhol. Der hatte 1962 in einem alten Industriebau in Manhattan seine legendäre Factory eröffnet. Vielleicht die Geburtsstunde des modernen Loft-Livings. An die industriellen Wurzeln erinnert auch im Atelier von Martin Eder noch vieles: die großen Raumhöhen, der durch Stützen gegliederte offene Grundriss, die lichtdurchfluteten hohen Fenster. Ideale Bedingungen für eine Arbeit mit Fantasien und Farben. „Meine unmittelbaren Arbeitsplätze – Schreibtisch und Staffelei - befinden sich genau an den richtigen Stellen. Ich habe das mit einer Wünschelrute nachgemessen“. Es sind Sätze, die ungewöhnlich sind für einen aufgeklärten

nicolai | No 3 | Oktober – Dezember 2012

Urbanisten. Eder indes spricht sie mit einer Selbstverständlichkeit aus, bei der man nie weiß, wo die Wirklichkeit endet und wo sein Märchen beginnt. Das hat vielleicht Ähnlichkeit mit seinen Bildern. In der Welt von Martin Eder ist alles ein wenig unbegrenzter. Und das gilt selbst fürs Badezimmer. Statt auf feste Trennwände, setzt der Künstler auf dunkle, feste Vorhangstoffe. Ob ihn diese Blickfreiheit nicht manchmal auch nerve?: „Ach was“, sagt Eder. Er sei doch eh meistens alleine hier. Alleine, mit ein paar ausgewählten Designstücken, mit Flohmarkt-Funden, mit sakralem Kitsch. Eigentümlich still ist es in dem riesigen Loft. Nur ein paar Kinder johlen von einem Bolzplatz herüber. Es ist ein Raum zum Gedanken-Sammeln. Ein Ruheraum. Ganz anders, als der Rummel, der da draußen, jenseits einer schweren Eisentür, um den 44-jährigen Malerstar gemacht wird. Diese Stille ist auch für Torsten Warmuth wichtig. Die Stille und die Dunkelheit. Seit fünf Jahren bewohnt der Fotokünstler ein Loft-Atelier inmitten eines Gewerbehofes an der angesagten Kreuzberger Bergmannstraße. Wer das karge Treppenhaus bis in die vierte Etage erklimmt, der wird zunächst von Bildern empfangen: Ein Mann huscht da eine Straße hinunter; eine Frau posiert vor Fensterscheiben. Es sind Bilder, wie sie typisch sind für Torsten Warmuth. Riesige Bilder. Monochrom. Fotografisch. Sie bevölkern die Schneise von der Eingangstür in den Wohnbereich. Dahinter liegt Warmuths Dunkelkammer - ein Raum ohne Fenster; ein Reich ohne Sonne. Sie ist der eigentliche Arbeitsplatz des 43-jährigen - zu erreichen nur über eine Drehschleuse. Wie in einer Hexenküche lagern hier Chemikalien, Wasserbäder, Rezepturen. Fotografen sind eben Magier: Leute, die Licht trennen von der Dunkelheit. Licht gibt es ansonsten in diesem Loft zur Genüge. Gleich von zwei Seiten scheint es durch die weiß-gerahmten Industriefenster hinein. Auch in dem Atelier von Torsten Warmuth hat sich bis vor wenigen Jahren eine Druckerei befunden. Die aber musste irgendwann weichen. Zu attraktiv geworden ist das Loft-Living - nicht nur für Künstler; auch für Vermieter. In den letzten Jahren haben sie vielen alten Gewerbenutzer gekündigt und durch neue Kreative ersetzt - durch Architekten, Designer, Werbefachleute. Sie fühlten sich angezogen von dem Lebensstil der freien Künstler. Die architektonische Einheit von Arbeit und Leben ist eben längst nicht mehr nur Künstler-Lifestyle. Der Bohèmian von einst ist zum Wohn- und Wirtschaftsmodell für die vielen hektischen Freelancer an den Workdesks der Kreativwirtschaft geworden – für die, für die alles fließt: Identitäten, Ideen und Interieurs.

