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Pestizide: In der EU verboten, in Argentinien im Einsatz
Der Nebel am Ende der Lieferkette
Im Norden Argentiniens wird Soja für den Weltmarkt angebaut. Die Pflanze wird mit Pestiziden europäischer Konzerne besprüht, deren Einsatz in der EU verboten ist. Die Bewohner*innen von Napenay spüren am eigenen Leib, warum. Von Ann Esswein (Text) und Felie Zernack (Fotos)
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Ich kann das Gift nur riechen«, sagt Catalina Cendra. Sehen kann die Kleinbäuerin hingegen die Pusteln auf ihrem Arm, wenn sie abends von ihrem Feld zurück nach Napenay fährt, ein Dorf im Norden Argentiniens. Und wenn sie beim Aufwachen Schmerzen im Kopf und in den Armen spürt, ahnt sie, dass auf den Plantagen wieder einmal Pestizide versprüht wurden. Ist der Grünstreifen neben der Straße verwelkt, weiß die 47-Jährige, dass die Pflanzenschutzmittel sich bereits niedergeschlagen haben.
Aus dem kleinen Dorf führt ein holpriger Weg durch scheinbar endlose Sojafelder. Geschrotet wird die Bohne um die ganze Welt verschifft, um sie an Kühe, Hühner und Schweine zu verfüttern. Soja ist mittlerweile eines der wichtigsten Exportgüter Argentiniens. Damit es in der kargen und trockenen Provinz Chaco gut wächst, braucht es Dünger und Pflanzenschutzmittel. In kaum einem anderen Land auf der Welt werden so viele Pestizide eingesetzt wie in Argentinien. »Hier ist die Landebahn«, sagt Cendra beim Vorbeifahren und kneift die Augen zusammen. Von der staubigen Piste starten die Sprühflugzeuge frühmorgens, um Pflanzenschutzmittel auf die Felder rieseln zu lassen. Wenn sie die Maschinen über den Häusern höre, wisse sie, dass es ihr schlecht gehen werde, sagt die Bäuerin. Auf einem kleinen Stück Land baut sie Maniok, Zwiebeln und Kürbisse an. »Alles natürlich«, sagt sie. Eigentlich. Denn sie baut ihr Gemüse zwar ohne synthetische Dünge- und Pflanzenschutzmittel an, doch weht der Wind die Pestizide auf ihren Acker. Und anders als das genmanipulierte Soja, das gleich nebenan wächst, sind ihre Pflanzen nicht gegen die Chemikalien gewappnet. »Sie haben meine Gesundheit, alle meine Felder und alle meine Obstpflanzen zerstört«, sagt Cendra, deren Familie seit drei Generationen in Napenay lebt: »Es ist beeindruckend, wie sie uns vergiften.« Aber wer genau »sie« sind, das kann die Bäuerin nicht sagen.
Geschichte einer Ohnmacht
Cendras Geschichte ist die einer Ohnmacht gegenüber Agrarunternehmen, die sich im Norden von Argentinien angesiedelt haben, um Rohstoffe wie Soja für den
Catalina Cendra, Bäuerin
Tierfutter für die Welt. Auf den Feldern um das Dorf Napenay wird Soja in riesigen Monokulturen angebaut.
Export anzubauen – und dabei gesundheitsschädliche Pestizide einsetzen. »Eingenebelte Dörfer« werden die Orte genannt, deren Bewohner*innen immer wieder von Allergien, Erbrechen, Koliken, Fehlgeburten, Missbildungen, Krebserkrankungen und verdorrten Pflanzen berichten. Seit Jahren dokumentieren Hilfs organisationen die Beschwerden. Doch haben internationale Agrarkonzerne bisher selten ihre Verantwortung für die Gesundheits- und Umweltschäden anerkannt – auch davon handelt diese Geschichte.
