Nicolai No 1

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No 1 April–Juni 2012

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nicolai

ZEITUNGSMAGAZIN FÜR KUNST, KULTUR, DESIGN & ARCHITEKTUR

S& I T A R G LL O V T R WE

EXkLUSIV! Street artist SWOON Der Star im Portrait

paper art Papier in Kunst, Design und Fashion

Japan: NEW CREATION

Japans Künstler wagen den Neuanfang

Thomas demand Die Faszination des Beiläufigen



Editorial

Inhalt

Ideen beginnen meistens mit einem Stück Papier ...

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Forum

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Papier als Grundstoff der Kultur

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Papiermaschen

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Kolumne: What about Fashion, Prinzessin Bentheim? Untragbare Kleider Paper Works wie von Elfen berührt

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Große Welt auf kleinster Bühne

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Vom Zauber des Alltäglichen

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Cut out! Cut in!

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Lesenswert Tipps rund um Bücher Kolumne: What about Street Art, Yasha Young?

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Die Papiere, bitte!

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„Wer Kunst sammelt, kommt in den Himmel!

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Street Art – Zum Verlieben schön

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nico

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Agenda & Guide

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Auf der Suche nach dem Gleichgewicht

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„New Creation in Japan“

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Impressum

ie Idee zum Thema dieser ersten Ausgabe von nicolai war spontan. Papier ist ja des Öfteren Gegenstand kultureller Betrachtungen und so war es für uns zuerst ein Thema wie jedes andere auch. Je länger wir uns jedoch mit Papier beschäftigten, desto klarer wurde uns, dass dies kein Zufall war. Vielleicht gab sogar unbewußt das vorliegende Zeitungsmagazin den Auslöser. Still und subtil nahm es unsere Gedanken und Ideen ein und ließ uns nicht mehr los. Allein der Wahl des Papiers wie des Papierformats und den damit verbundenen Möglichkeiten gingen viele Diskussionen voraus. Noch viel früher aber setzte schon der Gedanke an Papier ein, als wir uns die grundsätzliche Frage stellten, ob ein derartiges Printprodukt in der heute digitalisierten Gesellschaft noch zeitgemäß sei. ­­ Und ob! – daran haben wir keinen Moment lang gezweifelt. Im Gegenteil, je länger wir über das Papier nachdachten, desto mehr wurde uns bewusst, wie unverzichtbar es ist. Insofern ist diese Thematik (und tatsächlich ganz ohne Hintergedanken) ein Plädoyer für das auf Papier gedruckte Wort und die Not­ wendigkeit für die Kunst, auf und mit Papier zu arbeiten. Daher möchten wir Sie, liebe Leser, bitten, sich die Zeit zu nehmen, sich den viefältigen Ausdrucksqualitäten von Papier hinzugeben. Sie werden merken, Papier ist durch nichts zu ersetzen. Ob nun seine ungemein große Gestaltungsvielfalt dafür spricht oder unsere kulturelle Prägung, Papier hilft uns, ein essentielles Bedürfnis zu stillen: Dinge zu begreifen und sie begreifbar zu machen. Sei es das erste ‚Kritzeln‘ von Kinderhand, die ausführliche Zeichnung, der lockere Entwurf, der Modellbau für das Haus von morgen, die komplizierte Faltung für den Prototypen eines Sattelitenschirms oder die expressiven Anwendungen in der Street Art. Das alles wäre ohne Papier nicht denkbar und unser neues Zeitungsmagazin dann auch nicht. nicolai, ein neues Magazin – oder ist es eine neue Zeitung? Wir verzichten bewußt auf begriffliche Einschränkungen, formale Grenzen und inhaltliche Festlegungen. Kunst und Kultur brauchen Freiheit und Raum, um sich vollends und buchstäblich entfalten zu können und dies wollen wir in einem adäquaten Rahmen und in einem großzügigen (Papier-)Format bieten. Informativ, spannend und unterhaltend. Freuen Sie sich also auf sechs Möglichkeiten im Jahr, Kunst und Kultur auf immer wieder neue, erfrischende Weise zu genießen, Seite für Seite! Alexandra Wendorf, Chefredakteurin

Ein anderer Blick auf Papier: Die Fotoserie ‚Architektur der Obdachlosigkeit‘ von Ulrike Myrzik und Manfred Jarisch zeigt, wie wichtig Papier und Pappe werden können, wenn Menschen nichts mehr besitzen und kein Dach über den Kopf haben. Architektur der Obdachlosigkeit, Honkong, 2002. Foto: © MYRZIK + JARISCH, München.

Neues zu Paper Art und Design

Über das Wesen des Papiers

Neue Technologien machen Papier zum Werkstoff avantgardistischer Mode

Das Papiertheater erlebt eine RenaissanceText

Thomas Demand widmet sich in seiner neuen Bildserie ‚Dailies‘ dem Beiläufigen

Phantastische Papierwelten aus Licht und Schatten

Mit dem Ende des Fotopapiers sind die letzten Tage der analogen Fotografie gezählt

Die Sammlung Kortmann vereint 5000 Jahre Kunstgeschichte

Swoons‘ Wheatpaste Artworks sind ein Memento mori der Stadt

Kunstvolle Neuigkeiten für Kinder und Jugendlicher

News, Termine, Veranstaltungen & Service rund um Kunst und Kultur

Die Papierlandschaftden der japanisch-amerikanischen Künstlerin Noriko Ambe

Japans Künstler wagen einen Neuanfang

Titelbild: Swoon, Monica, Paper Cut, Sao Paulo, Brasilien. Foto: © Swoon.

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Forum Kunst, Fashion, Design und Architektur

ShadyShade Diese individuell gestalteten Lampen wurden von ProduktdesignStudenten der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe entwickelt. Tom Pawlofsky, Michael Haas und Jennie Hardenbicker benutzen für Shadyshade ein spezielles Wabenpapier, das Lage für Lage von einer CNC-Maschine geschnitten und geklebt wird. Beim Aufziehen jeder Leuchte öffnen sich Waben und es entfalten sich eine asymmetrische, scheinbar erodierte, unendlich vielfältige Form. www.shadyshade.com

Fal tbare Papierskulpturen Diesen Hut von Roy Lichtenstein aus farbig bedrucktem Papier kann man noch bis zum 13. Mai 2012 im Leopold-Hoesch-Museum in Düren sehen. Die Ausstellung „From Page to Space. Published Paper Sculptures“ zeigt faltbare Skulpturen aus Papier und eröffnet damit eine unerwartete Perspektive auf die ästhetischen Möglichkeiten dieses Materials. In Kooperation mit dem Weserburg Museum für Moderne Kunst, Bremen und dem Museo de Arte Contemporânea de Serralves in Porto, Portugal konzentriert sich die Ausstellung vor allem auf Positionen der Pop Art, Konzeptkunst, des Nouveau Réalisme und Fluxus, die Papier als konstruktives bildnerisches Element entdecken. Es sind unter anderem Arbeiten von Marcel Broodthaers, Daniel Buren, Christo, Marcel Duchamp, Olafur Eliasson, Andreas Gursky, Damien Hirst oder Claes Oldenburg zu sehen. www.leopoldhoeschmuseum.de Abb.: Roy Lichtenstein, “Folded Hat”, in Zeitschrift S.M.S. Nr. 4, New York, 1968. © VG Bild-Kunst Bonn, 2012, Foto: Bettina Brach

Paper Passion Kennen Sie den Duft von Büchern und Magazinen? Auf der Suche nach dem ganz speziellen Duft von bedrucktem und gebundenen Papier hat sich der Berliner Parfumeur Geza Schön gemacht. Die Idee dazu hatte der Verleger Gerhard Steidl, der zusammen mit Karl Lagerfeld den Buchshop Edition 7L in Paris betreibt. Nun heißt sein neuestes Projekt ‚Paper Passion‘, das mit einer von Lagerfeld entworfenen Verpackung – natürlich in Form eines Buches – im Frühsommer dieses Jahres auf den Markt kommen wird. Eine neue Zeit für Bibliophile und Leseratten wird nun anbrechen, wenn es heißen wird, welches Buch riechst Du gerade? www.steidl.de, www.biehl-parfum.com

Wenn sich Papier entfaltet ... Richard Sweeney Richard Sweeney verbindet traditionelle Origami-Falttechnik mit neuartiken Falttechniken, die u.a. auf computergestützten Entwurfs­ programmen basieren. Nach seinem Studium des Three Dimensional Designs an der Manchester Metropolitan University, bei dem er sich auf Papierarbeiten spezialisierte, entwickelte er Designmodelle bis er schließlich einzigartige Skulpturen aus Papier schuf. www.richardsweeney.co.uk 03M (Partial Shell), 2010, Feucht gefaltetes Aquarellpapier, 30 x 24 x 20cm. Diese Papierarbeit ist bis zum 26. August 2012 in der Ausstellung „Folding Paper: The Infinite Possibilities of Origami“, Japanese American National Museum in Los Angeles, zu sehen. Foto: © Richard Sweeney.

Nendo Den Cabbage Chair entwarf der Designer Nendo für die Ausstellung „XXIst Century Man“ 2008, die von Issey Miyake in Tokio kuratiert wurde. Dieser Sessel versinnbildlicht ein ökologisch bewußtes Denken und Handeln: Aus ‚Abfällen‘ produziert, entwickelt sich aus einer denkbar einfachen, ja geradezu ‚primitiven‘ Form mit wenigen Handgriffen ein nützliches und überaus ästhetisches Möbel. www.nendo.jp Fotos: © Masayuki Hayashi

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Forum Kunst, Fashion, Design und Architektur

Papier, das nicht von Pappe ist. Moonjelly Der Sitz des kleinen Unternehmens limpalux befindet sich in Wuppertal. Hier entwickeln die Designer Anja Eder und Michael Römer ihre Leuchtenmodelle aus Shoji-Japan-Papier. Bei der Formfindung spielt das Prinzip der Reihung von Papierseiten eine wesentliche Rolle, die in vielen formalen Studien variiert wurde. Anfangs bildeten herausgelöste Buchseiten den Objektkorpus. Später folgten zahlreiche Modulationen der Lamellenformen und Farben. Auch heute entstehen immer wieder neue Ideen aus diesem Prinzip heraus. www.limpalux.de

Thomas Brown Sie rauschen mit größter Geschwindigkeit und tonnenschwerem Gewicht durchs Weltall und manchmal auf die Erde: Meteoriten. Der englische Fotokünstler Thomas Brown verkehrt diese Gefahrenvolle Konstellation in seiner Meteor Serie ins Gegenteil: Federleichte Papierknäuel fallen nahezu schwerelos durch einen un­bestimmbaren Raum. Schwere und Leichtigkeit; Gefahr und Harmlosigkeit. Ein Gedankenspiel, das mit kunstvoller Rafinesse Bezug auf die Weltuntergangsprognosen für das Jahr 2012 nimmt. thomasbrown.info

Kyouei Design Bei der Honeycomb Lamp erkennt man das Wabenpapier von Girlanden oder Lampions. Klein zusammengelegt, entfalten sich die aneinandergeklebten Papiere zu einer langen Schlange oder runden Form. Der japanische Designer Kouichi Okamoto hat dieses einfache Prinzip für seine Lampen verwendet. Für die Honeycomb Lamp hat er Denguri, ein feines Papier aus der japanischen Shikoku-Region Verwendung. www.facebook.com/kyoueidesign, www.kyouei-ltd.co.jp

Origami Wer bei Origami (oru = falten + kami = Papier) lediglich an niedlich gefaltete Papiervögel und -frösche denkt, weiß nicht, was in dieser Jahrtausende alten Tradion des Papierfaltens alles steckt. Die Kunst, aus nur einem einzigen Papier ohne Schnitt und Kleber komplexe Formen zu falten, birgt ungeahnte Möglichkeiten für die moderne Technik und Medizin. Ob Satelliten sich ein- und ausfalten oder sich mikroskopisch kleine Operationsgeräte zu ihrer wahren Größe entfalten und – das ist die hohe Kunst – auch wieder genauestens zusammenfalten können. Airbags, Verpackungen und andere Produkte unseres täglichen Lebens basieren auf einer gemeimsamen Idee: die Faltung eines einzelnen Stückes Papier. Beispiele und Informationen: www.langorigami.com, www.papierfalten.de

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Kyouei Design Der Erfindungsreichtum rund um Papier trifft bei Kouichi Okamoto auf reichlich Phantasie mit einer Prise Humor: Mit Cube hat er dem Begriff Luftpost eine ganz neue Bedeutung verliehen. Ein gefalteter und verklebter Papierwürfel wird flach geliefert und dient als Briefpapier. Der Empfänger muss zunächst den Brief zum Würfel aufblasen, um ihn dann vollständig lesen zu können. Cube – sprichwörtliche Luftpost! www.kyouei-ltd.co.jp, www.facebook.com/kyoueidesign



Papier als Grundstoff der Kultur Über das Wesen des Papiers Text von Peter Lodermeyer

S

ollte man meinen, dass eines der Grundma­ terialien unserer Kultur nichts anderes ist als ein schnöder „Faserfilz“? Genauer gesagt: ein „flä­ chiger Werkstoff, der im Wesentlichen aus Fasern meist pflanzlicher Herkunft besteht und durch Entwässerung einer Faseraufschwemmung auf einem Sieb gebildet wird. Der dabei entstehende Faserfilz wird verdichtet und getrocknet.“ So sach­ lich definiert das Deutsche Institut für Normung (DIN) unter Nummer 6730, was wir üblicherwei­ se als Papier bezeichnen. Tatsächlich ist Papier ein nicht hoch genug zu schätzender kultureller Grundstoff. Dies ist so selbstverständlich, dass wir kaum noch darüber nachdenken, wie viele ge­ sellschaftlich und kulturell bedeutsame Vorgänge und Funktionen ganz entscheidend von der Tatsa­ che mitbestimmt oder überhaupt erst ermöglicht werden, dass Papier als ein flexibles, leichtes und vielseitiges Material in großen Mengen zur Verfügung steht. Von den alltäglichsten Verrichtungen bis in Bereiche wie Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Kunst ist Papier als unverzichtbarer Informationsträger oder Werkstoff im Spiel. Man muss sich nur einmal klarmachen, wie oft man Tag für Tag in den verschiedensten Zusam­ menhängen Produkte aus Papier vor Augen hat bzw. in die Hand nimmt und benutzt. Das fängt mit der Morgenzeitung und dem Blick auf den Kalender an und geht mit Tetra-Packs weiter, mit Bus- und Zugfahrplänen, Fahrkarten, Geldscheinen, Rechnungen und Kassenzetteln, Einladungsund Eintrittskarten, Briefmarken, Notenpapier und Verpackungskartons, gar nicht zu reden von Zeitschriften und Büchern. Auch die Hygienekultur wäre eine völlig andere, gäbe es nicht Taschen- und Kosmetiktücher aus Papier, Küchenrollen und vor allem Toilettenpapier. Überhaupt stimmt es nachdenklich, wenn man liest, dass Toilettenpapier in China bereits im 9. Jahrhundert massenhaft hergestellt wurde, während der Westen bis 1857 darauf warten musste, dass der Amerikaner Joseph Gayetty erst­ mals ein industriell hergestelltes Toilettenpapier vertrieb, das noch nicht auf Rollen, sondern in Päckchen von 500 Einzelblättern verkauft wurde. Ein kommerzieller Erfolg soll es nicht gewesen sein. Die Toilettenpapierrollen kamen dann um 1880 auf, die erste deutsche Fabrik für dieses un­ verzichtbare Körperkulturgut, die Firma Hakle in Ludwigsburg, wurde erst 1928 gegründet. Vom Umgang mit menschlichen Grundbedürfnissen bis zu den edelsten Blüten der Hochkultur reicht das Einsatzgebiet des Papiers. Ob Einkaufszettel oder Post-it-Notiz, Blaue Mauritius oder Be­ ethoven-Autograph: Papier ist der sprichwörtlich geduldige Träger unterschiedlichster Arten von Information. Es ist spottbillig und überall verfügbar – oder aber unvorstellbar teuer: Im Dezember

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2009 wurde bei Christie’s in London eine knapp 30,5 mal 22 Zentimeter messende Raffael-Zeich­ nung für sagenhafte 47,9 Millionen Dollar als bis dato teuerstes Kunstwerk auf Papier versteigert. Nur zwei Monate später, im Februar 2010, erwarb die Pariser Nationalbibliothek über das Auktions­ haus Sotheby’s das in Französisch geschriebene Originalmanuskript der Memoiren von Giacomo Casanova und zahlte mit gut 7 Millionen Euro den bislang höchsten Preis für eine Handschrift. Unvermeidlich stellt sich heute, im Zeital­ ter fortschreitender Digitalisierung, die Frage, ob die Zeit des papierbasierten kulturellen Lebens nicht zu Ende geht. Statt mit Münz- und Papier­ geld wird zunehmend mit Geldkarten aus Plastik bezahlt; Litfasssäulen und Plakatflächen weichen LED-Bildschirmen und der gezielten, „personalisierten“ Internet-Werbung; das „papierlose Büro“ ist für zahlreiche Unternehmen ein angestrebtes Ideal und eine Herausforderung für Software­ entwickler im sogenannten Dokumentenmanagement. Dass heute ganze Archive digitalisiert und Steuererklärungen per E-Mail verschickt werden, weckt wohl kaum nostalgische Gefühle, doch die Tatsache, dass die Kulturtechnik des Briefeschreibens, ja sogar das Verfassen von Liebesbriefen offenbar durch E-Mails-Schreiben und „Simsen“ ersetzt wurde, stimmt doch melancholisch. Eine Frage, die seit vielen Jahren immer wieder die Feuilletons beschäftigt und die Gemüter bewegt, lautet: Werden Bücher, Zeitungen und Zeitschriften (auf Neudeutsch „Printmedien“) über kurz oder lang verschwinden und durch Downloads auf Laptops, Smartphones und elektronische Lesegeräte abgelöst? Diese Fragestellung ist dem Literaturwissenschaftler und Feuilletonredak­ teur der Süddeutschen Zeitung, Lothar Müller, zu eng. In seinem soeben im Münchner Hanser Verlag erschienenen Buch „Weiße Magie“, das für den Preis der Leipziger Buchmesse 2012 no­ miniert war, besichtigt Müller, was er im Untertitel „die Epoche des Papiers“ nennt. Der Autor wendet sich dabei vehement gegen „die starre Opposition von ‚Buchzeitalter’ und ‚Internet’“, auf die sich die einschlägigen Debatten meist beschränken. Diese hindere uns daran, „in den papier­ gestützten Routinen und Kulturtechniken, die seit der frühen Neuzeit die Infrastrukturen des Wis­ sens, der Ökonomie, der Herrschaft, der Künste wie der modernen Öffentlichkeit geprägt haben, die Vorgeschichte der digitalen Speicher- und Zirkulationsmedien zu erkennen.“ Bei seinen materialreichen Betrachtungen geht es nicht um eine lückenlose Geschichte des Papiers, sondern um Papier als kultureller Grundstoff. So hält sich Müller gar nicht lange mit der Erfindung des Papiers in China auf, sondern beginnt bei der arabisch-maurischen Papierpro­


Linke Seite: Wiggle Side Chair, Design Frank Gehry, 1972. Foto: © Hans Hansen. Rechte Seite: Jill Baroff, Floating Line Drawing (Four Corners, Ölpastell auf Gambi-Papier, 81 x 81 cm. Foto: © Courtesy Galerie Christian Lethert, Köln.

