nicolai
Kostenlos, aber wertvoll.
No 7
ZEITUNGSMAGAZIN FÜR KUNST, KULTUR, DESIGN & ARCHITEKTUR
BEILAGE DUESSELDORF PHOTO WEEKEND
UNTERWEGS IM RHEINLAND GEHEN SIE MIT UNS AUF ENTDECKUNGSTOUR
LICHT UND SCHATTEN ÜBER DIE FASZINATION EINES EWIGEN THEMAS
FÜR SIE ENTDECKT! AUSSTELLUNGEN, KÜNSTLER, BÜCHER & DESIGNFAVORITEN
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Inhalt
Editorial
Eine neue nicolai! Sie haben es vielleicht auf Anhieb bemerkt, nicolai - Das Zeitungsmagzin für Kunst, Kultur, Design und Architektur hat sich verändert. Wir haben nicht nur ein neues (Papier)Format gewählt, sondern gehen jetzt auch neue technische Wege, um Ihnen Kunst und Kultur in all ihrer Vielfalt zu zeigen. Wenn Sie das oben abgebildete Icon auf einer der nachfolgenden Seiten sehen, so verweisen wir auf die Möglichkeit, via Smartphone weitere Videos, Bilder und Websites zu den jeweiligen Beiträgen anzuschauen. Sie müssen lediglich eine kostenlose App für AUGMENTED REALITY auf Ihrem Smartphone herunterladen, diese App öffnen und die Kamera Ihres Smartphones auf die jeweiligen Abbildungen oder Texte halten. Schon erscheinen interessante Zusatzinformationen. Wir empfehlen hierfür die sich gut bewährte App „junaio“. Doch keine Angst, wir wollen die Realität nicht „erweitern“, sondern Ihnen lediglich die vielen multimedialen Angebote der Museen, Galerien und Kultureinrichtungen noch näher bringen und Sie begeistern für das Entdecken von Kunst. Wo auch immer wir uns befinden, wir haben vermehrt die Chance, Kunst zu erleben und mit anderen zu teilen. Virtuell und ganz real. Dafür steht auch unsere Website, die wir ebenfalls einem Relaunch unterzogen haben. nicolai-mag.de haben wir neu gestaltet und um einige Rubriken erweitert. Schauen Sie also bald wieder einmal herein – Sie finden hier viele Artikel, Interviews, Ausstellungsempfehlungen und Literaturtipps. Zudem konnten wir weitere Galeristen und Kunstexperten für unsere Rubrik „Editionen“ gewinnen, mit „Collectors Choice“ und „Art Spot“ bieten wir für Sammler genauso etwas, wie für diejenigen, die noch welche werden wollen. Und es ist und bleibt uns ein großes Anliegen, die vielen Kunst- und Kulturprogramme für Kinder und Jugendliche einer großen Öffentlichkeit vorzustellen. Das alles nach wie vor kostenlos, aber wertvoll! Fragen Sie uns, teilen Sie uns Ihre Wünsche und Anregungen mit, schreiben Sie eine E-Mail - wir sind für Sie da!
Alexandra Wendorf, Chefredakteurin
Titelbild: Nike Seifert, Rockstar, 80 cm x 60 cm, Leim, Kreide, Blattaluminium, Floureszenzpigmente, Noir de Mars, Lack auf Leinwand, Foto ©: Nike Seifert. Für unser Icon zu Augmented Reality haben wir ein Motiv von Flaticon verwendet, © Flaticon.
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Forum
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Shop different
Licht ins Dunkel bringen – High Lights im Jahr des Lichts
Gib es „interaktive“ Kauferlebnisse?
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Von Licht und Dunkel
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Zerstörung und Neuanfang
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Grand Tour am Fluss entlang
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Special: Duesseldorf Photo Weekend
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Die Handschrift des Fotografen
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Eine andere Sicht auf die Dinge
Ein Grundmotiv der Lichtkunst.
Der Installationskünstler Baptiste Debombourg.
Von der Entschleunigung des Reisens.
Entdecken Sie die Fotoszene Düsseldorfs mit der Sonderbeilage.
Was hat Fotografie mit Kunst zu tun?
Mit dem Blick der Fotokünstler die Welt betrachten.
18-20 Duesseldorf Photo Weekend
Teilnehmende Galerien, Museen und Institutionen, Termine und Plan
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Mit virtuellem Licht malen
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Chromatic Fragments
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Lesestoff
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Agenda
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Man(n) strickt wieder
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nico
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Liquid Hybrid
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Impressum
Thomas Ruff auf der Suche nach dem Wesen des Lichts.
Farben wie Licht – Die Malerei von Nike Seifert.
Literaturempfehlungen
News, Termine, Veranstaltungen & Service rund um Kunst und Kultur
Zwei Glossen zu einem Phänomen.
Kunstvolle Neuigkeiten für Kinder und Jugendliche
Schwarze Meere in der Großstadt.
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Forum Kunst, Fashion, Design und Architektur
Es fing mit Buchseiten an ... Der Sitz des kleinen Unternehmens limpalux befindet sich in Wuppertal. Hier entwickeln die Designer Anja Eder und Michael Römer ihre Leuchtenmodelle aus Shoji-Japan-Papier. Bei der Formfindung spielt das Prinzip der Reihung von Papierseiten eine wesentliche Rolle, die in vielen formalen Studien variiert wurde. Anfangs bildeten herausgelöste Buchseiten den Objektkorpus. Später folgten zahlreiche Modulationen der Lamellenformen und Farben. Auch heute entstehen immer wieder neue Ideen aus diesem Prinzip heraus. www.limpalux.de
Jede Lampe ein Unikat. Eine schlichte Stehleuchte als Symbiose aus traditioneller chinesischer Handwerkskunst, moderner Formsprache und neuester Lichttechnologie: das ist Moolin. Fuß und Lampenschirm bestehen aus von Hand gebogenen Bambusstäben. So verbindet sich der Fuß der Stehleuchte zu einer Einheit mit dem Leuchtobjekt. Die Sichtbarkeit der Konstruktion ist wesentlich und die Oberfläche der Bambusstäbe ist nur geölt und entspricht somit auch noch dem Umweltbewusstsein nicht nur der Designer. www.lasfera.de
Licht ins Dunkel bringen Ein Teelicht? Vintage Look Wer den Charme alter Fabrikhallen und längst ausgeschalteter Lichtreklamen nach Hause holen möchte, wird hier fündig. Das gesamte Alphabet und Zahlen von 0 bis 9 sind individuell von delightfull wiederaufgelegt bzw. neu gestaltet worden. Ob einzelne Buchstaben oder ganze Botschaften nun mit LED-Leuchten von Wänden oder Böden strahlen; der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. www.delightfull.eu
Erinnert ein wenig daran, ist aber keines. Light Drop wurde für den German Design Award 2014 nominiert und läßt in seiner kleinen Größe sanftes Licht über mundgeblasenes Glas durch ein Lochblech erstrahlen. Pulpo/e_27. www.e27.com
Sie umschwirren wie Motten das Licht. Ursprünglich war Silver Bzzzz eine auf 50 Stück limitierte Edition, die innerhalb nur eines Jahres ausverkauft war. Sie gehört zu den Ricchi Poveri, einer Gruppe kleiner, unprätentiöser Lichtobjekten von Ingo Maurer. Die Serienversion der Glühlampe mit der Libelle, genannt Bzzzz, ist noch lieferbar. Die Libellen sind aus eloxiertem Aluminium, Stahl und Messing und in den Farben grün, rot oder blau erhältlich. Foto ©: Tom Vack, München und Ingo Maurer GmbH. www.ingo-maurer.com
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Forum Kunst, Fashion, Design und Architektur
2015 ist das Jahr des Lichts! Weniger ist mehr ... ... das wissen wir eigentlich; doch selten wird dieser Satz auch wirklich beherzigt. Bei der von Mattias Stålbohm für muuto designten Hängelampe kann man allerdings eine Reinform des zugrundeliegenden Gedankens finden: Die Glühbirne als unverfälschte Lichtquelle - nicht mehr und nicht weniger. In vielen Farben erhältlich, ist sie auch im ausgeschalteten Zustand ein echter Blickfang. Pure and simple ... www.muuto.com
Dieses Jahr wurde von der UNO zum „Internationalen Jahr des Lichts und lichtbasierter Technologien“ ausgerufen. So soll die Bedeutung des Lichts als elementare Lebensvoraussetzung für Menschen, Tiere und Pflanzen und somit als wesentlicher Bestandteil von Wissenschaft und Kultur hervorgehoben werden. Diverse Ziele wurden formuliert wie beispielsweise die Förderung von Lichttechnologien, die die Lebensqualität in Entwicklungsländern verbessern, Reduzierung von Lichtverschmutzung und Energieverschwendung sowie die Förderung von nachhaltiger Entwicklung. Dementsprechend bietet sich ein breites Themenspektrum an: „Leben“, „Universum“, „Natur“, „Kommunikation und Navigation“, „optische Geräte“, „kulturelles Erbe“, „Licht und Kunst“ und „Bildung für alle“ sind einige Beispiele. Nicht nur Physiker und Astronomen sind damit angesprochen, sich am Internationalen Jahr des Lichts zu beteiligen, sondern etwa auch die Industrie, die Medizin oder Architekten, Städteplaner, Künstler, Philosophen, Soziologen und nicht zuletzt die Museen. Die Stadt Dresden beteiligt sich an diesem „Lichtjahr“ mit vielen Veranstaltungen, Lesungen und Ausstellungen. Einen Überblick kann man auf der Website www. dresdner-lichtjahr.de finden. Alle weiteren Informationen weltweit findet man auf: www.light2015.org
Bücher wirken erhellend. Was benötigt man, um zu lesen? Ein gutes Buch, vielleicht eine Brille und auf jeden Fall Licht. Der in San Francisco lebende Architekt und Designer Max Gunawan hat diese Bedingungen seinem Objekt Lumio zu Grunde gelegt. Es ist kein Buch und sieht dennoch so aus, es funktioniert wie ein Buch und entpuppt sich als Lampe. Öffnet man die hölzernen “Buchdeckel” von Lumio, strömt warmes Licht aus den “Buchseiten”, die umso stärker leuchten, je weiter man das “Buch” öffnet. Diese Idee leuchet nicht nur Design-Liebhabern ein. www.hellolumio.com
High Lights im Jahr des Lichts
Der Kleine leuchtet ... Auch wenn er einen Neoprenanzug anhat, man sollte ihn vorsichtshalber nicht ins Wasser stellen. MiM, der kleine „Man in the Moon“ von Vertigo Bird/ e27_ berlin. ww.e27.com
... Diogenes auch. Diese Lampe ist zum Lesen da. Unauffällig steht sie im Hintergrund und vollbringt wahre Dienste; individuell dimm- und ausrichtbar, lenkt sie die Lichtquelle genau dahin, wo man sie benötigt. Fast schon ein echter Klassiker in dieser schlichten Form. Foto ©: belux. www.belux.de
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Himmelsplaneten für den Wohnraum. Die von Lievore, Altherr, Molina designte Cosmos ist eine skulpturale Lampe. Einzeln oder am Besten in einer Gruppe angeordnet, wirkt sie objekthaft, erinert an Monde und umherkreisende Planeten. Ob tiefes Schokoladenbraun, samtiges Calzedon-Grün, warmes Hellgrau oder Weiß, ihr Licht schimmert dezent und sorgt doch für genügend Strahlkraft. www.vibia.com
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Shop Different Gibt es „interaktive“ Kauferlebnisse? Text Olivia Steinweg
Neues Einkaufen oder „schöpferische Community“ in Berlin – ein Erlebnis und das nicht nur wegen des Blicks auf den daneben befindlichen Berliner Zoo, © Supermarket, Berlin
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ein Freund liebt Online-Shopping. „Ist bequem, geht schnell und ist versandkostenfrei.“ Ich hingegen habe noch nie meine Einkäufe vom Sofa aus erledigt. Das ist mir viel zu anonym und spaßfrei. Ich brauche die sinnliche Erfahrung, um am Ende des Tages mein neu erstandenes Lieblingsteil mit einem Prosecco zu feiern. Und dennoch: Der Online-Handel boomt. Höchste Zeit, dass Einzelhändler und Einkaufszentren reagieren und sich neu erfinden. In Berlin hat kürzlich das Bikini Berlin eröffnet. Nahe des Berliner Zoos in der Budapester Straße gelegen, ist es Deutschlands erste Concept Mall, die mit insgesamt 58 Shops und Pop-up Stores Einzelhändlern sowie ausgewählten, bereits etablierten Marken eine neue Plattform bieten möchte. Hier soll mit dem eingestaubten Image des klassischen Einkaufszentrums aufgeräumt werden. So ist Bikini Berlin keine reine Ansammlung von gängigen Anbietern, sondern ein Ort für auserlesene Fashion-, Lifestyle-, Kunst- und Designprodukte. Hört sich interessant an denke ich mir und vereinbare sofort einen Interviewtermin mit dem Inhaber Srdan Dzombeta und Reinhold Köhler, dem Marketing Manager bei Supermarket, eines der Highlights im Bikini Berlin. Der Name ist zunächst irreführend. Wenn man eine Fleisch- und Käsetheke, Obst und Gemüse, Milchprodukte und Konserven sucht, so sucht man hier vergebens. Reinhold Köhler klärt mich auf: Der Name ist an den ersten Supermarket in Belgrad angelehnt, der dort in einem alten Supermarkt angesiedelt wurde. Auf 800 qm finde ich rare Produkte aus den Bereichen Fashion, Interior, Kunst und Musik, unter anderem von Balmain, Holy Ghost, United Nude, Lars Torhoe, Le Velo, Sigurd Larsen, Muuto und Normann Copenhagen. Gleichzeitig kann ich mir an der Bar einen
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Cocktail mixen lassen und die Fusion-Küche des integrierten Restaurants genießen. Aber damit nicht genug. „Wir sehen Supermarket nicht so sehr als branchenüblich ausgerichtetes, komplett auf Abverkauf getrimmtes Einzelhandelsunternehmen, sondern eher als Projektraum. Wir wollen den unterschiedlichen kreativen Disziplinen Raum geben und ihre Synergien bündeln. Bei uns geht es um mehr: Wir sind ein Ort für Ausstellungen, Performances, Vorträge, Workshops, Modenschauen und andere Events von kultureller Relevanz. Und der Besucher soll Teil einer schöpferischen Community werden. Daher sehen wir den Supermarket eher als Concept Space und nicht als klassischen Concept Store.“ erklärt Srdan Dzombeta. „Supermarket ist für uns ein Modell, wie wir uns einen integrierten Einzelhandel in der Zukunft vorstellen“, ergänzt der Inhaber. Hört sich spannend an und so schaue ich auch nochmal kurz bei Supernova rein – einem Concept Store und weiteres Highlight im Bikini-Haus. Im Supernova werden neue Ideen für die Zukunft inszeniert und getestet. Dabei kooperiert der Concept Store jede Saison mit einer neuen Marke aus den Bereichen Fashion, Design, Hightech oder Entertainment. Gemeinsam wollen sie ihre neuen Retail-Visionen präsentieren und Kunden zukunftsweisende, multimediale Verkaufskonzepte hautnah erleben lassen. Die letzte Saison stand ganz im Zeichen der Fußball-WM. Als Partner wurde Nike ins Boot geholt. Das Unternehmen inszeniert das Thema „Future of Football“ mittels digitaler Medien. Der Besucher bekommt hier u.a. die Möglichkeit, sich beim Torwandschießen von 50 Kameras aufzeichnen zu lassen und sich anhand der Bilder in einer realen Stadionatmosphäre auf einem Display zu sehen. Bei Supermarket und Supernova geht es auch um den
Mehrwert des Erlebnisses. Reinhold Köhler, Marketing Manager bei Supermarket weiß, dass Interaktion und Teilhabe sinnliche Erfahrungen sind, die den Unterschied zwischen einem Online-Store und einer Concept Mall ausmachen. „Bei Supermarket geht es um sinnliche Erfahrungen, um ein Erlebnis. So zeigen wir immer eine Ausstellung oder eine Installation von wechselnden Künstlern und bieten dazu frische Fusion-Küche von Berlin Cuisine, exotische Drinks, einen einzigartigen Blick auf die Freigehege des Berliner Zoos und ein feines Sortiment ausgesuchter Designprodukte. Dieses Gesamtpaket, in einer solchen Atmosphäre, wird ein Online-Store niemals leisten können.“ erklärt der Marketingexperte. Im Bikini Berlin wird „Neues Kaufen“ schon gelebt. Das hat mich überzeugt. „Wenn sich jedoch klassische Einkaufszentren und Einzelhandelsunternehmen in Zukunft von der Online-Konkurrenz abheben und gewinnbringend wirtschaften wollen, müssen sie ihr Portfolio schnellstens überarbeiten.“ erklärt Reinhold Köhler abschließend. Mein Freund ist vom Bikini Berlin übrigens restlos begeistert. In seiner Mittagspause geht er ins Supernova und testet dort Sportschuhe beim digital inszenierten Fußballspiel. Anschließend geht es in den Supermarket. Dort genießt er die exklusive Fusion-Küche, inklusive Blick auf den Berliner Zoo. Mein Freund muss zugeben: „Das ist mehr als Kaufen. Hierfür lohnt es sich offensichtlich doch, vom Sofa aufzustehen.“ Bikini Berlin | Budapester Str. 38-50 | 10787 Berlin www.bikiniberlin.de
Von Licht und Dunkel Ein Grundmotiv der Lichtkunst Text Peter Lodermeyer
Margareta Hesse, Laser-Installation „Lichtschneise V“, Wasserreservoir des Museums Mathildenhöhe, Darmstadt 2010. © Foto: Margareta Hesse
„I