Dabei hat die geräumige Raumsymbiose durchaus ihre Tücken. Sie verändert die Work-Life-Ballance. Wenn alles eins ist, ist nichts mehr anders. Das Leben wird zum Gesamtkunstwerk. Torsten Warmuth hat vorsichtshalber ein paar Wände einziehen lassen. Wenigstens im Schlaf- und im Badbereich. Das sei angenehmer, sagt er. Falls Besuch komme. In dieser Hinsicht denkt Warmuth anders als Martin Eder: „Es muss ja nicht gleich jeder aufs Bett gucken“. Für den Installationskünstler Max Frisinger jedoch gehört solch ein Bett-Blick dazu. In gewisser Weise ist er sogar Teil seiner Kunst. Dabei geht es ihm nicht um das eigene Bett – das hält auch er in seinem Loft hinter nachträglich eingezogenen Wänden versteckt. Es geht um das, was Frisinger am Straßenrand findet: Um Matratzen, Bettgestelle, Sperrholzstücke. Für den 31-jährigen sind sie der Rohstoff der Kunst. Aus zivilisatorischem Unrat formt der gebürtige Bremer oft meterhohe Großskulpturen; aus Durcheinander schafft er Ordnung; aus Tohuwabohu feste Struktur. Vor einem Jahr erhielt er dafür sogar den Kunstpreis START des Kunstmuseums Bonn. Kein Wunder also, dass es in Frisingers Erdgeschoss-Atelier im dritten Hinterhof einer Kreuzberger Gewerbeanlage zumeist ein wenig chaotisch aussieht. „Es gibt Leute, die halten mein Loft für ein Sammellager“. Paletten, Schnüre, Wegwerfstücke. Doch Frisinger behält bei all dem Chaos den Überblick. Er mag es, wenn er vom langen Küchentisch aus mitten auf die angefangenen Werke schaut – er braucht dieses Switchen zwischen Arbeit und Rückzug. Nur zu groß dürfen seine Skulpturen niemals werden. „Alles, was ich erschaffe, muss am Ende wieder durch die Tür hinaus“. Max Frisinger deutet auf ein altes, grün gestrichenes Lieferantentor am Ende der Küche. Hier also stoßen auch Künstlerträume an ihre Grenzen. Hier muss der Freigeist mit dem Werk durch die Wand.

Martin Eder : Galerie EIGEN + ART, Leipzig und Berlin Thorsten Warmuth: Galerie art aspects, Berlin Max Frisinger: Galerie CONTEMPORARY FINE ARTS, Berlin

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Agenda & Guide News, Termine, Veranstaltungen & Service rund um Kunst und Kultur

BABTISTE DEBOMBOURG „THE GARDEN OF AGONY“ BIS 27.10.2012

ABRAHAM DAVID CHRISTIAN ‚INTERCONNECTED‘ EINE AUSSTELLUNG DER GALERIE UTERMANN IN DER EV. STADTKIRCHE ST. REINOLDI BIS 28.10.2012

NARREN. KÜNSTLER. HEILIGE. Lob der Torheit BIS ZUm 2.12 2012 IN DER BUNDESKUNSTHALLE, BONN

Günther-Peill-Stiftung David Claerbout und Peill-Stipendiaten 2010–2012: bis 25.11.2012

David Claerbout, Foto: © Peill-Stiftung, Düren Abraham David Christian, Interconnected Sculpture, Bronze, Foto: Courtesy of Galerie Utermann

Baptiste Debombourg, Aggravure XVII (AGONY), 150 x 120 cm, Staples on wood, 2012. Foto: © Courtesy of krupic kersting galerie || kuk

In seinen Skulpturen und Installationen thematisiert Baptiste Debombourg (geb. 1978, lebt und arbeitet in Paris) die Hinterlassenschaften des Konsums sowie den medialen Umgang mit apokalyptischen Gewaltszenarien. Seine Werke sind das Ergebnis von Transformationen. Sie erzählen von der Dekonstruktion des Verbrauchten und dessen Neuinterpretation. Für seine Kölner Ausstellung AGONY IN THE GARDEN schafft er eine Serie von ‚Aggravures‘, in denen er sich kritisch Themen wie Religion, Gewalt und Liebe widmet. Seine ‚Aggravures‘ sind filigrane ‚Zeichnungen‘, die unter Verwendung tausender Heftklammern auf Holzträgern oder direkt auf Putz entstehen. Die Entwicklung dieser neuen Technik steht im Dienst einer Neuinterpretation der ikonographischen Themen der westlichen Kunst. Debombourg übernimmt die Kraft dieser Symbole und aktualisiert sie entsprechend.

Eine Ausstellung mit großformatigen Skulpturen und Zeichnungen des Künstlers Abraham David Christian (*1952) zeigen wir in der evangelischen Stadtkirche St. Reinoldi in Dortmund. Eine raumgreifende Skulptur aus der Reihe ‚Interconnected‘, monumentale Türme aus der Serie ‚Hayama_7 Türme der Weisheit‚‘ sowie die Gruppe ‚Torri del Silenzio‘, werden zu sehen sein. Galerie Utermann | Silberstraße 22 44137 Dortmund | 0231-47643737 Tobias Grewe

krupic kersting galerie || kuk | Jülicher Straße 14, 51065 Köln | www.kukgalerie.de

V & A ERÖFFNET SEINE MÖBEL-GALERIE

Ab 1. Dezember 2012 wird das Victoria & Albert Museum in London seine umfangreiche Möbelsammlung erstmalig präsentieren. Über 200 englische, amerikanische, asiatische und europäische Möbelstücke höchster Qualität vom Mittelalter bis zu heutigen Design-Ikonen werden in neuartiger Ausstellungsarchitektur und -konzeption prachtvoll inszeniert. www.vam. ac.uk

RCP2 chair, Jane Atfield, Foto: © V&A images

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Tobias Grewe, Shenzhen Crystals, 2011, C-Print auf Dibond. Foto: © Courtesy Beck & Eggeling