duktion, die Mitte des 8. Jahrhunderts einsetzt. Arabien wird in den üblichen Kulturgeschichten gewöhnlich nur als Mittler zwischen China und dem Westen erwähnt. Doch Müller wür­ digt die bahnbrechende arabische Erfindung, Papier aus Ha­ dern, d. h. Textilresten zu fertigen. Das Hadernpapier ist nicht nur ein frühes Beispiel für Recycling, es machte vor allem die Herstellung von Papier unabhängig von Rohstoffen wie dem chinesischen Papiermaulbeerbaum oder dem ägyptischen Pa­ pyrus, was entscheidend zu seiner weiten Verbreitung beitrug. Um 1235 entstanden die ersten europäischen Papiermühlen bei Fabriano, in der italienischen Provinz Ancona, wo bis heu­ te hochwertige Papiere gefertigt werden. Müller beschreibt ausführlich, wie die Ausbreitung des Papiers nach und nach die verschiedenen kulturellen Bereiche zu verändern begann, darunter Verwaltung, Nachrichtenübermittlung und Postwe­ sen sowie selbstverständlich die Literatur. Und er zeigt, dass es bereits in der frühen Neuzeit Unterhaltungsmedien gewesen sind, welche die Entwicklung vorantrieben: Im 14. und 15. Jahr­ hundert kamen diverse Kartenspiele in Mode, was zu einem ex­ plosionsartig ansteigenden Papierbedarf führte. Die Spielsucht ging quer durch alle Bevölkerungsschichten und war so gra­ vierend, dass es immer wieder zu gesetzlichen Verboten und Einschränkungen des Kartenspiels kam. Die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern, von Medientheoretikern wie Marshall McLuhan als Auslöser des entscheidenden Paradigmenwechsels der Neuzeit bewertet, betrachtet Müller nicht als isoliertes Phänomen, sondern bettet auch sie in die „Epoche des Papiers“ ein: „In der Tat konnte die Erfindung Gutenbergs (...) ihre epochale Wirkung nur entfalten, weil ihr das Papier als ökonomisch günstigerer, zugleich aber hochwertiger Schrift- und Bildträger zur Verfügung stand, der das Pergament zunehmend ergänzte und zumal dort ersetzte, wo die Intention massenhafter Reproduktion wichtiger war als die aufwendige Gestaltung der Bücher.“ Müller orientiert sich bei seinem Durchgang durch die Epo­ che des Papiers an bedeutenden Schriftstellern von Rabelais und Cervantes bis William Gaddis und Rainald Goetz. Letzterer ist insofern interessant, als er den Übergang ins digitale Zeital­

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ter markiert. Sein 1999 publiziertes Buch „Abfall für alle“ war zuvor als Netztagebuch online zu lesen. Für Lothar Müller geht die Epoche des Papiers mit der Digitalisierung keineswegs zu Ende, sondern tritt nur in eine andere Phase ein. Dem „ana­ logen“ stellt er das „digitale Papier“ zur Seite. Die virtuellen Seiten der Textverarbeitungsprogramme tun so, als seien sie aus Papier, sie betreiben Mimikry mit dem älteren Medium: „So raschelt es im elektronischen Papierkorb, wenn wir eine Datei löschen.“ Trotz Digitalisierung gilt für Lothar Müller: „Wir le­ ben, bis auf weiteres, immer noch in der Epoche des Papiers“. Als Literaturwissenschaftler und Tageszeitungsjournalist beschränkt sich Müller bei seinen Betrachtungen im Wesent­ lichen auf Papier als Schriftträger und bekennt: „Ein Kunsthis­ toriker würde anders fokussieren“. In der Tat, denn zur „Epoche des Papiers“ gehören unbedingt auch die Kunstwerke auf und mit Papier, Zeichnungen, Aquarelle und Grafiken, Papierskulp­ turen wie die von Erwin Heerich, aber auch Bilderzeugnisse wie Comic-Hefte oder so abseitige Bildmedien wie Orangenpa­ piere mit ihren meist exotischen Motiven. Und selbstverständ­ lich die Fotografie, deren Geschichte ganz entscheidend durch die Entwicklung der Fotopapiere geprägt war. Papier ist auch ein wichtiges Material für Inneneinrichtung und Design; davon zeugen ungezählte Studentenbuden mit ihren Ballonlampen aus Reispapier ebenso wie die schicken Lofts, die mit Karton­ hockern und -sesseln des amerikanischen Architekten Frank Gehry möbliert sind. Papier ist ein Werkstoff, der sich vielfältig bearbeiten und handhaben lässt. Lothar Müller zählt auf: „Papier lässt sich fal­ ten und knicken, zusammenknüllen und zerschneiden, zerrei­ ßen und verbrennen, beidseitig mit Ziffern, Buchstaben und Li­ nien bedecken, fortlegen und wieder hervorziehen, verschicken oder verstecken.“ Was er zu erwähnen vergisst: Papier lässt sich auch kleben und bekleben. Im 16. Jahrhundert bereits kam der Brauch auf, Wände mit Papiertapeten zu versehen statt mit teuren Teppichen oder Gobelins zu behängen. Gerade in den letzten Jahren erfreuen sich aufwendig bedruckte und geprägte Tapeten, auch Fototapeten, wieder großer Beliebtheit. Der Ei­ genschaft von Papier, ge- und beklebt werden zu können, ver­

dankt die Kunst zudem eine der revolutionären Erfindungen der Moderne: die Collage. Indem Pablo Picasso im Herbst 1912 und kurz darauf auch Georges Braque anfingen, Papiere, meist Zei­ tungsausschnitte, in ihre kubistischen Kohlezeichnungen ein­ zukleben, schufen sie ganz neue, hochkomplexe visuelle Räu­ me – mit bis heute nachwirkenden Folgen für die Kunst. In der Fachliteratur heißen diese Arbeiten ganz prosaisch „geklebte Papiere“ – „papiers collés“. Ein gutes Beispiel dafür, wie Papier mit seinen Eigenschaften auch in der zeitgenössischen Kunst zu neuen Gestaltungsmög­ lichkeiten inspiriert, sind die Arbeiten der New Yorker Künst­ lerin Jill Baroff. Das Papier, das sie bevorzugt verwendet, ist al­ lerdings im Sortenlager selbst großer Papierhändler nur selten zu finden. Es handelt sich um Gampi-Papier, eines der dünnsten handgeschöpften Papiere, dessen Fasern von einem dem Seidel­ bast verwandten Strauch stammen, der nur in gewissen Regi­ onen Japans wächst. Jill Baroff begnügte sich nicht damit, dieses strapazierfähige und kostbare Papier zu kaufen, sondern ging in den 90er-Jahren eigens nach Japan, um vor Ort die Handwerks­ kunst des Gampi-Schöpfens zu studieren. Für ihre „Floating Line Drawings“ färbt sie einen Randstreifen an allen vier Seiten eines Blattes mit Tusche oder Ölpastellkreide und schneidet ihn so aus, dass er nur noch an einem Zipfel hängt. Diesen losen Papierstreifen versucht die Künstlerin dann im Wasserbad in Form zu bringen, es auf dem Trägerblatt anzuordnen oder um es herum zu legen, Knoten in das Band zu flechten usw. Der Wi­ derstand des Materials führt dabei zu reizvollen Verknickungen und Verdrehungen und unvorhersehbaren Farblinienverläufen. Das Resultat ist ein unglaublich zartes Objekt aus Papier, ge­ formt im Zusammenspiel von Zufall und Kontrolle.

Lothar Müller: Weiße Magie. Die Epoche des Papiers. Hanser Verlag, München 2012. 384 Seiten. 24,90 Euro. ISBN: 978-3-44623911-1 Jill Baroff: http://jillbaroff.net. Die Künstlerin wird vertreten von Bartha Contemporary in London (www.barthacontemporary.com) und der Galerie Christian Lethert in Köln (www.christianlethert.com).

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Junge Kunst Aller Anfang ist schwer wie Kunspreise sinnvoll unterstützen können Text Isabel Richter

What about Fashion, Prinzessin zu Bentheim?

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ch bin eine Wiederholungstäterin! Regelmäßig pirsche ich mich an Bahnhofsbüchereien und Flughafenshops auf der Suche nach der neusten Vogue USA, Vogue GB, Harpers Bazar und W. Ich brauche einfach diesen Geruch eines druckfrischen Magazins in meiner Nase; der ist unverkennbar. Das geht nur auf Papier. Die amerikanische Ausgabe der Vogue ist heute wieder dick wie ein Telefonbuch. Während ich gefühlte fünfzehn Kilo der neusten „Fashion Issues“ zum Auto schleppe, frage ich mich, ob nicht alle Träume einmal auf Papier anfangen? Und regiert Papier nicht auch im Medienzeitalter unverändert die Welt?! Ich glaube: ja!

unge Kunst hat’s schwer. Und mit ihr die jungen Künstler, die gerade die Kunsthochschule oder Akademie verlassen haben und sich mehr oder weniger unvermittelt im Kunstmarkt ori­ entieren müssen. Einerseits stehen nun für die jungen Künstler alle Türen offen für den Weg in das eigene, selbstbestimmte Berufsleben, andererseits bedeutet es zugleich Abschiednehmen vom geschützten Raum der Hochschule, in dem man losgelöst von allen marktspezifischen Bedin­ gungen und Notwendigkeiten lernen und experimentieren konnte. Ab jetzt wird es keine Beglei­ tung durch Professoren und Dozenten geben, kein gemeinsames Arbeiten in großzügigen Ateliers, keine Künstlergemeinschaft von der man sich tragen, aber auch abgrenzen konnte. Nun wird jeder auf sich allein gestellt sein, angefangen von der Ateliersuche bis hin zu den Vorbereitungen zur eigenen Ausstellung und der ersten Kontaktaufnahme zu Galeristen und Kuratoren.

Rückblick. Wir haben April 2011. Berlin Kreuzberg. Es soll eine komplette Neuinszenierung, des High End Fashion Labels UNRATH & STRANO geben. Die neue Corporate Identity zu finden, ist der Anfang von wohl jedem Unternehmen. Man zeigt dadurch dessen Persönlichkeit, Geist und die Philosophie. Ich bin als neue Partnerin eingestiegen, will loslegen – diesen Traum in die Tat umsetzen. Den Laden am Gendarmenmarkt einrichten und designen, Schaufensterpuppen aussuchen, das neue Atelier organisieren, den Vertrieb aufbauen. Aber ich finde mich zunächst inmitten eines Papierbergs wieder. Auf dem großen Schneidetisch hat sich ein wildes Durcheinander entwickelt. Vieles liegt herum; ein wahres Chaos! To-Do-Listen, Magazine – markiert mit bunten Post-Its, Papierproben, Papiertaschen von Konkurrenten, Kassenbons, Briefumschläge und diverse Cuttings. Wir diskutieren im Team über das braune dicke Papier und das tolle mit der FarbBezeichnung ‚Gun-Metal‘ und ob es nun 280 Gramm oder lieber 320 haben soll. Passen Flieder und Braun zusammen? – Ja, natürlich! Visitenkarten, Compliment Cards, Briefpapier, Tüten und Hangtags wollen bestimmt und ausgesucht werden. Es geht um die emotionale Wirkung von Papierfarben. Ich schweife in Gedanken ab und überlege, ob ich ein Kleid nicht kaufen würde nur weil mir die Farbe der Papiertasche nicht gefällt. No way – Beute ist Beute! Hat man das Papier oder besser gesagt die Papiere festgelegt, kommt der Feinschliff. Denn jetzt muss überlegt werden, wo das Logo stehen soll und welche Schrift und auch Größe man haben möchte und ob man unter seinem Namen eine deutsche oder englische Beschreibung seines Jobs auf der Visitenkarte haben will. Visitenkarten – ein Thema für sich. Es scheiden sich ja da die Geister ob eine doppelt kaschierte Karte zu protzig wirkt oder nicht. Hoch oder tief geprägt? Wir entscheiden uns für die doppelte Variante, ich finde, dünne Visitenkarten verlieren sich in den großen Taschen der Fashionistas zu schnell! Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr Situationen – gute und schlechte – fallen mir ein, die ich mit einem ganz bestimmten Papier verbinde. Die schnell auf einen Schnipsel gekritzelte wichtige Nummer, der persönliche Brief einer zufriedenen Kundin, ja sogar das Schreiben vom Finanzamt als wir endlich unsere Steuernummer erhalten haben.

Kürzlich war ich in Mailand, um mir anzusehen, wie die ganz Großen der Branche das Karussell der Puppen drehen lassen. Und dass die Modewelt auch hier nicht ohne Papier funktioniert, wird mir in diesen Tagen schnell klar. Da sehe ich auf den Defilées von ETRO, MARNI und ARMANI die schönsten Ergüsse, die sich mit Papier umsetzen lassen. Wahnsinn, wie man Einladungen gestalten kann. Ein Laufsteg ist sogar komplett aus dem Material gestaltet und die Models schweben darüber wir durchscheinende Elfen. Begeistert und voller Inspiration fliege ich zurück nach Berlin. Dort bekomme ich Besuch im Atelier. Eine Freundin bringt ihre sechsjährige Tochter Angelina mit, die mit großen Augen das wilde Treiben in unserer Kreativschmiede verfolgt. Gerade haben wir ein Fitting mit unserem Hausmodel in einem Look aus der neuen Kollektion und letzte Anderungen werden in den Entwürfen skizziert. Tage später bekomme ich einen kleinen Brief mit einem selbstgemalten Bild von Angelina. Das Bild zeigt unser Model im neuen Winterlook. Wir sind begeistert und hängen es gleich an unsere „Wall(paper) of Fame“. Während ich schreibe, klebt mir meine Assistentin ein Post-it auf den Tisch. „Kollektions­ besprechung um eine Stunde verschoben“ steht darauf geschrieben – ich muss grinsen. Sie hätte ja auch eine E-Mail schreiben können, aber das Papier hat wohl mal wieder gesiegt. Ihre Elna-Margret zu Bentheim

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Coaching während der Tour. Walter Gehlen in Hamburg mit Künstlern im Gespräch. Foto: © BLOOM Award by Warsteiner

Der BLOOM Award by Warsteiner setzt genau an diesem Punkt der künstlerischen Karriere an und bietet schon während des Wettbewerbs persönliche Coachings durch Profis der Kunstszene. Im Mai 2012 startete eine Ausstellungs- und Bewerbungstour quer durch Deutschland. In ausge­ wählten Galerien in Köln, Hamburg und Berlin hatten junge Kreative die Möglichkeit, sich im Rah­ men dieser Ausstellungen individuell von erfahrenen Coaches beraten zu lassen. Die jeweiligen Galeristen und Walter Gehlen, Direktor und künstlerischer Leiter der Kunstmessen ART.FAIR und BLOOOM, standen dabei für alle Fragen rund um das Thema Kunst und Künstlerkarriere zur Ver­ fügung. Anne Scherer, von der Kölner Galerie Die Kunstagentin konnte Einblicke in ihre Arbeit als Galeristin geben und die kommunikative und vermittelnde Wirkungsweise von Kunst herausstel­ len: „Für mich ist Kunst Kommunikation und braucht eine Plattform. Der BLOOOM Award bietet den Künstlern die Möglichkeit, sich zu vernetzen und dabei hilfreiche Tipps zu sammeln“, so Anne Scherer. Dieser Vernetzungsgedanke ist auch Walter Gehlen ein besonders wichtiges Anliegen im Hinblick auf die ersten professionellen Schritte im Kunstmarkt. So sieht er den Wettbewerb als Chance, erfolgreich in den internationalen Kunstmarkt einzusteigen, „Wir als Jury wollen junge Künstler auf ihrem Weg unterstützen, in der Kunstszene Fuß zu fassen. Ich habe während des Wettbewerbs schon zahlreiche interessante Gespräche geführt. Hierbei denke ich, dass wir viele „Do‘s und Dont‘s“ vermitteln konnten, die den Einstieg in den Kunstmarkt deutlich vereinfachen und letztlich Zeit und Frust ersparen.“ Neben den bisherigen Jury-Mitgliedern konnten auch die Finalisten aus 2011, den jungen Künst­ lern über ihre bisherigen Erfahrungen berichten sowie das neue Jury-Mitglied MiMi Westernha­ gen über ihren Werdegang als Sängerin und über das Show-Business erzählen. Besonders die in London geborene und aufgewachsene Sängerin und Songwriterin repräsentiert perfekt die Vielfalt des BLOOOM Awards, da sie sich durch das interdisziplinäre Spiel mit diversen Genres auszeich­ net. Ausgestattet mit dem musikalischen Talent ihres Vaters, ist sie auch in anderen künstleri­ schen Disziplinen sehr erfolgreich. So spiegelt MiMi Westernhagen nicht nur in ihrer Musikkar­ riere, sondern auch in ihrer Malerei und Illustration sowie im Modedesign die interdisziplinäre Arbeitsweise gerade junger Künstler und Kreativer wieder. Gemeinsam mit der Stammjury wird sie nun aus allen Bewerbungen im August die zehn herausragenden Arbeiten auswählen, die es dann im Herbst ins spannende Finale schaffen. Die Gewinner werden schließlich vom 01. bis 04. November 2012 auf der BLOOOM – the creative industries art show in Köln vor über 32.000 Besu­ chern im Rahmen einer Sonderausstellung präsentiert. Informationen zur Tour, zur Jury und das Anmeldeformular zum BLOOOM Award by WARSTEINER 2012 stehen auf der neuen Website zur Verfügung. Eine Bewerbung zum BLOOOM Award ist noch bis zum 31. Juli 2012 möglich. www.blooomaward.com


Untragbare Kleider Paper Works wie von Elfen berührt Interview Yasha Young

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ie Dänische Modedesignerin Violise Lunn entwirft nicht nur tragbare Kleidung, sondern auch traumhafte, ­­­­­ hauch­zarte Kleider, die ganz bewusst niemals getragen werden können. Ihre große Liebe gilt der Haute Couture aus Papier. Zart, zerbrechlich und untragbar. Papier bietet der Modedesignerin eine besondere Freiheit, Kleider und Schuhe in ihrem Copenhagener Studio zu entwerfen. Eine Freiheit, die vergleichbar mit der eines Künstlers ist, der Skulpturen oder Installationen mit seinen Händen erschafft. Das Spiel mit unmöglichen Kompositionen und Formen machen für Violise Lunn den großen Reiz aus, sich dem Papier in seinen unterschiedlichsten Erscheinungsformen zu widmen. Auch wenn ihre Kleider niemals von Models über den Laufsteg geführt werden können, so werden sie doch überall auf der Welt in Ausstellungen gezeigt. So ist Violise Lunn mit ihren Entwürfen in der internationalen Modewelt zuhause und zugleich mit ihren paper works als Künstlerin bekannt, über die sie mit Begeisterung erzählt. Du hast einmal den Unterschied zwischen Deinen Designund Papierarbeiten mit ‚nützlich‘ und ‚nutzlos‘ charakterisiert. Fasziniert Dich die Überlegung, dass künstlerische Arbeit, weder ewig andauern noch benutzt werden kann? Geht für Dich damit die Vorstellung künstlerischer Freiheit einher?

Es bedeutet eine große Freiheit, an einem Werk zu arbeiten, das keinerlei Grenzen hat, bis auf die Bedingungen des Materials. Das Werk muss keiner Größe entsprechen oder etwa waschbar sein. Ich kann tun, was immer ich möchte im Gegensatz zu meinem Job als Designerin, in dem ich Kleider entwerfe. Die Arbeit mit Papier nehme ich quasi als Inspirationsquelle für meine Auftragsarbeiten. Was fasziniert Dich an Papier als künstlerisches Material? Ich weiß, dass Du ein Faible für elfenhafte Leichtigkeit hast. Ist das für Dich ein Grund, mit Papier zu arbeiten?

Papier ist ein phantastisches Material. Es ist so verletzlich und zart. Ich arbeite mit allen möglichen Papiersorten, die ich wie verrückt sammle, wo immer ich sie finden kann. Jede Papiersorte ist ein Material für sich. Einige sind transparent,

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einige voluminös, einige dick, andere sind farbig oder haben eine besondere Struktur. Papier hat so unterschiedliche Eigen­ schaften, dass ich sie ganz unterschiedlich einsetzen kann. So behandle ich das Papier auf vielfache Weise. Ich verleihe dem Papier verschiedene Oberflächen mit Kleber, Farbe oder Lack. Ich zerknülle es, reiße, zerre oder falte es. All das, um die ge­ wünschte Form oder Wirkung zu erreichen. Ich liebe es, mit Papier zu arbeiten, weil alles möglich ist. Man kann Möbel oder Häuser daraus machen, ach, was immer Du willst. Hat deine Herkunft und das kalte Klima Deiner Heimat Dich beeinflusst, sich mit dem warm und weich anmutenden Papier zu beschäftigen?

Eine sehr interessante Frage; darüber habe ich noch nie nachgedacht. Papier ist meiner Ansicht nach ein sehr warmes Material. Vielleicht fühle ich mich davon so angezogen, weil es so schwer definierbar und zugleich so formbar ist. Ich liebe es, mit Papier zu arbeiten, weil es leicht und frisch ist. Es erinnert mich an Licht. Ich lebe in einem Land, wo es sechs Monate im Jahr lang dunkel ist. Die verschiedenen Oberfläche der Papiere haben Ahnlichkeit mit der Natur, etwa mit getrockneten Blättern, Blüten und verschiedensten Strukturen und Haptiken, die man in der Natur findet. Das hört sich fürchterlich romantisch an, aber ich bevorzuge Materialien, mit deren Oberfläche man fühlen und mit denen man arbeiten kann. Ich kann sie sie mit meinen Händen formen und kontrollieren. Ich kann durch Experimentieren recht leicht zum gewünschten Ergebnis gelangen. Im Gegenstaz dazu braucht man für schwere, kalte Materialien Maschinen und Kraft und man kann kaum etwas verändern, wenn man erst einmal eine Form begonnen hat. Zu Beginn meiner Papierarbeiten habe ich zwar eine konkrete Idee, aber sie ist nicht fixiert. Alles kann sich entwickeln und manchmal endet es sogar im Mülleimer. Die gültige Gestalt kommt während ich arbeite. Ein Fehler oder die Verwendung eines anderen Papiers kann manchmal völlig neue Formen und Ideen eröffnen. Meine Papierskulpturen bestehen aus allen denkbaren Papier­arten, die geknittert, zerknautscht,

gerissen und zusammen­geklebt oder wie Textilien drapiert sind, bis ich die richtige Form und den richtigen Ausdruck gefunden habe. Es braucht viele Arbeitsschritte bis der Kleber getrocknet ist und manchmal nimmt das Papier nicht die Form an, die ich mir vorgestellt habe. Dann lasse ich ein Stück mehrere Wochen liegen, bis ich es endlich fertigstelle. Wie würdest Du Deine Papierarbeiten einordnen? Sind sie Kunst oder doch eher Kunsthandwerk?