ch bin ein Teil des Teils, der Anfangs alles war, / Ein Teil der Finsternis, die sich das Licht gebar, / Das stolze Licht, das nun der Mutter Nacht / Den alten Rang, den Raum ihr streitig macht.“ Mit diesen Worten stellt sich Mephistopheles in Goethes „Faust“ vor, nachdem er in Gestalt eines schwarzen Pudels in die Studierstube des Doktor Faust gelangte und sich darauf als „fahrender Scholast“ entpuppte. Die Machenschaften des Teufels müssen uns hier nicht interessieren, wichtiger ist seine Aussage über den inneren Zusammenhang von Licht und Finsternis, den „Streit“ zwischen beiden und die kühne Behauptung, dass die Finsternis „sich das Licht gebar“ – eine Vorstellung, die sich auf alte Texte berufen kann, von Hesiod bis zur Genesis. Dass die Welt finster und leer war, bevor das berühmte „Es werde Licht!“ gesprochen wurde, lehrt die Bibel. Heute erwartet man Antworten auf die Frage nach dem Ursprung des Lichts eher von den Naturwissenschaften als von Mythos und Religion – interessanterweise sagen diese ebenfalls: Das Licht wurde aus dem Dunkel, dem „Chaos“ geboren. Das Universum war nach dem Standardmodell der Urknalltheorie, die heute unter Astrophysikern weitestgehend Zustimmung findet, in den ersten 380.000 Jahren eine dichte, undurchdringliche „Plasmasuppe“. Erst als sich dann stabile Atome bildeten, wurde das Universum lichtdurchlässig. Faszinierenderweise ist dieses erste Licht des Universums, dieses Aufstrahlen der Welt viele Milliarden Jahre, bevor es Augen gab, die es hätten wahrnehmen können, noch heute als Nach-
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„Ich bin ein Teil des Teils, der Anfangs alles war, / Ein Teil der Finsternis, die sich das Licht gebar, / Das stolze Licht, das nun der Mutter Nacht / Den alten Rang, den Raum ihr streitig macht.“ Goethe, Faust hall, als kosmische Hintergrundstrahlung im Mikrowellenbereich messbar. Auch begrifflich ist Licht als Helligkeit von der Finsternis abhängig – und umgekehrt. Wir hätten gar keinen Begriff von „hell“, wenn es „dunkel“ nicht gäbe. Die alltäglichste Kenntnis dieses Faktums beruht auf unserer biologisch und evolutionsgeschichtlich tief verankerten Abhängigkeit vom Tag-und-Nacht-Zyklus. Es kann nicht verwundern, dass das uralte Thema des Gegensatzes von Licht und Dunkelheit ästhetisch, symbolisch und emotional so stark aufgeladen ist. Und so fand auch die Meldung weltweit Beachtung, dass am 30. Oktober 2013 auf einem Berg oberhalb der kleinen norwegischen Ortschaft Rjukan drei große bewegliche Spiegel eingeweiht wurden, die der Sonne folgen und deren Licht auf den Marktplatz des Ortes reflektieren. Rjukan liegt nämlich so tief in einem Tal, dass der Ort andernfalls von September bis März vollständig vom Sonnenlicht abgeschnitten wäre. Ausgeführt wurde
die Installation der auf die Sonne ausgerichteten Spiegel oder Heliostaten von einem Künstler, dem Norweger Martin Andersen. Mit seiner Idee, Licht ins Dunkel zu bringen, erfüllt Andersen in gewissem Sinne ein Grundmotiv der Moderne. Es gibt viele plausible Möglichkeiten, den Beginn der Moderne zu bestimmen; eine davon wäre die Erfindung des künstlichen Lichts. Nachdem es schon seit den 1820er-Jahren Vorläufermodelle gab, patentierten 1878 der Engländer Joseph Wilson Swan und ein Jahr später der Amerikaner Thomas Alva Edison eine Glühlampe. Beide Erfinder brachten ihr Modell zur Serienreife. Mit zunehmender Elektrifizierung trat das künstliche Licht schon bald seinen Siegeszug um die Welt an – und erzeugte bis dahin unbekannte ästhetische Phänomene, die den Gegensatz von Licht und Dunkel ganz neu inszenierten. Wer jemals eine Großstadt bei Nacht aus dem Flugzeug heraus gesehen hat, mit ihren gegenläufig von weißen und roten Lichtpunkten durchpulsten Adern der Autobahnen, den Lichtnetzen und -gittern der Straßenbeleuchtung, den angestrahlten Gebäuden und den unzähligen erhellten Fenstern der Wohn- und Bürogebäude, kennt die ganz eigentümliche Schönheit urbaner Licht-Strukturen. Und die Kunst? Es ist erstaunlich, wie spät die Künstler das Potential des elektrischen Lichts als „Material“ erkannt haben. Nicht ohne Pathos sagte der Kulturhistoriker Aby Warburg im Jahre 1918: „Künstler und Kunstfreund treffen sich ja in der Gemeinschaft der Lichtwendigen“ – doch mit diesem Licht meinte er
Margareta Hesse, Laser-Installation „Lichtschneise V“, Wasserreservoir des Museums Mathildenhöhe, Darmstadt 2010. © Foto: Margareta Hesse
zum einen das Bildlicht, das sich in der modernen Malerei, u. a. im französischen Impressionismus, zeigte, zum anderen ein geistiges Licht im Sinne fortgesetzter Aufklärung. Künstliches Licht aber war noch nicht kunstwürdig. 1928 beschwor der niederländische Künstler und Architekt Theo van Doesburg die „weiße Welt“ der Moderne, welche die alte „braune Welt“ ablösen sollte. Weiß, hell, offen, durchlichtet, hygienisch sollte die moderne Architektur sein, im Gegensatz zu den düsteren, überfüllten, engen Wohnräumen des 19. Jahrhunderts. (Mit welcher körperlichen Substanz van Doesburg die „braune Welt“ verglich, kann man sich denken). Elektrisches Licht war ihm als Mittel der Innenraumgestaltung hoch willkommen, als autonomes künstlerisches Mittel jedoch nicht vorgesehen. Von einigen Vorläufern wie László Moholy-Nagys „Raum-Licht-Modulator“ aus den 1920er-Jahren abgesehen, kam die Lichtkunst als eigenständige Richtung erst in den 1960er-Jahren zur Geltung. Die einfachen Raumarrangements mit handelsüblichen Leuchtstoffröhren, die der amerikanische Minimalist Dan Flavin seit 1963/64 schuf, gelten seither als Ikonen dieser neuen Kunstgattung. Die ästhetische Attraktivität des elektrischen Lichts war zu diesem Zeitpunkt jedoch schon längst von ganz anderer Seite entdeckt und genutzt worden, und zwar von der Werbung. Bereits 1896 gab es in Berlin die erste Lichtwerbung auf deutschem Boden. Die weltweit größte ihrer Art strahlt seit 1958 des Nachts über Leverkusen: 51 Meter Durchmesser weist das
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„Licht senden in die Tiefen des menschlichen Herzens ist des Künstlers Beruf.“ Robert Schuman einst durch 1710 Glühbirnen und seit 2009 von energiesparenden Leuchtdioden illuminierte Firmenlogo, das „Bayer-Kreuz“, über den Bayer-Werken auf. Einen wahren Exzess im Gebrauch von Leuchtreklame kann man etwa auf dem New Yorker Times Square oder im Tokyoter Stadtteil Shinjuku erleben. Dort wird die ganze Bandbreite an Möglichkeiten unterschiedlichster elektrischer und elektronischer Leuchtmittel vor Augen geführt, die man aufgrund ihrer ebenso aufdringlichen wie faszinierenden Wirkung ohne weiteres als eine Art nichtkünstlerisches Gesamtkunstwerk wahrnehmen kann. Da künstliches Licht überall in unserer modernen Lebenswelt bis zum Übermaß vorhanden ist (bis hin zur „Lichtverschmutzung“ mit ihren noch nicht vollständig geklärten ökologischen und gesundheitlichen Folgen), steht die Lichtkunst von Beginn an in Konkurrenz zu Lichtwerbung und Lichtdesign; oft genug verschwimmen die Grenzen zu diesen Bereichen. Ihre Wahrnehmung als Kunst hängt entscheidend vom Kontext ab, in dem sie erscheint. Lichtkunst gelingt am besten, wenn sie auf Intensität statt auf Effekte setzt und wenn sie das uralte
Thema von Licht und Dunkel neu zu gestalten vermag. Ein gelungenes Beispiel ist die begehbare Laserinstallation „Lichtschneise V“, welche die in Berlin lebende Künstlerin Margareta Hesse 2010 im Wasserreservoire unterhalb des Museums Mathildenhöhe in Darmstadt einrichtete. Neun dünne, intensiv rote Lichtbahnen – die Farbe Rot spielt in Hesses Werk, auch in ihrer Malerei auf Polyesterplatten, eine herausragende Rolle – schossen dort in parallelen Bahnen knapp über das flache Wasser, spiegelten sich darin, durchschnitten die Dunkelheit, ohne jedoch den Raum zu erhellen. Für die Besucher stellte sich – verstärkt durch einen bedrohlich dumpfen elektronischen Sound – ein ambivalentes Gefühl ein: Bei aller Schönheit erschienen die Laserstrahlen gefährlich, glühend heiß und schneidend. Es bedarf einer gewissen Überwindung, herauszufinden, dass dem keineswegs so ist: indem man nämlich den Strahl mit seinem Körper unterbricht. So konkret und technisch klar nachvollziehbar Hesses Installation auch war, so entfaltete sie doch auf der Grundlage des ewigen Themas von Licht und Dunkel einen assoziationsgeladenen, magischen Erlebnisraum.
www.margareta-hesse.de | www.mathildenhoehe.eu
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Zerstörung und Neuschöpfung Der Installationskünstler Baptiste Debombourg vermittelt zwischen Innovation und Tradition Text und Interview Alexandra Wendorf
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eine Installationen sind gewaltig – im wahrsten Sinne des Wortes. Sie nehmen den Raum ein, sind monumental und überwältigen ihn geradezu. Baptiste Debombourg (geb. 1978), der an der Ecole National des Beaux Arts in Lyon Bildhauerei studierte und an der Ecole National Superior des Beaux Arts in Paris post-graduierte, erschafft Werke, die gleichsam Zerstörung und Erneuerung thematisieren. Er visualisiert die Gegensätzlichkeit von Kraft und Schwäche, die Ambivalenz von Tradition und Moderne sowie die Widersprüchlichkeit in Gesellschaft und Leben. Dabei verwendet Debombourg unterschiedlichste Materialien, die er bis zum Äußersten modifiziert: Verbundglas, das zerschlagen und zersplittert eine faszinierende Entmaterialisierung erfährt; fließend wie Wasser scheint es Räume zu überfluten und das Licht wie aufschäumende Wellen einzufangen und kristallklar zu reflektieren. Metallene Heftklammern werden tausendfach auf Wände oder Holztafeln getackert, um schließlich in Anlehnung an historische Radierungen großformatige „Zeichnungen“ entstehen zu lassen. Laminierte Holzplatten werden zerschlagen und zu monumentalen Raumskulpturen neu zusammengesetzt.
Kunst.“ So arbeite ich immer kontextuell, meine Werke schließen Architektur, die Materialität, das Leben und auch die Menschen mit ein, die in der jeweiligen Umgebung oder in dem jeweiligen Raum leben. Wie kann man sich diese Arbeitsweise praktisch vorstellen?
Meine Arbeitsweise entsteht aus der Umgebung und dem jeweiligen Kontext heraus. Jedes Projekt inspiriert mich, bestimmte Materialen zu wählen und manchmal bringt es mich auch dazu, neue Arbeitsmethoden zu entwickeln und anzuwenden. Dazu arbeite ich häufig mit Spezialisten zusammen. Ich teile meine Arbeit in öffentliche und private Projekte, obwohl beide auch komplementär sein können. Ich schätze Auftragsarbeiten im öffentlichen Raum, weil ich überzeugt bin, dass Kunst viele Antworten auf Themen der Gesellschaft geben kann; Künstler sind Experten der sensiblen Wahrnehmung ... Sie experimentieren mit den unterschiedlichsten Materialien: Glas, laminiertem Sperrholz, Styropor oder Heftklammern. Inspiriert Sie auch das Material, um die Form für Ihre Kunstwerke zu finden? Zuweilen zitieren Sie kunsthistorische Werke; sind diese auch eine Inspirationsquelle?
Debombourgs Werke sind ohne kunsthistorische Referenzen bzw. das WisIch betrachte das Objekt als Subjekt. Für sen um ikonographische Bedeutungen mich ist, um mit Roger Martin du Gard Oben: Aggravure IV, Apocalyptic Rider, 2010. Unten: Installationsansicht Aérial, Abtei nicht denkbar. Er schöpft aus einem zu sprechen, „das Material der SklaBrauweiler, Pulheim, 2012, Fotos ©: Baptiste Debombourg großen theoretischen Repertoire, um ve des Geistigen“. Seit Jahrhunderten seine Ideen zu realisieren. In der intelhaben Künstler mit historischen Relektuellen Auseinandersetzung schafft er inhaltliche strengung und Sensibilität; die Möglichkeit, stark und ferenzen gearbeiten und tragen dazu bei, ihren Blick Bezüge zur Gegenwart – oftmals kritisch, zuweilen schwach im selben Moment sein zu können, entspricht auf Lebenssichten mit anderen zu teilen. Ich entwickle auch ironisierend. So versetzt er beispielsweise Dürdoch unserem Leben selbst. Ich liebe die Auseinandermeine Werke in dem Spannungsverhältnis von Traditier‘sche Szenerien mit heroisierenden Männermotiven setzung, Materialien und Menschen. Der Zufall, im exon und Innovation, Geschichte und Gegenwart. des Bodybuildings oder Motorsports, interpretiert reliperimentellem Sinn, ist das Kernstück meiner Arbeit. giöse und tradierte Motive völlig neu. Einhergehend Das ist die Art, wie ich meine Kunst entwickle und Ihre Glasinstallationen, nicht zuletzt Ihre Lichtinstallation mit einem Höchstmaß an technischer Präzision und Inerforsche. Bei dieser Arbeitsweise weiß man nie was „Tu m‘existe“ während der Agora 2014 - Biennale de Bornovation ruft er gleichermaßen Verstörung und Faszizum Schluss passieren wird. Ich glaube an die Kraft der deaux, legt den Verdacht nahe, dass religöse Themen in nation hervor – und schafft Werke, die in ihrer heftigen Idee, oder wie Pierre Restany einmal geschrieben hat: Ihrem Werk eine Rolle spielen ... Schönheit immer wieder auf die Vergänglichkeit allen „Das Material bleibt als Zeuge der Idee übrig“. Religion ist Teil unserer Gesellschaft und ich betrachte Seins verweisen. sie so wie andere Dinge auch – vielleicht mehr von Sie arbeiten vielfach raumbezogen und Ihre Installationen einem kunsthistorischen Blickwinkel aus. Ich denke, Wir trafen Baptiste Debombourg in der Kölner Galerie beschäftigen sich inhaltlich mit der jeweiligen Umgebung, dass es nötig ist, an das zu glauben, was wir tun, weil Krupic und Kersting und sprachen mit ihm über seine der Architektur und Geschichte eines Ortes. Inwieweit ist alles in unserem Leben einen Sinn hat. Ich selbst die Raumbezogenheit wesentlich für Ihre Installationen? Inspirationen und Arbeitsmethoden. glaube an den Menschen – mit seiner Fähigkeit, sowohl Ich betrachte meine Arbeit als Forschung und es inteschlecht als auch gut sein zu können. In Ihren Arbeiten herrscht ein starker Gegensatz zwischen ressiert mich, mit dem Alltag und der Gesellschaft zu Schönheit und Brutalität. Fragiles Glas wird zerbrochen interagieren. Man gewinnt die Möglichkeit, hinter die Einzelausstellungen 2015: und zerstört; in Ihren Bildthemen verfremden Sie bekannGrenzen der Kunst zu gelangen, wenn man aus dem Fine Arts Galerie of the HEAR, Straßburg | Maison Rouge, te Szenen zuweilen mit verstörenden Ergänzungen. Museum, aus der Galerie hinausgeht … Ich versuche, Parais | Patricia Dorfmann Galerie, Paris Ja, in gewisser Weise ist das ein Merkmal meiner Arbeidie formalen Grenzen zu sprengen und will das Konten. Ich bin fasziniert von Interventionen und Innovazept von ganzheitlicher Kunst entwickeln, um Raum www.hear.fr | www.patriciadorfmann.com tionen. Ich gehe immer an das Limit des Materials, das und Leben zu verbinden. Robert Filliou sagte einmal: www.lamaisonrouge.org | www.kukgalerie.de ich verwende, bewege mich zwischen extremer Kraftan„Kunst ist, was das Leben interessanter macht als www.baptistedebombourg.com
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Grand Tour am Fluß entlang Von der Entschleunigung des Reisens Text Ulrich J. C. Harz
Rhein bei Bad Honnef und Rolandswerth, Siebengebirge, Luftaufnahme aus Süden; vorne: südlicher Beginn des Godesberger Rheintaltrichters, rechts: Honnefer Talweitung, Foto ©: Creative Commons, Wolkenkratzer
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ie Grand Tour ist ein Phänomen, eine Weltanschauung, eine Reiseform, welche die Kultur des 17. und 18. Jahrhunderts ganz wesentlich geprägt hat. Zunächst waren es die insularen Engländer, die ihre Weltsicht formen wollten, indem sie die Wiege der mitteleuropäischen Kultur bereisten. Dann folgten Kosmopoliten wie Johann Wolfgang von Goethe, Theodor Fontane, Mark Twain. Und das, was sie hinterließen, war der Anfang einer neuen Gattung, der Reiseliteratur. Goethes „Italienische Reise“ ist sicher eines der bekanntesten Elaborate, ein faszinierungstrunkener Dichter bereist und beschreibt das Land, in dem bekanntlich die Zitronen blühen. Während der Dichterfürst moderat in Kutschen und Kaleschen reiste, wählte sein Landsmann Johann Gottfried Seume Schusters Rappen, er erwanderte den italienischen Stiefel und sein „Spaziergang nach Syrakus“ ist ein ebenso schönes wie vergessenes Buch, der Bericht eines entschleunigt Reisenden. Die Grand Tour war schon wegen der gewaltigen Distanzen und der langsamen Reisemittel keine Kurzstrecke. Männer wie Lord Byron waren jahrelang unterwegs, in diesem Fall auch, weil er in England seinen Ruf schon ruiniert hatte. Andere wie Goethe flohen die Provinztristesse, auch um fernab neue erotische Erfahrungen zu machen. Gerade mal 40 Jahre alt, verlor der Olympier in Rom seine Jungmannschaft. Mit den weltberühmten Baedekern, 1807 in Koblenz begründet, entstand eine touristische To-do-Liste, die alten roten Bändchen lesen sich noch heute wie possierliche Wegweiser einer Zeit, die alle Zeit der Welt hatte. Ziele der Grand Tour waren zumeist Italien und Griechenland, aber auch in der deutschen Vielstaaterei gab es ein ganz großes Ziel: die Burgenromantik an Rhein und Mosel zog Dichter und Denker an, Maler und Architekten, Herren aller Länder und Engländer, vor letzteren musste man Mutter Natur schützen, im rheinischen Siebengebirge entstand der erste Naturschutzpark auf deutschem Boden.