In den 1990er Jahren versprachen genmanipulierte Saaten und Pestizide aus dem Hause Monsanto, das heute zum Bayer-Konzern gehört, mehr Ertrag und weniger Hunger. Als erstes Land Südamerikas erlaubte Argentinien den Anbau von dort hergestellt und von dort exportiert werden, erklärt der Agraringenieur Javier Souza, der an der Universität Buenos Aires arbeitet. Offiziell sind in Argentinien mehr als 100 Pestizide erlaubt, die als hochgefährlich eingestuft werden. Seitdem das Land den Einsatz von genmanipulierten Sojasaaten und problematischen Pestiziden freigegeben hat, hat sich die Menge der eingesetzten Pflanzenschutzmittel verdoppelt. Seit Jahrzehnten kämpfen Agraringenieure wie Souza für ein nationales Gesetz, das den Einsatz von Pestiziden regelt – bisher erfolglos. Es gebe nur regionale Gesetze, und die folgten den politischen Interessen in den Regionen, sagt der Pestizidexperte. Auch für die Provinz Chaco gilt ein eigenes Gesetz. Es erlaubt das Versprühen aus der Luft nur, wenn ein Abstand von eineinhalb Kilometern zu bewohnten Gegenden eingehalten wird. In den »eingenebelten Dörfern« wird dieser Mindestabstand zwischen Feldern und bewohnten Gegenden aber häufig nicht beachtet.
genmanipuliertem Soja. Satellitenbilder, die seit den 1990er Jahren aufgenommen wurden, zeigen, dass immer mehr Waldflächen rings um Napenay in Anbauflächen für Soja umgewandelt wurden. Catalina Cendra kann über die Zeit davor berichten. Früher habe auf den Feldern hinter Napenay dichter Wald gestanden, sagt die Kleinbäuerin. Heute gibt es nur noch einzelne bewaldete Flächen, die wie Inseln in den Anbauflächen liegen. Mit dem Soja-Boom seien immer mehr Unternehmen von außerhalb gekommen, die Pestizide aus der ganzen Welt in das Dorf brachten. Die Namen der Firmenbesitzer kennen sie im Dorf nicht. Sie seien aus China und Europa, vermutet Cendra.
Einige der Pflanzenschutzmittel, die beim Sojaanbau eingesetzt werden, sind in der EU verboten, obwohl sie zum Teil Erkrankte Jugendliche
In Napenay beginnen die Sojafelder direkt hinter dem Dorfrand. Nur wenige Schritte sind es von dort bis zum Haus von Anna Dwack. Überall an den Wänden hängen Bilder von Dwacks Tochter: Valen tina in einem Babybett, auf dem Arm ihrer Eltern, ein Mädchen mit langen braunen Haaren. Aber anders als viele Kinder im Dorf lernte sie nie laufen, denn Valen tina wurde mit einer Missbildung geboren, erzählt ihre Mutter. Die Elfjährige sitzt neben ihr, die Krücken an die Couch gelehnt. Sie kann sich nur mit Hilfe erheben, balanciert auf Beinen, die ihr nicht gehorchen. Sie habe kein Gefühl in den Beinen, erklärt Dwack, außerdem funktioniere eine ihrer Nieren nur zu 60, die andere sogar nur zu 30 Prozent. Seit der Geburt ihrer Tochter sei ihr Leben geprägt von Sorgen, erzählt die 43-Jährige: von
Die Jugendliche. Valentina Dwack wurde mit geschädigten Beinen und Nieren geboren. Ihre Mutter sieht die Pestizidbelastung als Ursache. Die Kleinbäuerin. Catalina Cendra leidet unter Kopfschmerzen und Hautausschlägen, sobald die Felder mit Pestiziden besprüht wurden.
Operationen und Besuchen bei Ärzten in der Hauptstadt. Doch gebe es bis heute keine überzeugende Antwort auf die Frage, warum Valentina diese Einschränkungen habe.
Weil ihre Tochter rund um die Uhr auf Betreuung angewiesen ist, hat Dwack aufgehört zu arbeiten. Mit dem Gehalt ihres Mannes, der als Taxifahrer arbeitet, kommt die Familie kaum über die Runden. Wegen ihrer Erkrankung ist Valentina auf Schonkost angewiesen und darf nur Wasser trinken, das keine Spuren von Pflanzenschutzmitteln enthält. Im Dorf gibt es aber nur einen offenen Brunnen. »Ich möchte mir nicht vorstellen, was da drin ist«, sagt Dwack und meint die Pestizide. Sie wäscht ihre Tochter mit Trinkwasser, das sie in Fässern in einem Vorratsraum lagert. Sicheres Wasser ist hier ein teures Gut.