Natürlich sind meine Papierarbeiten Kunst. Kurz gesagt, weil sie keinen Nutzwert haben. Umgekehrt haben viele Werke als einzigartige Kunstwerke begonnen und sich dann zu einem nützlichen Objekt entwickelt. Ist das nun Kunst oder Kunsthandwerk? Meiner Meinung nach kann Kunst einfach nur Ausdruck von Emotionen sein, nicht mehr und nicht weniger. Ich arbeite mit Papier, weil es mich sehr inspiriert. Ich kann Papier einfach nicht widerstehen, vielleicht aus demselben Grund, warum sich Schriftsteller, Wissenschafter, Musiker und Nerds intensiv mit ihren, speziellen Themen auseinandersetzen. Welchen Rat gibst Du den Sammlern Deiner Arbeiten? Sie sind ja doch sehr fragil.

Viele meiner Papierarbeiten sind äußerst stabile Skulpturen. Manche hängen beispielsweise in meinem Atelier von der Decke oder ich bewahre sie in großen Boxen auf. Aber sie sind weitaus weniger zerbrechlich als sie aussehen, so lange sie nicht großer Feuchtigkeit ausgesetzt sind. Also kann man sie getrost wie Skulpturen, die aus herkömmlicheren Materialien geschaffen wurden, behandeln.

Violise Lunn hat an der Denmarks Design School, Industrial Design, Fashion studiert. Seitdem hat sie zahlreiche Auszeichnugen für ihre Modeentwürfe erhalten. Seit 1997 führt sie ihr eigenes Studio in Gothersgade, Kopenhagen. In der Zusammenarbeit mit Royal Copenhagen zeigte sie u.a. ihr weitreichendes Designtalent. Ihre Papierarbeiten zeigt sie alljährlich auf Ausstellungen in der ganzen Welt. www.violiselunn.dk

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Große Welt auf kleinster Bühne Das Papiertheater erlebt eine Renaissance Text Julia Brodauf

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leine Bühne, großer Applaus: Sonntagvormittag im Berliner Märkischen Museum, dem Mu­ seum für Stadtgeschichte. Mi­ nutenlanger Jubel: So feiert das Publikum das Gastspiel, das in diesem Monat aus Niedersach­ sen angereist ist. Gegeben wurde Vasantasena, ein Sanskritdrama, mit Musik, eine spezielle Neu­ bearbeitung des Textes aus dem 5. Jahrhundert vor Christus. Römers Privattheater entführ­ te die Zuschauer für eine satte Dreiviertelstunde in die indische Tempelwelt. Das Licht geht an, es verbeugt sich der Regisseur und sein Team aus Bühnentechni­ kern, während der Jubel langsam verebbt. Die Darsteller, ein viel­ köpfiges Ensemble, eine ganzen Formation leichtbekleideter Tän­ zerinnen inklusive, liegen der­ weil kreuz und quer hinter der Bühne herum.

die Pappe, da machen Bühne und Schauspieler schnell schlapp. Einen Rundgang durch die Welt der Papiertheater zeigt das einzige Papiertheatermu­ seum Deutschlands auf Schloss Philippsburg in Hanau. Gleich 20 aufgebaute Theater stehen dort, eine Bühne wird regelmäßig bespielt. Öffentlich ausgestellt ist auch die Sammlung Walter Röhler in Darmstadt. einzelne Modelle oder Sammlungen von Papiertheatern gibt es in einer ganzen Reihe von Museen. Dort stehen die Modelle in Nachbar­ schaft zu ähnlichen Spielzeugen: Schon erstaunlich, was man alles aus Papierbögen ausschneiden und funktionierend zusammen­ setzen kann. Der Bau von Schif­ fen, Burgen oder Maschinen aus Papier gehörte seit dem 19. Jahrhundert ebenfalls zur ange­ sagten Kinderunterhaltung.

Das Ensemble ist zahlreich, Es gehört wohl zum Wesen aber mini: Jeder Einzelne viel­ des Papiertheaters, dass jeder leicht 20 cm groß. Dafür gibt es Großes Papiertheater mit 13 Kulissenbildern. Litografie. Neue Serie, Esslingen: J. F. Schreiber, um 1890. Aufführende bald eine ganze Ochsengespanne, gleich meh­ Zu sehen in der neuen Dauerausstellung des Deutschen Buch- und Schriftmuseums der Deutschen Nationalbibliothek. Foto: © Klaus D. Sonntag Sammlung besitzt. Und dann rere, sogar Elefanten, und Esel. gibt es auch noch große Fans, die Was wäre das für eine riesige nur sammeln, gar nicht spielen, Produktion, ein gewaltiges logis­ die einfach von den dekorativen Bögen und ihrer Ästhetik fasziniert sind. Immerhin wurden auch tisches Unterfangen, würde auf einer richtigen Bühne gespielt! Wird es aber nicht. Hier passen die Miniatur-Hintergründe von im 19. Jahrhundert prominenten Theatermalern gestaltet. Jeder Kulissen, Schauspieler und die Bühnen-Entourage zusammen in einen PKW. Die Hauptpersonen Bogen ist ein Kleinod, viele von Ihnen sind Sammlerstücke, da spätestens zu Beginn des 20. Jahr­ reisen verstaut in Kisten im Kofferraum. Römers Privattheater ist ein Papiertheater, eine Bühne hunderts die Mode der Papiertheater langsam verebbte und damit auch die Herstellung in großer en miniature, eine Theaterform mit einer knapp 200 Jahre alten Tradition. Papiertheater, der klei­ Auflage eingestellt wurde. Einige der Papiertheater-Bögen gibt es heute als Reprints, originale ne Verwandte des Puppen- und Objekttheaters, bringt große Damen auf die winzige Bühne – das Papiert­heater sind ein Fall für‘s Museum. Einige Sammler lassen ihre Bestände digitalisieren und Format bestimmt auch die Größe des Publikums, das nie mehr Köpfe als eine Schulklasse haben machen sie damit auch wieder für Neuauflagen verfügbar, darunter Dietger Dröse, Netzwerker kann. Und auch dann empfiehlt sich ein Opernglas, besser ein Feldstecher in der Handtasche, um der Papiertheaterszene in Berlin und Hanau und Autor des Blogs ‚Aufgeschnappt‘. Der wiederum aus der letzten Reihe noch alle Feinheiten erkennen zu können. gastiert auf den Seiten des Papiertheaters Heringsdorf. Er ist derzeit durchaus aufgeregt ob eines Dachbodenfundes: In den Beständen des Stralsunder Stadtmuseums ist ein historisches Papierthe­ „Kindertheater“ hieß es ursprünglich, damals, zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als die ersten ater aufgetaucht, das mit Tragriemen und Haltegriffen ausgestattet ist. Was ein Zeichen dafür sein Ausschneide-Bögen auf den Markt kamen. Es handelte sich schließlich um eine Form der geho­ könnte, das bereits im Biedermeier die Papierbühnen vereinzelt die heimischen Stuben verlassen benen Kinder-Unterhaltung. Der Fernseher, die Spielekonsole des Biedermeier, im Programm die haben und auf Jahrmärkten oder in Hinterhöfen präsentiert wurden. Dramen der großen Bühnen und auch eine spezielle Theater-Literatur für das junge Publikum. Wer noch nicht mit ins Theater kam, konnte Schillers Räuber, die Operette Zar und Zimmermann Eine andere Form von Papiertheater wurde geradezu dafür gemacht, auf Reisen zu gehen: Ein oder Kleists Käthchen von Heilbronn im heimischen Wohnzimmer erleben. Natürlich gab es auch Sprung nach Japan. Kamishibai funktionierte ohne bewegliche Teile, es wurden einfach Bild-Tafeln in zahlreiche Stücke speziell für Kinder, den gestiefelten Kater oder Aschenbrödel zum Beispiel. einem festen Rahmen gezeigt und nach und nach herausgezogen – eine Bilderge­schichte entsteht, Papiertheater wurden mit der ganzen Familie gespielt und gehörten besonders zur Weihnachtstra­ die der Erzähler anhand auf der Rückseite der Karten aufgedruckter Texte lebendig erzählt. Bis zur dition. Die Kulissen, die Figurinen, die ­Ausstattung und die Requisiten samt Textbuch lieferten die Verbreitung des Fernsehens in den 50er Jahren gab es in Japan etwa 10.000 Kamishibai-Erzähler, die Verlage in lithografierten Druckbögen. Manchmal im Komplett-Set, viele Bühnenbilder gab es aber die kleine Bühne auf ihr Fahrrad gebaut hatten und damit von Dorf zu Dorf zogen, immer gleich meh­ auch einzeln, so dass sie für verschiedene Stücke verwendet werden konnten. Alles wurde sorgfäl­ rere Geschichten im Gepäck. 5 Millionen Zuschauer erreichten sie täglich, Geld verdienten sie durch tig ausgeschnitten und auf ­Pappe und Holzkonstruktionen montiert. Mit langen Stangen wurden den Süßigkeitenverkauf während der Vorstellungen. Oft reisten sie mit Fortsetzungsgeschichten, die die Figurinen über die ­Bühne ­manövriert, während aus dem Off der Text gesprochen wurde. Eine der Erzähler erst beim nächsten Besuch wieder aufnahm. Die Bildtafeln wurden in Verlagen produ­ durchschnittliche Papiertheater-Bühne hat tatsächlich in etwa die Ausmasse eines heutigen Farb­ ziert, aus einigen der Illustratoren wurden später bekannte Comic-Zeichner, so dass kamishibai auch fernsehers und leuchtet ebenso im Dunkeln: Die Beleuchtung ist, wie auch die Konstruktion der als Vorläufer des Manga gilt. Auch das europäische Papiertheater schlägt vereinzelt die Brücke zur beweglichen Teile und die Produktion von Spezialeffekten, eine Frage der persönlichen Technik. Moderne. Zwar waren für viele der Spieler einst die historischen Bilderbögen Auslöser für ihre erste Inszenierung, so hält es längst nicht alle bei Goethe, Schiller oder Kleist. Vielmehr zeichnen, bauen Die heutige Papiertheater-Szene, die, genau wie ihre Theater, nicht sehr groß ist, trifft sich und schreiben viele von ihnen ihre Stücke auch selbst. Eine moderne Formensprache im Sinne der alljährlich im September zum Papiertheatertreffen im schleswig-holsteinischen Preetz, um gegen­ zeitgenössischen Kunst und Bühnenkunst wird dabei aber selten erreicht. seitig die neuesten Produktionen zu bestaunen, aber auch, um zu fachsimpeln. 60 Vorstellungen an einem Wochenende, etwa 1000 Zuschauer - seit den 60er Jahren, als das Genre wieder in Mode Das Papiertheater bewegt sich zwischen Nostalgie und Experi­mentierfreude mit allen Höhen kam, ist eine kleine, verschworene Gemeinschaft gewachsen. Papiertheater lohnt sich kommer­ziell und Tiefen. Es ist ein hemdsärmeliges Genre, und das kleine ­Format darf über eine Tatsache nicht nicht, bei den niedrigen Zuschauerzahlen, die vor eine so kleine Bühne passen. Gespielt wird also hinwegtäuschen: Wer dem Papiertheater verfallen ist, der gibt sich ihm mit großer Hingabe hin. Das ausschließlich von Menschen, die die Leidenschaft antreibt, die sich in Bühnenliteratur ebenso Erarbeiten von Stücken, von Bühnenbildern, Kostümen, Figurinen, Technik und Dramaturgie macht verlieren können wie in winzigen Frickeleien, die jeden Abend im Keller verschwinden, um eine die Papiertheaterfreunde zu ­geistigen Verwandten der großen Theater. Das Gebastele jedoch, das neue Kulisse zu basteln. Eine Dutzend Papiertheater spielen bundesweit, ein paar mehr im europä­ Verbeißen in technische ­Fragen im Miniaturformat, das Hantieren mit Schere, Klebstoff und Draht ischen Ausland, in den Niederlanden, Dänemark oder Schweden. Gesprochen wird auf Treffen zum finden in direkter Nachbarschaft der Modellbauer statt. Die Welt des Papiertheaters ist eine Traum­ Beispiel darüber, wie Rauch hergestellt werden kann. Ein für jegliche Dramatik unverzichtbarer welt, ein kleiner, rechtsfreier Raum, ein winziges Nebenzimmer im Kulturbetrieb. ­Spezialeffekt. Horst Römer, Regisseur und Baumeister des Römerschen Papiertheaters, gewährt einen kleinen Blick hinter die Kulisse: Gut funktioniert es mit einer Zigarette. Althergebracht, aber problematisch ist der Einsatz einer Mini-Dampfmaschine: Der Dampf ist zu feucht, kriecht in www.preetzer-papiertheatertreffen.de | www.papiertheater.eu | www.dnb.de

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Vom Zauber des Alltäglichen Thomas Demand widmet sich in seiner neuen Bildserie ‚Dailies‘ dem Beiläufigen Text Julia Brodauf

Das Abbild eines Abbildes eines Abbildes eines Abbildes eines Abbildes eines Abbildes ... Foto: © Julia Brodauf 2012

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om Besuch der in jeder Hinsicht großen Ausstellung zu Thomas Demands Ausstellung ‚National­galerie‘ in eben dieser Berliner Nationalgalerie brachte ich 2009 eine Bildpostkarte mit. Auch wenn eine solche Postkarte nur ein unwürdiges Abbild der zumeist mehrere Quadratmeter einnehmenden Fotoarbeiten des Künstlers sein konnte, so diente sie immerhin als Gedanken­ stütze und Erinnerung an das abgebildete Werk. Ja, ich hätte auch gerne ein Original, aber die sind ja weder besonders leicht noch günstig zu haben. Schließlich ist Thomas Demand, geboren 1964, ausgebildet an den Akademien in ­München, Düsseldorf und London, einer der international renommiertesten Künstler der Gegenwart. Seit 1991 stellt er seine Arbeiten aus, große Aufmerksamkeit erfuhren beispielsweise die Arbeiten mit den schlichten Titeln ‚Büro‘ (1995) oder ‚Badezimmer‘ (1997). Hinter den lakonischen Raum­ bezeichnungen verbergen sich Motive von politischer Brisanz, Eckpunkte deutscher Geschichte. Ersteres zeigt die zerwühlte Berliner Zentrale der Staatssicherheit nach ihrer Erstürmung 1989, das zweite Bild die Badewanne, in der der Politiker Uwe Barschel starb, aber ohne den Toten. Die Bilder werden von Demand jeglicher Protagonisten entkleidet und mittels seiner speziellen Arbeitsweise auf das Wesentliche reduziert. Er baut die Schauplätze und Tatorte als Modelle im Maßstab 1:1 aus Papier und Karton nach, fotografiert sie ab und präsentiert sie aufgezogen hinter spiegelndem Plexiglas. Bereits 2005 honorierte das New Yorker Museum of Modern Art die Arbeit mit einer Werkschau und 2009 schließlich ließ ihn die Berliner Nationalgalerie 40 seiner Werke zur Zeitgeschichte in einer opulenten Inszenierung ausstellen. Heute vertreten ihn fünf Galerien in Berlin, London, New York und Tokio. Die sorgen dafür, dass die oft großformatigen C-Prints, die in geringen Auflagen erscheinen, absichtsvoll in Sammlungen wandern. Als (leider) Nicht-Inhaberin einer großen Kunstsammlung also wählte ich damals als handliches Andenken ein Motiv, das ich nicht kannte. Es zeigt ein er­ kennbar hölzernes Bushaltestellen-Wartehäuschen. Ein Bild aus dem kollektiven Gedächtnis, von dem ich jedoch schlichtweg keine Ahnung hatte, was an diesem Ort medienträchtiges geschehen war. Und ich wählte es gerade aus diesem Grund. Bei diesem Bild drängte sich mir kein Zeitungs­ foto auf. Mein Hirn versorgte mich nicht wie sonst reflexhaft mit Zusatzinformationen wie: „Es zeigt das Oval Office, aber Demand hat es mit einer Mobiliar-Mixtur der unterschiedlichsten ame­ rikanischen Präsidenten ausgestattet“ oder „man weiß immer noch nicht, ob jemand den Barschel umgebracht hat“ oder „welcher Mord war doch gleich in dieser Küche geschehen?“. Ich hatte weder detaillierte noch halbfertige Gedanken zum Hintergrund und Inhalt des Bildes – und Demand verzichtet dankenswerterweise darauf, diese Informationen beizufügen – man hat sie, oder hat sie nicht. Dafür umgab er damals für das Gesamtkunstwerk „Nationalgalerie“

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seine Bilder, mit einem bedeutungsschweren Text von Botho Strauss, mit ebenso schweren, graue­n Vorhängen und mit einem dicken Rahmenprogramm gesellschaftlicher Größen. Weitab von all jenem konnte sich mein Auge in Sachen Bushaltestelle jedoch ungestört am Formalen erfreuen: Wie dem erkennbar ornamental gestalteten Gebäude durch den Einsatz von glattem Papier eine lineare Strenge aufgezwungen wurde. Wie präzise und fein die Ornamente dort geschnitten sind. Wie Zeichen und Bilder in der Abbildung auf das Minimale reduziert werden. Wie trotzdem ein paar Grashalme keck hinter dem Gebäude hervorlugen. Wie achtsam-achtlos trockenes Laub bezie­ hungsweise dessen papierne Imitation um das Haus herum verstreut und wie ein goldener Schein auf das Haus gelegt wurde, während der Hintergrund im Dunkeln verschwindet: Irgendwie, fand ich, lag eine Schwere auf dem Haus, und vermutete, dass es der Schauplatz eines prominenten Verbrechens oder Unglücks sein müsse. Ich stellte mir das abgebildete Modell in Lebensgröße in Demands Atelier vor, fragte mich am Rande, wie man so große Papierbögen so rund biegen kann und wie viel Klebstoff sie dann wohl in Form halten, und ob ein Assistent die Blätter ausstreuen durfte oder der Künstler es selbst ge­ macht hat, wer überhaupt das ganze Laub ausgeschnitten hat und wie viele Altpapiercontainer notwendig waren, um nach ausgetüftelter Beleuchtung und der Ablichtung per Großbildkamera alles wieder einzustampfen. Das Bild wurde mir Allegorie von Präzision, formalem Denken, handwerklicher Neugier und dunkler Ahnung. Im Zuge der Recherchen für diesen Artikel stolperte ich unversehens über die Information, dass es sich bei besagtem Motiv um – natürlich – das Abbild einer Pressefotografie handelt – De­ mands Werke beziehen sich meist auf aus den Medien besonders bekannte Fotografien, denen allgemein kulturelle oder politische Bedeutung beigemessen werden. Und die dieses Wechsel­ spiel zwischen eigenen und gemeinsamen Erinnerungen und dem Vexierspiel mit der originalen Abbildung und dem nachgebauten und dadurch reduzierten Kosmos aus Papier herausfordern. Es sind, laut Demand, „Abbildungen von Abbildungen von Abbildungen“. Unfreiwillig weiß ich nun also, dass es sich bei dem Häuschen im Bilde um die Bushaltestelle handelte, von der aus die Zwillinge von Tokio-Hotel einst zur Schule fuhren. Die Bushaltestelle wurde nach dem Erfolg der Band ein Teenie-Wallfahrtsort, von eingekerbten Liebesschwüren zernagt, später von Randa­ lierern zerlegt und daraufhin von der Gemeinde in Einzelteilen auf ebay verscherbelt. Na toll. Statt von einem handfesten Verbrechen erzählt das Bild von schlichter Hysterie, die in die Provinz schwappt. Neuerdings sehe ich darauf schwarze, gegelte Haarstacheln. Eine Menge Nieten, den schläfrigen Zwillingsbruder, Dreadlocks, Scharen von Mädchen, auch solche, die in Schlafsäcken auf dem Bänkchen lagern. Zuletzt drängelt sich auch noch das ebay-Logo aufdring­