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Wir haben versucht, eine solche Grand Romantic Tour in die Neuzeit zu verlegen, ohne ihren Geist zu verleugnen. Die Erlebnis- und Erkenntnishungrigen können beschaulich wandern oder per Schiff fahren, im schnellsten Fall auch im Cabrio die Landluft schnuppern und die Atmosphäre genießen. Das Ziel unserer Reise ist die älteste Stadt Deutschlands; Trier mit seiner seit Römerzeiten wechselvollen Geschichte. Aber wo sollen wir beginnen? Die meisten Flusskreuzfahrten starten in Köln, doch Kölsch, Klüngel, Karneval sind fern jeder Rhein-Romantik. Wir starten in der Bundesstadt Bonn, die das Ende des Wein-Rheins darstellt, während ab Köln eher der dumpfe Bier-Rhein beginnt und sich bis nach Amsterdam zieht. So beginnt unsere Tour am Rheinkilometer 653, wir wählen als Standort das so private Hotel Esplanade hinter dem Bahnhof gegenüber des Landesmuseums. Und lassen die so gigantische Museumsmeile mit dem Haus der Geschichte und der Bundeskunsthalle links liegen, suchen die Wohnhäuser der großen Söhne Bonns, das Beethovenhaus führt uns in die Welt des 18. Jahrhunderts, hat die größte Autografensammlung Ludwig van Beethovens und einen der schönsten Kammermusiksäle der Welt. Der angegliederte Devotionalienladen ist voller Überraschungen, ihn leitet die Tochter des für seine Hauskonzerte berühmten Professor Kluxen. Das August Macke Haus wird in naher Zukunft einem ganzen Viertel seinen Namen geben, es wird umfangreich ausgebaut und zeigt dann wieder seine wunderbare Sammlung und aktuelle Ausstellungen. Das Abendessen nehmen wir im Ännchen, dem Traditionslokal der berühmtesten Lindenwirtin Deutschlands. Aennchen Schumacher (1860 – 1936) machte das Weinhaus zu einer europäischen Legende, ein Höhepunkt des Tages in Bonn. Auf dem Rückweg bietet sich der Vergleich zwischen dem alten Beethoven-Denkmal von Ernst Hähnel und
dem neuen von Markus Lüpertz. Über das letztere streiten die Bonner so gerne wie über das polarisierende Projekt Beethoven-Festspielhaus. Die Kleinstadt Königswinter erreichen wir mit der Fähre. Der ehemalige Touristenmagnet ist in der Strukturkrise, die Touristen bleiben aus, der Handel weicht, die Kunst soll es richten. Der omnipräsente Kulturverein antiform hat alle Leerstände in Kulturzentren verwandelt, im alten Schlecker ist ein neues Kino, mitten im Zentrum wartet die Galerie 1 auf Besucher, ein Artist-in Residence malt im Schaufenster. Vereinsvorstand Helmut Reinelt scheinen die Transformationsideen nicht auszugehen, Kunst von unten auf dem Weg nach oben. Für den Weg nach oben nehmen wir die älteste Zahnradbahn Deutschlands, sie bringt uns in zwanzig Minuten zum Drachenfels, einem herrlichen gerade neu umbauten Hochplateau. Nach der fulminanten Aussicht gehen wir zu Fuß herunter bis Schloss Drachenburg, der zuckerbäckergründerzeitlichen Ikone der Rheinromantik. 1882 – 1884 von Baron von Sarter erbaut, nach dem Krieg von dem Bonner Exzentriker Paul Spinat bewohnt, wird das für 40 Millionen renovierte Schloss heute von der NRW-Stiftung betrieben. Ein Geheimtipp sind die Themen-Picknickkörbe, die man sich für den Schlosspark bestellen kann und als purer Luxus steht eine Wohnung im Schloss zur Verfügung, die zur Miete steht, Schlossherr auf Zeit ist sicher eines der schönsten Erlebnisse, die man kaufen kann. Nächste Station ist das Weindorf Unkel, hier findet sich die den Guiness-Rekord haltende kleinste Kneipe „Beim Kleen“ und das so informative Willy-Brandt-Forum. Der Altkanzler lebte von 1979 bis 92 in Unkel, das Museum ist die Vermittlung von Zeitgeschichte in ihrer besten Form, gleiches bietet für die CDU das Konrad Adenauer Haus in Rhöndorf, große Politik am Strom der Zeit.
Schloß Drachenburg, Foto ©: Thoma. Gipfel des Siebengebirges, © Foto: Creative Commons, Hans Weingartz
Dem Strom folgen wir über Sayn bis Koblenz, wo wir die Schiffe wechseln, um auf der Mosel bis Trier zu gelangen. In Koblenz, hier mündet die Mosel in den Rhein, hier wurde die Deutsche Wacht gegen die Franzosen gehalten, hier war für Jahrzehnte die größte Garnisonsstadt Europas, steigen wir im Hotel Trierer Hof ab, wo schon Napoleon wohnte. Direkt daneben die Deinhardt-Kellereien und das Stadttheater, ein klassizistisches Juwel, das den Besuch lohnt. Wir gönnen uns die Fahrt mit der Seilbahn auf die Festung Ehrenbreitstein, denn niemand weiß, wie lange es diese Seilbahn noch gibt, ursprünglich sollte sie nach der Gartenschau 2011 demontiert werden, aber die Koblenzer schätzen sie bis heute. Coblenz, so die alte Schreibweise, bietet historische Attraktionen, zahlreiche Plätze und eine intakte Altstadt, hier essen wir im bürgerlichen „Weinhaus Hubertus“ direkt am Florinsmarkt. Im Ludwigmuseum wartet auf uns die Ausstellung von Andy Denzler - Distorted Moments; Schnappschüsse von Begebenheiten in der Spanne von kurzen Momenten. Wie das Reisen selbst eine Aneinanderreihung von Momenten ist. Denn der Weg ist das Ziel. Wenn das kein Zufall ist. Die Stadt hat ein riesiges Einzugsgebiet, schließlich öffnet sie sich ins Mittelrheintal, ins Moseltal und ins Lahntal. Moselaufwärts geht es an alten Burgen, tausend Jahre alten Weinbergen entlang zur Wiege der mitteleuropäischen Kultur, zur ältesten Stadt Deutschlands. Wir passieren das mittelalterliche Cochem mit seiner beeindruckenden Burg, die Stadt Zell mit der berühmten Weinlage „Zellers Schwarze Katz“ und sind an der Mittelmosel angekommen, im ehemaligen Weltweinhandelszentrum Traben-Trarbach. Hier hat der Berliner Architekt Bruno Möhring den Moseljugendstil begründet, etliche seiner Häuser prägen noch heute die Doppelstadt. So das Hotel Bellevue am Moselufer, wir werden mit einem Oldtimer vom Schiffsanleger abgeholt, beziehen eines der historischen Zimmer und freuen uns auf das Essen im Re-
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staurant Clauss-Feist bei Sternekoch Renato Manzi. Wer es ruraler schätzt, ist gegenüber im Graifen goldrichtig. Hildegard Palm und Matthias Decker betreiben hier seit Jahren ein unprätentiöses, aber hochkarätiges Restaurant mit sehr persönlicher Atmosphäre. Ihr Restaurant liegt direkt neben dem Weingut Dr. Melzheimer, dem einzigen Jugendstilweingut, ebenfalls ein Möhringbau. Es beherbergt heute das größte Buddha-Museum außerhalb Asiens. Jeder Besuch kommt einer Reise in die Welt des Zen-Buddhismus gleich; über 2.000 Skulpturen, Filme und ein traumhafter Dachgarten mit Moselblick entschädigen für den satten Eintritt von 15 Euro. Günstiger ist das Mittelmoselmuseum, das in der Barockvilla Böcking die Lebenskultur des 18. und 19. Jahrhundert unnachahmlich dokumentiert. Schon Goethe war nach einer Kenterung auf dem Fluss hier eine Nacht zu Gast. Und wer das Glück hat, von Museumsdirektor Uwe Krieger persönlich geführt zu werden, kann sich der Faszination von Geschichte und Geschichten nicht mehr entziehen. Natürlich darf an der Mosel ein Weinmuseum nicht fehlen. Darum halten wir noch einmal in Bernkastel-Kues, gedenken des großen Philosophen Nicolaus Cusanus, ziehen mit Hunderten Holländern durch die pittoreske Altstadt und statten dem Weinmuseum einen kurzen Besuch ab. Das Essen nehmen wir in Hoffmanns Weinstube am alten Bahnhof ein, zwei extrem entspannte Sachsen zelebrieren eine frische Kräuterküche, Udo Seifert bietet einen exzellenten Service, seine Frau Kerstin eine immer wieder überraschende Gaumenanregung. Das nächste Schiff bringt uns nach Trier, quasi an die Grenze zur Zollfreihandelsregion Luxemburg. Da die Römer seit 2.000 Jahren dort ihre Spuren hinterlassen haben, nehmen wir diese im Vorbeigehen mit, konzentrieren uns aber auf den Mann, dessen Denken und Schreiben die letzten 200 Jahre so nachhal-
tig verändert hat: Karl Marx. Das Geburtshaus des Philosophen ist ein hervorragend gestaltetes Museum mit der modernsten Didaktik, kein Wunder, wird das Haus bemerkenswerterweise von der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung betrieben, so erklären quasi Sozialdemokraten die Gedankenwelt des Kommunismus. Das Haus in der Brückenstraße findet man leicht, wenn man größeren Gruppen chinesischer Touristen durch die Stadt folgt. Diese reden sehr viel und laut über ihren Säulenheiligen, spucken auch mal auf den Boden, sind aber sonst sehr beeindruckt. Und wenn man vom Kommunismus genug hat, befindet sich direkt gegenüber eines der besten Weinlokale mit weit über 100 Moselweinen. Ach ja, und die wirklich allerletzte Station auch einer Grand Tour ist der Weg ins Großherzogtum Luxemburg, um tiefste Tabakpreise, Hochprozentiges in jeder Form, Kaffee in jeder Mischung zu genießen, zu verkosten und zu kaufen und den Tank noch mal zu füllen. Das ist profan, aber das ist die Praxis.
www.hotel-villa-esplanade.de www.beethoven-haus-bonn.de www.august-macke-haus.de www.aennchen.de www.antiform.eu www.schloss-drachenburg.de www.willy-brandt-forum.com www.triererhof.de www.ludwigmuseum.org www.bellevue-hotel.de www.graifen.de www.buddha-museum.de www.fes.de/karl-marx-haus/
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Links: Christiane Obermann und Axel Burkhard mit Marianne Fürstin Sayn-Wittgenstein anläßlich der Hommage-Ausstellung „95 Jahre – 95 Fotos“. Mitte: Blick in die Ausstellung „Förg | Erben. Arbeiten auf Papier“. Rechts: Dritte Halle mit Sportcars und Depot. Fotos: © Werkhallen.
Eine Perle am Rhein Die Werkhallen – ein besonderer Ort für zeitgenössische Kunst. Text und Interview Alexandra Wendorf
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nlängst hat sich zwischen Bonn und Koblenz, in Oberwinter bei Remagen, ein neuer Ort zeitgenössischer Kunst etabliert. 2013 haben Christiane Obermann und Axel Burkhard ein ehemaliges Fabrikgebäude-Ensemble aufwendig renovieren und umbauen lassen und nach drei Jahren Rheingalerie in Bonn ihre großzügigen und lichten neuen Galerieräume, die Werkhallen, eröffnet. Wie schon die Museumsarchitektur des in unmittelbarer Nähe befindlichen Arp-Museums von Richard Meier in Rolandseck setzen auch die beiden Galeristen mit ihren Werkhallen urbane Architektur in einen spannungsvollen Kontrast zur weitläufigen Natur des romantischen Rheintals. Zwei in cremeweiß getauchte Fabrikhallen dienen als Ausstellungsräume, die durch einen fast rural wirkenden Innenhof miteinander verbunden sind. Abgeschieden vom Lärm der Straßen und der Geschäftigkeit der Stadt taucht der Besucher hier in eine Welt der Kunst ein, kann sich ganz dem Betrachten der Werke – und dem Verweilen hingeben. Während eine Halle stets einer aktuellen Ausstellung gewidmet ist, wird in der anderen Halle eine permanente Schau aller vertretenen Künstler präsentiert. Weitläufige Präsentationen mit zeitgleich kabinettartigen Hängungen lassen die Werkgruppen der jeweiligen Künstler auf unterschiedliche Weise erfahrbar werden, repräsentativ, intim oder zuweilen meditativ. Doch nicht nur die Architektur und Raumgestaltung zeichnen die Werkhallen aus, sondern die sorgsam kuratierten Ausstellungen und Präsentationen. In der im Frühjahr 2014 gezeigten Ausstellung „Erben | Förg. Arbeiten auf Papier“ setze sich beispielsweise der ältere Künstler Ulrich Erben mit dem Werk des früh verstorbenen jüngeren Künstlers Günther Förg auseinander und schuf eigens dafür neue Werke. Durch die Gegenüberstellung dieser Arbeiten entstand ein Dialog zweier konzeptioneller Positionen, deren Unterscheidung und Vergleichbarkeit in ihrer abstrakten Inszenierung von Architektur und Natur liegen. Sowohl Kunstinteressierte als auch passionierte Sammler konnten sich in diesem Kontext mit den jeweiligen künstlerischen Arbeitsweisen befassen und die formal schlichten aber inhaltlich komplexen Papierarbeiten neu betrachten. Mit ihren Schwerpunkten Fotografie, Skulptur und konzeptionelle Malerei bringen Christiane Obermann
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und Axel Burkhard neben der zeitgenössischen Kunst auch illustre Events in die Region. So wurde die Grande Dame der Gesellschaftsfotografie, Marianne Fürstin Sayn-Wittgenstein im Dezember 2014 mit einer Hommage geehrt. Die Ausstellung „95 Jahre – 95 Werke“ zeigt noch bis zum 31. Januar einen dokumentarischen Überblick ihres fotografischen Schaffens und entführt den Besucher in eine Zeitreise in die High Society Europas und des Motorsports. Ein Hauch der glamourösen 60er und 70er des 20. Jahrhunderts scheinen durch diese Fotografien wiederbelebt zu sein und finden ihre reale Entsprechung in der dritten Halle, die tatsächlich einer Werkhalle gleicht. Inmitten meterhoher Depot-Regale, verpackter Skulpturen und an der Wand angelehnten Bildern stehen zwei Rennwagen mit glanzvoller Geschichte. Sie sind Zeugen längst vergangener Autorennen, Trophäen und Stars – motorisierte Skulpturen von ganz eigener Art und Sinnlichkeit. Wir besuchten die beiden Galeristen und sprachen mit ihnen über die Wahl des etwas ungewöhnlichen Standortes, ihre Arbeit und zukünftigen Pläne. Es war kein geringes Wagnis, in einer eher kulturellen Diaspora wie Oberwinter eine Galerie zu eröffnen. Wie würden Sie heute, nach gut anderthalb Jahren entscheiden?