Während ihre Mutter erzählt, spielt Valentina mit ihrem geflochtenen Zopf und spreizt langsam einen Finger nach dem anderen ab, als würde sie zählen. Sie liebe die Schule, sagt sie schüchtern. Ihre Mutter muss sie mittags abholen, denn das Essen dort ist nicht unbelastet, und die Toiletten sind nicht behindertengerecht. Einfach rumtoben, wie ihre Mitschülerinnen, und danach selbstständig nach Hause kommen, ist für Valentina unmöglich.
Die Pestizide beeinträchtigten die Rechte der Bewohner*innen von Napenay auf Nahrung, auf unversehrte Gesundheit, auf Wasser. Im Fall von Valentina verhinderten sie auch eine unbeschwerte Kindheit. Und sie ist nicht die Einzige im Dorf. Ein Nachbarsjunge war erst 14 Jahre alt, als er Krebs bekam. Ein weiterer Junge hat Probleme mit seinem Blut und sitzt im Rollstuhl. Die 18-jährige Cousine von Valentina kann aus unerklärlichen Gründen nicht laufen. Sie kenne die Bilder von Tschernobyl aus dem Fernsehen, sagt Dwack. In den kontaminierten Gebieten hätten die Menschen ähnliche Krankheiten wie ihre Tochter.
Verlässt man sich auf die letzte staat liche Untersuchung aus dem Jahr 2009, so haben sich die Missbildungen in den »eingenebelten Dörfern« seit 1997 verfünffacht. Krebserkrankungen treten in der Region viermal so häufig auf wie im Rest Argentiniens. In ihrem Abschluss bericht stellte die Untersuchungskommission fest, dass der Einsatz von Chemikalien nahe der Dörfer zu zahlreichen Beschwerden geführt habe und weitere tiefergehende Studien nötig seien. Stattdessen wurde die Kommission abgewickelt.
Schadenersatz unerreichbar
Ein paar Dörfer weiter ist sich Héctor Capitanich keinerlei Verantwortung bewusst. Der Landwirt baut auf 7.000 Hektar Baumwolle, Mais und Soja an. Er benötige die Pestizide, damit seine Pflanzen frei von Insekten und Schädlingen wachsen könnten, damit sich der Anbau lohne und der Preis stabil bleibe, sagt Capita nich, während er auf einem Plastikstuhl in seinem Hof sitzt. Einige der Pflanzenschutzmittel, die sich in seiner Scheune stapeln, stehen auf Javier Souzas Liste der hochgefährlichen Pestizide. Capitanich hält sie hingegen nicht für schädlich. Der
Anna Dwack, Geschädigte
Napenay
Buenos Aires
Der Landwirt. Héctor Capitanich ist davon überzeugt, dass die Pesitizide, die er einsetzt, nicht schädlich sind.
Landwirt ist sich sicher: »Die Unternehmen, die die Produkte herstellen, arbeiten auch mit dem Ziel, die Umwelt nicht oder so wenig wie möglich zu belasten.«
Wissenschaftler*innen können die Beobachtungen von Dwack und Cendra allerdings belegen: Es gibt einen Zusammenhang zwischen Pestiziden und Krebserkrankungen, Fehlbildungen, Frühgeburten und Wachstumsstörungen. Das Schweizer Rechercheportal PublicEye listet 54 Stoffe auf, die als wahrscheinlich krebserregend, fortpflanzungsgefährdend oder hormonell aktiv eingestuft werden. Vertrieben werden sie von deutschen Konzernen wie Bayer und BASF oder dem Schweizer Unternehmen Syngenta. Betroffene haben in der Vergangenheit immer wieder versucht, Agrarkonzerne auf Schadenersatz zu verklagen. Für Dwack erscheint eine Klage allerdings unerreichbar. Außer ein paar verwackelten Handyvideos der Sprühflugzeuge haben die Bewohner*innen von Napenay Gibt es Anhaltspunkte für Rechtsverletzungen, müssen die Unternehmen auch über ihren Geschäftsbereich hinaus genauer hinsehen: zum Beispiel auf einem Feld, auf dem Soja wächst.