Thomas Demand, Daily #15, 2011, Dye transfer print, ungerahmt 66 x 51 cm, gerahmt 73,8 x 59 cm, Courtesy Sprüth Magers Berlin London. Foto: © Thomas Demand/VG Bild-Kunst, Bonn, 2012

lich mit ins Bild. Ja, im Sinne der Wiederspiegelung kollektiver Erinnerungen entspricht die Bus-haltestelle für mich wohl erst jetzt ihrem vollen künstlerischem Impetus. Aber: Aus ist es mit der stillen Zweisamkeit zwischen mir und dem Foto, mit dem Verlieren in Details, mit der Freude an der dem Bild innewoh­ nenden skulpturalen Perfektion. Schade. Bei Thomas Demands neuen Arbeiten wäre ich wohl vor einer solchen Entzauberung gefeit. Für die Serie der verhält­ nismäßig kleinformatigen ‚Dailies‘ greift er auf Fotografien zurück, die er selbst unterwegs und auf Reisen geschossen hat. Den Platz des Bedeutungsvollen hat nun das Beiläufige eingenommen, kleine Unordnungen und Irritationen, an de­ nen Demands Blick sich verfing. Eine Steckdose, die nicht mehr fest in der Wand sitzt. Ein zerknülltes Stück Papier, das in einem Lüftungsgitter klemmt. Und dennoch sind die Motive wiederum so gewählt, dass sie für eine breite Allgemeinheit sprechen können. Seitenblicke auf eine Gipskarton-Decke, aus der einige Quadrate herausgefallen sind, auf leere Kaffee­ becher, die jemand in einen Maschendrahtzaun gesteckt hat oder auf Zigarettenkippen, die im Sand eines Stand-Aschenbe­ chers stecken: Jeder von uns hätte diese Bilder machen kön­ nen oder hat sie, in einem Anflug von Melancholie oder aus Versehen, auch schon einmal gemacht. Insofern sind sie die logische Fortsetzung auch solcher Arbeiten wie das ‚Kinder­ zimmer‘ (2009), für das Demand die Einrichtung seines eige­ nen Kinderzimmers nachbaute. Auch hier ging es weniger um eine speziell autobiografische Erzählung als um das Herausstellen der verallgemeinerbaren Zustände, der platonischen Idee des damaligen Kinderzimmers. Jeder hatte damals so einen Spielzeug-Dackel, wie Demand ihn in den Laufstall gesetzt hat. Die Autorin eingeschlossen. So wird aktuelles Zeitgeschehen durch die Hintertür porträtiert, sind doch dessen Protagonisten an den meisten Stunden des Tages nicht die Spektakel in den Medien, sondern eben das All­

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tägliche, das Zeittypische und oft auch das Unansehnliche. Mit den ‚Dailies‘ aber präsentiert Demand diese ästhetisch per se mit viel Stille daherkommenden Motive voll sonnendurch­ fluteter Sinneslust und Pracht. Eine Einladung zur Reise. Viel­ leicht der Einfluss seines erweiterten Aktionsradius: Nachdem in Deutschland mit der ‚Nationalgalerie‘ zu diesem Land zu­ nächst einmal alles gesagt und hier auch alles erreicht war, zog Demand auf Einladung des Getty Research Institutes nach Los An­ geles und unterhält dort seitdem ebenfalls ein Atelier. Für die neuen Bilder ist der Focus enger gewählt, was das Augenmerk stärker auf die Technik richtet. Da die Bildgegenstände näher herangezoomt sind und nicht hinter einer vermeintlichen Hand­ lung verschwinden, fällt das Papier als eingesetztes Medium stärker ins Auge. Bei ‚Daily No 15‘ beispielsweise, dem Bild mit den Pappbechern, erkennt man im Hintergrund stark verwit­ terten Pappkarton. Und noch etwas stellt die Materialität in den Vordergrund: Für diese Serie setzt Thomas Demand eine aus­ gefallene Technik des Fotoabzugs ein: Dye Transfer ist ein auf­ wändiges Verfahren, das nur noch in wenigen Labors weltweit ausgeführt wird und zu einer besonders brillanten Farbgebung führt. Dafür dauert die Herstellung eines jeden Abzugs sechs bis acht Wochen. Die Alltäglichkeiten leuchten nun wie kleine Schätze, Demand rahmt die „Dailies“ sorgsam hinter Glas. Auch um diese Werkgruppe zu präsentieren, verfolgte der Künstler eine besondere Idee zur Installation. Er zeigt sie in einem 70er-Jahre-Betonpilz in Sidney, das einer Vereinigung von Handlungsreisenden als Hotel und Konferenzzentrum dient. Auf Initiative des Kunstsammlers und Mäzens John ­Kaldor erhielt Demand ein komplettes, kreisförmig angelegtes Stockwerk als Ausstellungsfläche und stattete jedes Zimmer mit einem Bild aus. Er wird wiederum von einem großen Autor begleitet: Louis Begley schrieb eigens für die Installation eine Kurzgeschichte über einen Handlungsreisenden, deren Einzel­ teile quasi als Fortsetzungsgeschichte in den Zimmern verteilt sind. Auch ein spezieller Raumduft gehört zum Gesamtkunst­

werk, das noch bis 22. April im Rahmen der Kaldor Public Art Projects in­ ­Sidney zu sehen sind. Wer nicht ganz so weit reisen möchte kann die Bilder im April und Mai in der Galerie Sprüth Magers in ­London sehen. Im Herbst werden sie dann schließ­ lich auch in Berlin gezeigt. Als direktes Resultat des künstlerisch-forschenden Aufent­ halts in den Archiven des Getty Research Institutes entstand eine weitere neue und singuläre Werkgruppe, in der Thomas Demand seine Arbeitsweise variiert. Nicht seine eigenen Modelle sind diesmal die Protagonisten, sondern die des US-Architekten John Lautner, Vertreter der sogenannten Space-Age-Architektur. Von Lautner stammt der Satz „The image is the reality, therefore there is no reality“, der ihn als Seelenverwandten Demands klassifizieren könnte. (zitiert nach Adrian Searle, Thomas Demand: Model Studies – review, in: The Guardian, 31.1.12.) Thomas Demands ‚Model Studies‘ erzählen von der später ge­ feierten Architektur im Kükenstadium, aber auch vom Zahn der Zeit. Alter Karton ist stumpf, faltig und bestoßen und hat eine andere Haptik als neue. Außerdem wurde nicht einmal Demand gestattet, im Archiv Scheinwerfer und Stativ aufzubauen – die Bilder schoss er aus der Hand mit der Digitalkamera. Demands persönliches Porträt des Architekten, ausgeführt in mittelfor­ matigen, gerahmten Pigment Prints wird ebenfalls im Herbst dieses Jahres seinen Weg in die Berliner Galerien des Künstlers finden. Vorher gibt es die Gelegenheit, im Frankfurter MMK noch einmal die raumgreifende Installation ‚Embassy‘ (2007) zu sehen. In der dortigen Nachbarschaft, auf der anderen Seite des Mains im Städelmuseum ist er seit Herbst letzten Jahres mit der Dauerinstallation ‚Saal‘ vertreten – der historische Metz­ ler-Saal erhielt eine in bewährter Technik hergestellte Wandbe­ spannung, die einen purpurfarbenen Vorhang zeigt.

www.thomasdemand.de

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www.spruethmagers.com

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Cut out! Cut in! Phantastische Papierwelten aus Licht und Schatten Text Lena Hartmann

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apier gestaltet Charlotte McGowan-Griffin nicht mit Pinsel und Farbe, sondern mit einem Skalpell. Papierbahnen hängen in langen Streifen von der Decke, schlängeln sich über den Boden, entwickeln sich zu abstrakten Formen und filigranen Mustern. Lichteffekte heben die Staffelung von sich teilweise überlagernden Schichten hervor; eine Videoprojektion unter– streicht die Dynamik, die durch jeden Luftzug erzeugt wird. Raumgreifende Installationen der englischen Künstlerin wie The Whiteness of the whale aus dem Jahr 2008 entführen den Betrachter in eine mystische, fantastische Welt aus Licht und Schatten, Hell und Dunkel und geben ihm Rätsel auf. Märchenhaft oder bedrohlich? Durchscheinend oder undurchdringlich? Kein Wunder, dass der Besucher nicht zuerst an Scherenschnitte denkt, dieses altmodisch anmutende Kunsthandwerk.

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Die Psaligraphie, das ‚Zeichnen‘ von Umrissen mit Hilfe einer Schere oder eines Messers, wurde bereits im alten China, dem Ursprungsland der Papierherstellung, angewandt. Doch verbindet man den Scherenschnitt wohl am ehesten mit Erinnerungen an Bastelstunden in der Kindheit oder – kunsthistorisch betrachtet – mit liebreizenden Blumenstillleben, idyllischen Landschaftsdarstellungen oder romantischen Genreszenen. Vom 18. bis ins 19. Jahrhundert hinein erlebte der Papierschnitt seine Blütezeit. Er war beliebter Zeitvertreib der vornehmen Gesellschaft und mit Vergnügen ließ man die eigene Silhouette in zumeist schwarze Papierbögen schneiden. Nicht selten erscheinen einem auch heutzutage die Profilbilder berühmter Philosophen, Komponisten und Dichter dieser Epoche als schwarze Konturen. Für die gewerbsmäßige

Produktion dieser besonderen Portraits hatte man eigens einen Silhouettier-Stuhl entworfen - eine wahre Erleichterung bei der Herstellung des exakten Umrisses. Solche kuriosen Hilfsmittel benötigte Philipp Otto Runge nicht, dessen Scherenschnitte wohl zu den bekanntesten ihrer Art gehören. Er beherrschte das Medium mit beeindruckender technischer Perfektion, fertigte Silhouetten freihändig an. Die Werke dieses Romantikers sind es, die unserer klassischen Vorstellung von Scherenschnitten entsprechen. Nach einer gefühlten Ewigkeit – abgesehen von den gouaches decoupés von Henri Matisse Mitte des 20. Jahrhunderts – hat der Scherenschnitt in den letzten Jahren wieder an Aktualität gewonnen: als cut out. Dabei gelten die Arbeiten Runges nach


Linke Seite: Charlotte McGowan-Griffin „The Origin of the World“, 2012, Cut paper, ca. 280 x 250 x 50 cm. Foto: © Patricia Sevilla Ciordia. Oben: Kara Walker „The Nigger Huck Finn Pursues Happiness Beyond the Narrow Constraints of your Overdetermined Thesis on Freedom - Drawn and Quartered by Mister Kara Walkerberry, with Condolences to The Authors“, 2010, Cut paper Wandanstrich, 7 gerahmte Gouachen und Tintenzeichnungen auf Papier, Installation: Ca. 396,2 x 1.737,4 cm, Papierarbeiten: je 29,2 x 38,1 cm, Artwork © Kara Walker/Courtesy of Sikkema Jenkins & Co., New York. Unten: Stefan Thiel, Jimmi-Choo-Tasche, 2011, Papierschnitt, 122,7 x 101,7 cm, im Besitz des Künstlers, Foto: © Stefan Thiel, Courtesy Mai 36 Galerie, Zürich.

wie vor als Vorbild für viele Künstler. Gerade die traditionellen Merkmale dieses Mediums sind es, die noch immer seinen Reiz ausmachen. Mit Kontrasten zwischen Schwarz und Weiß, dem damit unmittelbar assoziierten Gut und Böse, Innen und Außen, Positiv und Negativ können unterschiedlichste Bedeutungsebenen innerhalb einer Arbeit erzeugt werden. Durch die Reduktion auf die Linie wird eine Freiheit geschaffen, die feinste Ornamentik, figurative Motive oder einen hohen Grad der Abstraktion erlaubt. Indessen ist man als Betrachter davon überzeugt, die paper cuts durch ihre klare Bildsprache auf den ersten Blick erfassen zu können. Die amerikanische Künstlerin Kara Walker nutzt diese scheinbare Eindeutigkeit in Verbindung mit dem klassischen Erscheinungsbild der Papierschnitte, um den Betrachter zu verblüffen und ihn zu animieren, seine Erwartungen und Sehgewohnheiten zu überdenken. Denn hinter romantischen Kulissen aus Landschaften und Märchenszenen verbergen sich sozial- und gesellschaftskritische Darstellungen der amerikanischen Kultur voller Aggression, Brutalität und Rassismus. Den Kontrasten, die mit der Technik des Scherenschnitts verknüpft sind, fügt die in New York lebende Künstlerin einen weiteren hinzu: schöner Schein und grausame Realität. Besonders Walkers Arbeiten haben wieder auf den Scherenschnitt aufmerksam gemacht. Zum einen durch die hochpolitischen Themen und brisanten Inhalte, zum anderen anhand der beachtlichen Formate: Ihre Figuren erreichen oftmals menschliche Größe und raumfüllende Dimensionen. Die cut outs der Gegenwartskunst überwältigen nicht selten angesichts ihrer ungewohnten Ausmaße, bedecken zum Teil ganze Wände. Eine weitere formale Neuerung besteht in der Emanzipation von der traditionell flächigen Darstellung in den dreidimensionalen Raum. Zeitgenössische Künstler nutzen den Dualismus des Mediums und arbeiten mit dem Wechselspiel zwischen Linie und Objekt. Die erstaunliche Experimentierlust, mit der sich einige Künstler dieser Technik widmen, führt von reliefartigen Formen über raumgreifende Objekte zu begehbaren Installationen. Dabei ist das Papier längst nicht mehr nur Bildträger. Das Material mit seinen verschiedensten Eigenschaften wie Gewicht, Stärke und Transparenz wird zum wichtigen Bestandteil der Arbeit, ist entscheidender Faktor für die Wirkung eines Werkes. Für eine Installation verwendete Charlotte McGowanGriffin im vergangenen Monat erstmalig das so genannte

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Bibeldruckpapier und gestaltete mit diesem gleichzeitig feinen und stabilen Werkstoff einen ganzen Raum in der Berliner Galerie fruehsorge contemporary drawings. Die Wahl des Materials und die Konzeption als verschlungenes Labyrinth wurden inspiriert von der Encyclopaedia Britannica. Die Anlehnung an herausragende Werke der Literaturgeschichte, in denen Verwirrung und Chaos in Wahrheit formalen Mustern und Regeln folgen, ist ein wiederkehrendes Element in den Arbeiten der englischen Künstlerin, mit dem sie die Ausdruckskraft der Werke noch unterstreicht. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass die Bezeichnung ihrer Arbeitsweise als cutting in – für McGowan-Griffin ist das Einschneiden in die Papieroberfläche der ausschlaggebende Prozess – ebenfalls der Literatur entstammt. Mit diesem Begriff betitelte Herman Melville in seinem Roman Moby Dick das 67. Kapitel, wobei es allerdings nicht um Papier geht, sondern um die Häutung eines Wales. Die kürzlich in der Kunstsammlung Neubrandenburg gezeigte Sonderausstellung ‚Papierschnitte‘ widmete sich dem Berliner Papierkünstler Stefan Thiel. Akribisch schneidet er feinste Lichtreflexe aus schwarzem Karton mit dem Skalpell heraus. Dabei benutzt er bevorzugt Modefotografien als Vorlagen, die er in minutiöser Feinstarbeit zu hyperrealistischen Schatten­ spielen verwandelt. Aufgrund des Herausschneidens von Licht­­reflexionen auf der Oberfläche nehmen Thiels eigentlich flächige paper cuts plastische Gestalt an. Tiefe Schnitte also, um die Oberflächlichkeit der Konsumgesellschaft offenzulegen?

die Schablonen im Atelier oder zu Hause gefertigt und können dann innerhalb kürzester Zeit mit Hilfe von Leim an Hauswände oder -türen geklebt werden. Besonders eindrucksvoll sind die aufwendigen Arbeiten der amerikanischen Künstlerin Swoon, die lebensgroße Darstellungen von Menschen aus dem Papier schneidet. Die überaus fragil wirkenden Arbeiten spielen mit der Rauheit ihrer Umgebung, der sie auch durch Wetter und äußere Eingriffe ausgesetzt sind. Vielleicht haben Sie ja Glück und entdecken bei Ihrem nächsten Spaziergang durch die Straßen Berlins einen der angesagten Scherenschnitte – oder in dieser Ausgabe von nicolai auf den Seiten 24 - 25.

Charlotte McGowan-Griffin, „The Rings of Saturn“, fruehsorge contemporary drawings, Ausstellung bis zum 21.4.2012, www. fruehsorge.com, www.mcgowan-griffin.net, Kara Walker: sikkemajenkinsco.com, Kunst=Papier:nkvaschaffenburg.de, Stefan Thiel: www.artnet.de/Künstler/stefan-thiel

Da nicht nur Scherenschnitte, sondern Papierarbeiten im Allgemeinen momentan ein bemerkenswertes Comeback feiern, gibt es immer mehr Plattformen, die sich der Präsentation und Vermittlung dieser Gattung zuwenden und die Vielfalt des Materials Papier in das Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken möchten. Bereits sieben Mal fand im Neuen Aschaffenburger Kunstverein die Ausstellungsreihe „Papier=Kunst“ statt, in der beschaulichen Papierstadt Düren wird im kommenden Jahr zum wiederholten Mal die PaperArt-Biennale ausgerichtet, und die zeitgleich zur Art Cologne veranstaltete Cologne Paper Art sorgt vom 20. bis 22. April dafür, dass auch den neuen Entwicklungen innerhalb dieser Gattung gebührender Raum geboten wird. Auch außerhalb von Museen, Messen und Galerien sind die paper cuts präsent, denn sie gehören schon seit einiger Zeit zu den Techniken der street art, vor allem in New York, London und Berlin. Für die Künstler, die oft auf der Hut vor den Gesetzeshütern sein müssen, überzeugt das Medium vor allem durch einen praktischen Vorteil: In aller Ruhe werden

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Lesenswert What about Street Art, Yasha Young?

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ür die (japanische) Kunst kämpfen. Ein Führer durch die zeitgenössische Kunst Japans.

Yumi Yamaguchi ist in Japan nicht nur als Kunstkritikerin und Autorin zahlreicher Bücher bekannt, sondern vor allem als Wegbereiterin der zeitgenössischen japanischen Kunstszene. Seit Jahren entdeckt sie „emerging artists“ und fördert aktiv aufstrebende, junge Talente. Der Titel ihres Buches „Warriors of Art“ bezieht sich daher bewusst auf eine Bezeichnung Taro Okamotos (1911-1996), der als erster Nachkriegskünstler die zeitgenössische Kunst Japans bekannt machte. Er kämpfte buchstäblich darum, die japanische Gegenwartskunst einem größerem Publikum zugänglich zu machen. Yamaguchi folgt mit ihren Veröffentlichungen und Vorträgen diesem Vorbild und stellt in ihrem Buch vierzig Künstler ausführlich vor: etwa Takashi Murakamis verrückte comicartige Figuren, Yoshitomo Naras rebellierende, süße kleine Mädchen, Tomoko Konoikes märchenhafte Landschaften oder Hisashi Tenmyouyas listige Samurais, die eine neue Krieger– generation verkörpern. All diese Beispiele berühren unsere Sinne und fesseln unserer Aufmerksamkeit mit einer irritierenden Mischung aus Niedlichkeit, Groteskem, Erotik und Gewalttätigkeit. Das Buch gibt einen beeindruckenden Einblick in ein Japan, das immer noch an den Verletzungen einer atomaren Katastrophe ­leidet, ein Japan, das sich eine tiefe Vorliebe für Kindlichnaives bewahrt hat und dessen Mangas und Animé-Industrie weltumspannend Einfluß ausübt. Y. Y. Weitere Publikationen von Yumi Yamaguchi: Cool Tokyo; Tokyo Trash, Gendai Aato Nyumon no Nyumon (alle Bücher auf englisch oder japanisch). Warriors of Art, A Guide to Contemporary Japanese Artists, englisch, übersetzt von Arthur Tanaka, 2007, Kodansha International, Tokyo, New York, London. 175 Seiten, 28,00 Euro. ISBN-13: 978-47700-3031-3 www.kodansha-intl.com

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ie sammeln Unternehmen Kunst? Das neue Buch ‚Corporate Collections‘ gibt eine Antwort.