Wir würden es genauso wieder machen! Wir sind hochzufrieden mit dem Standort, befinden uns in guter Nachbarschaft zum Arp-Museum, den Museen in Bonn und Koblenz. Die Besucher kommen gezielt zu uns – und bringen Zeit und Muße mit. Genau das haben wir uns gewünscht und genau das haben wir erreicht. Das heißt, das Konzept der Werkhallen ist aufgegangen?
Unbedingt. Uns ist es besonders wichtig, Möglichkeiten zu schaffen, sich auf Kunst wirklich einlassen zu können. Wir wollen den Sammlern und Kunstinteressierten die Chance bieten, sich auch auf den zweiten oder gar dritten Blick in ein Kunstwerk verlieben zu können und sich Zeit zu lassen, „ihr“ Werk zu entdecken. Das schafft man nicht immer an einem Vernissage-Abend oder für die begrenzte Dauer einer Ausstellung. Unser „Boutique-Stil“ erlaubt den Sammlern, Entdeckungen zu machen. Manche kommen gar nicht zur Vernissage, sondern bewusst an einem anderen Tag, um sich in Ruhe mit der Kunst zu beschäftigen und sich mit uns
zu beraten. Zudem – davon sind wir überzeugt – hat Kunst immer auch mit Genießen zu tun und genau das bieten wir: Kunstgenuss, an einem schönen Ort in einer schönen Umgebung – fernab der Hektik des Alltags. Im Herbst 2014 haben Sie sich das erste Mal auf der Cologne Fine Art präsentiert. Mit großformatigen Fotoarbeiten von Vera Mercer und Portraitmalereien von Jochen Hein. Was planen Sie für dieses Jahr?
Wir wollen unser Programm mit Blick auf Kontinuität und Nachhaltigkeit sorgfältig ausbauen. Und wir werden wieder auf der Cologne Fine Art sein, die für uns ein großartiger Messeauftakt war. Unser Konzept lautet: „Masterpieces“ – weniger ist mehr. Uns ist die gleichbleibend hohe Qualität der Kunstwerke besonders wichtig. Wir wollen lieber wenige aber dafür umso überzeugendere Ausstellungen realisieren, die den Sammlern ästhetischen Genuss und inhaltlichen Gewinn bieten. Daneben sind wir auch als Kunsthändler tätig, vermitteln Kunstwerke an Sammler oder verkaufen diese in deren Auftrag. Mittlerweile ist unser Netzwerk so groß, dass wir beim Aufbau einer Sammlung genauso beraten wie bei der Vermittlung einzelner Objekte. Dazu gehört auch das Verstehen der individuellen Rahmenbedingungen und Ansprüche eines jeden einzelnen Sammlers. Mancher sucht etwas ganz Bestimmtes, andere wollen überhaupt erst mit dem Kauf von Kunst beginnen, wollen herausfinden, was zu ihnen passt. Deshalb gehören Probehängungen genauso zu unserem Service wie die obligate Bereitstellung größerer Portfolios unserer Künstler. Nur so können wir einen Einblick in die jeweiligen Œvres und letztlich eine große Auswahl an Originalen zeigen. Es geht ja schließlich darum, für die Kunst, die wir selbst lieben, andere zu begeistern. Auch wenn wir die Marktentwicklungen genau beobachten und die jeweilige Wertstabilität im Auge behalten, würden wir keinen Künstler vertreten, von dem wir nicht auch persönlich überzeugt wären. Das spüren sowohl die Künstler, zu denen wir intensive Beziehungen pflegen, als auch die Sammler. Und was könnte man jemandem besser empfehlen, als das wofür man selbst leidenschaftlich brennt? Ausstellung „95 Jahre – 95 Werke“ noch bis zum 31.01.2015 www.werkhallen.net
BEILAGE DÜSSELDORF PHOTO WEEKEND
Maren Heyne, Hans-Peter Alvermann, 1965, Silbergelatine auf Barytpapier, 33,1 x 29,1 cm, AFORK (Archiv künstlerischer Fotografie der rheinischen Kunstszene) Museum Kunstpalast, Düsseldorf, Foto: © Maren Heyne.
Duesseldorf Photo Weekend Eine Stadt im Zeichen der Fotografie.
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ach dem großen Erfolg des Duesseldorf Photo Weekends 2014 findet diese Veranstaltung nun zum vierten Mal von Freitag, 30. Januar bis Sonntag, 1. Februar 2015 statt. Zahlreiche Galerien, Museen und Institutionen aus der Düsseldorfer Kunst- und Fotografie-Szene öffnen ein Wochenende lang ihre Türen, zeigen Ausstellungen und organisieren Veranstaltungen zum Thema Fotografie. Den Auftakt zum Duesseldorf Photo Weekend 2015 macht die Eröffnung am Donnerstagabend (29. Januar 2015) im NRW-Forum mit einer Ausstellung von Werken aus der Sammlung der Deutsche Börse AG unter dem Titel „Human Nature“. Gezeigt werden in dieser Ausstellung künstlerische Positionen, die sich mit dem Verhältnis von Mensch und Natur fotografisch auseinandersetzen und es in einer Vielfalt von Landschaften inszenieren. Die Darstellung ursprünglicher Natur fernab der Zivilisation und die von Menschen verursachten Veränderungen von Landschaft werden ebenso thematisiert wie die Anpassung des Menschen an seine selbstgeschaffene Umgebung. „Human Nature“ präsentiert Werke u.a. von Paul Almasy, Mike Brodie, John Davies, Axel Hütte, Vivian Maier, Simon Norfolk, Sebastião Salgado und Gunnar Smoliansky. Die Ausstellung wird von Anne-Marie Beckmann kuratiert. Parallel hierzu eröffnet auch die Ausstellung “Neorealismo: Die neue Fotografie in Italien 1932-1960” im rechten Flügel des NRW-Forums Düsseldorf. Diese Ausstellung analysiert die bestehende Beziehung zwi-
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schen Fotografie und anderen Bereichen der Kunst, des Kinos und der Literatur. Die Ziele und Gründe, die die verschiedenen Autoren angetrieben haben, werden gegenübergestellt um die Art und Weise ihrer Arbeit zu zeigen. Das Projekt zeigt auch eine neue Interpretation des Phänomens: die Idee, dass die Wurzeln des Neorealismus in der Zeit des Faschismus zu finden sind. Die Fotografien lösen sich vom Mythos der „Bella Italia“ ab und stellten in eindrucksvollen Dokumentarbildern ein realistisches, karges, manchmal hartes Italien vor, das aber dennoch vor Leben zu strotzen scheint. Zum Photo Weekend 2015 zeigt das AFORK im Museum Kunstpalast Künstlerporträts der 1941 in München geborenen Fotokünstlerin Maren Heyne. Von Düsseldorf aus, wo die Fotografin seit 1963 lebt und in der Künstlerszene eng vernetzt ist, reiste sie für Reportagen um die Welt. Auf Vermittlung der Galeristin Annely Juda traf sie zahlreiche englische Künstler, darunter Lynn Chadwick und Henry Moore. In einer zweiten Ausstellung zeigt das Museum Werke der in New York lebenden Künstlerin Vera Lutter. Sie arbeitet bevorzugt mit der Camera Obscura. Ihre schwarz-weißen Architektur- oder Landschaftsaufnahmen sind Unikate. Dadurch, dass die Negative als Ergebnis gewählt werden, aber auch durch die extrem lange Belichtungszeit, wird der dargestellte Ort entfremdet und der optische Prozess beinahe greifbar. Die Julia Stoschek Collection nimmt mit der aktuellen Ausstellung „Number Nine: Elizabeth Price“ ebenfalls am Düsseldorf Photo Weekend 2015 teil.
Die Ausstellung widmet sich der britischen Künstlerin und Turner-Prize-Trägerin von 2012, Elizabeth Price (1966 geboren in Bradford, Großbritannien, lebt und arbeitet in London, Großbritannien). Elizabeth Price arbeitet seit 2006 vornehmlich mit dem digitalen Bewegtbild. Zentrales Interesse ihrer konzeptuellen, institutionskritischen Arbeiten ist die Untersuchung der Bedeutung von kulturellen Artefakten, Sammlungen und Archiven. Price erforscht in einer analytischen Erkundung des jeweiligen Ortes alle nur erdenklichen Materialquellen und entwirft dort stattfindende filmische Geschichten ohne unmittelbare Handlungsbeteiligung von Menschen. Ergänzt wird das Ausstellungsprogramm des Duesseldorf Photo Weekends, durch eine Reihe von weiteren Veranstaltungen. Auch das Portfolio Review lädt wieder ein, am Samstag, dem 1. Februar 2014, von 12.00 bis 20.00 Uhr im NRW-Forum. Ab dem kommenden Photo Weekend erscheint hierzu eine Edition mit 15 Fotografen, die von einer internationalen Jury ausgewählt wurden, in limitierter Auflage. Die Galerien eröffnen mit ihren Ausstellungen zum Duesseldorf Photo Weekend am Freitag, den 30. Januar mit internationalen zeitgenössischen Positionen zur Fotografie von 18.00 bis 21.00 Uhr. Düsseldorf will mit diesem Wochenende erneut zeigen, dass diese Stadt eine Metropole der künstlerischen Fotografie ist und damit sowohl für Künstler und Sammler gleichermaßen immer mehr an Bedeutung gewinnt. www.duesseldorfphotoweekend.de
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Die Handschrift des Fotografen Was hat Fotografie mit Kunst zu tun? Text Christina Leber
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ie Fotografie ist ein Material, wie es zeitgemäßer nicht sein könnte. Nicht nur spiegelt sie verschiedene Geschwindigkeiten und beherbergt in diesen alle Begriffe von Zeit, sondern sie ist auch das wandlungsfähigste Material. Die Kombinationsmöglichkeiten im Crossover der Verfahren sind unendlich vielfältig. Von der Suche nach dem Motiv und der Verbindung desselben mit der technischen Machbarkeit, davon soll hier die Rede sein.
vermeintlich realen Wirklichkeit herrühren. In diese Verfahren wird so mannigfaltig eingegriffen, die Techniken werden so vielseitig miteinander verwoben, dass man in der Fotografie, spätestens nach der Digitalisierung, von einer sich potenzierenden Auswahl von Ausdrucksmitteln sprechen kann.
Die Entwicklung der Fotografie nachzuzeichnen kann nicht Aufgabe dieses Textes sein. Nur so viel sei gesagt: In ihren Anfängen war die Fotografie bestrebt, eher abbildendes Medium zu sein, was ihr zunächst aber nicht gelang, da die Belichtungszeit einige Hindernisse mit sich brachte. So mussten die Personen, die ein Portrait herstellen lassen wollten, nicht wenig Geduld mitbringen, um auf eine Platte gebannt zu werden. Ebenso brachte das Fotografieren der Stadt, wie in dem frühen Straßenbild von Louis Daguerre Boulevard du Temple von 1838, einige Schwierigkeiten mit sich. Bei einer Belichtungszeit von 15 bis 30 Minuten waren zwar die Häuser und Straßen zu erkennen, aber die Wege blieben menschenleer. Nicht etwa weil dies der Realität entsprochen hätte, sondern weil die Bewohner sich zu schnell bewegten, um auf der Platte festgehalten zu werden. Von Beginn an interessierten sich Maler für das neue Medium und nutzten es vor allem als Skizzenbuch; um in Ruhe ihre Landschaften, Portraits, Stillleben etc. entwickeln zu können, verwendeten sie die Fotografie als Vorlage. Man könnte also sagen, dass die Fotografie in ihren Anfängen eher eine dokumentarische Funktion hatte. Im Verlauf der technischen und chemischen Weiterentwicklung wurden die Belichtungszeiten immer kürzer, die chemischen Prozesse im Nachgang immer sicherer und die Kameras immer kleiner. Damit gewann die Fotografie an Flexibilität. Sie wurde schneller. Sie wurde intuitiver. Die eingangs aufgestellte Behauptung, dass die Fotografie in ihren Anfängen eher ein abbildendes Medium gewesen sei, wird im Folgenden bereits widerlegt. Es gab nicht wenige Fotografen, die das Ziel verfolgten, sich nicht mit der Abbildung der Realität zufriedenzugeben. Sie erzeugten Bilder einer Wirklichkeit, die es so nie gegeben hat. Der berühmteste unter ihnen ist Hippolyte Bayard, den man neben Louis Daguerre als einen Erfinder der Fotografie nennen sollte. Er entwickelte das Direktpositiv-Verfahren, indem er nicht, wie Daguerre, eine Metallplatte verwendete, sondern seine Fotografien direkt auf normales Schreibpapier belichtete, das er mit Silberchlorid überzog. Der Nachteil dieses Verfahrens war, dass es kein Negativ gab, so dass das Motiv nicht vervielfältigt werden konnte. Ein Verfahren, das Edwin Herbert Land weiterentwickelte und das er sich 1933 als Polaroidverfahren patentieren ließ. Aber zurück zu Hippolyte Bayard. Er veröffentlichte 1840 eine Aufnahme, der er den Titel Autoportrait en noye gab. Sie stellt ihn selbst als Ertrunkenen dar und gilt als die erste fotografische Fälschung. Man kann sie aber auch als erste inszenierte Fotografie bezeichnen, lange bevor die inszenierte Fotografie in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts Einzug in den kunsttheoretischen Diskurs hielt. In einem dem Foto beiliegenden Brief begründete er seinen fingierten Selbstmord mit der mangelnden Anerkennung für sein Verfahren.
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Oben: Hippolyte Bayard, Selbstportrait als Ertrunkener, 1840. Unten: Die älteste erhaltene Daguerreotypie von Louis Daguerre aus dem Jahr 1837.
Heute gibt es so zahlreiche Techniken in der Fotografie, dass sie in der Vielseitigkeit ihrer Ausdrucksmittel der Malerei in nichts nachsteht. Dabei spielen immer zwei Prozesse eine Rolle, in die der Fotograf eingreifen kann: zum einen die Belichtung eines Films, der Diafilm, Schwarz-Weiß- oder Farbfilm sein kann, aber auch digital hergestellte Bilder, die auf einem Datenträger gespeichert werden. Zum anderen sind die Methoden des Drucks entscheidend, die mit unterschiedlichen Mitteln das Bild auf einen Träger bannen, der aus Papier, Baumwolle oder Polyethylen besteht. Die Verfahren, aus denen hier gewählt werden kann, reichen von Druckverfahren bis hin zur Belichtung auf den unterschiedlichsten Fotopapieren. Spezialpapiere seien hier nur zwei erwähnt: das Polaroid und das llfochrome, die als Bildträger andere Belichtungstechniken verfolgen als die herkömmlichen Fotopapiere. Die Heliogravur beispielsweise, die ihrem Verfahren
„Die Fotografie ist das, was ein Künstler aus ihr macht.“ nach eine Radierung ist und seit 1880 bereits von William Henry Fox Talbot, einem weiteren Begründer der Fotografie, verwendet wurde, zählt wie auch der Tintenstrahldruck mit pigmentierter Tusche, der seit 2002 bei der Farbreproduktion zur Anwendung kommt, eher zu den Grafiken als zu fotografischen Techniken. Das Einzige, was diese Erzeugungsmittel noch mit Fotografie zu tun haben, ist die Tatsache, dass die Bilder, ob im Fotoapparat oder aus dem Internet, noch von einer
Wenn wir uns also der Fotografie als Kunst widmen, dann scheint es nicht mehr um technische Machbarkeit zu gehen, sondern um eine Lesbarkeit der Bilder. Die Technik ist also höchstens noch eine Unterstützung der bildnerischen Inhalte und kein Hinderungsgrund mehr, eine Bildsprache zu entwickeln. „Das Prinzip der Kamera hat sich verändert. [... Es] ist nicht mehr das Mechanische, sondern das des Denkens“, so Karl Pawek in seinem Buch „Die neue Dimension der Fotografie“. Hier sind wir auch schon mitten im Diskurs angekommen, der spätestens seit Roland Barthes in der Mitte des 20. Jahrhunderts, aber im Grunde auch schon früher Inhalt der Kunsttheorie gewesen ist. Nämlich dass die Fotografiekritik weniger in der Fotografie als vielmehr in einer Wahrnehmungskritik begründet liegt. „Das Bild ist Re-Präsentation, d.h. letztlich Wiederbelebung“, und an anderer Stelle schreibt Barthes: „Den Signifikanten auszumachen ist nicht unmöglich [„], aber es erfordert einen sekundären Akt des Wissens oder der Reflexion.“ Diese, die Reflexion nämlich, bezieht den Betrachter genauso in die Rezeption von Kunst ein wie den Autor und verbindet das Wissen des einzelnen Menschen und der Vielzahl der Menschen miteinander, die mit Kunst jeglicher Art, ja mit der Welt in Beziehung stehen. Interessant daran ist, dass Bilder auf diese Weise immer neue Informationen und Inhalte bereithalten, die von unterschiedlichen Menschen, zu unterschiedlichen Zeiten, in unterschiedlichen Kulturen gemacht und von verschiedenen Kontexten aus anders gelesen werden. In der Aneignung möglichst vieler dieser Sichtweisen erlangt ein jeder sein Wissen. Kunst sei, so Wulf Herzogenrath bei einer Diskussion mit dem Hirnforscher Ernst Pöppel am Hanse-Wissenschaftskolleg in Delmenhorst am 08.03.2012, ein Aha-Erlebnis. Oder anders gesagt, das Bewusstsein für eine andere, eine neue Perspektive, wie man sie noch nicht eingenommen hat oder einnehmen konnte. Insofern erscheint eine Differenzierung der Begrifflichkeit Fotografie dringend erforderlich, um die Vielfalt der Materialitäten und Herangehensweisen der Künstler verständlich zu machen. Man sollte auch nicht von Fotografen sprechen, sondern von Künstlern. Durch die Konfrontation der Künste untereinander, egal ob Malerei, Bildhauerei, Fotografie und all die anderen, erhält der Betrachter neue Bildzusammenhänge, die ihn befähigen, eigenmächtig Verbindungen herzustellen und Rückschlüsse zu ziehen, an die er zuvor noch nicht gedacht hat. Dass Kunst sich immer wieder auf sich selbst bezieht und Künstler einander zitieren, haben wir immer schon gewusst. Es ist aber offensichtlich, dass die Verbindung der Gattungen untereinander eine Offenbarung der Sichtweisen von Kunstwerken erkennen lässt. Und da wir auch wissen, dass jeder von uns andere Erfahrungen macht, geht es uns im Austausch miteinander am Ende wie der Fotografie und ihrer Technikvielfalt. Es könnte uns gelingen, potenzartig mehr über Kunst zu lernen als bisher, so dass beim Sehen und Entdecken unserem offen stehenden Mund zu guter Letzt ein „Aha!“ entfährt.
