Das Hörbare sichtbar machen. »Saydnaya (the missing 19db)«, 2017. Installation des Klangkünstlers Lawrence Abu Hamdan.
»Wir können Hunger hören« Der britisch-libanesische Künstler Lawrence Abu Hamdan geht Menschenrechtsverbrechen anhand von Klängen nach. Schwierig war seine Recherche über das syrische Foltergefängnis Saydnaya: Was die Inhaftierten dort erlitten, hat er anhand ihrer akustischen Erinnerungen rekonstruiert. Interview: Hannah El-Hitami
Sie haben gemeinsam mit Amnesty International und der Forschergruppe Forensic Architecture 2016 das syrische Militärgefängnis Saydnaya rekonstruiert, das für systematische Folter und Massenexekutionen bekannt ist. Wie sind Sie dabei vorgegangen?
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Saydnaya war meine bislang schwierigste Recherche, aber auch die, bei der ich am meisten gelernt habe: über die Beziehung zwischen Ton und Gewalt und über die Art, wie wir uns an Ton erinnern. Weil die Gefangenen meist Augenbinden trugen und im Dunkeln gehalten wurden, rekonstruierten wir das Gefängnis auf Grundlage dessen, was sie gehört hatten. Sie haben mit sechs ehemaligen Gefangenen gesprochen. Wie haben die ihre akustischen Erinnerungen beschrieben? Ton hat keine eigene Sprache, die ihn beschreibt. Wir bezeichnen ihn zum Beispiel als hell oder scharf, leihen also Begriffe für andere Sinneseindrücke aus. Um von den Gefangenen zu erfahren, was sie in Saydnaya gehört haben, musste ich kreativ werden. Zum Beispiel habe ich Objekte genutzt, um Geräusche in verschiedenen Lautstärken nachzumachen. Ein Zeuge konnte Geräusche der Zellentürschlösser identifizieren, woraus wir ableiteten, wie viele Personen auf seinem Gang festgehalten
AMNESTY JOURNAL | 02/2021