In Zeiten knapper Kassen und gekürzter Kulturbudgets steigt die Bedeutung privater und unter– nehmerischer Kulturförderung. Schon seit Jahren verstehen viele Unternehmen das Sammeln, Bewahren und Vermitteln von Kunst als wichtigen Bestandteil ihrer Unternehmenskultur und so manche Sammlung kann es inzwischen durchaus mit den Beständen großer Museen aufnehmen. Anders jedoch als im Museum kommt die Kunst im Unternehmen zum Mitarbeiter an den Arbeitsplatz, fällt Kunden und Partnern bei ihrem Besuch ins Auge. In ‚Corporate Collections‘ werden die wichtigsten Sammlungen vorgestellt und deren kuratorischen Ziele und inhaltlichen Schwerpunkte ausführlich beschrieben. Somit ist das sorgsam recherchierte und aufwändig gestaltete Buch nicht nur eine Augenweide, sie schließt auch eine publizistische Lücke. Denn bisher gab es nichts Vergleichbares zu den Sammlungsinitiativen der Wirtschaft. Beim Blättern in diesem 468 Seiten starken, schön gestalteten Bildbandes entdeckt der Leser Meisterwerke weltweit anerkannter Künstler, darunter Gerhardt Richter, Rosemarie Trockel, Andy Warhol, Neo Rauch, Frank Stella, James Turell, Andreas Gursky u.v.a. A. W. Hrsg. von Olaf Salié, Friedrich Conzen und dem Arbeitskreis Corporate Collecting des Kulturkreises der Deutschen Wirtschaft beim BDI e.V. Text in Deutsch/Englisch. Gestaltung von Meiré und Meiré. Texte von Gérard Goodrow, 468 Seiten, 65,00 Euro. ISBN 978-3-942597-22-7

nicolai | No 1 | April - Juni 2012

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illkommen in diesem wundervollen, neuen Magazin!

Einige Leser von Ihnen kennen mich aus meiner Kolumne für die Junge_Kunst, einige von Ihnen haben sicher noch meine Reiseberichte in Erinnerung, die ich als Kuratorin und Kunstkritikerin auf der ganzen Welt sammle. Meine letzten Reisen haben mich nach Tokio geführt, eine Stadt, die unter den Nachwirkungen einer schrecklichen Katastrophe leidet, einem Land, das in seiner leidvollen Geschichte schon einmal mit den Folgen einer atomaren Katastrophe zu kämpfen hatte. Ich folgte der Einladung, für die weltweit agierende Wohltätigkeitsorganisation „Keep-ABreast Foundation“ (KAB) eine Ausstellung zu kuratieren, um die neue Filiale dieser Initiative gegen Brustkrebs feierlich in Tokio zu eröffnen. Es war mir eine große Freude, mit über 100 ausgewählten Künstlern aus der ganzen Welt zusammenzuarbeiten, aber besonders wichtig war mir die gemeinsame Arbeit und Erfahrung mit den japanischen Street Artists, den Mangaund Animé-Künstlern dieses Landes. Ich wurde sofort in einem großartigen japanischen Team Willkommen geheißen und erhielt einen Einblick in diese faszinierende Kultur mit all ihren Facetten, die von einem hoch traditionellen Lebensstil bis hin zu äußerst progressiven Underground-Bewegungen reicht. Nicht zu erwähnen die unglaublich beeindruckende Stadt und das zuweilen sehr gewöhnungsbedürftige Essen, das meine westlichen Geschmacksnerven mächtig herausforderte ... KAB hatte plastische Abformungen von ­­weib­­­lichen Büsten internationaler Celebrities aus der ­­ Musik­ szene, Film und Sport anfertigen lassen sowie Büsten von ehemals Brustkrebserkrankter Frauen und Unterstützer wie Sie und ich. Diese weißen, rohen Gipsabgüsse wurden an ausgewählte Künstler verschickt. Dabei wurden Künstler ausgewählt, die schon etabliert und sehr bekannt sind, genauso wie Newcomer und solche, die sich gerade am Markt einen Namen machen. Sie alle sollten die Büsten als Leinwand für ihre Kunst und ihren eigenen Stil benutzen. Das Thema lautete – wie konnte es anders sein – TOKYO, MEINE LIEBE. Ich war beeindruckt von dem Enthusiasmus und dem Verständnis für dieses ehrenamtliche Engagement gegen Krebs, der in Japan leider jedes Jahre viele Opfer fordert. Die steigenden Zahlen der Erkrankungen lassen die Notwendigkeit überdeutlich ­ werden, etwas dagegen tun zu müssen und über die Vorsorgemöglichkeiten und Therapien aufzuklären. Während ein zweites Erdbeben das Land erzittern ließ, haben die teil­neh­menden Künstler großartige Werke geschaffen und das Projekt mit bemerkenswertem Einsatz unterstützt. Die Ausstellung wird am 24. Mai 2012 in Tokio im Omotesando Hills Komplex eröffnet und die künstlerisch aufwendig gestalteten Gipsabgüsse werden für einen festgesetzten Preis angeboten. Während man also Werke, die normaler Weise mehre Tausend Euro kosten, von so bekannten Künstlern wie Mimi S., Shepar Fairey, Sage Vaugh, Ben Templesmith, Dalek, Miss Van, Shantell Martin und vielen anderen zu sagenhaft günstigen Preisen kaufen kann, wird man auch noch etwas richtig Großartiges unterstützen können. Davon zu berichten ist mir ein großes Anliegen und gerne wollte ich einen kleinen Eindruck davon geben, was sich da weit entfernt von uns ereignen wird ... also zeigen Sie etwas LIEBE FÜR TOKIO und unterstützten auch Sie KAB. Tragen Sie es in die Welt und sprechen Sie darüber! In der nächsten Ausgabe von nicolai, in der sich alles um „ART & TRAVEL“ drehen wird, werde ich wieder von meinen Reiseerlebnissen berichten. Ich bringe Ihnen dann wieder etwas von den Straßen dieser Welt mit und erzähle von den spannenden Künstlern, die ich für Sie dort entdecke. Herzlichst Ihre Yasha Young

Abbildung oben: Mimi S., bemalte Büste gespendet für KAB. www.keep-a-breast.org

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Die Papiere, bitte! Mit dem Ende des Fotopapiers sind die Tage der analogen Fotografie gezählt Text Ralf Hanselle

Susanna Kraus, Künstlerportraits, Imago 1:1. Foto: Susanna Kraus.

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s war ein sonniger Tag in Chalon-sur-Saône. Acht Stunden lang bereits hatte der Erfinder Joseph Nicéphore Niépce in sei­ nem Arbeitszimmer gesessen und aus dem Fenster auf die gegen­ überliegende Häuserfront geschaut. Neben sich aufgebaut hatte er eine hölzerne Camera Obscura. Der Erfinder, der einige Jahre zuvor den ersten Verbrennungsmotor der Welt entwickelt hatte, war besessen von einer neuen Idee: Nicéphore Niépce wollte das Sonnenlicht einfangen. An diesem Frühherbsttag des Jahres 1826 sollte ihm sein skurriler Schildbürgerstreich tatsächlich glücken. Nicéphore Niépce, der sich nach seinem Austritt aus der franzö­ sischen Armee eigenartigen optochemischen Experimenten hin­ gegeben hatte, war im Begriff, Geschichte zu schreiben. Als er am Abend desselben Tages seine kleine Holzbox öffnete, wurde er Zeuge des schier Unglaublichen: Die Lichtteilchen vor seinem Fenster waren in eine chemische Falle gegangen: Eine einfache Zinnplatte, 21 x 16 Zentimeter groß, poliert und mit Asphalt be­ strichen. Nicéphore Niépce hatte sie am Morgen im Inneren der Kamera versteckt und über viele Stunden hinweg der Sonne aus­ gesetzt. Entwickelte er diese beschichtete Platte nun mit Petrole­ um und Lavendelöl, so erblickte er exakt jenes Bild darauf, das er Stunden zuvor vor dem Fenster seiner Wohnung gesehen hatte. Es war revolutionär. Dem eigenwilligen Franzosen war ge­ lungen, was seine Zeitgenossen nicht für möglich gehalten hat­ ten: Er hatte das Licht in ein Bild transformiert. Dieses erste Di­ rekt-Positiv sollte die Geburtsstunde der Fotografie markieren. Auch wenn vieles an dem Verfahren noch verbesserungswürdig erschien; die Grundidee sollte über 165 Jahre hinweg identisch bleiben. Bis 1991. Da gelang der kalifornischen Firma Dycam der digital turn. Auf der CeBit in Hannover stellte Dycam einen völlig

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neuen Kamera-Typus vor. Sein Name: Model 3/4. Es sollte der erste Fotoapparat sein, in dessen Inneren nicht mehr ein Film sondern ein sogenannter CCD-Sensor war. „Ein Sturm techno­ logischer Innovationen und neuer Produkte sammelt sich über der Welt der Fotografie“, jubelte damals das US-Magazin Fortune. Fortan würden Kameras ohne Chemikalien und Dunkelkammern auskommen. Ein Quantensprung. Eine Fotografie, bis dato eine komplizierte Verbindung aus Silber, ­Tonern, Trägermaterial und Bindemitteln schrumpfte zu einer Anordnung digitaler Pixel zusammen. Die Journalisten von Fortune hatten Recht. Heute, zwanzig Jahre nach Dycam, gehört der ­ Chemiebaukasten des Joseph Nicéphore Niépce auf den Müllhaufen der Geschichte. Der Revolutionär von einst, er wirkt allenfalls noch wie ein Alchemist aus fotografischer Frühzeit. Die breite Masse jedenfalls ist sich einig: Analog ist tot! Wer im Jahr 2012 noch auf Ver­größerer oder silberbeschichtete Fo­ topapiere zurückgreift, der ist entweder Old School - oder er ist ein Künstler. Denn hier, in der Kunst, genießen die analogen Techniken noch Restlaufzeit. So genannte ­ Vintages auf Silber­ gelatinepapier etwa haben unter Sammlern noch immer hohen Stellenwert. Richtig gelagert sind sie nicht nur äußerst archiv­ beständig; nach Meinung vieler Experten sind auch ihre Farb­ verläufe weit dynamischer als die bei den mit Tinte bedruckten Fine Art Papieren. Mit ihrer Schärfe und ihrer farblichen Bril­ lanz entwickeln die alten Trägermaterialien einzigartige Anmu­ tung. Die Langlebigkeit moderner Inkjet-Drucke indes ist noch immer umstritten. Rainer Tewes, Geschäftsführer des Stuttgar­ ter Fotolabors „M“, ist sich sicher: Tintendruckverfahren fehle auch heute noch die Vertrauensbasis. „Das Drucken mit Tinte

ist ein relativ neues Verfahren“, so Tewes in einem Interview. „Langzeiterfahrungen liegen nicht vor und wir wissen nicht, wie diese Drucke in den Ausstellungen unter Licht- und Umweltein­ flüssen nach Jahrzehnten aussehen werden“. Vorsichtshalber sorgt der digital turner daher frühzeitig vor: Sollte etwa ein frü­ her Print von einem Künstler wie Andreas Gursky einmal ver­ gilben oder Ausbleichungserscheinungen zeigen, so verblasst nicht gleich der ganze Schatz. Nicht selten ist in solchen Fällen eine Neuproduktion eines Werkes möglich; ein Runderneue­ rungsprozess, der den bei Fotografien ohnehin problematischen Original-Begriff endgültig obsolet gemacht hat. Doch während Archivare und Fachleute noch immer über die Qualität der ver­ schiedenen Papiere streiten, scheint die Industrie längst zur Tat geschritten zu sein. Nicht mehr nur UV-Licht und Feuchtigkeit zehren plötzlich an der Verfallsgeschwindigkeit analoger Foto­ papiere; es sind die Gesetze des Marktes, die über der Weißheit letzten Schluss entscheiden. Denn Angebot braucht Nachfrage. Um Fotopapier geduldig zu halten, sind eine handvoll Künstler noch kein rentabler Absatzmarkt. Erst im Januar wieder schlug dieses Marktgesetz erbarmungslos zu. In New York gab da der einstige Fotoriese Eastman Kodak bekannt, gemäß Kapitel 11 des amerikanischen Insolvenzrechts Gläubigerschutz beantra­ gen zu müssen. Zwar hatte Kodak bereits 2005 die Produktion klassischer Schwarz-Weiß-Papiere eingestellt; doch viele traf die Nachricht vom drohenden Ende des Gelben Riesen dennoch wie ein Paukenschlag. Und das nächste Ungemach steht schon vor der Tür: Ilford, seit vielen Jahren einer der wichtigsten internationalen Her­ steller für hochwertige Fotopapiere, kündigte jüngst das Ende


seines tradi­­tionsreichen Papieres Ilfochrome an. Spätestens da muss es auch dem letzten Fotografen gedämmert haben: Das Enden einer Ara ist nahe. Eine Kulturtechnik die fast 200 Jah­ re das fotografische Sehen und Denken bestimmt hat, befindet sich in Auflösung. Denn Ilfochrome, das ist nicht irgendein ­­­­ x-beliebiges Fotopapier gewesen. Das 1964 erstmals zur Marktrei­ fe gebrachte Farb-­Direktpositivpapier erzeugte äußerst farbge­ sättigte Abzüge mit unnachahmlicher Tiefenwirkung. Für viele Farbfotografen der Goldstandard. Kameralegenden wie Andres Serrano, Tracey Moffatt oder Nan Goldin haben mit dem Ilfo­ chrome-Verfahren ihre bis heute besten Bilder ausbelichtet. Doch jetzt hilft weder Jammern noch Klagen. Was weg ist, ist weg. Nur einmal gelang bisher die sprichwörtliche Rückwärtsrolle. Und das war nur dem unnachgiebigen Engagement von Fotokünstlern wie Floris M. Neusüss und Susanna Kraus zu verdanken. Letztere geriet vor gut sieben Jahren in den Sog einer Erinnerung - das ferne Echo der legendären Kamera Imago 1:1. Kraus‘ Vater Werner hatte diese Anfang der 70er Jahre zu­ sammen mit dem Nürnberger Künstler Erhard Hössle entwickelt. Es sollte die größte begehbare Porträtkamera der Welt werden. Ein Ungetüm: 1,5 Tonnen schwer. Die Bilder, die sie produzierte, hatten eine Größe von 60 x 200 Zentimetern. Das Geheimnis der Imago 1:1: ein grafisches Direkt-Positiv-Papier – gefragt bei Architekten wie bei Künstlern. 1980 aber ­nahmen die großen Hersteller das Papier vom Markt. Moderne Drucker hatten es überflüssig gemacht. Und mit dem Papier starb auch die Kame­ ra. Die Imago 1:1 wurde im Keller der Pinakothek in München eingelagert und geriet über Jahre hinweg in Vergessenheit. 2004 aber kam die Erinnerung zurück. Susanna Kraus wollte den Ka­ merakoloss noch einmal funktionstüchtig machen. Doch was fehlte, war das Papier. Und das wäre vermutlich auch so geblie­ ben, hätte ein Produktentwickler bei der Schweizer ­Firma Ilford

nicht ein Einsehen gehabt. Der nämlich hatte erkannt, welch kulturhistorischer Schatz in diesem Papier verborgen lag. Mit seiner Fähigkeit, Lichtwellen ohne Umwandlung und Medien­ brüche direkt in seine Oberfläche einzuschreiben, war es eines der ursprünglichsten Materialien der Fotografie - nah dran an jenem bahnbrechenden Herbsttag des Jahres 1826; an Nicépho­ re Niépce und an dem historischen Blick aus seinem Fenster in ­ Chalon-sur-Saône. Michael Wesely benutzt Sprachbilder von ungemeiner Präg­ nanz. Der Berliner, der durch Lochkameraexperimente und durch Langzeitbelichtungen urbaner Orte auch international von sich Reden gemacht hat, sieht gleich die „gesamten Grund­ mauern der analogen Fotografie wegbrechen“. Fotopapiere bil­ deten in diesem Szenario nur die schmückenden Säulen. Es gehe längst um das ganze Gebäude: Um Filme, Kameras, Ent­ wicklungsverfahren. Er selbst etwa greife für seine extremen Langzeitbelichtungen noch immer auf niedrigempfindliche Diafilme zurück. Mit konventionellen Fotochips seien solche Bildideen gar nicht umzusetzen. Doch sowohl Beschaffung als auch Entwicklung solch analoger Materialien gerieten immer mehr zum Abenteuer. Bald, so Weselys Befürchtung, werde es auf der ganzen Welt wohl nur noch ein Labor geben, das eine solche Kunst produzieren könne. Susanna Kraus, die Frau mit der Riesenkamera Imago 1:1 pflichtet dem bei: „Keine digitale Fotografie wird je ersetzen können, wozu analoge Fotografie in der Lage ist“. Gerade deshalb sei es für die Fotografin jetzt an der Zeit, dass sich Fotokünstler zusammenschlössen: „Es geht darum das zu sichern, was viele brauchen: Leinwände für Lichtmalereien“.­ Michael Wesely: www.galerie-fahnemann.de, Floris M. Neusüss: www.klauskleinschmidt.de. Susanna Kraus www.camera-imago.de

B Michael Wesely, Potsdamer Platz, Berlin (27.3.1997 – 13.12.1998), Courtesy Galerie Fahnemann Berlin, Foto: © Michael Wesely, VG Bild Kunst, Bonn

ewerbungsphase für den BLOOOM Award by WARSTEINER beginnt im April! „Der Erfolg der ersten beiden Ausgaben des BLOOOM Award by WARSTEINER war für uns Grund genug, den Wettbewerb in diesem Jahr international zu erweitern“, so Catharina Cramer, geschäftsführende Gesellschafterin der Warsteiner Gruppe und Schirmherrin des BLOOOM Award by WARSTEINER. „Wir wollen jungen kreativen Köpfen auf der ganzen Welt die Chance geben, ihre Arbeiten einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren.“ Bis zum 31. Juli 2012 sind Künstler und Kreative rund um den Globus und aus allen Bereichen der Kreativindustrie dazu aufgerufen, ihre Arbeiten der fachkundigen Jury unter www.blooomaward.com einzureichen. Der Award zeichnet sich nicht nur durch seine ausgesprochene Vielfalt, sondern auch durch seine bewusst gewollte Konvergenz aus. Mehr als 1.200 Einsendungen in den ersten beiden Jahren sprechen eine deutliche Sprache, obwohl der Wettbewerb bis dato auf Deutschland und die Niederlande begrenzt war. In diesem Jahr werden Kreative gesucht, die an den Schnittstellen zwischen Kunst und Kreativwirtschaft arbeiten und mit ihrer Kunst die Grenzen zwischen bildender und darstellender Kunst, Design, Musik, Mode, Film und Architektur verschwimmen lassen. Spannend wird es im August, wenn die Jury aus allen Einreichungen die herausragenden Arbeiten auswählt. Auf die Gewinner warten außergewöhnliche Preise. Sie erhalten eine intensive langfristige Betreuung durch Mitglieder der Jury und es winken spannende Reisen. Außerdem werden ihre Arbeiten vom 01. bis 04. November in einer Sonderausstellung auf der BLOOOM - the creative industries art show. im Kölner Staatenhaus am Rheinpark präsentiert. Dort findet der Award mit der Kür der Gewinner seinen krönenden Abschluss, denn auch in diesem Jahr ist die BLOOOM zeitlich und räumlich an die ART.FAIR | Messe für moderne und aktuelle Kunst angeschlossen. Die ART.FAIR gehört zu den drei großen Kunstmessen Deutschlands und bildet zusammen mit der BLOOOM einen der Höhepunkte im deutschen Kunstherbst. Erstmals wird der BLOOOM Award by WARSTEINER im Mai 2012 auf Tour gehen. Jeweils für einen Tag wird sie in den Kunsthochburgen Berlin, Hamburg und Köln Station machen. Weitere Informationen zur Tour werden in Kürze auf www. blooomaward.com und www.facebook.com/blooomaward stehen.

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Das Kölner Sammlerehepaar Dieter und Gabriele Kortmann vor dem Bild „Bird“ (2007) von Liu Ye. Foto: © Angelos Gavrias

„Wer Kunst sammelt, kommt in den Himmel“ Die Sammlung Kortmann vereint 5000 Jahre Kunstgeschichte Interview Gérard Goodrow

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ie Kölner Sammler Dieter und Gabriele Kortmann leben nicht nur mit der Kunst. Das Haus, das sie 1994 gekauft und mit Hilfe von Heinz Bienefeld aufwendig umgebaut haben, ist ein Gesamt­ kunstwerk aus faszinierenden Blickachsen, überraschenden Öffnungen und konstrukti­vistisch strukturierten, freskenartigen Wandflächen aus reinen Pigmenten in sanften Lila-, Türkis-, Rosaund Orange-Tönen, die als ungewöhnliche Hintergründe für eine eklektische Sammlung interna­ tionaler Gegenwartskunst sowie Kunst und Antiquitäten aus mehr als fünf Jahrtausenden und mindestens so vielen Kulturkreisen dienen. Gérard Goodrow sprach mit Gabriele Kortmann über das Leben mit und vor allem in der Kunst. Frau Kortmann, obwohl in gewisser Weise für die Kunst gebaut, ist Ihr Haus alles andere als ein „White Cube“. Mit seinen sehr dominanten Farbflächen, dem gewalzten Edelstahl-Fußboden und der außergewöhnlich großen Durchlässigkeit zwischen Innen- und Außenraum ist es fast selber ein Kunstwerk. Inwiefern bestimmt das Haus den Charakter ihrer Sammlung?