Eine andere Sicht auf die Dinge Mit dem Blick des Fotokünstlers die Welt betrachten. Text und Interview Dorothee Achenbach
Links: Geert Goiris, Futuro, 2002, Foto: © Geert Goiris. Rechts: Vivian Maier, N.Y. 11, 1954, Foto: © Vivian Maier/John Maloof Collection
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m Jahr 1999 hat das die Deutsche Börse mit dem Aufbau der Art Collection Deutsche Börse begonnen, die sich der zeitgenössischen Fotografie widmet. Heute umfasst die Sammlung circa 1.000 überwiegend großformatige Arbeiten von rund 100 internationalen Künstlern. Die Fotografien der Art Collection Deutsche Börse sind an den Standorten der Gruppe Deutsche Börse in Eschborn bei Frankfurt, Luxemburg, Prag, London und Zürich zu sehen. Sie geben den Gebäuden ein individuelles Gesicht und inspirieren Mitarbeiter und Besucher. Die Art Collection ist thematisch nicht begrenzt und ihre Motive reichen von Landschaften und Architektur über Innenräume und Großstadtszenerien bis zu Porträts. Um die Besonderheit der jeweils individuellen Bildsprache erkennbar werden zulassen, werden in der Sammlung immer mehrere Arbeiten eines Künstlers gezeigt. Zudem wird der Sammlungsbestand kontinuierlich erweitert; mit Neuerwerbungen und Umhängungen der vorhandenen Werke werden neue, Konstellationen – und damit eine lebendige Präsentation der Sammlung. In der Unternehmenszentrale, The Cube, in Eschborn werden regelmäßig thematische Sonderausstellungen präsentiert. Ab dem 30. Januar bis zum 19. April 2015 wird im Rahmen des Duesseldorf Photo Weekends das NRW-Forum Düsseldorf mit der Ausstellung „Human Nature“ Werke aus der Sammlung präsentieren. „Human Nature“ zeigt künstlerische Positionen, die sich mit dem Verhältnis von Mensch und Natur fotografisch auseinandersetzen und es in einer Vielfalt von Landschaften inszenieren. Sie erzählen uns somit nicht nur von der Naturwahrnehmung des Menschen, sondern vor allem auch von der menschlichen Natur. Die Darstellung ursprünglicher Natur fernab der Zivilisation und die von Menschen verursachten Veränderungen von Landschaft werden ebenso thematisiert wie die Anpassung des Menschen an seine selbstgeschaffene Umgebung. „Human Nature“ präsentiert Werke u.a. von Paul Almasy, Mike Brodie, John Davies, Axel Hütte, Vivian Maier, Simon Norfolk, Sebastião Salgado und Gunnar Smoliansky. Anlässlich des 15-jährigen Jubiläums der Sammlung sprachen wir mit der Kuratorin der Ausstellung „Human
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Nature“, Dr. Anne-Marie Beckmann, die seit 15 Jahren auch verantwortliche Kuratorin der Art Collection Deutsche Börse ist. nicolai: Die deutsche Börse kann in diesem Jahr 15-jähriges Jubiläum ihrer Kunstsammlung feiern. Wie kam es zur Entscheidung, sich auf Fotografie zu spezialisieren?
Anne-Marie Beckmann: Anlass war der Umzug in einen größeren Unternehmenssitz 1999. Doch sollte nicht eine Sammlung zu Dekorationszwecken aufgebaut werden, sondern eine Kollektion von musealer Qualität mit eigenem Profil. Fotografie deshalb, weil zu dieser Zeit in diesem Bereich sehr viel passierte, auch unter technischen Aspekten. Es sollte auch der Arbeitswelt etwas entgegen gesetzt werden: Die Mitarbeiter hier sind von Zahlen und Grafiken umgeben, Fotografie offeriert ihnen die Möglichkeit einer anderen Sichtweise auf die Welt - und zwar der des Künstlers. Im Dialog mit Mitarbeitern merkt man, dass in der Tat der Blick geschärft wird, sie sich ein differenziertes Bild von der Gesellschaft machen. Zudem bieten die Räumlichkeiten die Möglichkeiten, auch große Formate und Serien zu präsentieren, auch in konservatorischer Hinsicht. 90 Prozent unserer Bestände werden gezeigt. Inzwischen ist die Sammlung auf etwa 1000 Arbeiten von 90 internationalen Künstlern angewachsen. Geht die Sammlungstätigkeit weiter und wenn eher in die Breite oder in die Tiefe - liegt der Schwerpunkt auf Vielfalt oder auf der Verstärkung einzelner künstlerischer Positionen?
Es geht um beides, die Sammlungstätigkeit ist ein dynamischer Prozess, sie ist nicht abgeschlossen. Jedes Jahr kommt ein Konvolut hinzu, es gibt auch thematisch keine Bindung an das Geschäft der deutschen Börse. Wir wollen ergründen und dokumentieren: was passiert Neues? Das müssen nicht immer junge Positionen sein, auch bereits hier vertretene Künstler werden weiter beobachtet. Wer entscheidet über die Auswahl und wie wird sie getroffen?
Ich habe das große Glück, dass ich als Kuratorin eigenverantwortlich agieren darf, doch der Austausch mit einem Partner wie Jean-Christophe Amman ist mir
sehr wichtig. Nach so vielen Jahren ist man auch gut vernetzt, und ich besuche natürlich Messen und Ausstellungen, studiere Kataloge und bin Jury-Mitglied bei verschiedenen Auslobungen, da wir als Unternehmen auch Stipendien und Förderungen vergeben. Ich treffe jeden Künstler persönlich, auch nach dem Kauf: er soll z. B. wissen, in welchem Umfeld seine Werke hängen. Wie darf man sich den Entscheidungsprozess vorstellen?
Der braucht Zeit, und die nehme ich mir. Die Werke werden mehrfach betrachtet, ich recherchiere und es werden Serien erworben, nicht Einzelwerke. Inwieweit identifizieren sich die Mitarbeiter mit der Sammlung?
Die Mitarbeiter sind unser Hauptpublikum! Sie werden pro-aktiv eingebunden, die Vermittlungsarbeit ist uns sehr wichtig, wir möchten ja, dass die Kunst inspiriert. Wie bieten u.a. Führungen an und Vernissagen; und es gibt einen Mitarbeiter-Fotowettbewerb, über dessen Gewinner die Mitarbeiter abstimmen. Das Thema der aktuellen Schau „Human nature“ - wie kam es zu dem Konzept?
Es ist ein spannendes, gerade sehr aktuelles Thema in der Fotografie und wenn man sich die Positionen anschaut, stellt man trotz unterschiedlicher Bildsprachen Überschneidungen fest. Es geht um Ideen von unberührter Landschaft, von Stadtlandschaft, um das Zusammenspiel von Mensch und Natur. Was würden sie Menschen empfehlen, die eine Sammlung aufbauen möchten - auch mit kleinerem Budget?
Man sollte sich die Zeit nehmen, vieles anzuschauen und sich zu informieren. Und dann seiner Intuition folgen, nicht dem Markt. So gibt es im Bereich der Reportage - und Dokumentarfotografie wahre Schätze zu entdecken!
Im Rahmen des Duesseldorf Photo Weekends 2015 zeigt das NRW-Forum Düsseldorf: „Human Nature“, Art Collection Deutsche Börse. 30.01.2015 – 19.04.2015 www.nrw-forum.de | deutsche-boerse.com
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Duesseldorf Photo Weekend Teilnehmende Galerien, Museen und Institutionen
Ehrenhof
Innenstadt
Carlstadt
1. NRW-Forum Düsseldorf Ehrenhof 2 www.nrw-forum.de
9. Setareh Gallery Königsallee 27-31 www.setareh-gallery.com
15. Conzen am Carlsplatz Benrather Straße 8 www.conzen.de
2. IKS MEDIENARCHIV Institut für Kunstdokumentation und Szenografie Ehrenhof 2 www.iks-medienarchiv.de
10. Haus der Universität Schadowplatz 14 www.hdu.hhu.de
3. IMAI- inter media art institute Ehrenhof 2 www.imaionline.de 4. Stiftung Museum Kunstpalast Ehrenhof 4-5 www.smkp.de
21. Galerie Clara Maria Sels Poststr. 3 www.galerie-claramariasels.de 22. TZR Galerie Kai Brückner Poststraße 3 www.tzrgalerie.de 23. Galerie des Polnischen Instituts Düsseldorf Citadellenstr. 7 www.polnisches-institut.de
11. Galerie Bernd A. Lausberg Hohenzollernstr. 30 www.galerie-lausberg.com
24. Christian Marx Galerie Citadellenstr. 10 www.cm-galerie.de
12. Kunstraum49 Galerie Shia Bender Graf-Adolf-Straße 49 www.kunstraum49.com
Altstadt 5. Galerie Voss Mühlengasse 3 www.galerievoss.de 6. Buchhandlung Walter König Grabbeplatz 4 www.buchhandlung-walther-koenig.de 7. Schmela Haus, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen Mutter-Ey-Straße 3 www.kunstsammlung.de 8. Galerie Cora & Daniela Hölzl Mutter-Ey-Str. 5 www.galerie-cora-hoelzl.de
Katharina Kiebacher, Eighties Room, C-Print, 64 x 70 cm, 2014, Foto ©: Katharina Kiebacher.
Kanjo Také, INVISION, 2007, 180 cm x 120 cm, Fine Art Print Aludibond Diasec, Foto ©: Kanjo Také.
13. v. Fraunberg art gallery Luisenstraße 53 www.vonfraunbergart.com
16. Villa Griesebach Bilker Str. 4 www.villa-griesebach.de
Shinichi Tsuchiya, Recorder 1978, 2013, Inkjetprint, 130 x 50 cm, Foto ©: Shinichi Tsuchiya.
17. Galerie Peter Tedden Bilker Str. 6 www.galerie-tedden.de
25. DIRECT ART GALLERY Citadellenstraße 15 www.directartgallery.de
18. JANZEN Galerie Düsseldorf Bastionstaße 13 www.janzen-galerie.com
26. Galerie Fischer-Zöller Citadellstr. 25 www.fischer-zoeller.de
14. Galerie Petra Nostheide-Eÿcke Kirchfeldstraße 84 www.galerie-nostheide-eycke.de
Flingern 27. galerie.t Hermannstraße 24 www.galerie-t.de 28. Galerie Ruth Leuchter Hermannstr. 36/ Ecke Lindenstraße www.ruthleuchter.de Katharina Kiebacher, Eighties Room, C-Print, 64 x 70 cm, 2014, Foto ©: Katharina Kiebacher.
Martin Streit, Figur in Gelb, London, 2014, Camera Obscura, Pigmentdruck auf Alu Dibond, 150 x 100 cm, Foto ©: Martin Streit.
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Patric Colling, Resplendence II, 100 x 100 cm, Lightjet-Print auf Alu-Dibond, Auflage 6, Foto © Patric Colling
19. Beck & Eggeling Bilkerstraße 5 + 4-6 www.beck-eggeling.de 20. Sies + Höke Galerie Poststraße 2+3 www.sieshoeke.com
Maleonn (Ma Liang), Last Tango in Shanghai, 60 x 90 cm, Auflage 8, 2009, Foto ©: Galerie Philine Cremer.
Duesseldorf Photo Weekend Teilnehmende Galerien, Museen und Institutionen
29. Galerie Conrads Walter Conrads/Helga Weckop-Conrads Lindenstraße 167 www.galerieconrads.de 30. Weltkunstzimmer Ronsdorfer Str. 77a www.weltkunstzimmer.de 31. Galerie Philine Cremer GmbH Ackerstraße 23 www.philinecremer.com
34. Atelier am Eck Himmelgeister Straße 107e 40225 Düsseldorf
Reisholz 35. Walzwerk Null Walzwerkstraße 14 www.walzwerknull.de
38. Raum e.V. Sonderburgstr. 2 www.raumfuerkunst.org 39. Burkhard Eikelmann Galerie Dominikanerstraße 11 www.burkhardeikelmann.com 40. Galerie Kiki Maier-Hahn Luegallee 130/ Belsenplatz www.maier-hahn.de 41. Raumsechs Temporärer Ausstellungsraum Hansaallee 159, Hinterhof, www.raumsechs.de
nicolai-BEILAGE DUESSELDORF PHOTO WEEKEND VERLEGER
nicolai-Zeitungsmagazin Andreas v. Stedman Beratung Meckenheimer Str. 47 53919 Weilerswist www.nicolai-mag.de CHEFREDAKTEURIN
Maleonn (Ma Liang), Last Tango in Shanghai, 60 x 90 cm, Auflage 8, 2009, Foto ©: Galerie Philine Cremer.
Alexandra Wendorf alexandra.wendorf@nicolai-verlag.de Tel.: +49-228-390 74 58 Mobil: 0163-704 94 94
32. Filmwerkstatt Düsseldorf e.V. Birkenstraße 47 www.filmwerkstatt-duesseldorf.de
Bilk 33. Kunstraum e.V. Himmelgeisterstraße 107 www.kunstraum-duesseldorf.de
Julian Faulhaber, location III, 2010, Pigment Print, 57 x 38 cm, © Julian Faulhaber/VG Bildkunst Bonn.
Hans Christian Schink, Sakamoto, Kitayamakami, Miyagi Prefecture, Foto: © Hans-Christian Schink, Courtesy Kicken Berlin und Galerie Rothamel Frankfurt.
Ratingen Oberkassel 36. Julia Stoschek Collection Schanzenstraße 54 www.julia-stoschek-collection.net
44. Museum Ratingen Peter-Brüning-Platz 1 Grabenstraße 21 www.stadt-ratingen.de
37. Galerie Kellermann Cheruskerstraße 105 www.galerie-kellermann.de
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Dr. Christina Leber, Leitung Kunstsammlung DZ-Bank; Dr. Anne-Marie Beckmann, Kuratorin Art Collection Deutsche Börse KARTE UND GALERIENLISTE
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Bechtle Druck & Service GmbH & Co. KG Zeppelinstraße 116 73730 Esslingen © Abbildungen liegen bei den jeweiligen Künstlern sowie bei den angegebenen Fotografen und Institutionen.
Anne Poehlmann, PURPLE_0103, 2014, Foto ©: Anne Poehlmann.
Luca Kohlmetz, Antwerpen I, 2014, Foto: © Luca Kohlmetz.
