In der Rebellion zu Hause Der chilenische Schriftsteller und Menschenrechtsaktivist Luis Sepúlveda ist tot. Er starb im Alter von 70 Jahren in Spanien. Sepúlveda war eng mit Amnesty Deutschland verbunden. Die Organisation half ihm dabei, aus der Haft freizukommen und ins Exil zu gehen. Von Lea De Gregorio
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r war nicht nur einer der erfolgreichsten chilenischen Exilautoren, er war auch ein politischer Aktivist – und ein großer Kämpfergeist. Doch gegen Covid-19 kam Luis Sepúlveda nicht an. Er erlag der Infektion am 16. April in der spanischen Stadt Oviedo. Amnesty International verdanke er sein Leben, erzählte Sepúlveda während seiner Zeit in Hamburg dem Amnesty-Mitglied Thomas Schmid, mit dem der Schriftsteller befreundet war. Mit Unterstützung der deutschen Sektion von Amnesty International konnte Sepúlveda, der nach dem Militärputsch von Augusto Pinochet inhaftiert wurde, ins Exil gehen. »Es war ihm sehr wichtig, darauf hinzuweisen, dass Amnesty ihn da herausgeholt hat«, sagt Schmid. Geboren wurde Sepúlveda 1949 in Ovalle, einer Kleinstadt im Norden Chiles. Seine Mutter war Mapuche und Krankenschwester, sein Vater Kommunist und Restaurantbesitzer. Sepúlveda liebte seit jeher das geschriebene Wort, verfasste schon als Schüler Gedichte und studierte an einer Theaterschule. Später schrieb er Romane, Krimis, Reiseliteratur und Kinderbücher. Zu seinen bekanntesten Werken gehören »Der Alte, der Liebesromane las«, »Die Welt am Ende der Welt«, »Patagonia Express« und das Jugendbuch »Wie Kater Zorbas der kleinen Möwe das Fliegen beibrachte«. Mit seinen Büchern feierte er Welterfolge, und wurde international für seine Werke ausgezeichnet. Schon früh wurde Sepúlveda politisiert. Er schloss sich zunächst der Kommunistischen Jugend an und unterstützte später die chilenische Sektion der bolivianischen Guerillaorganisation ELN. Nachdem Ernesto »Che« Guevara 1967 ermordet wurde, verließ er die Kommunistische Jugend und wurde Mitglied der Sozialistischen Partei. Als junger Mann gehörte er zur Leibgarde des sozialistischen Präsidenten Salvador Allende nach dessen Wahl 1970. Dass er den Präsidenten mit anderen jungen Chilenen beschützen durfte, erfüllte ihn mit Stolz. Er bewunderte Allende als außergewöhnliche Führungspersönlichkeit und wegen seiner menschlichen Wärme – wie er eindrücklich in der ArteDokumentation »Widerstand vom Ende der Welt« erzählt. Der Militärputsch gegen Allende am 11. September 1973 traf Sepúlveda unvermittelt. Er bewachte zu diesem Zeitpunkt eines der Wasserwerke, auf die Rechte immer wieder Anschläge verüb-
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ten. Als der Widerstand gegen die Putschisten zusammenbrach, versteckte sich Sepúlveda in Temuco, einem Zentrum der Mapuche im Süden Chiles. Dort wurde er am 5. Oktober 1973 festgenommen und später zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Er und die anderen aus der Leibgarde Allendes wurden als Terroristen und Kriminelle eingestuft und in der Haft gefoltert. Ohne Betäubung riss man Sepúlveda die Fußnägel aus. Nach sieben Monaten Isolationshaft wurde er aufgrund internationalen Drucks – unter anderem von Amnesty International – in den Hausarrest entlassen. Für Sepúlveda war das eine Gelegenheit, in den Untergrund zu gehen – bis er erneut verhaftet wurde. Ein Militärgericht verurteilte den damals 23-Jährigen zu 28 Jahren Gefängnis. Nach zwei Jahren Haft wurde seine Strafe aufgrund des erneuten Einsatzes von Amnesty International in acht Jahre Zwangsexil umgewandelt. In den 1970er Jahren bemühte sich Amnesty darum, die Haftstrafen politischer Gefangener des Pinochet-Regimes in »Verbannung« umzuwandeln, erzählt Amnesty-Mitglied Urs Fiechtner, der sich damals für inhaftierte Chilenen engagierte. »Bei der Umwandlung ging es darum, Leben zu retten«, sagt er und verweist darauf, dass der überwiegende Teil der Häftlinge teilweise lebensbedrohlicher Folter ausgesetzt gewesen sei. Fiechtner und seine Mitstreiter suchten für die Häftlinge nach aufnahmebereiten Ländern. »Es mussten Visa erteilt werden, und dafür haben wir gekämpft.« Sepúlveda konnte 1977 ausreisen. Über Argentinien sollte er nach Schweden gelangen. Doch Sepúlveda änderte spontan seinen Reiseplan und blieb in Lateinamerika. Fiechtner sagt: »Ich kann mich daran erinnern, dass er immer woanders gelandet ist, als ursprünglich geplant war.« Der Schriftsteller ging schließlich nach Ecuador, wo er nicht nur ein Theater leitete und als Journalist in einem von der UNESCO gesponserten Projekt zur Artenvielfalt am Amazonas mitarbeitete. Dort lebte er auch eine Zeit lang mit der indigenen Gruppe der Shuaras zusammen – eine Begegnung, die ihn und sein Schaffen prägte. Sein Buch »Der Alte, der Liebesromane las« ist von dieser Zeit inspiriert. Es behandelt die Zerstörung
»Heimat ist nicht der Ort, an dem du geboren bist. Heimat ist die Sprache, deine Sprache, sie ist die einzig mögliche Heimat.« AMNESTY JOURNAL | 04/2020