Unser Einzug in das Mitte der 90er Jahre von Heinz Bienefeld umgebaute Haus hat die Sammlung insofern verändert, als dass wir noch mehr als früher kaufen konnten, vor allem weil wir plötzlich viel mehr Platz zum Präsentieren hatten als in der alten Wohnung. Es schwebte mir tatsächlich so etwas wie ein Gesamtkunstwerk vor: die Architektur als Folie für die Malerei und die „Malerei“ der Wände als Folie für die Kunstwerke. Die Farbflächen bieten ideale „Räume“ für Kunstwerke, denn sie funktionieren in gewisser Weise wie Rahmen für die Bilder und Objekte. Das Schöne am privaten Sammeln ist die Freiheit des Kuratierens. Niemand mischt sich ein. Bei uns hat sich alles sukzessive entwickelt. Es macht Freude, jedem Werk den richtigen Platz zuzu­ weisen. In der alten Wohnung, die übrigens auch von Bienefeld umgebaut wurde, war ich noch nicht bereit, mit der „Ansammlung“, wie ich es gerne nannte, nach Außen zu treten. Wir wollten keine Veröffentlichungen, keine Presseberichte oder Interviews geben. Mit der Entwicklung der Sammlung in den letzten 17 Jahren – so lange wohnen wir hier – haben wir uns auch mehr geöff­ net. Nicht ohne Stolz übrigens ... Ihre Sammlung ist sehr umfangreich – nicht nur was die Anzahl der Werke betrifft, sondern auch in der Spannbreite. Neben jüngerer und etablierter Gegenwartskunst aus ganz Europa, Asien und den USA sammeln Sie und Ihr Mann auch Kunst und Antiquitäten aus vielen Jahrhunderten u.a. aus China und Kambodscha wie das Tonpferd aus der Han Dynastie im Foyer oder das Opiumbett und verschiedene Buddha-Skulpturen und Khmer-Statuen im Salon neben der Küche, aber auch Bauhaus-Möbel von Le Corbusier und Marcel Breuer und alte

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Fotos Angelos Gavrias

­ edaillen in der Bibliothek. Sehr prominent gehängt ist sogar ein Portrait des KommerzienM rates W. Naether aus dem Jahre 1910 von Franz von Stuck. Wie passt das alles zusammen?

Der Beginn der Sammlung in den 80er Jahren war geprägt durch Künstler, die wir persönlich kannten. Nach und nach kam eins zum anderen – wie der Venus-Torso von Yves Klein oder die Kühe von Ewald Mataré. Ich kann es verstehen, wenn manche unsere Sammlung vielleicht für eine Art Sammelsurium halten. Trotz der Vielfalt fügt sich doch alles zusammen. Alles steht in Bezug zu allem anderen. Beispielsweise verweist die Stuhllehne im Bild von Franz von Stuck auf das gegenüber hängende Bild von Gotthard Graubner. Oder das Werk von Viktor Pivovarov nimmt Bezug auf das Opiumbett sowie auf die Arbeiten von seinem Sohn Pavel Pepperstein. ­Übrigens, wenn unser Haus und unsere Sammlung jedem gefallen würden, hätten wir bestimmt etwas falsch gemacht ... Die Sammlung als ‚Work in Progress‘. In Ihrem Fall könnte man auch sagen, dass sie eine ­Privat-Sammlung im wahrsten Sinne des Wortes ist, denn jedes einzelne Objekt, jedes Bild hat nicht nur eine eigene Geschichte, sondern auch eine eigene Beziehung zu Ihnen und Ihrem Mann. Man verspürt eine innere ‚Connection‘. Inwiefern würden Sie sagen, dass die Sammlung auch eine Art Portrait des Sammlers selbst darstellt?

Die Kunst begleitet mich seit meiner Jugend. Ich bin buchstäblich mit Kunst aufgewachsen. Ich kann mich zum Beispiel ganz genau an die erste Ausstellung mit Bildern der Pop Art aus der Sammlung von Peter und Irene Ludwig im Wallraf Richartz Museum erinnern. Ich ging alle zwei Wochen wieder hin. Das war Ende der 6oer Jahre. Später hätte ich auch Seminare von Peter ­Ludwig an der Universität in Köln besuchen können, denn Kunstgeschichte war mein zweites Nebenfach, aber damals war ich noch nicht so weit. Ich war noch viel zu schüchtern. Die ersten Werke kamen von Künstlerfreunden wie Elias Suppengrün. Verschiedene Bilder von ihm hängen bei uns im Untergeschoss, wie zum Beispiel das Familienportrait von uns mit den bei­ den Kindern in Dirndl und Lederhosen. Wir haben ja ein Bauernhof in Bayern, in dem wir ­frü­­her viel Zeit mit den Kindern verbracht haben. Da sind aber auch Werke von Ole Fischer, Dennis Thies oder von Michael Royen. Die meisten haben es leider nicht geschafft im Kunstbetrieb, aber wir freuen uns immer noch über die Werke. Wissen Sie, es geht uns gar nicht um Künstlernamen, sondern um Kunst, die uns inspiriert und weiterbringt. Es sind aber auch viele bekannte Namen in der Sammlung vertreten: von etablierten Künstlern wie Juan Muñoz, Thomas Schütte, Alex Katz und Yoshitomo Nara über berühmte Fotografen


zwischen Kunstwerk und Sammler entsteht, hat man sowieso keine Wahl. So war es zum Beispiel mit den Minia­ turen des belgischen Künstlers ­Hel­­mut Stellaerts, die er auf Knochenstücke gemalt hatte. Als wir sie erworben hat­ ten, war der Künstler noch weitestge­ hend unbekannt, mindestens bei uns in Deutschland.

wie ­ Helmut Newton, Bernd und Hilla Becher, Candida Höfer, Jürgen Klauke und Boris Becker bis hin zu teilweise noch jungen Talenten aus dem Rheinland wie Kai Richter, Tobias Grewe oder Roland Schappert.

Nach wie vor sind viele Künstler auch gute Bekannte oder sogar Freunde von uns. Der direkte Kontakt, die persön­ liche Beziehung zu den Künstlern ist bereichernd für Dieter und mich. Wir kennen nicht alle Künstler persönlich, aber dort, wo es möglich ist, versuchen wir es schon, sie näher kennen­zuler­ nen. Denn nicht nur die Werke, die an der Wand hängen oder im Raum ste­ hen, beeinflussen und verändern unser Leben und unsere Denkweise, sondern auch die Gespräche mit den Künstlern und in manchen Fällen auch mit deren Galeristen. Jörg Johnen ist so ein Bei­ spiel. Ich bin von seinem Konzept stark beeindruckt und über die Jahre haben wir verschiedene Werke von seinen Künstlern in die Sammlung integriert. Auch die neuesten Erwerbungen stam­ men aus seiner Galerie, nämlich zwei Bilder von dem 2002 verstorbenen Ru­ mänischen Maler Florin Mitroi, der lan­ ge Zeit in Vergessenheit geraten war. Aber ich lasse mir nie etwas aufschwat­ zen. Es kommt immer von mir aus. Und dass wir uns etwas kaufen lassen, ist für mich unvorstellbar. Die rasante Preisentwicklung für Gegenwartskunst ist problematisch für viele Sammler. Nicht weil sie die Preise nicht mehr bezahlen können, sondern diese nicht einsehen. Wie gehen Sie damit um? Setzen Sie sich Limits oder ist der Preis Ihnen mehr oder weniger egal, solange die ­ Qualität stimmt?

Und was machen Sie, wenn alle ­Wände voll sind? Gibt es Umhängungen oder gar Umschichtungen, werden manche Werke verkauft, um andere finanzieren zu können.

Bis jetzt haben wir nie etwas verkauft. Ich kann es natürlich für die Zukunft nicht ausschließen und ich könnte zum Beispiel ein einziges Werk von Liu Ye oder Juan Muñoz verkaufen und dafür viele andere kaufen – aber das will ich nicht. Diese Werke ­haben ihren fest Platz in der Sammlung ge­ funden. Ich möchte nicht mehr ohne sie leben. Auf der anderen ­ Seite ­haben wir gelernt, dass man nicht al­ les kaufen muss, was einem auf den ersten Blick gefällt. Manchmal reicht es, etwas zu sehen und es einfach in Erinnerung zu halten – wie das Werk von Calder damals. Hinzu kommt, dass Dieter und ich immer zusam­ men kaufen – wir sind beide auf der selben Wellenlänge. Es wird nichts gekauft, was uns nicht beiden gefällt, was natürlich auch vor spontanen ‚Fehlkäufen‘ schützt.

Oben: Blick in die Sammlung Kortmann mit Fotografien von Boris Becker (l.) und Helmut Newton (r.). Im Hintergrund

In der Gästetoilette hängen ein Holzrelief mit einem männlichen Kopf von Stephan Balkenhol, eine Arbeit von Rosemarie Trockel sowie eine kleine Edition von Jan M. Petersen mit dem zweideutigen Text „Wer Kunst kauft, kommt in den Himmel“ ...

Am Anfang war natürlich die Bezahl­ ein Bildnis von Ganesha, Khmer, Kambodscha, sowie eine Kalebasse in Gestalt dreier Ziegeneuter, Iran, Amlash, 1.000 Nein! Nicht kaufen, sondern sam­ barkeit der Werke enorm wichtig. Ich v. Chr. Unten: Das chinesische Opiumbett, darüber eine Arbeit von Yoshitomo Nara. Fotos: © Angelos Gavrias meln! „Wer Kunst sammelt, kommt war zum Beispiel immer ein großer in den Himmel“! Wir kennen den Fan von Alexander Calder. Und es gab Künstler gar nicht, und sehen das Werk nicht unbedingt als Kunst an. Aber das Bild macht uns mal eine sehr schöne Arbeit auf der Art Cologne, die wir mit viel Mühe hätten kaufen können. Die Freude, obwohl wir gar nicht wissen, wie ernst bzw. wie ironisch der Künstler es damit meinte. Schallgrenze wäre aber übertroffen worden. Es war irgendwie bezahlbar, aber wir haben es trotz­ Wir haben aber über die Jahre viele Sammler und andere Persönlichkeiten in der Kunstwelt dem nicht erworben. Manchmal bereue ich das, aber die Entscheidung war für die Zeit die richtige. näher kennengelernt. Nicht alle sammeln aus reiner Leidenschaft für die Sache. Vielen geht es Ich kann nicht sagen, dass Geld keine Rolle spielt, aber da wir sowieso eher mit den Augen als um Investitionen oder gesellschaftliche Anerkennung. Damit haben wir persönlich sehr große mit den Ohren kaufen, sind wir weniger beeindruckt von schnelllebigen Trends und gehypten Probleme, denn Kunst bietet mehr als das, und wer das erkennt und aus dieser Haltung heraus Künstlern. Kunst muss nicht viel kosten, um gut oder interessant zu sein. Die Kunst muss mit uns sammelt, ist vielleicht jetzt schon im Himmel. Eine schöne Vorstellung, oder? sprechen, in gewisser Weise mit uns nach Hause kommen wollen. Und wenn so ein Zwiegespräch

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Street Art Linke Seite: Swoon, Switchback Sisters. Die Künstlerin hat oftmals indonesische Puppentheater zum Vorbild für ihre Paper Art genommen. Aber auch Anklänge an die Ornamente eines Gustav Klimts sind erkennbar. Rechte Seite: Swoon, Sambhavna. Die dargestellte Szene mit den Kindern könnte gerade auf der Straße stattgefunden haben. Die von der Künstlerin beabsichtigte Reflexion des Alltags wird hier besonders deutlich. Fotos: © Swoon.

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eine Hände sind so müde vom Schneiden ...“, ­beginnt Swoon unser Gespräch. Das detaillierte Ausschneiden lebens­ großer Figuren und Szenen aus Papier mit all ihren noch so feinen Einzelheiten ist ein grundlegender Teil ihrer künstleri­ schen Arbeit. Doch, sicherlich werden auch die langen Nächte dazu beigetragen haben, dass Swoon so erschöpft ist. Denn die Nacht ist ihre favorisierte Arbeitszeit, in der sie im Schatten der Dunkelheit ihre Wheatpaste-Artworks an die Wände der großen Städte dieser Welt klebt. Wer tagsüber dann durch die Straßen New Yorks, Sao Paulos oder Berlins geht, kann die Ergebnisse dieser nächtlichen Guerilla-Aktionen mit ein bisschen Glück finden: farbige Zeichnungen oder Grafiken, die per Linoleumoder Holzschnitt im Atelier erst auf riesigen Papierformaten ge­ druckt und dann filigran ausgeschnitten wurden, kleben plötz­ lich an Mauerwänden oder Türen, wo noch Tags zuvor raues Mauerwerk oder verfallener Putz zu sehen waren. Swoon, mit bürgerlichem Namen Caledonia Dance Curry, wuchs in dem kleinen amerikanischen Dorf, Daytona Beach, auf, bevor sie mit 19 Jahren die großen Straßen New Yorks für ihre künstlerische Arbeit entdeckte. Nachdem sie ihr Malerei­

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studium am Pratt Institute in Brooklyn 1999 abgeschlossen hatte, ist die heute 34-jährige Künstlerin zu einem der größ­ ten Stars der Street und Urban Art avanciert und weit über die amerikanischen Grenzen zum Symbol einer subtilen Form der künstlerischen Guerilla geworden. Ihre Arbeiten wirken an den groben Mauern und abrissreifen Wänden, in den herunterge­ kommenen Straßen und Hinterhöfen der Metropolen besonders zerbrechlich und fragil – geradezu poetisch. Dieser Gegensatz ist durchaus beabsichtigt und kalkuliert. „Ich liebe diesen Kon­ trast“, beschreibt Swoon die Wirkung ihrer Kunst, „Papier ist so klar und frisch. Die Zeichnungen und Drucke heben sich hell von den Wänden und Orten ab, wo ich sie anklebe. Aber schon einige Monate später verändern sie sich, verfallen und werden durch die Verwitterung Teil ihrer Umgebung bis sie schließlich eins damit werden und verschwinden“. Der Verfall und die Vergänglichkeit sind wesentliche Merk­ male in Swoons’ Werk, das sich dadurch maßgeblich von den anderen Techniken der Street Art wie Stencils oder Graffitis unterscheidet. Sie setzt nicht weithin sichtbare Zeichen wie andere ihre Tags, sondern verweist vielmehr auf neue Wahr­

nehmungsmöglichkeiten, welche die Betrachter durch ihre Wheatpaste-Artworks erlangen können. Swoon sieht denn auch in ihrer künstlerischen Intention eine Parallele zu Brassaï, der die ersten Graffitis, eingeritzte ‚Kritzeleien‘, des frühen 20. Jahrhunderts an den Mauern und Wänden von Paris fotogra­ fisch festhielt: „Ich glaube, Brassaï, hat es am besten formuliert, als er sagte, viele dieser Graffitis, hätten ihn getroffen wie eine höhere Gewalt, so als ob er plötzlich die Welt in ihren großen Zusammenhängen hätte erkennen können.“ Um größere Zusammenhänge geht es auch Swoon: „Städte und deren Gebäude sind für die darin lebenden Menschen ge­ plant und gebaut worden. Die meisten Menschen bewegen sich aber viel zu passiv und sind sich gar nicht darüber bewusst, dass dieser öffentliche Raum auch von ihnen mitgestaltet wer­ den kann. Es geht mir daher um die Interaktion zwischen den Menschen und den Mauern ihrer Stadt“, sagt Swoon. „Sobald ich eine meiner Arbeiten an eine Wand klebe, verändert sich etwas, es ist fast so, als würden sich unbegrenzte Möglich­ keiten auftun.“ Mit ihren künstlerischen Interventionen will sie versuchen, die Menschen aus ihren gedanklichen ‚Ghettos‘


Zum Verlieben schön Swoons’ Wheatpaste Artworks sind ein Memento mori der Stadt Interview und Text Yasha Young und Alexandra Wendorf

zu ­befreien, und sie zu sensibilisieren, sich an ihrem unmittel­ baren Lebensumfeld zu beteiligen und aktiv einzugreifen. „Des­ halb entwerfe ich auch so viele Portraits, damit die Leute eine menschliche Präsenz auf der Straße spüren und einen Teil von sich selbst auf den Wänden wiedererkennen.“ Swoons’ Kunst ist also politisch und sozialkritisch motiviert. Ein Aspekt, der angesichts der fast schon zu schön und lieblich wirkenden Zeichnungen und Motive leicht in den Hintergrund geraten könnte. Doch Swoon sieht gerade hier eine wichtige Verbindung. Sie wählt häufig Motive aus ihrem Freundeskreis oder aus folkloristischen Quellen und zeigt zumeist überlebens­ große, ast schon dekorativ wirkende Portraits. „Ich reflektiere in meinen Motiven alltägliche Lebenserfahrungen und mache sie visuell sichtbar. Dadurch reflektieren sich wiederum die Menschen selbst und nehmen ihre Umgebung bewusster wahr.“ Durch die zeitliche Veränderung und den sichtbaren Verfall der Papierarbeiten werden die Betrachter aufmerksamer und be­ greifen im Idealfall ihre Umgebung als einen sich verändernden, prozesshaften Raum, in dem sie selbst wirken können. „Das ist für mich aktive Partizipation, die langfristig dazu ­führen ­kann,

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sich zu verändern und Städte nach den Bedürfnissen der Men­ schen auszurichten.“ Hinzu kommt, dass die ursprüngliche Schönheit und poetische Erzählweise der Motive langsam aus dem Straßenbild wieder verschwinden und an ihrer statt wie­ der das häßliche Grau der verfallenen Wände zu Tage tritt. Die Veränderung und Verbesserung städtischer Lebensformen sind Swoons‘ wichtige Botschaft und die Diskussion darüber, wie Menschen leben ­wollen und was eine lebenswerte, urbane Welt ausmacht, in ­sozialer, gesellschaftlicher und ökologischer Hin­ sicht. Neben ihren Wheatpaste-Artworks veranstaltet sie deshalb auch regelmäßg Aktionen, die ganze Straßenzüge in große, nächtliche Parties verwandeln. Ursprünglich als spontane Ver­anstaltungen geplant, sind sie mittlerweile großangelegte ­Projekte, die ­ mehrere Wochen und Monate Vorbereitungszeit in Anspruch nehmen. Auch in Deutschland war sie schon viel­ fach zu Besuch und so mancher wird ihre Arbeiten an den Wänden Berlins gesehen haben. Denn dort war sie vor allem in den Jahren 2002 bis 2003 sehr aktiv. „Berlin ist eine meiner großen Lieben“, schwärmt sie, „zwischen 2002 und 2003 habe

ich ­diese Stadt sehr oft besucht. Ich war verrückt nach dieser Energie, die man überall in den Straßen spüren konnte. Es war damals einfach eine aufregende Zeit. Das war wie eine groß­ artige, ungemein kreative Explosion.“ Auf die Frage, was die Besonderheit ­ Berlins gerade auch im Gegensatz zu New York ausmache, antwortet sie: „In New York ist die Graffiti-Szene viel geschlossener als in Berlin. Auch heute bewundere ich die Ein­ stellung der Menschen in Berlin in Bezug auf Graffiti, Street Art und allgemein gegenüber der Kunst im öffentlichen Raum. Es gibt dort eine Radikalität und einen Witz die wirklich sehr einzigartig sind“. Da bleibt eigentlich nur zu hoffen, dass Swoon bald wieder einmal nach Berlin kommt, und diese Stadt mit ihren wunder­ schönen Paper Works versieht. Schauen Sie also auf die grauen und abgeblätterten Wände, in verlassene Hinterhöfe oder auf abruchreife Treppen und Türen. Überall dort, wo es besonders unscheinbar und trostlos aussieht, könnte morgen schon ein zartes, feines Wheatpaste-Artwork kleben und das Areal auf lyrische Weise zum Strahlen bringen. Dann wissen Sie: Swoon was here.