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Duesseldorf Photo Weekend Teilnehmende Galerien, Museen und Institutionen, Plan und Termine
Kaiserswerth 42. Galerie Ute Parduhn Kaiserswerther Markt 6a www.galerie-parduhn.de
43. Kunstarchiv Kaiserswerth Suitbertus-Stiftsplatz 1 www.smkp.de
Termine & Ausstellungen Laufzeit des Duesseldorf Photo Weekends: 30. Januar – 01. Februar 2015 Eröffnung der Ausstellungen im NRW-Forum: 29. Januar 2015, 19.00 Uhr Human Nature, Art Collection Deutsche Börse: 30. Januar – 19. April 2015 NeoRealismo, Die neue Fotografie in Italien 1932 – 1960: 30. Januar – 19. April 2015 Portfolio Review 2015: 31. Januar 2015, 12.00 – 19.30 Uhr Öffnungszeiten der Galerien: 30. Januar, 18.00 – 21.00 Uhr 31. Januar, 12.00 – 20.00 Uhr 1. Februar, 12.00 – 18.00 Uhr Die einzelnen Nummern auf der Karte verweisen auf die Galerien, Museen und Kulturinstitutionen, die an dem Duesseldorf Photo Weekend beteiligt sind und auf den Seiten 18-20 aufgelistet sind.
Pietro Donzelli, Costiera Amalfitana, 1954, Foto ©: Estate Pietro Donzelli, Renate Siebenhaar, Frankfurt a.M. Felsenszene, 1994, Fotografie, Foto ©: Cécile Bauer.
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Mit virtuellem Licht malen Thomas Ruff auf der Suche nach dem Wesen des Lichts. Text Marianne Hofmann
Thomas Ruff, rechts u. links: Phg., r.phg.s.02 und 05, 2012, aus der Serie: Photogramme, C-prints. Mitte: Neg. india_01, 2014, aus der Serie: Negative, Chromogenic print © VG Bild-Kunst, Bonn 2014
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as Wort Fotografie ist ein Kunstwort griechischen Ursprungs und bedeutet “mit Licht malen”. So ist zum Beispiel der Begriff Lichtbild nicht von ungefähr entstanden. So ist es dennoch ein wenig ungewöhnlich, dass die zuvor in Gent und nun in Düsseldorf gezeigte Ausstellung mit Werken von Thomas Ruff „Lichten“ heißt. Sowohl im Niederländischen, als auch im Deutschen wird dieser Begriff unterschiedlich gebraucht. Erhellen, Helligkeit und enthüllen sind nur einige Assoziationen. Spektakulär ist, dass Thomas Ruff für seine dort erstmals gezeigten Photogramme das Supercomputing Center in Jülich mit ins Boot holte. Denn, so stellte er sich bald die Frage: Was macht man, wenn die 6 Pc’s und 3 Mac’s zu Hause nicht ausreichen, um die jüngsten Ideen umzusetzen? Für seine Neuinterpretationen alter Künstlerversuche aus den 20er Jahren von Man Ray und Moholy Nagy: die Photogramme. Man Ray und Moholy-Nagy versuchten Bilder ohne Kamera in der Dunkelkammer entstehen zu lassen, indem sie Gegenstände auf lichtempfindlichem Papier arrangierten und belichteten. Die Abbildungen, die zum Vorschein kamen, waren schwach erkennbar, dafür umso geheimnisvoller. Thomas Ruff wollte diese Technik ins 21. Jahrhundert überführen. Mit seinem hauseigenen Computing-Center hätte er für ein Bild mindestens ein halbes Jahr gebraucht. Und das Ergebnis wäre keine hundertprozentige Auflösung geworden, schon gar nicht in Farbe, so wie Ruff es geplant hatte. Durch ein Gespräch mit Norbert Fleck, dem ehemaligen Intendanten der Bundeskunsthalle Bonn, wurde er auf die Idee gebracht, sich um Rechenzeit im Forschungszentrum Jülich zu bewerben. Dort stehen Deutschlands Supergehirne, seit 2013 auch der Supercomputer „Jucqueen“, der so schnell ist wie etwa 100.000 PCs. Aber dieser Computer sollte es für Thomas Ruff nicht sein.“ Juropa“ (Jülich Research on
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Petaflop Architectures) so die Abkürzung für einen Computer, der über 52 Terabytes verfügt, war für dieses Experiment geeignet. In Jülich steht er in einer gigantischen Halle mit den anderen Computerriesen. Und alle die dort stehen, erzeugen immensen Lärm, da sie ständig heruntergekühlt werden müssen. Wenn man diese Halle betritt, sieht man keinen Monitor, keine Tastatur, keinen Menschen. Höchstens einmal einen Techniker, der irgendwelche Platten wechselt. Normalerweise nutzen Physiker, Chemiker oder Biologen die Anlage und lassen dort komplizierte Formeln errechnen. Zum ersten Mal in der Geschichte des Computerzentrums hat ein Künstler sich an Jülich gewandt. Und da für „Juropa“ eine gründliche Aufrüstung und Überprüfung anstand, sah man in der Bildberechnung für Ruff eine ungewöhnliche - zumal künstlerische - Herausforderung. Bei Ruffs neuartigen und abstrakten Photogrammen, die nichts gemein haben sollten mit dem Schwarz-weiß auf Fotopapier in der Dunkelkammer, fielen große Datenmengen an. Der Künstler verwendete im Schnitt drei virtuelle Lichtquellen pro Photogramm. Bei einer Bildgröße von 2,20 Meter mal 1,80 Meter entsteht so ein Datenvolumen von 18 Terabyte. Im Computer wird virtuelles Licht auf virtuelle Gegenstände, die auf virtuellem Papier liegen, projiziert. „Diese virtuelle Dunkelkammer,“ so Thomas Ruff, „hat für mich drei Vorteile: die Bilder sind nicht auf die Größe des Fotopapiers beschränkt, am Computer kann ich schnell und einfach Gegenstände sowie Lichtquellen verändern, und es entstehen im Gegensatz zur analogen Welt farbige Photogramme.“ 20 Bilder mit einer Auflösung von bis zu 23.500 x 17.600 Pixeln sind in Jülich errechnet worden und das Ergebnis sah man zum ersten Mal im S.M.A.K in Gent und daraufhin in der Düsseldorfer Kunsthalle. Neben den Photogrammen hat Ruff eine Serie von “Negativen” entwickelt, indem er sepiafarbene alte Positivabzüge von Künstlerateliers, Akten, prunkvollen
Maharadscha-Portraits der Kolonialzeit in Negative umgewandelt hat. So entstand am Computer in kaltem blauen Licht eine besondere Wirkung: was hell war, wurde dunkel, was dunkel war, wurde hell. Ruff der eigentlich Astronom werden wollte, kam in den Besitz von Archivfotos des European Southern Observatory in Chile. Er vergrößerte Bildausschnitte und erschuf Sternenwelten, vor dunklem Hintergrund. Manche der abgebildeten Sterne sind mittlerweile verschwunden. Es war das erste Mal, das Ruff nicht selbst zur Kamera gegriffen hatte, sondern aus der Bearbeitung heraus neue Kunstwelten schuf. Und immer wieder war er ein getriebener in Sachen Technik. Und nun “Phg”; der Computer macht farbige Photogramme möglich. Seit 2012 arbeitet Ruff an diesem Projekt. Bildwelten, die aussehen als hätte man abstrakte Kaleidoskope abgebildet oder Ausschnitte aus Kathedralenfenster; mithilfe 40 Millionen Euro teurer Rechner aus Jülich und der Kooperation mit PC-Fachleuten, die selbst nicht wussten, wie das Ergebnis aussehen würde. In gewisser Weise sind bei diesem Projekt technische Portraits des Lichts entstanden. Momentaufnahmen, die nicht nur den Blick des Künstlers, sondern auch den des Forschers offenbaren. So steht dieKoope ration zwischen Künstler und Forschungsinstitut auch für ein zeitgemäßes Modell des Zusammenwirkens von Kunst und Wissenschaft und Technik. Doch, was ist Ruff nun eigentlich? Fotograf, Maler oder Forscher? Fragt man ihn selbst, so hat er eine einfache Antwort: “Ich bin Künstler.“
Zur Ausstellung ist in Zusammenarbeit mit ROMA, Amsterdam, ein Katalog mit Beiträgen von Philippe Van Cauteren, Robert Fleck, Gregor Jansen, Thomas Ruff, Wenzel S. Spingler, Valeria Liebermann und Martin Germann erschienen. www.kunsthalle-duesseldorf.de
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Nike Seifert, Interacting, Leim, Kreide, Blattaluminium, Pigmente, Lack, 120 x 160 x 9 cm, 2014
Chromatic Fragments Farben wie Licht – Die Malerei von Nike Seifert Text Alexandra Wendorf
K
ünstlerische Ideen gleichen oftmals Geistesblitzen. Sie entwickeln sich spontan und situativ, brechen aus dem Künstler heraus und drängen zur Umsetzung. Künstlerische Ideen basieren aber auch auf detaillierten Planungen und langfristigen Überlegungen, sind Ergebnis prozesshafter Arbeit. Nike Seifert verbindet beide Vorgehensweisen und erschafft Bilder, die sich durch Spontaneität und Ratio gleichermaßen auszeichnen. Ihre Werke vereinen die dem Moment verhaftete Abstraktion und können doch auch eine dem Kalkül entsprungene Farbkomposition sein. Ihre künstlerische Arbeitsweise erinnert an den französischen Tachismus der 1940er bis 60er Jahre, bei dem der spontane Malakt die dem Künstler innewohnende kreative Kraft sichtbar machen sollte. Unbewußt und aus dem Moment geboren. Ähnlich wie im deutschen Informel der 1950er Jahre entstanden Bilder, die Ausdruck eines dynamischen, spontanen Malvorganges waren, ungegenständlich und abstrakt. Auch wenn Nike Seifert sich auf diese Kunst nicht ausdrücklich bezieht, scheinen dennoch ihre schon frühen Berührungen mit Werken des Informel und ganz besonders die Auseinandersetzung mit Kunstwerken von und die persönliche Begegnung mit Peter Herkenrath in dessen Atelier eine prägende Rolle für ihr eigenes Werk zu spielen. Ebenso wie Künstler des Informel schöpft Nike Seifert ihre künstlerische Motivation aus der Kraft der reinen Malerei. Es gibt keine bestimmte Motivwahl, sondern ein geradezu eruptives Herausarbeiten aus der Farbe und dem Arbeitsvorgang des Malens selbst. Pinsel, Rakel oder Spachtel kommen zum Einsatz und lassen so Werke mit Strukturen und unregelmäßigen Farb- und Oberflächen entstehen. Zufall und Experiment sind das Ziel. Die Möglichkeit, jederzeit zu ändern, zu er-
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„Ihre Werke vereinen die dem Moment verhaftete Abstraktion und können doch auch eine dem Kalkül entsprungene Farbkomposition sein.“
chende Farbflächen, Risse und Abblätterungen können genauso entstehen wie gebundene Lackflächen oder körnige Schraffuren. Ähnlich verhält es sich auch mit der Farbgebung generell. Aus einem spontanen Reflex heraus, kann ein eben noch neon-gelbes Bild im nächsten Arbeitsschritt tiefrot und dunkel werden.
gänzen oder zu übermalen sind wesentliche Merkmale dieser künstlerischen Arbeitsweise. Zuweilen ergeben sich Konturen, ist gar Gegenständliches zu erkennen, doch sind diese „Motive“ nie gewollt oder gar im Entstehungsprozess angelegt und beabsichtigt. Sie werden vielmehr später, nach Fertigstellung des Bildes von Nike Seifert entdeckt und inspirieren sie dann für die Wahl der assoziationsreichen Bildtitel.
Nike Seiferts Werken kann man sich wohl am ehesten mit der Vorstellung nähern, Landschaften zu betrachten. Ob schneebedeckte Berge oder satte Graslandschaften, das Meer oder wüstenartige Regionen, deren sandige Töne in der Sonnenhitze zu flimmern beginnen. Es sind geistige Momentaufnahmen, die sich in den Strukturen und Farbgebungen erkennen lassen und Fragmente der Erinnerung, die sich in den Stimmungen der Bilder widerspiegeln.
In ihren oftmals großformatigen Bildern wird einmal mehr deutlich, wie die intensive Verwendung von Farbe sowohl kontrastreiche Spannung als auch harmonischen Gleichklang hervorzurufen vermag. Nike Seiferts Bilder sind das Ergebnis eines leidenschaftlichen Malprozesses, in dem sich kraftvoll aufgetragene, unzählig übereinandergeschichtete und wieder abgetragene Mineralien und Pigmente miteinander verbinden. Die Verwendung von Feinmetallen wie Gold und Silber lassen intensive Farbflächen entstehen, die strahlendgrell oder monochrom-erdig sein können.
Auffallend sind auch die zahlreichen Anspielungen in den Bildtiteln zum Weltraum, der für Nike Seifert als Metapher des Unvorstellbaren gilt. So ist das nicht Erklärbare eine weitere wichtige Inspiration. Ebenso bezieht sie sich immer wieder auf das Licht und seine vielfältigen Eigenschaften und Wirkungsweisen, verbindet explizit das Phänomen von Lichtreflexion und -absorbtion. Samtige Farbflächen kontrastieren mit stark reflektierenden Oberflächen. Subtil rufen die verwendeten Pigmente und Metalle stets sich ändernde Wirkungen hervor.
Mittels reiner Naturmaterialien wie Kalk, Leim, Harz und einer schier unendlichen Palette von zum Teil historischen Farbpigmenten, Öl- und Lackmixturen werden variationsreiche Kompositionen geschaffen. Dabei spielt das Experiment ein wesentliche Rolle. Trotz des Wissens um die Wirkung der verschiedenen Materialien spielt Nike Seifert auch hier mit dem Zufall und dem nicht vollends absehbaren Ergebnis. Aufbre-
Mit ihrer Malerei eröffnet Nike Seifert dem Betrachter die Möglichkeit, je nach Standpunkt und Art der Lichtquelle, Farben und Formen immer wieder neu zu erfahren, wobei die jeweilige Veränderung von Licht und Schatten weitere imaginäre Räume entstehen läßt. www.nikeseifert.de
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Lesestoff Literaturempfehlungen
WIEDER MAL BERLIN Berlin What? Das Buch krönt die bisherige Galeriearbeit der Herausgeber Oliver Thoben und Uwe Neu – unter dem Namen „Neonchocolate“ hatten sie zwischen 2010 und 2013 über hundert Ausstellungen in ihrem Galerieraum in Berlin Prenzlauer Berg veranstaltet, oft mehrere in einer Woche. Den Turbo werfen sie auch im Buch an: 500 Werke, über 100 Künstler, Bilder, die für sich sprechen, kein Aufhalten mit staubigen Erklärungen. Neu und Thoben folgen den Spielregeln des aktuellen Berlin. Sie haben sich über die regelmäßigen Veranstaltungen eine eigene Szene geschaffen. Die Finanzierung des Buch-Projekts lief über Crowdfounding. Die kuratorische Behauptung ist selbstbewusst: Alle Werke entsprechen dem Geschmack der Galeristen und Buch-Macher, es ist ein „Herzblutprojekt“. Bekannte Namen fungieren als Zugpferde: Tim Dinter, Danielle de Picciotto, Olaf Hajek, Jim Avignon. Darum gruppiert sich ein loser Verbund junger, aufstrebender Künstler: Bei jedem Einzelnen ist zu verstehen, warum sie die Aufmerksamkeit der Kuratoren auf sich gezogen haben. Jeder vertretene Künstler bietet eine ästhetischen Eigenart, die er beherrscht, und die ihn erkennbar macht. Das Buch wartet durchaus mit Entdeckungen auf. Unnötig dabei übrigens die vorgenommene Aufteilung in „Gemälde“, „Illustration“, „Street Art“ „Skulptur“, „Collage“: Die innere Verbindung der gewählten Arbeiten lässt sich nur schwer in dieses Schubladendenken pressen. Jenseits der jeweils eigenen Handschrift werfen die meisten Positionen selten zukunftsweisende Behauptungen auf. Thoben und Neu setzen sich bewusst von dem, was als Kunstmarktgeschehen auftritt, ab. Sie interessieren sich augenscheinlich eher nicht für Kunstdiskurse, die sich mit einem drehenden Plattenteller und einem Flaschengetränk beißen würden. Das ist nicht schlimm, gerade das ist auch ein Stück Berlin. Die Szene, die für sich in Anspruch nimmt, das Schlagwort „Kreativität“ im Berliner Image zu bedienen, die Stadt mit ihren noch vorhandenen, erschwinglichen Arbeitmöglichkeiten als Sehnsuchtsort zu begreifen, kann sich in diesem Buch wieder finden. Und dann ist mit diesem Band tatsächlich auch der Dokumentation von Zeitgeschichte gedient. Immerhin rühmt sich Berlin seiner ungezählten Künstler, deren Arbeiten vorübergehend in Off- und Projekträumen zu finden sind, und die meisten von Ihnen bleiben dauerhaft unsichtbar. „Berlin What?“ zeigt viele von Ihnen. Thoben und Neu spannen ein breites visuelles Spektrum auf und zeigen das, was in den letzten beiden Dekaden als „jung“ gilt. Street Art, Graffiti, Illustratives, coole Fotos, figurative Malerei, digitale Einflüsse, alles ein bisschen rough, ein bisschen hübsch. Schon ziemlich Berlin.