Bauwerke sind für den Fotokünstler Tobias Grewe Persönlichkeiten, die ihren eigenen Charakter haben. Darunter gibt es insbesondere in China „Top-Models“, mit denen sich die internationalen Stararchitekten verewigen. Grewe faszinieren aber weniger die Architekten, sondern vielmehr die Details und Charaktermerkmale der Gebäude. Das Konzept seiner Arbeit ist primär Abstraktion durch Reduktion: Er deckt diese Details auf, komponiert sie durch ausgewählte Nahaufnahmen und extreme Blickwinkel, legt sie frei durch Überbelichtung – alles ohne jegliche digitale Nachbearbeitung. Durch den geschickten Abstraktionsprozess entsteht eine universelle, leise Sprache der reinen Formen und Farben. www.tobias-grewe.de

Die Günther-Peill-Stiftung vergibt seit 1986 Förderstipendien an junge Künstler, zudem ehrt sie seit 1996 herausragende künstlerische Positionen mit dem Peill-Preis, der mit 25 000 Euro dotiert ist. Fetisch bo, Fon, Benin, 20. Jahrhundert, Schädel, Schneckenhäuser, Muscheln, Farbpigmente, Baumwolle, © Sammlung Marc Arbogast, Foto: Gérard Bonnet

In allen menschlichen Gesellschaften gibt es die Figur des Exzentrikers, der am Rande der Gesellschaft steht, als Außenseiter gilt, und einerseits verachtet, aber andererseits als besonders und herausgehoben wahrgenommen wird. Die Ausstellung in der Bundekunsthalle mit ihren ca. 200 Exponaten verfolgt die unterschiedlichsten Ausprägungen dieser universalen Figur und spürt ihr in den verschiedensten Zeitepochen und Kulturkreisen nach. Narren, Schmiede, Propheten, Dichter, Schamanen, Priester und Künstler gehören zu diesen Grenzgängern, bringen Menschliches mit Übermenschlichem in Verbindung. Fremd wirkende Bilder, spirituelle Zeichen, Figuren aus dem antiken Griechenland, dem Fernen Osten, Ozeanien, Afrika und Südamerika treten neben barocke, klassische moderne und zeitgenössische Werke. Ausgestellt werden zudem magische Werkzeuge und Hilfsmittel wie Kostüme, Masken, Zauberstäbe, Musikinstrumente, Fetische und Medikamente. Die Themen umfassen Menschliches, Übermenschliches,ChristlichesundAußerchristliches, Krankheit und Gesundheit, Wahnsinn und Vernunft. Fremd wirkende Bilder, spirituelle Zeichen, wilde Figuren führen dem Betrachter bei aller Unterschiedlichkeit immer wieder verblüffende Gemeinsamkeiten vor Augen. Friedrich-Ebert-Allee 4 | 53113 Bonn www.bundeskunsthalle.de

David Claerbout (*1969), Peill-Preisträger 2010, zeigt im unteren und oberen Mittelsaal des Leopold-Hoesch-Museums mit der Fotoinstallation ‚The Algiers Section of A Happy Moment‘ (2008) und dem Film ‚Sunrise‘ (2008) zwei Projektionen, die klang- und bildgewaltig Emotionen und Eindrücke zu transportieren vermögen. Die menschliche Wahrnehmung von Bewegung, Zeit und Raum in ihrem Bezug zueinander sind zentrale Themen in den Arbeiten des gebürtigen Belgiers, der mit den Medien Film, Fotografie und Sound arbeitet. Özlem Altin (*1977) beschäftigt sich in ihren Arbeiten, die aus Objekten, Bildern und Fotografien bestehen, mit dem menschlichen Körper. Wie persönliche Erinnerungen breiten sich die assoziativ wirkenden Installationen clusterartig und in einer entrückten Ordnung über den Ausstellungsraum aus. Der in Berlin und Paris lebende Belgrader Künstler Bojan Šarcevic (*1974) nutzt für seine Ausstellung ‚Rhombic Oath‘ zusätzlich zu den Räumlichkeiten im Leopold-HoeschMuseum auch die Kirche Sankt Anna in Düren, wodurch einen raumübergreifende Installation entsteht. Die ausgestellten Steinarbeiten wirken gleichzeitig massiv und filigran, sakral und modern und erhalten dadurch einen metaphysischen Charakter. Leopold-Hoesch-Museum & Papiermuseum Hoeschplatz 1 | 52349 Düren www.leopoldhoeschmuseum.de

NeuerÖ̈ffnung Sammlungen Antike und RenaissancE IN HAMBURG

Faszinierendes Wiedersehen in Hamburg nach Renovierungspause: Eindrucksvolle Raumbilder, ausgesuchte Farbwelten und eine besondere Lichtdramaturgie lenken den Blick auf die zentralen Themen, die die Menschen in der Antike und der Renaissance beschäftigten und bis heute begeistern. Abb. links: Sphinxs, Antikensammlung, © MKG, Hamburg | www.mkg-hamburg.de


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