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Kultur trifft Handwerk Text und Interview Yukiko Tsutsui

B

erlins bekannteste Brillenmanufaktur „ic! berlin“ erobert die Welt. Bereits 1999 hat „ic! ber­ lin“ seine erste Brillenkollektion auf den Markt gebracht. Seit dem sind Brillenträger und Optiker auf der ganzen Welt erstaunt, da die Brillen im Vergleich zur Konkurrenz keine Schrauben haben. Der Markenname wird „I see“ ausgesprochen und die Firma sowie die eigene Manufaktur sitzt im Herzen von Berlin, in der Backfabrik im Prenzlauer Berg. Geschäftsführer des Unternehmens ist der Kulturpädagoge und „Blechenbrillenverkäufer“ Ralph Anderl der weltweit mit seinem Team annähernd 200.000 Brillen jährlich verkauft. „ic! berlin“ fertigt Brillen für jedes Gesicht. Für runde, längliche, ovale, eckige, kantige, weiche, große oder kleine. Brillen, die aufgeregt sind, still oder ruhig. Immer funktional, angenehm auf Nase und Haut. Harmonisch ausgewogen, wenn nicht bewusst unruhig aufschreiend. Darin beständig und in einem Rhythmus der eigenen Zeit. Keine hastigen Modebewegungen und Trendverrennungen – und damit immer eine Nasenlänge vor Moden und Trends.

Sie haben in der Vergangenheit oft den Slogan „do you know ic! berlin?“ benutzt. Was ist denn ic! berlin aus ihrer Sicht?

Das ist eine kleine feine, ungemein reine Brillen­ manufaktur, die entgegen jeglicher Wahrschein­ lichkeit im Kampf der Gestelle zu einer welt­ weiten Weltfirma wurde die weltweit waltet. ic! berlin macht Spaß und hat keine Schrauben. Jede Brille ist ein Unikat und wird in Handarbeit im Herzen Berlins ausgedacht und gefertigt. Warum ist ic! berlin eine Kulturfirma?

Weil ich Kulturpädagogik studiert habe und war­ um sollte man sonst eine Firma gründen, wenn es nicht darum ginge, dem Blumenstrauß kultu­ reller Außerungen eine weitere Blüte hinzuzufü­ gen. Wir haben eine Kunstsammlung (Wir haben einfach unsere Brillen gegen Kunst getauscht), einen Chor und einen Flügel. Wie Kunst ist auch unser Unternehmen nach allen Seiten offen. Kommen Sie auf unsere Dachterrasse, feiern dort den Geburtstag ihrer Tante Gertrude oder Veran­ stalten Sie eine Lesung. Ihr Model ‚power law‘ wurde letztes Jahr in Paris mit dem Brillenoscar ‚Silmo d‘Or‘ ausgezeichnet. Was macht Ihre Brillen so speziell?

Jede ist ein zeitloses Einzelstück. In jeder Brille stecken kleine Geschichten. Sei es zu ihrer Entste­ hung, z.B. dass Kinderbrillen, auch wirklich von Kindern selbst designt wurden oder die Entwürfe der ‚rough‘ Serie eigentlich Prototypen sind, die einfach zu gut aussahen um sie zu Tode glänzend polieren, weshalb wir sie einfach berlinisch unfertig lassen. Oder aber weil sie diverse Messages in sich tragen, die mithin so klein und versteckt sind, dass man sie kaum lesen kann. So wie Kunst nicht auf den ersten Blick verstehbar sein muss. Und Kunst kann schön sein – unsere Brillen auch. Unsere Brillen rütteln auf und machen die Menschen noch intelligenter und weit-, tief- oder scharfsichtiger. Wovon lassen Sie sich bei Ihren Entwürfen inspirieren?

Von Menschen, Brillen und Bakterien. Sind Sie außer bei dem Brillendesign selbst künstlerisch tätig?

Ja! Ich male Bilder, fotografiere Gesichter, angezogene und nackte Menschen. Ich singe im Chor und solo. Ihre aktuelle Kollektion hat den Namen ‚Winterreise‘. Was hat es damit auf sich?

Die Winterreise singe ich. Sie ist ein Liederzyklus von Schubert und wirklich wunderschön – wun­ derschön traurig und nachdenklich, genau wie ich. Es geht um Winter, Liebe und Tod, drei sehr naheliegende Themen. Bei unseren Designs kommt es außerdem immer darauf an, dass sie einen kulturellen Anker im Unternehmen haben. Da ich also schon Jahrelang der Winterreise meine Stimme leihe und durch unseren Firmenchor Musik tagtäglich ein Thema ist, hat es sich angebo­ ten, das auch in Brillen umzusetzen. Die Entwürfe tragen die Namen der einzelnen Lieder, wobei der Name des Stücks sich im Design wiederspiegelt. Zusätzlich dazu sind die ersten Noten jedes Stücks in die Bügel eingraviert. www.ic-berlin.de

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Die In

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nico Kunstvolle Neuigkeiten für Kinder und Jugendliche Zusammengestellt von Wiebke Ollendorf

ausflug nach pappenheim Wer keine Lust hat, Papier und Pappe zum Recyclingcontainer zu tragen, sollte stattdessen einen Ausflug nach Pappenheim machen. Und vielleicht seinen eigenen Schoko-Laden, Eis– salon oder Obststand basteln. Die Berliner Künstlerin und Auto– rin Claudia Scholl hat eine Unzahl an Ideen für Spielobjekte, Geschenke, Möbel, Kunst und Deko zusammengetragen, die sich fantasievoll aus Karton, Pappe und Papier herstellen lassen. Sie hat daraus das wunderbare Bastelbuch „Pappenheim“ gestaltet, das ich nur kurz genießen durfte. Denn jetzt ist es im Besitz der Neunjährigen im Hause, die seit Stunden mit Schere, Kleber und Volltonfarben in geheimer Papiermission unterwegs ist. Ob sie eine Lampe baut, einen Hocker, ein Schinkenbrötchen? Wir werden sehen. Claudia Scholl hat die meisten ihrer Bastelideen so angelegt, dass Kinder sie schnell und einfach mit Recyclingmaterialien aus dem Haushalt verwirklichen können. Aus Pappe, Papier und anderem Verpackungsmaterial entstehen Objekte mit ganz eigenem Charme, die ganz und gar nicht von Pappe sind. Pappenheim | Claudia Scholl | Haupt-Verlag, Bern | 24,90 Euro

VOM PAPIERFLIEGER ZUM DRACHEN, DER FEUER SPEIT Origami kann jeder, der schon einmal einen Papierflieger gefaltet hat. Denn Origami bedeutet wörtlich aus dem Japanischen übersetzt nichts anderes als „gefaltetes Papier“ (oru = falten und kami = Papier). Man braucht lediglich einen einzigen Bogen quadratisches Papier, aus dem ohne Schere und Kleber ein dreidimensionales Objekt gefaltet wird. So entstehen Papierflieger, Tiere, geometrische Körper und vieles mehr. Der Architekt Giang Dinh, der 1966 in Vietnam geboren ist und schon lange in den USA lebt und arbeitet, ist Origami-Künstler. Seine Tiere, Gesichter und Figuren aus Papier tragen seine ganz eigene Handschrift. Dinh beschreibt Origami als eine Art Unterhaltung zwischen seinen Händen und dem Papier. Er findet es wichtig, dass Origami eine Kunst ist, an der jeder teilhaben kann. Die OrigamiModelle von Giang Dinh sind kleine Skulpturen, die oft nicht mehr als Papier erkennbar sind. Zu sehen sind sie in großer Auswahl auf seiner Website.

Mit sieben Jahren hatte Giang Dinh noch in Vietnam mit dem Origami angefangen. Seine Eltern hatten ihm Bücher mit Anleitungen geschenkt, die aber während des Vietnamkrieges verlorengingen. Erst mit dreißig Jahren, als Dinh schon einige Zeit in den USA lebte, entdeckte er eins der Bücher seiner Kindheit in einem Buchladen wieder und begann erneut mit dem Origami.

Den Tieren der „Naturgeschichte“ Max Ernsts begegnen im Ausstellungsraum präparierte Vögel und Fische aus der Sammlung des Museum Alexander Koenig. So verwandelt sich der Ausstellungsraum in einen Naturraum, in ein Sehlabor, vor allem aber in eine Werkstatt, in der man die Technik der Frottage in ihrer Vielfalt nicht nur betrachten, sondern auch selber ausprobieren kann.

Das geht ja gut los. Joke van Leeuwen macht gleich zu Anfang ihres Buches „Augenblick mal! “ klar, was Sache ist. Sie lässt ihren Text einfach weiterlaufen, obwohl die Seite zuende ist. Wir blättern um und erfahren in dreizehn reich bebilderten Kapiteln alles darüber, was wir sehen, wenn wir sehen und warum. Spielerisch beleuchtet Joke van Leeuwen das Thema „Sehen“ für Kinder ab zehn Jahren in allen Facetten. Mit eigenen Illustrationen und vielen Beispielen aus ­ Kunst­­geschichte und Medien-Gegen­wart zeigt sie an­schaulich, wie wir wir zu unseren Seh­gewohnheiten kommen oder wie Manipulation mit Bildern funk­ tioniert. Es geht um optische Täu­ schungen und darum, wie und warum Maler Farbe und Licht einsetzen. Ob sie den gol­ denen Schnitt er­ klärt oder kleine philosophische Umwege geht, Joke van Leeuwen behält ihre jüngeren Le­ ser gut im Blick, ohne die älteren zu vergraulen. Amü­ sant ist es, den Regier ungschefs der Welt vermeint­ lich dabei zuzuschauen, wie sie die Kontaktlinse von Wladimir Putin suchen. Überraschend ist es, wenn sich Frau und Hund als Hutdekoration entpuppen. ‚Augenblick mal!‘ ist ein Buch zum Stöbern und lädt immer wieder zum Experimentieren ein. Wenn nach 120 Seiten Schluss ist, wissen wir nicht nur, wie Linien schüchtern werden oder Gerüche sichtbar machen, sondern auch einiges über Perspektive, Symbole und die Wirkung von Farben. Und ohne es zu merken, haben wir unseren Freischwimmer für die Bilderflut gemacht.

Kunstmuseum Bonn | bis 26.08.2012 www.kunstmuseum-bonn.de

Joke van Leeuwen | Augenblick mal! – Was wir sehen, wenn wir sehen und warum | Gerstenberg Verlag, Hildesheim | 14,95 Euro

www.giangdinh.com

„HIMMEL UND HÖLLE“ IM MUSEUM CREAVIVA IN BERN Im Berner Museum Creaviva, das zum Zentrum Paul Klee gehört, können sich Menschen ab vier Jahren mit der Kunst vertraut machen. Die Museumsmacher wollen mit ihrem Programm auf den Spuren Paul Klees Freiräume schaffen zum Ausleben von Fantasie und Kreativität. Sie sind überzeugt: Wer gestalterisch tätig wird, ist glücklicher, und das wirkt ansteckend auf die Mitmenschen. Dazu bietet das Creaviva neben zahlreichen Workshops und dem Offenen Atelier immer eine interaktive Ausstellung an. Bis zum 15. Juli 2012 widmet sich diese interaktive Ausstellung dem Thema „Himmel und Hölle“. Die Museumsmacher fragen: “Was sind himmlische Farben, teuflisch gute Ideen, paradiesische Vorstellungen? Wo ist die Hölle los? Und wer kennt sie, die Meister, die vom Himmel fallen, vom Firmament, das voller Geigen hängt?“ Vor dem Hintergrund der Ausstellung „L’ Europe des Esprits“, die zeitgleich im Zentrum Paul Klee gezeigt wird, soll die Magie des Unfassbaren etwas fassbarer gestaltet werden. Creaviva im Zentrum Paul Klee | Monument im Fruchtland 3, Bern www. creativa-zpk.org | Interaktive Ausstellung „Himmel und Hölle“ läuft bis zum

nicolai | No 1 | April - Juni 2012

augenblick mal! Oder: wie Linien schüchtern werden

MUSCHELBAUM, HOLZVOGEL UND AUGENFISCH Max Ernst für Kinder und Jugendliche: Bis zum 26. August 2012 können sich Kinder im Kunstmuseum Bonn mit dem Grafikzyklus’ „Histoire naturelle“ von Max Ernst beschäftigen und die Frottage-Technik erproben. Wie eine Naturgeschichte in 34 Etappen hat der Künstler seine grafischen Metamorphosen (= Umwandlung von einer Gestalt in eine andere) angelegt. Das Werkbuch zur Ausstellung mit Texten und Abbildungen zu Max Ernst enthält viele Anregungen zum eigenen Experimentieren und Fantasieren.

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Agenda & Guide News, Termine, Veranstaltungen & Service rund um Kunst und Kultur

ANDREAS H. BITESNICH bis 12.Mai 2012

Art and Press bis 24. Juni 2012

japanisches design für zappelphilippe

Olaf Metzel, Und dann noch das Wetter, 2010 Aluminium, Aluminiumstangen, ca. 500 x 600 x 800 cm Privatbesitz. Foto: © VG Bild-Kunst, Bonn, 2011, Foto: Roman Mensing

Irina, Vienna, 2005

BITESNICH gilt als einer der talentiertesten Aktfotografen der Welt. Seine Aktbilder zeugen von einmaliger Detailinszenierung und Spannung. Sie reduzieren den menschlichen Körper auf die reine Form, immer zwischen den Polen von ästhetischem Subjekt und erotisch aufgeladenem Objekt. Rheingalerie Bonn | Dollendorfer Straße 11 53173 Bonn | +49-228-933 999 89 www.rheingalerie-bonn.de

MEHR ZEIT FÜR KUNST & KUNDEN

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts ist die Zeitung Material und Gegenstand der Kunst. Künstler setzen sich mit diesem Medium, ob in der Funktion als Instrument der Aufklärung oder der Manipulation, auf vielfältige Weise auseinander. Motivation und Bedeutung für die Nutzung des Mediums sind dabei immer unterschiedlich. Die Ausstellung ARTandPRESS zeigt über 56 künstlerische Positionen zu dem Thema, von Andy Warhol über Sigmar Polke bis zu Ai Weiwei. Die Bandbreite der Werke reicht von Malerei und Collage über Skulptur und Installation bis zur Fotografie. Martin-Gropius-Bau | 10963 Berlin | www.artandpress.de

DRUCK MIT NIVEAU

Naoki Terada mit seinem kippelnden Hocker, der nicht nur für Kinder gedacht ist. Foto: © koziol

Why sit still if you love to move? HOKKA-IDO ist ein Hocker für Leute, die gerne in Bewegung bleiben. Und zugleich auch die humor volle Umgehung des Verbotes, mit einem Stuhl zu kippeln. Das macht Spaß und bewegt – auch im Kopf. Der japanische Designer Naoki Terada ließ sich durch ein Kindheitserlebnis zu diesem Entwurf inspirieren. Wie viele Kinder konnte auch er nur schwer am Tisch still sitzen und wurde deswegen oft ermahnt. Damals träumte er von einem kippelnden Stuhl. Mit HOKKAIDO hat er sich diesen Traum erfüllt. Naoki Terada ist Architekt und Designer und lebt und arbeitet in Tokio. Er studierte an der Meiji University in Tokio und der Architectural Association School of Architecture in London. 2003 gründete er das Architekturbüro TERADADESIGN. Schwerpunkt seiner Arbeit ist die Gestaltung von Bauwerken sowie Interiordesign, daneben entstehen Möbel und Wohnaccessoires. Naoki Terada ist Dozent an der Nihon University, Tokio.

Artbutler ist die führende Softwarelösung für den Kunstmarkt, die Sie in allen Vorgängen rund um Kunst und Kunden unterstützt: Von der Adresserfassung über das Werkverzeichnis, die Ausstellungsorganisation und Lagerverwaltung bis hin zum Erstellen von Ausstellunsglisten, Angeboten und Rechnungen in Ihrer Corporate Identity erleichtert artbutler alle Aufgaben professioneller Galerien, Künstler und Sammlungen. artbutler | +49-30-486 230 68 kontakt@artbutler.de

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Vom Katalog bis zur Visitenkarte, für Kreative aller Bereiche wie für Galeristen produzieren wir seit 1990 mit Hingabe und Begeisterung. Mit Erfahrung aus über 20 Jahren entwickeln wir Layouts und realisieren nach Ihren Vorstellungen Poster, Broschüren, Kataloge, Karten und vieles mehr. Broschüren auf unkonventionellen Materialien sind bei uns ebenso machbar wie die Einladungen zur Vernissage und hochwertige fadengebundene Bücher mit festem Einband. Alles komplett aus einer Hand. Wir freuen uns auf Sie.

ADRESSEN rund um das Thema Papier Papiermuseum Düren Papiermühle „Alte Dombach“, Bergisch Gladbach Papiermühle Plöger Museum Papiermühle Homburg Deutsches Museum in München Landesmuseum für Technik u. Arbeit, Mannheim Deutsches Technikmuseum Berlin

neue möbel braucht das land

Alles begann 2010 mit der Idee der Familie Fellner einen neuen Werbeträger für Publi­ kumsveranstaltungen mit einer so nützlichen Eigenschaft zu versehen, dass der Besucher diesen lange nach dem Event im privaten Raum weiter nutzt. So entstanden die weithin bekannte Sitbox, ein wetterfester offsetbedruckter Papp­ hocker und der Sonnen- und Regenschirm SUNbRELLA. Dies ist übrigens weltweit der einzige Schirm, der komplett aus Pappe besteht, in jeder Technik bedruckt, die Schirmform beliebig gestanzt und dessen Mechanik wie bei einem herkömmlichen Schirm klappbar ist! Da sie völlig ungefährlich sind, werden die Sitbox Artikel in Sicherheitsbereichen und sogar direkt vor Bühnen zugelassen. Mit der Möbellinie ARTiTURE, von Art und Furniture, bringt Sitbox jetzt neue Farben und Formen in die Möbelwelt! Mit dem ARTdESK präsentiert Sitbox wieder eine Neuentwicklung. Die Kombination aus einem mit Kunstdrucken kaschierten, sehr stabilen Unterbau aus Wellpappe und ,echten‘ Tischplatten aus dem klassischen Möbelbau, vereint zwei Welten auf neue Art ... ARTPRINT GOES 3D! Für die Neuentwicklungen bei ARTdESK ist der Vater des Familienunternehmens, Jo Fellner, zuständig: „Mit den Artdesks schaffen wir ein neues Medium um Kunst und Decor in den Wohnbereich zu tragen. Bisher sind Möbel, mit wenigen Ausnahmen aus dem Designbereich, eher uniform und zurückhaltend wenn es um Farbe geht. Weiterhin präsentieren sich Gemälde, Reproduktionen, Artprints oder Poster auf die herkömmliche Art, zweidimensional. Die Idee der nützlichen „Litfaßsäule für den Wohnbereich“ kam aus meiner Berufs­ erfahrung als Verpackungsfachmann ... Wir kombinierten Techniken aus dem Displaybau und Verpackungsbereich mit Bauteilen für beanspruchte Teile - der Artdesk war geboren! VonVerkostungsständen,Messe­­tischen, Aktions­ countern bis zu Aus­schanktischen mit Edelstahl Arbeitsplatten reicht die Angebotspalette, vom Standardmotiv bis zum Digitalen Kundenmotiv - Alles machbar, günstig, leicht, robust und zu 100 % recyclebar! Jetzt geht sitbox einen Schritt weiter und bietet Schreibtische an, die mit ansprechenden Kunst­ drucken kaschiert sind. Demnächst folgen auch Wohn- und Esszimmertische. So wird es ab Frühjahr Partytische und Stühle geben, alles mit modernen und lebendigen Motiven.

Papiermuseum Gleisweiler HEINZ-JÜRGEN SCHUMACHER-VERLAG +49-2407-91 81 31 | info@schumacher-verlag.de www.schumacher-verlag.de

Freilichtmuseum Hagen Int. Vereinigung d. Handschöpfer u. Papierkünstler

SITBOX.DE | Karl-Königsdorfer-Str. 27 89335 Ichenhausen | + 49-1512-7537243 www.sitbox.de


Noriko Ambe, Inner Water, Papierinstallation, 2012, Courtesy: Noriko Ambe und Lora Reynolds Gallery, Austin, TX, Foto: © David Broda.