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Neue Sachlichkeit, 272 Seiten, 36,95 Euro
Nicolai Verlag, 224 Seiten, 34,95 Euro
NOCH MAL BERLIN Eine außergewöhnliche Hommage an die Berliner Kulturszene: Jacques Sehy hat für „Kulturhumus - 100 Berliner Köpfe“ 100 bekannte Persönlichkeiten porträtiert, die für die Kreativität und künstlerische Dynamik Berlins stehen. Und er hat sie auf eine besondere Weise fotografiert: im Dunkeln, mit einem Lichtstrahl, der während der Aufnahme über das Gesicht wandert. Diese „Lichtzeichnungen“ sind abstrakt und sinnlich konkret zugleich, ausschnitthaft legen sie Konturen der Gesichter u nd verborgene Facetten der Persönlichkeit frei. Der Porträtfotografie eröffnet dieses Verfahren eine ganz neue Dimension. Zu den abgebildeten Persönlichkeiten gehören unter vielen anderen David Chipperfield, Catherine von FürstenbergDussmann, Rainer F etting, Monika Grütters, Thomas Ostermeier, Annette Humpe, Klaus Staeck, Christina Weiss, Hanns Zischler. DESIGN UND MUSIK Klasiiker der Designgeschichte und Jazz von Miles Davis bis John Coltrane treffen sich in diesem Buch. Auf jeder Seite findet man Altvertrautes von Cars & Bikes, Fashion & Accessoires, Boats & Airplanes, Design & Furniture, Gadgets & Electronics und kann dabei der im Vinyl-Look gestaltete CD zuhören. Eine schöne Geschenkidee. Earbooks, 239 Seiten, 49,95 Euro
„Während der Foto-Session hatte ich das Gefühl, ganz still im All zu sitzen. Die absolute Dunkelheit und die gleißenden kleinen Lichtstrahlen, die wie Kometen an mir vorbeihuschten, haben mir ein etwas außerirdisches Gefühl gegeben.“ Pamela Rosenberg Das Buch erscheint zu zwei Ausstellungen: Berliner Köpfe – 100 Lichtzeichnungen 30.01. - 01.03.2015 | Haus am Lützowplatz, Berlin Lichtzeichnungen 31.01 - 14.03.2015 | Galerie Tammen & Partner, Berlin
Lesestoff Literaturempfehlungen
Ara Güler begann als Autodidakt, wurde aber bald zum international gefragten Fotografen. Ab Mitte der 1950er-Jahre war er Mitglied der Agentur Magnum, als Nahost-Korrespondent arbeitete er für internationale Magazine wie Time Life, Paris Match und Stern. Er hat im Laufe eines halben Jahrhunderts zahlreiche Preise und Ehrungen erhalten. Eine Ausstellung mit seinen Werken wird anlässlich des 25. Jubiläums der Städte-Partnerschaft zwischen Istanbul und Berlin im Willy-BrandtHaus noch bis zum 15. Januar 2015 gezeigt.
MONET UND DIE GEBURT DES IMPRESSIONISMUS Vom 11. März bis 21. Juni 2015 zeigt das Städel in Frankfurt eine große Impressionistenausstellung mit rund 100 Meisterwerken von Claude Monet, darunter weltberühmte Leihgaben aus Paris oder New York. Inhaltlich widmet sich die Schau gesellschaftlichen und soziokulturellen Entwicklungen des 19. Jahrhunderts und ihren Auswirkungen auf die Kunstproduktion der Impressionisten. Neben dem Katalog wird eigens für die Ausstellung ein „Digitorial“ entwickelt: Auf einer responsiven Website werden ab Februar 2015 wissenswerte Hintergründe, kunst- und kulturhistorische Kontexte sowie wesentliche Ausstellungsinhalte für Besucher leicht zugänglich und in neuartiger Visualität aufbereitet.
OSKAR SCHLEMMER – EINE RETROSPEKTIVE Oskar Schlemmer (1888–1943) war eines der vielseitigsten Multitalente des letzten Jahrhunderts und als Maler ebenso außergewöhnlich wie als Bildhauer, Zeichner, Grafiker, Bühnenbildner, Wandgestalter, Entwerfer epochaler Tanzprojekte und Autor. Seine Vision war der »neue«, in funktionaler Architektur lebende, klar denkende und klar handelnde Mensch einer Moderne, die niemals wieder in kriegerischem Chaos versinken sollte.
EXPRESSIONISTISCHE ARCHITEKTUR Die Architektur des Expressionismus ist der Aufbruch der Baukunst in die Goldenen Zwanziger. Der Band dokumentiert erstmals alle noch existierenden Bauten in Berlin, dem wohl wichtigsten Zentrum der Bewegung. Großformatig wiedergegeben zeigen die Farbaufnahmen die expressive Formsprache der Stadt. Karten weisen den Weg zu den einzelnen Gebäuden. Der schön gestaltete Band feiert die Geburt der Metropolis Berlin: Die realisierten Bauten der expressionistischen Utopie faszinieren durch unbedingten Formwillen und einen gekonnten Umgang mit Material, Farbe und Licht. Anders als die zeitgenössische Bauhaus-Architektur ist das architektonische und urbane Verständnis geprägt von Komplexität, Vertikalität und Theatralik – erschaffen wurde die moderne Metropolis. Fragments of Metropolis dokumentiert in zeitgenössischen Fotografien und Zeichnungen 120 Bauten in Berlin und Umgebung. Ein detaillierter Index und übersichtliche Karten vervollständigen das Nachschlagewerk.
Nicolai Verlag, 224 Seiten, 34,95 Euro
Das Katalogbuch zur ersten umfassenden Schlemmer-Retrospektive in der Staatsgalerie Stuttgart seit fast vierzig Jahren präsentiert über 250 hochrangige Werke, insbesondere die sieben Originalkostüme des Triadischen Balletts sowie rare Zeitdokumente. Der Zusammenhang mit den ganzheitlichen Reformbestrebungen des Bauhauses wird ebenso diskutiert wie Schlemmers vergebliche Versuche, seine »unpolitische« Kunst mit den staatskünstlerischen Vorstellungen der NS-Diktatur zu verein baren. In den Blick genommen wird Schlemmers hoher ethischer Anspruch, der den als »Kunstfigur« typisierten Menschen immer als »Maß aller Dinge« betrachtet hat. Die Ausstellung wird bis zum 6. April 2015 in der Staatsgalerie Stuttgart gezeigt.
Hirmer Verlag, 180 Seiten, ab März 2015
JETZT ISTANBUL Er ist einer der ganz Großen seines Fachs und selbst schon Legende: der wohl berühmteste türkische Fotograf Ara Güler. Mit seiner Leica bereiste er die ganze Welt. Aber seine große Leidenschaft galt immer seiner Heimatstadt Istanbul. Wie kein anderer hat er seit den 1950er-Jahren das Straßenleben, den Trubel der Großstadt und das Alltagsleben der Bewohner festgehalten. Dieses Buch präsentiert seine faszinierenden Bilder des alten Istanbul, aber auch eine Auswahl von Farbfotografien internationaler Schauplätze sowie Porträts von Prominenten, darunter Maria Callas, Indira Gandhi, Winston Churchill, Alfred Hitchcock und Pablo Picasso.
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Prestel Verlag, ca. 300 Seiten, März 2015
Hirmer Verlag, 300 Seiten, 49,90 Euro
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Agenda News, Termine, Veranstaltungen & Service rund um Kunst und Kultur
UECKER 07. FEBRUAR BIS 10.MAI 2015 K20 GRABBEPLATZ DÜSSELDORF
VIDEONALE.15 27.02. - 19.04.2015 KUNSTMUSEUM BONN
„Wo die Sprache versagt, da beginnt das Bild.“ Dieser Satz Ueckers zieht sich durch die Jahrzehnte seiner Kunstproduktion. Mit immer wiederkehrenden Motiven wie Spiralen und Reihungen oder Materialien wie Stein, Sand, Erde, Asche schafft es Uecker, minimalistische Vokabeln als universal lesbare Sprache in die Köpfe seiner Betrachter zu pflanzen. Hier sucht ein Künstler den Dialog mit dem Betrachter - und finden ihn überall auf der Welt.
Erstmals stand die Wettbewerbsausschreibung zur VIDEONALE.15 unter einem Thema. Mit „The Call of the Wild“ fragte die Videon ale, welches Potential der Begriff des „Wilden“ heute für die Beschreibung von und Aus einandersetzung mit dem Fremden, im Sinne von unbekannten oder auch bislang unerkannten Handlungs-, Bild- und Denkräumen birgt. Aus den mehr als 1.200 Einsendungen aus 76 Ländern wurden 38 Positionen aus insgesamt 19 Ländern ausge wählt.
Mit der Präsentation wird die komplexe künstlerische Haltung dieses außergewöhnlichen Künstlers veranschaulicht. Eine konzentrierte Auswahl einzelner Werkblöcke soll die Fülle der Arbeiten bändigen helfen. Dennoch ist ein tieferer Einblick in die Lebendigkeit, die Verwandlung von Sprache in Bilder, die globale Ausrichtung und die unerschöpfliche Energie Ueckers möglich.
„Es geht uns mit ‚The Call of the Wild’ um die Erforschung der labilen Räume, in denen über den Umgang mit neuen gesellschaftlichen, politischen, kulturellen und ästhetischen Konstellationen verhandelt wird, für deren Beschreibung uns aktuell noch kein zufriedenstellendes Vokabular zur Verfügung steht. In der Ausstellung der VIDEONALE.15 finden 38 internationale Künstlerpositionen ihren jeweils sehr eigenen Weg, Fragen zu diesen Themen zu stellen und Anstöße zur Reflektion zu liefern.
In der Grabbe Halle werden zentrale Werkkomplexe wie das Terrororchester, der Brief an Peking, die Verletzungsworte, eine Sandmühle sowie geschriebene Bilder gezeigt. In der Klee Halle begegnet der Besucher Ueckers Nagelreliefs aus vielen Jahrzenten, die eine Biografie in Bildern, eine Momentaufnahme einer künstlerischen und physischen Befindlichkeit darstellen. www.kunstsammlung.de
Giambologna, Florenz triumphiert über Pisa, 1565, Terrakotta, London, The Victoria and Albert Museum © Victoria and Albert Museum, London
DER GÖTTLICHE HOMMAGE AN MICHELANGELO 6. FEBRUAR BIS 25. MAI 2015 BUNDESKUNSTHALLE BONN Die Ausstellung erzählt von der immensen Wirkung Michelangelo Buonarrotis (1475–1564) auf die europäische Kunst seit der Renaissance bis heute. Im Mittelpunkt stehen Arbeiten bedeutender Künstler aus fünf Jahrhunderten, die in einen schöpferischen Dialog mit den malerischen und bildhauerischen Werken, den künstlerischen Prinzipien des Florentiners getreten sind. In der Rezeption Michelangelos durch so wichtige Künstler wie Raffael, Pontormo, Allori, Tintoretto, Annibale Carracci, Giambologna, Rubens, Füssli, Delacroix, Rodin, Cézanne bis zu Mapplethorpe oder Hrdlicka werden das Potenzial seiner Kunst und ihre Aktualität greifbar. Die thematisch gegliederte Ausstellung stellt die großen Aufgabenfelder Michelangelos und deren beispielgebende Wirkung in den Mittelpunkt: die Aktstatue mit dem David, den Sklaven oder dem auferstandenen Christus etwa oder die großen, vielfigurigen Werke von der Kentaurenschlacht zum Jüngsten Gericht; bedeutende Werkkomplexe wie die Sixtinische Decke, der Moses oder die Figuren der Medicikapelle sind ebenso repräsentiert wie bildhauerische Verkörperungen von Kampf und Sieg oder Bilder der Andacht und virtuose Sammlerwerke. Dabei zeigt die Ausstellung zugleich die Medien, in denen das Studium der Werke Michelangelos sich vollzog und ihre Kenntnis festgehalten wurde: Abgüsse und Gemälde, kleinplastische Kopien, Nachzeichnungen, Drucke und Fotos.
Günther Uecker im Portrait. Foto ©: Ingrid von Kruse, Hamburg, © Kunstsammlung NRW
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www.bundeskunsthalle.de
Das Spektrum ist weit gefasst und reicht von der Betrachtung innergesellschaftlicher Verschiebungen und Neuordnungen bis hin zur Frage, welche Auswirkungen das Aufflammen weltweiter Krisenherde im kleinen persönlichen wie im großen politischen Zusammenhang haben kann; die Frage nach einem möglichen Umgang mit der immer offensichtlicher zu Tage trete nden umfassenden Überwachung unserer Daten- und Kommunikationsströme und deren Auswirkungen wird ebenso verhandelt, wie auch neue ästhetische und künstlerische Umgangsformen mit den Oberflächen einer digital generierten Welt“, sagt Tasja Langenbach, Künstlerische Leitung der VIDEONALE.15, die zum zweiten Mal auch den VIDEONALE.PARCOURS veranstalten wird. v15.videonale.org www.kunstmuseum-bonn.de
Marianna Milhorat, UTF 2, © Marianna Milhorat
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HIMMELSTÜRMEND – HOCHHAUSSTADT FRANKFURT BIS 19.04.2015 DEUTSCHES ARCHITEKTURMUSEUM BERLIN
GUTE AUSSICHTEN 2014/2015 − JUNGE DEUTSCHE FOTOGRAFIE 23. JANUAR BIS 8. MÄRZ 2015 HAUS DER PHOTOGRAPHIE
Frankfurt am Main ist die Hochhausstadt Deutschlands – mehr als 500 Gebäude sind höher als sechzig Meter und dreißig Hochhäuser sind sogar höher als hundert Meter. Der Hochhauspulk im Bankenviertel bildet heute mit dem 259 Meter hohen Commerzbank Tower eine einzigartige Stadtkrone.
Im 11. Jahr von »gute aussichten« beschäftigt sich die junge Generation von Fotografen mit existenziellen Fragen unseres Lebens: der Alltäglichkeit des Sterbens und dem, was bleibt oder mit den Toten spurlos verschwindet. Der Verwurzelung der Menschen in ihrer Tradition bzw. Herkunft und wie sie, diese Menschen, doch längst die Gadgets und Alltagsgegenstände der westlichen (Überfluss-) Gesellschaft in ihr Leben integriert haben − moderne Migration. Eine gezielte Spurensuche auf ganz alltäglichen Wegen, die zeigt, wie aus dem, was wir in unserer täglichen Routine längst übersehen, durch Aufmerksamkeit und Perspektivwechsel etwas Sichtbares, Spürbares wird. Die acht für »gute aussichten 2014/2015« ausgewählten Preisträger spüren mit ihren Arbeiten Themen nach wie Tod, Migration, Diskriminierung, Einsamkeit, Isolation, Verzweiflung und stellen dem Freude, Erkenntnis, Vielfalt und schöpferische Kraft gegenüber.