Auf der Suche nach dem Gleichgewicht Die Papierlandschaften der japanisch-amerikanischen Künstlerin Noriko Ambe Text Stefanie Zobel

F

eine Wellen erstrecken sich, als wären sie tatsäch– lich im Fluss, in alle Ecken des abgedunkelten Ausstel– lungsraums. Die japanische Künstlerin Noriko Ambe hat imaginäre Wasserbewegungen aus Hunderten Lagen Papier herausgeschnitten, feinste Handarbeit, und doch wirken sie wie das unberührte Naturelement. Ihr Umfeld ist hingegen deutlich künstlich. Ein White Cube – in grau: Rundherum gräuliche Wände, grauer Boden - der Raum wirkt wie die Einladung zur meditativen Versenkung in die Installation. Licht kommt allein aus wenigen Spotlights, die gezielt auf die weißen Papierarbeiten gerichtet sind. Ein Projektor wirft mit Zeitraffer aufgenommene Stills hintereinander auf eine Leinwand und generiert einen cinematischen Fluss der Bilder. Die Screens hängen mobil von der Decke herab, der ganze Ausstellungsraum scheint in Bewegung zu geraten. Im Film ist eine Frau am Strand mal stehend, mal laufend, zu sehen. Sie beobachtet den Ozean. Sie badet ihre Füße im Wasser und verharrt danach regungslos im Sand. In Close-Ups vermischen sich ihr Körper und die Seelandschaft zu abstrahierenden Formen. Das raumgreifende Meeres-Environment ‚Inner Water‘ von Ambe ist derzeit in der Warehouse Gallery in Syracuse im Bundesstaat New York zu sehen. Dort, genauer in New York City, lebt auch die Künstlerin, die in Deutschland noch ein Geheimtipp ist. In der Ausstellung steckt weit mehr als die ästhetische Dimension der minimalistischen, asiatisch inspirierten Papierlandschaft. Noriko Ambe verbindet mit den Werken ein ernstes Anliegen, das mit dem jüngsten Schicksal ihrer Heimat zu tun hat: „Es ist jetzt ein Jahr her seit dem großen Erdbeben in Ost-Japan. Ich habe darüber nachgedacht, wie wir mit der fürchterlichen Realität mithilfe von Kunst fertig werden können. Oder, anders gesagt, was genau die Essenz meines Hauptthemas ist, an dem ich seit zehn Jahren arbeite. Mit meinen Arbeiten versuche ich auszudrücken, dass wir Menschen mit der Natur existieren und wie die Beziehung zwischen uns Menschen, der Zeit und der Natur sich gestaltet. Ich habe erkannt, dass es nun notwendig ist, mein Thema neu zu überdenken.“ Es geht Ambe um die Herausforderung, Naturkatastrophen wie der Fukushima-Katastrophe, dem japanischen Erdbeben und Tsunami Kunst entgegenzusetzen, etwas Konstruktives zu bilden statt in Erstarrung blockiert zu bleiben.

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Die Japanerin versucht, einen Beitrag zu leisten, um diese Tragödien zu verarbeiten, zu erinnern, vielleicht auch die heimischen Gemüter zu heilen. Kunst als Therapie? Nein, vielmehr will Ambe mit ihrer feinsinnigen Kunst der Welt einen Sinn geben und sie zugleich ausgiebig erkunden. Der aktuellen Schau in den USA ging ein längerer Aufenthalt im japanischen Ort Rikuzentakata voraus, wo sie ein Katastrophengebiet besuchte und Natureindrücke unter diesen belasteten Vorzeichen sammelte. Die Farben der Berge, das Meer, die verwundete Landschaft. Bei einer späteren Reise setzte sie sich daraufhin an den Strand des amerikanischen Long Island und versenkte sich regelrecht in die immer wiederkehrende Bewegung der Meereswellen. Ein heiler Ort zum Ausruhen. Ein Gegensatz zur Natur- und Nuklearkatastrophe. Beide Impressionen verschmolzen als Inspirationen in den aktuellen Arbeiten in Syracuse – und schufen ein Gleichgewicht dieser disparaten Erfahrungen. Mit ihrem künstlerischen Versuch, sich der japanischen Katastrophe zu nähern, steht Ambe im internationalen Kunstschaffen nicht allein da. Man denke bei uns in Deutschland nur an die kleine, aber feine Ausstellung „Breaking News Fukushima und die Folgen“ in den KW - KunstWerken Berlin. Das Projekt hat die UdK-Professorin Leiko Ikemura kuratiert. Darin zeigte sie Arbeiten von Freunden und Kollegen wie Curtis Anderson, Katharina Grosse, Boris Mikhailov, Shomei Tomatsu, Rosemarie Trockel und Wim Wenders. Mit der kuratorischen Initiative reagierte der wichtige Berliner Kunstraum recht spontan auf die Tagesereignisse, was eigentlich in den lang– angelegten Ausstellungsplänen nicht vorgesehen ist. Nah am Puls der Zeit und gleichzeitig reflektiert, so sollte Kunst doch im besten Falle immer sein. Nachhaltig reflektiert, das ist auch die Papierkunst von Noriko Ambe. Sie arbeitet am Detail, behält dabei jedoch die großen Zusammenhänge stets im Blick. Generell interessiert sie sich schon seit Langem für universale Themen. Prozesse interessieren sie dabei mehr als das Ergebnis. Vielleicht ist das nicht zuletzt ihrer japanischen Herkunft zuzuschreiben. Auch das Material ihrer Kunst hat dort eine lange Tradition. Noriko Ambe arbeitet seit Jahrzehnten mit dem fragilen Material Papier. Seit 1999 sind geschnittene Skulpturen zentraler Bestandteil ihres Oeuvres – bezeichnet als Book Cuttings. Ambe schneidet

durch Bücher, Zeitschriften oder Atlanten. Sie löchert sie gewissermaßen, fügt präzise Öffnungen in die Publikationen ein, oder schneidet die Ränder von Hunderten von Buchseiten ab. Daraus lässt sie minutiöse, fragile Papierlandschaften entstehen. Topographien mit Höhen und Tiefen. Die Werke leben aus der ästhetischen Spannung zwischen Zerstörung, durch das brutale Zerschneiden eines einst in sich abgeschlossenen Objekts, und dem visuellen Ergebnis der filigranen Landschaftsskulptur. Was wie Computersimulationen aussieht, ist solides Handwerk mit Papier. Ein verwandtes Material, dem sie sich ebenso zuwendet, ist das synthetische, papierähnliche Produkt aus Japan mit dem Namen Yupo. In der Wirtschaft als recyclingfähiges und wasserfestes wie lichtbeständiges Innovationsprodukt gefeiert, wird es bei der Künstlerin zum ästhetischen Ereignis. Es hat eine matt schimmernde und reißfeste Oberfläche. Daher benötigt Ambe ein scharfes X-Acto-Kurvenmesser, um das Material zu durchtrennen. Inhaltlich stellt die transparente Oberfläche von Yupo für sie eine Referenz an die menschliche Haut dar. So wird auch der Körper indirekt zum Sujet in ihren Papierinstallationen. Noch mehr als Körper interessieren Ambe aber kreative Köpfe. Bei ihren Buchprojekten sucht sie sich Künstlerbücher aus. Cy Twombly, Damien Hirst, Andy Warhol, Roy Lichtenstein. Sie zerschneidet die Abbildungen der ‚All-Time Male Heroes‘, was man als aggressiven feministischen Akt werten könnte. Doch bei Noriko Ambe steht etwas anderes dahinter: Wissensdurst, Neugier und Kreativität. Noriko Ambe erläutert das Ziel ihrer ‚Artist Book Projects‘: „Durch das Zerschneiden von Künstlerkatalogen oder Büchern werde ich selbst zum ‚Filter‘. Ich versuche ihre Konzepte zu verstehen, Überschneidungen oder auch Konflikte zu meiner Arbeit zu finden und dann mit ihnen gewissermaßen zu kooperieren. Ich stelle die Frage „was ist Kunst?“ an die Künstler.“ Noriko Ambe (geb. 1967 in Saitama, Japan) lebt und arbeitet in New York. Ihre künstlerische Ausbildung absolvierte sie an der Musashino Art University, Tokio. Sie hat verschiedene Fellowships und Auszeichnungen erhalten. Ihre Arbeiten sind in renommierten Sammlungen wie dem Whitney Museum of American Art vertreten. Aktuelle Ausstellung: The Warehouse Gallery and SUArt Galleries at Syracuse University, Syracuse, NY, 1. März – 12. Mai 2012. www.norikoambe.com

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Kohei Nawa, Pix Cell Deer, Installationsansicht, ausgestopfter Hirsch mit Glas- und Akrylkugeln, 240 x 249,5 x 198 cm. Courtesy der Künstler und SCAI, Tokyo. Foto: © Seiji Toyonaga

„New Creation in Japan“ Japans Künstler wagen einen Neuanfang Text Edgar Abs nach einem Essay von Yumi Yamaguchi

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apan hat ein Trauma erlebt. Wieder einmal. Die jetzige ­ ituation erinnert viele Japaner an die Zeit nach dem Zweiten S Weltkrieg. Längst überwunden geglaubte Narben brechen er­ neut auf und der Glaube an sich selbst ist in diesem Land tief erschüttert. Japan fängt nach dem Erdbeben, dem Tsunami und dem atomaren Unglück in vielen Lebensbereichen gänzlich von vorne an. Tausende von Japanern haben unmittelbar nach der Katastrophe in Ostjapan geholfen, eilten in die vom Erdbeben und den Wassermassen verwüsteten Regionen, um zu helfen. Viele von ihnen waren Künstler. Die meisten von ihnen waren allerdings angesichts der fürchterlichen Ausmaße der Katastro­ phe hilflos; sie konnten weder weinen noch reden. Sie halfen aber nicht nur mit ihrem unmittelbar körperlichen Einsatz, son­ dern auch mit ihrem künstlerischen Werk. Kunst als Heilmittel, Hoffnungsträger – und Kommunikationsmittel. Nichts Geringeres als die Infragestellung des bisher als si­ cher geltenden Alltags war die Folge und erhielt eine gravierend existentielle Bedeutung. Nichts war mehr so wie zuvor und die Künstler stellten sich und der Welt schlicht die Frage „Was ist die Realität?“ Darauf eine zukunftsweisende Antwort zu geben,

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sind nun viele japanische Künstler bemüht. Die Kunstkritike­ rin, Dozentin und Förderin japanischer junger Kunst, Yumi Ya­ maguchi, ist überzeugt, dass hierin die große Kraft und Bedeu­ tung der jungen Kunst Japans liegt; sie kann bewusst machen und helfen. Diese Eigenschaft liegt ihrer Meinung nach im Wesen der japanischen Mentalität begründet, die auch Rückschlüsse auf die derzeitige japanische Kunst zuließe: „Japaner zeichnen sich durch eine hohe Bereitschaft aus, starke Belastungen zu ertra­ gen und durch den Willen, sich mittels großer Herausforde­ rungen stets selbst aufs Neue zu überwinden.“ Diese Merkmale träfen generell auch auf Künstler zu, die jeden Tag etwas Neues erschaffen. Insofern sei die aktuelle Situation auch in dieser Hinsicht mit der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg vergleichbar, in der sich die moderne japanische Kunst maßgeblich entwi­ ckelt habe; von der aber außerhalb Japans kaum etwas bekannt sei. Für Yumi Yamaguchi ist die heutige japanische Kunstszene daher einem schwarzen Loch ähnlich, das kulturelle Einflüsse vor allem aus der westlichen Welt aufsauge, aber nur wenig da­ von nach Außen kommuniziere. So hielte sich hartnäckig ein

oberflächliches Bild der soziologischen Entwicklung Japans und bestärke die Klischees, die die japanische Kunst auf Mangas, Animation und Animé reduziere. Um japanische Kunst besser verstehen zu können, müsse man daher etwas tiefer in die japanische Geschichte eintau­ chen. Nach Yamaguchis Ansicht sei bis heute nicht viel davon in den westlichen Ländern bekannt und erst durch André Mal­ raux sei der erste Versuch gelungen, die japanische Mentalität in ihren Grundzügen zu beschreiben und überhaupt zu „entde­ cken“. Grundsätzlich wüssten aber selbst Japaner wenig über die großen historischen Künstler ihres eigenen Landes, wäh­ rend sie sehr wohl über die italienische Renaissance oder etwa den französischen Impressionismus größte Kenntnis erlangten. Dies läge in der starken Orientierung an der westlichen Kultur und Lebensform begründet, die jedoch die Kenntnis und Wah­ rung der eigenen kulturellen Wurzeln stark beeinträchtigten, so Yamaguchi. „André Malraux hatte einen sehr persönlich be­ gründeten, ja vielleicht gar psychologisch fundierten Zugang zur japanischen Kultur: Die japanische Besonderheit, den Tod nicht zu fürchten, sondern als naturgegeben zu akzeptieren. In


Kengo Nakamura, Without me. Foto: © Kengo Nakamura

Japan herrscht die Shinto-Religion, die darauf basiert, dass al­ les eins sei mit der Natur und dem Universum. André Malraux hatte in diesem Zusammenhang ein Schlüsselerlebnis, als er 1974 den berühmten Ise-Schrein auf seiner vierten Japanreise besuchte. Während er ein Jahrhundertealtes Gebäude zu sehen erwartete, fand er ein aus Zypressenholz gänzlich neu aufge­ bautes, einfaches Gebäude. Kurz vor seinem Besuch war der Schrein, wie alle 20 Jahre zuvor, in einer feierlichen Zeremonie abgerissen und wieder neu aufgebaut worden. So wiederholte sich seit dem Jahr 690, also seit über 1500 Jahren dieser Zyklus, in dem die wiederholte Erschaffung und Vernichtung den Kreis­ lauf des Lebens und Todes symbolisiert. Die ‚Einfachheit des Materials‘ und die außerordentliche Schlichtheit konzentriert diese Bedeutung auf das Wesentliche. Nicht etwa Jahrtausende alte Mauern antiker Tempel oder Jahrhunderte alte Steine mit­ telalterlicher Kathedralen versinnbildlichen in der japanischen Religion und Kultur den Glauben an die Unsterblichkeit, son­ dern gerade die unablässige Wiederholung von Zerstörung und Wiederaufbau.“ Yumi Yamaguchi ist überzeugt, dass diese ja­ panische Tradition von tiefgreifender Bedeutung auch für die japanischen Künstler und die Erschaffung ihrer Werke ist. Einige der ersten Künstler, die in Ost-Japan halfen, waren Noboru Tsubaki und Kenji Yanobe. Sie befassten sich in ihren Arbeiten unmittelbar mit der nuklearen Katastrophe auf kri­ tische, zuteilen ironische Weise. Für Yanobe stellte sich vor allem die Frage, was ein Künstler nach einer solchen Katas­ trophe überhaupt noch Relevantes kommunizieren könne. Er kam zu dem Schluss, dass es etwas Positives, „Strahlendes“ sein müsse. Oder Tsuyoshi Ozawa postulierte, dass nicht nur die durch radioaktive Strahlung verursachten, unsichtbaren Gefahren in dieser Welt sichtbar gemacht werden müssten, sondern vielmehr alle Probleme eine adäquate Gestalt erhalten müssten, um in das Bewusstsein der Menschen zu gelangen. Sollte nun die junge japanische Kunst zum Therapeutikum für die einen und politisches Sprachrohr für die anderen werden? Nein, so einfach ließe sich die Wirkung von Fukushima auf die junge Kunst Japans kaum reduzieren, auch wenn es auf den ersten Blick so aussehen könnte. Nach der jüngsten Katastro­ phe muss die japanische Kunst vielmehr eine neue Perspekti­ ve aus der durch Verlust und Zerstörung geprägten Geschichte

nicolai | No 1 | April - Juni 2012

in eine verlässliche Zukunft weisen. „Das ist es, was viele der jungen Künstler im Moment spüren und in ihrer Kunst ausdrü­ cken wollen. Dabei spielen die künstlerische und intellektuelle Verarbeitung des atomaren Traumas nach dem Zweiten Welt­ krieg genauso eine wichtige Rolle wie der nun tief erschütterte Glauben an die atomare Energieversorgung und Sicherheit der jüngsten Zeit“, konstatiert Yamaguchi. Die zahlreichen Ausstel­ lungen und Projekte, die in Japan gleich nach der Katastrophe veranstaltet wurden, belegen den hohen Stellenwert, die der künstlerischen Arbeit beigemessen wird. ‚Making as Living‘ war beispielsweise ein solches Ausstellungsprojekt, das sich dem Engagement namhafter japanischer Künstler und Aktivis­ ten widmete. In dem Katalogtext heißt es: „Es gibt eine Land­ schaft, die sich nach dem Erdbeben völlig verändert hat und es gibt eine, die so geblieben ist, wie sie war. Es gibt Zeiten, in denen Menschen im Gegensatz zur Natur leben und handeln und es gibt Zeiten, in denen sie der Natur ganz nahe sind. Ist es nun richtig, sich nicht zu verändern oder ist es richtig, sich zu verändern? In diesem Moment sind unsere Kreativität und Ent­ scheidungsfähigkeit infrage gestellt. Das große Erdbeben lässt uns über unser Land und seine Systeme nachdenken. Es hat uns realisieren lassen, dass es andere Werte und andere Denk­ weisen gibt.“ Mit 20 Rahmenveranstaltungen, Diskussionen und Interviews und über 78 Projekten wurden im Rahmen von „Making as Living“ die Wirkungsmöglichkeiten von Künstlern, Designern, Architekten und Kreativen ausgelotet und deren Be­ deutung für die Zukunft herausgestellt. Yumi Yamaguchi beobachtet für diese Zukunft der jungen Kunst Japans folgende Trends und Eigenschaften: „Es gibt eine starke Tendenz zum „Süßen“ (Kawaii), das als Teil der ja­ panischen Geschichte von großer Bedeutung ist. Die Überset­ zung dieses Begriffs ist für andere Kulturkreise nur schwer nachvollziehbar und wirkt auf den ersten Blick lediglich naiv und rein dekorativ.“ Yamaguchi betont aber dessen ureigenes Wesen für das japanische Selbstverständnis. „Kawaii liegt die Überzeugung zugrunde, dass etwas, das klein ist, besser oder süßer wäre. So wäre etwa ein kleines Dessert beliebter, als ein großes, auch wenn es zum gleichen Preis angeboten würde. Wir nennen es „Die Größe eines Bissens““. Gerade in der Manga und Animé-Kunst erscheinen diese Kawaii sehr häufig, ­prägen

deren elementare Formensprache. Weitere Trends für das Er­ starken der japanischen Kunst sieht Yamaguchi in der tech­ nischen Qualität und Fähigkeit sowie in dem hohen Standard der künstlerischen Ausbildung, durch die japanische Künstler hervorragende Werke schaffen könnten. Verbunden mit dem Wunsch, mit der Natur im Einklang leben zu wollen, würde sich zudem eine neue spirituelle Kraft aus alter Tradition her­ aus entwickeln. Von den zahlreichen Künstlern, die Yamaguchi beschreibt, seien hier beispielhaft Kengo Nakamura und Kohei Nawa genannt. Ersterer hat wie viele japanische Künstler, einen starken Bezug zu Mangas. In Nakamuras Werken spiegelt sich in ge­ wisser Weise das Leben in Millionenstadt Tokio wider. Modern und aus der Pop-Kultur stammend spielen seine Motive mit den Elementen des großstädtischen Lebens, insbesondere der technischen Kommunikation aber auch mit damit einher­ gehenden Isolationen des Einzelnen. So zeigt beispielsweise seine Arbeit ‚Without me‘ die Umrisse bekannter Manga-Fi­ guren, wild durcheinandergewirbelt, ohne jeglichen Bezug zu­ einander. Die ohnehin schon endindividualisierten Charaktere werden gänzlich ihres Ausdrucks genommen, verharrend in bestimmten Positionen und Körperhaltungen erstarren sie zur Regungs- und Handlungslosigkeit. Kohei Nawa zeigt in seiner Arbeit ‚Pix Cell‘ die Vermischung von digitaler und analoger Welt. Der Hirsch ist in seiner natürlichen Gestalt kaum mehr erkennbar, vielmehr wirkt seine Erscheinung durch die Refle­ xion und Brechung der vielfach gespiegelten Oberflächen der aufgesetzten Glaskugeln unreal. Ähnlich wie bei einer starken Vergrößerung eines von Pixeln erzeugten Bildes, tritt das Gan­ ze zu Gunsten der vereinzelten Struktur, des einzelnen Pixels in den Hintergrund. Die menschliche Wahrnehmungsfähigkeit tritt an ihre Grenzen und das eigentliche Bild löst sich auf. Der Hirsch, Symbol einer idealisierten (göttlichen) Natur, verliert seine Kontur und Gestalt, an deren Stelle nun die Zeichen einer digitalisierten, künstlichen Welt treten. In dieser Installation könnte sowohl die Vergangenheit als auch die Zukunft Japans gemeint sein: Die Wahrung der Natur und die unaufhaltsame technische Entwicklung in Einklang bringen zu wollen. Ein Ziel, das weltweit bedeutsam wäre und keinesfalls auf Japan beschränkt bleiben sollte.

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