Wie und warum wuchs Frankfurt in den Himmel? Dieser Frage stellt sich die Ausstellung und bietet einen Überblick zur Hochhausgeschichte der Stadt: Vom Wiederaufbau nach 1945 über den Häuserkampf im Westend bis in die heutige Zeit der globalen Finanzmärkte. Ausgewählte Bauten werden dabei in ihren historischen, ökonomischen und kulturellen Kontext gestellt. Das Klassische historische Bauwerke stehen neben herausragenden Türmen der Skyline – dem Silberturm, dem Messeturm, dem Commerzbank Tower und dem Main Tower. Das ungebaute Frankfurt wird in der Ausstellung erfahrbar anhand visionärer Projekte – wie dem Campanile, dem Millennium-Tower oder verschiedenen Überbauungsplänen für den Hauptbahnhof. www.dam-online.de
www.deichtorhallen.de Henri Manguin (1874-1949), Le Thé à la Flora,1912, Öl auf Leinwand, 116 x 89 cm, Hahnloser/Jaeggli Stiftung, Winterthur, © VG Bild-Kunst, Bonn 2014/15, Foto: Reto Pedrini, Zürich VERZAUBERTE ZEIT – CÉZANNE, VAN GOGH, BONNARD, MANGUIN – MEISTERWERKE AUS DER SLG ARTHUR U. HEDY HAHNLOSER-BÜHLER 20. FEBRUAR BIS 16. AUGUST 2015 HAMBURGER KUNSTHALLE
Blick vom Dom auf das Bankenviertel Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main, Foto: © Klaus Meier-Ude, 1996
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Die Ausstellung präsentiert die historische Sammlung des Schweizer Ehepaares Arthur und Hedy Hahnloser-Bühler, die zwischen 1906 und 1936 in der Villa Flora in Winterthur eine beeindruckende Anzahl an Meisterwerken der Kunst des Postimpressionismus zusammenführen konnten. Der Schweizer Maler Félix Vallotton (1865-1925) hatte das Ehepaar zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Paris in die Kreise der führenden Künstler eingeführt, wo sie schnell Freundschaft mit Pierre Bonnard, Édouard Vuillard, Henri Manguin und später Henri Matisse schlossen. Ausgestattet mit einem untrüglichen Spürsinn gelang es ihnen, wichtige Spitzenwerke der großen Vorreiter der künstlerischen Moderne zu erwerben, darunter Gemälde von Paul Cézanne, Vincent van Gogh, Auguste Renoir und Édouard Manet. Die Ausstellung zeigt über 200 ausgewählte Werke von 20 Künstlern aus der weltberühmten Sammlung, die nun erstmals in Deutschland zu sehen ist. www.hamburger-kunsthalle.de
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Man(n) strickt wieder Zwei Glossen zu einem Phänomen. Texte Julia Brodauf und Johanna von Stülpnagel
Dicke Wollfäden spinnen Es ist wohl doch eine Binsenweisheit, dass bis zu 70 Prozent der Körperwärme über den Kopf entweicht. Aber kalt wird es trotzdem besonders an den Ohren, wenn es stürmt und schneit. Kein Wunder: Überall sonst ist man ja sowieso dick angezogen. Und darüber, wie man seine Lauscherchen sowie das Haupt am Besten schützt, gibt es in diesem Winter wenig Diskussion: Wollig muss es sein, am Besten gehäkelt. Die Mützen der Stunde sind schlicht, bunt, geringelt, und innerhalb dieser Vorgaben: Individuell. Gerne selbst gemacht, es reicht aber auch: Selbst bestellt.
lichsten Adressen, zum Beispiel bei „Edelschwarz“ im Allgäu, „My Beanie“ in Sachsen, „Quchu“ in Dresden. Das Seniorenprojekt „MyOma“ häkelt und strickt ebenfalls internetgestützt, und auch auf DaWanda wird man fündig. Und wer es doch lieber selbst machen möchte, findet sich in guter Gesellschaft: Smarte junge Damen erklären in unzähligen Youtube-Clips, wie das geht mit der Wolle, den Nadeln, dem Maschenzählen, dem Zu- und Abnehmen, dem Reihenwechsel und den Mustern. Es soll ja noch eine Weile kalt bleiben. Julia Brodauf
Aus dickem Wollfaden häkelt sich so ein „Boshi“ oder „Beanie“ während eines TV-Krimis fast von selbst, mit 16 Reihen „halber Stäbchen“ kann es schon getan sein. Und so klappern bundesweit die Häkel- und Stricknadeln. Ein Akt der Entschleunigung im Internetzeitalter. Dabei hat das Internet mit dem Erfolg der Wollmützen eine Menge zu tun: Dank Ihres „Mützenkonfigurators“ gelang es den Erfindern von „Myboshi“, damals noch Studenten, vor vier Jahren, aus einem zufälligen Anfall von Häkelwut auf einer Japanreise ein international erfolgreiches Unternehmen aufzuziehen. Das Ringelmützenfieber verbreitete sich im Netz rasant. Der Kunde wählt auf der Webseite Mützenmodell und individuelle Farbgebung, Seniorinnen aus der Region Hof setzen diese Wünsche in die Tat um. Ein paar Wochen später liegt das Mützenunikat im Briefkasten. Zwischen 40 und 50 Euro muss man dafür allerdings ausgeben. Günstiger und schneller geht es, wenn man selbst häkelt. Von Myboshi gibt es dafür das komplette Zubehör in fast allen Handarbeitsläden und auch in den Spielzeugabteilungen. Wolle, Nadeln, Anleitung – sogar der Aufnäher mit dem Label ist dabei.
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Wer statt „Boshi“ „Beanie“ sagt, oder gar „Wollmütze“, der kommt auch günstiger an seine Kopfbedeckung. Per Mützengeneratoren bekommt man die Handarbeit aus dem Internet an unters ch i e d -
Boshi my Boshi Wenn ich Freizeit habe, erblüht in mir die Sehnsucht nach handwerklichem Tun. So wie man es beim Campen im Wald toll findet, Stöckchen übers Feuer zu halten – oder im Meer auf Wellen reitet, möchte ich auch etwas Verwegenes schaffen, bevor das Wochenende vorbei ist. Das eindeutig Gewagteste, das ich mir vornehmen konnte war etwas Handarbeitliches. Schon in der Grundschule war ich im Fach Handarbeit und Werken nur zu 50% tauglich. Während ich mit Wonne in den Schraubstock Gedrehtes abschliff und kleine Holzkatamarane baute, sahen meine Topflappen und Schals aus wie zauselige Putzlappen. Mehrfach ribbelte Frau Rosenfeld (die Handarbeitshexe) mein Gehäkeltes oder Gestricktes wieder auf, weil ich statt Maschen Knoten und Ösen gezogen und gewoben hatte. Der Frust von damals lebt seither wieder auf, sobald ich in die Nähe von Stoffen, Garnen oder Wolle gerate. Aber My Boshi klang einfach so niedlich. So zutraulich. My Boshi ist ein bisschen Tamagotchi und irgendwie zu meistern. Dachte ich, als ich durch mein liebstes Warenhaus schlenderte und nach zeitvertreibender, kreativer Beschäftigung suchte. Dem japanischen Wort „boushi“ für Mütze angelehnt, verspricht der längst vergangene Häkelmützenhype auch heute noch das kinderleichte erstellen von Mützen aus Maschen. Wenn ich also wieder in den Häkelmarkt einsteige, dann auf bequemstem Niveau. Zu Hause schaffe ich erst einmal Wohlfühlatmosphäre. Musik in Dur, ein Schälchen voll Knabberzeug (welches binnen Kürze an allem anderen
klebte)und zwei Katzen als Ellbogenstütze. Außerdem bin ich allein, ein Scheitern würde zunächst ohne Zeugen und folgenlos, wenn auch mützenlos, bleiben. Doch schon der Einstieg ist ein Fiasko. Halbe Stäbchen, feste Maschen, jede Masche doppeln, Kettmaschen als Abschluss. Ich verstehe nichts. Sehr bald pfeffere ich das Boshiheftchen mit der windigen Anleitung in die Ecke und bemühe Youtube. Dort tummeln sich seltsamerweise diverse männliche Boshigurus, die ihre Kunst in ganzen Erklärvideoserien zelebrieren. Die Mützen auf dem Bildschirm sehen irritierend makellos aus. Mein Anfangs-Luftmaschen-Schläufchen ist dagegen mehr ein filziger Knoten. Was mir an Fingerfertigkeit fehlt, mache ich seit jeher durch Beharrlichkeit wett. Wütend piekse ich in das Gewirr – für mich so etwas wie ein Boshimützen Urknallchaos – und ziehe ein paar Maschen durch das Nest. Es entsteht ein welliger Bierfilz, der seinem Namen alle Ehre macht. Ich kämpfe die aufbrandende Frustration mit einer Handvoll Nüsse nieder. Ein schlechter Anfang muss ja nicht zu ebensolchem Ende kommen, denke ich mir. Aber beim Häkeln ist es wie beim Backen – meine andere Achillesferse. Genauigkeit zählt, sonst wird es nix. Mit verzweifelter Sturheit häkele ich immer schneller. Das Zählen der Maschen macht mich derart Müde als wären es Schäfchen. Ich häkele einfache in doppelte, doppelte in dreifache Maschen und will meinen Boshimützen-Untergang doch nicht wahrhaben. Selbst wenn ich noch tausend Runden weiter machte, es gäbe kein gutes Ende. Bei Garn- und Wollarbeit scheine ich irgendwie stets das Maß zu verlieren. Was mir beim Heimwerken wohl entgegen kommt ist die Härte des Materials: Wände, Böden, Decken, Holz … Da habe ich einen würdigen Gegner, einen der nicht nachgibt oder Knötchen macht. Spät in der Nacht ribbele ich schließlich meinen missglückten dritten Boshi-Versuch auf. Die Nüsse sind alle, die Katzen schlafen schon lange und mein Häkelfuror ist vorüber gegangen. Es war eine heiße und kurze Leidenschaft, und es blieb der bittere Nachgeschmack, denselben Fehler zweimal – was sag ich – zig mal gemacht zu haben. Tage später entdecke ich den Boshi-Konfigurator. Dort kann man seine eigene Mütze online gestalten und fertig gehäkelt zugesandt bekommen. Was hätte ich damals in der vierten Klasse für eine solche Möglichkeit getan. Mit Wehmut bedauere ich das Pech der frühen Geburt. Allein aus therapeutischen Gründen werde ich mir eine bestellen. Johanna von Stülpnagel
nico Kunstvolle Neuigkeiten für Kinder und Jugendliche Zusammengestellt von Alexandra Wendorf
WENN KUNST SPRECHEN KÖNNTE ... ... und Gemälde und Skulpturen anfingen würden, zu sprechen. Was wäre dann? Witzige, hintergründige, informative Soundtracks machen Kindern – und Erwachsenen – Lust auf mehr Kunst, indem sie Kunstwerke sprechen lassen. Pablo Picassos „Büste einer Frau und Selbstbildnis“ schreibt: „Seht mich an!“, Diego Velázquez‘ „Las Meninas“ machen sich so ihre entlarvenden Gedanken übereinander, während Franz Marcs gelbe Kuh vor Freude durch den Raum singt und springt. Im Museum der Geräusche, Töne und Gedanken sprechen die Kunstwerke. Kunst soundtracken - das heißt, sichtbar machen, was Kunstwerke einem so alles zu sagen haben. So kann man u.a. Kunstwerke von Pablo Picasso, M. C. Escher, Max Ernst,, Franz Marc, Andy Warhol, Hieronymus Bosch, Paul Klee, Diego Velázquez, Niki de Saint Phalle, Katharina Fritsch, René Magritte, Joan Miró zuhören und eine Menge erfahren.
WER FINDET DIE SCHWARZEN PUNKTE? David A. Carter, geb. 1957 in Salt Lake City (USA), ist einer der berühmtesten Pop-up-Künstler der Welt und wurde 2005 mit der Hans-Christian-Andersen-Medaille für das beste künstlerische Bilderbuch ausgezeichnet sowie für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2008 nomminiert. Wenn man „600 schwarze Punkte“ durchblättert, etwas klappt oder bewegt, sieht man verblüffende Effekte. Wilde Wesen wachsen empor, weiße Gräser wogen wankend – es blüht und sprießt, Ein farben- und formenfrohes Buch, inspiriert von großen abstrakten Künstlern wie Piet Mondrian. Boje Verlag, 19,95 Euro, ab 3 Jahren
KINDER KÜNSTLER KRITZELBUCH Anmalen, Weitermalen, Selbermalen – Kritzelbücher sind angesagt. Die Frankfurter Ateliergemeinschaft Labor hat ein Malbuch für kleine Künstler von großen Künstlern gestaltet, zum Mitmachen, Ausmalen – und Kritzeln! Achtung: »Stinkfußindianer in voller Kriegsbemalung!« Superdringend: »Superhelden brauchen Superkostüme!« Und: »Wie sieht eigentlich ein Pups aus?« Mit viel Bildwitz laden 176 Seiten auf Künstlerpapier zum Weitermalen, Weiterspinnen und Erfinden eigener Geschichten ein. Frankfurter Künstler haben sich dafür zusammengefunden und nun auch schon einen zweiten Band herausgebracht, in dem 39 Freunde auf je einer Doppelseite witzige und ernst gemeinte Fragen beantworten können. Belz & Gelberg Verlag, 176 Seiten, 9,95 Euro, ab 5 Jahren
Belz & Gelberg Verlag, 68 Seiten, 16,95 Euro, ab 10 Jahren
FASZINATION ILLUSTRATION! NEUER KUNSTPARCOURS FÜR KINDER Die akribisch detaillierten Illustrationen auf höchstem Niveau machen „Das Museum der Tiere“ zu einem ganz besonderen Buch. Die Kunst der Illustration trifft auf die Schönheit der Tierwelt und zusammen ist ein außergewöhnlicher Bilderbogen in der Tradition von Maria Sibylla Merian und Ernst Haeckel entstanden. Auf großformatigen Tableaus mit liebevoll, sorgfältig gezeichneten Abbildungen werden – wie in einem naturkundlichen Museum – mehr als 200 Tiere gezeigt und in kurzen Begleittexten erklärt. Jedes Kapitel befasst sich mit einer anderen Gattung: wirbellose Tiere, Reptilien, Vögel, Fische, Säugetiere.
Einen spannenden Raum nach dem anderen gibt es zu entdecken – und eine ganze Welt der Farben, Formen und Strukturen. Die Minischirn in der Schirn Kunsthalle Frankfurt regt Kinder an zum eigenen Entdecken ästhetischer Phänomene, zum Gestalten und Experimentieren. Alles ganz spielerisch, versteht sich. Farbphänomene, Kompositionsprinzipien, physikalische Gesetzmäßigkeiten und andere ästhetische Grundsätze. Anfassen, Zusammenbauen und Auseinandernehmen ist genauso erlaubt wie Gucken, Nachdenken und Lesen. So lernen die Kinder in sicherer Umgebung ganz eigenständig das kleine Einmaleins von Kreativität und Kunst. www.schirn.de
nicolai | No 7
Prestel Verlag, 112 Seiten, 24,99 Euro, ab 8 Jahren
Die Farbtafeln beeindrucken durch ihre Natürlichkeit, die präzisen Details und die jugendstilanmutende Ästhetik. Ein wunderschönes Bilderbuch für jedes Alter!
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Liquid Hybrid Schwarze Meere in der Großstadt Text Julia Brodauf
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as Atelier von Valentina Torrado hat ein Fenster, und unter diesem Fenster fließt behäbig und dunkel die Spree. Der Fluss stellt für die Berliner Künstlerin mit uruguayischen Wurzeln eine visuelle und emotionale Verbindung in das wasserreiche Land ihrer Herkunft dar. Nicht nur in Torrados täglichem Leben soll das schimmernde Nass präsent sein, auch durch ihre Arbeiten fließt es immer wieder (wenn auch nicht immer). Oft ist die Bildfläche quasi Wasseroberfläche, monochrom gehalten in Neonfarben. Die Malerei ist das vorherrschende Medium der 33jährigen, dicht wie ihr Lieblingselement nimmt ihre Arbeit dabei die unterschiedlichsten Aggregatzustände an: Collagen, Installationen, Foto- und Videoarbeiten, auch mit einem Tanztheater hat sie bereits zusammengearbeitet. In ihren Arbeiten schafft Torrado stets trefflich eine Verbindung zwischen Raum und Wahrnehmung, gleichzeitig schafft sie es, eine Melange aus melancholischen und absurden Klängen entstehen zu lassen.
Neben diesen installativen und multimedialen Medien wählte Torrado ein ungewöhnlich stilles und doch nicht minder beredtes zweites Medium: Sie hat an der Bauhaus Universität Weimar promoviert zum Thema des Abjekten in der Kunst.
So war es auch in einer großformatigen Videoinstallation im Berliner Projektraum Lehrter 17 zu sehen, den Torrado im November 2014 gemeinsam mit der Freundin und Künstlerkollegin Irina Raffo bespielte. In zwölf bewegten Stilleben setzten die beiden Künstlerinnen das lichtdurchflutete, ländliche Uruguay dem urbanen, nächtlichen Berliner Stadtpanorama hinter den großen Fenstern entgegen.
Doch was ist es, das Abjekte? Das Unangenehme, Eklige, Fiese und Widerliche, das seine schleimigen Spuren durch die Entwicklung der zeitgenössischen Kunst zieht. Mit analytischer Leichtigkeit zählt Torrado auf 85 Seiten die wichtigsten Nutzer dieser Handlungsform auf und setzt ihnen in der zweiten Hälfte des Buches ein eigenes Kunstprojekt entgegen, dass das Abjekte wiederum in der Gesellschaft auffängt und abmildert. Anhand der
Valentina Torrado, Mares Negros, 200 x 150 cm, 2013/14
widerborstigen und der fürsorglichen Kunst navigiert sie durch die Fluten der hyper- und postmodernen Kunstbegriffe und markiert damit das gesamte künstlerische Weltmeer als mögliches Handlungsfeld. So resümiert sie, dass das Abjekte als Ausdrucksmittel zum Konsumprodukt wird. Der zeitgenössische Künstler präsentiert sich als Produkt dieser Gesellschaft als Glamourkünstler: individualistisch, eigensinnig, hedonistisch und hyperbewusst. Durch die Arbeit mit dem Abjekten in der Kunst lässt sich somit nicht nur ein signifikanter Wandel der Rolle des Künstlers in der Gesellschaft beobachten, sondern auch eine Negierung des Provokationspotentials in der Kunst selbst. Wenn Valentina Torrado Ende Januar in der Galerie Volker Diehl in Berlin ihr kürzlich im Velbrück Verlag erschienenes Buch präsentiert, dann wird es aber zunächst einmal wieder ganz visuell das Meer sein, das den Raum bestimmt: Ihre jüngste Serie, die „Mares Negros“, sind großformatige, monochrome Malereien in Schwarztönen. Valentina Torrado: Mares Negros, Galerie Volker Diehl, Niebuhrstrasse 2, 10629 Berlin. Valentina Torrado: Die Präsenz des Abjekten in der zeitgenössischen Kunstproduktion, Velbrück Wissenschaft Verlag, 29,90 Euro
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