Theoretisch können Betroffene wie Anna Dwack ihre Hinweise direkt an das zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) richten, erklärt Annelen Micus, Fachreferentin für Wirtschaft und Menschenrechte von Amnesty in Deutschland. Weil dies nicht gerade einfach ist, können sie Unterstützung von Hilfsorganisationen bekommen. Amnesty und viele weitere Nicht regierungsorganisationen kritisieren jedoch, dass Betroffene nicht auf Schadenersatz klagen können. Werden Rechtsverletzungen nicht unterbunden, kann das BAFA das betreffende Unternehmen lediglich sanktionieren. Trotz aller Unzulänglichkeiten ist das Lieferkettengesetz aber nach Ansicht von Micus ein Fortschritt, weil es die Unternehmen stärker in die Pflicht nimmt. 11.000 Kilometer weit entfernt in Napenay denkt Dwack darüber nach, die »eingenebelten Dörfer« zu verlassen. Doch zunächst will sie jede Möglichkeit nutzen, sich zu beschweren: »Denn wenn ich den Mund halte, wird es immer so weitergehen.« ◆
keinerlei Belege. Und selbst wenn, an wen sollten sie ihre Beschwerden richten? Beschwerden bei lokalen Behörden seien in Argentinien oft langwierig und würden nur selten zu einer Verbesserung führen, sagt auch Souza.
Eine Veränderung könnte das Lieferkettengesetz bewirken, das 2023 in Deutschland in Kraft tritt. Denn es soll die Verantwortung von Ländern mit geringen Umweltauflagen auf deutsche Unternehmen verlagern, die aus dem Ausland Rohstoffe beziehen. Fleischproduzenten, Tierfutterhersteller und Supermarktketten mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden müssen ab dem kommenden Jahr Menschenrechtsbeauftragte einstellen und eine Risikoanalyse vornehmen.
Soja-Schösslinge. Die Pflanzen wachsen im trockenen Norden Argentiniens nur unter hohem Einsatz von Pflanzenschutz- und Düngemitteln.
Amnesty Deutschland unterstützt die Initiative Lieferkettengesetz: lieferkettengesetz.de
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Bedrohte Artenvielfalt: Auch an der Küste von Sharm El-Sheikh könnte die Klimakrise Folgen haben. Foto: Khaled Desouki/AFP/Getty Images
KLIMAGERECHTIGKEIT JETZT!
Mitte November wird die Welt für zwei Wochen nach Ägypten blicken. Denn dort findet in Sharm El-Sheikh die nächste UNKlimakonferenz (COP27) statt. Die Erwartungen sind hoch, denn es bleibt immer weniger Zeit, um einen ökologischen Kollaps aufzuhalten und die Klimakrise wirksam zu bekämpfen.
Amnesty International hat eine Reihe von Forderungen an die Weltklimakonferenz gestellt, was deren Ziele und Ergebnisse betrifft. So muss das im Jahr 2015 in Paris beschlossene Ziel, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, in der Gesetzgebung aller Mitgliedstaaten verbindlich verankert werden. Alle Länder sollten sich bereit erklären, bis 2030 Klimaschutzmaßnahmen zu entwickeln, die ihrer Verantwortung und ihren Kapazitäten entsprechen.
Unumgänglich ist dabei der stufenweise Ausstieg aus fossilen Energien. Die Länder des globalen Südens sind davon in besonderer Weise betroffen. Sie sind nicht nur Opfer rohstoffbezogener Ausbeutung, sondern verfügen aufgrund kolonialer und neokolonialer Abhängigkeiten häufig auch nicht über die ökonomischen Möglichkeiten, um einen aus reichenden Klimaschutz und eine ausreichende Klimaprävention gewährleisten zu können.
Die Industrienationen sind daher gefordert, angemessene Ausgleichs- und Entschädigungszahlungen an ärmere Staaten zu leisten. Dies ist insofern auch eine humanitäre und menschenrechtliche Verpflichtung, als schon die bisherigen unzureichenden Zusagen von 100 Milliarden Dollar pro Jahr nicht eingehalten wurden.
Doch der Übergang zu einer emissionsarmen, klimaresilienten Welt wird nicht nur von Regierungen gestaltet. Auch die Mitglieder der Gesellschaft müssen befähigt werden, sich an Klimaschutzmaßnahmen zu beteiligen. Die UNO hat dafür bereits ein Rahmenübereinkommen (Action for Climate Empowerment) erarbeitet, das nun umgesetzt werden muss
Weitere Forderungen von Amnesty an die Teilnehmer*innen der COP27 betreffen die Menschenrechtslage in Ägypten. Das Gastgeberland geht seit Jahren massiv gegen die Zivilgesellschaft vor: Zahlreiche Aktivist*innen wurden willkürlich inhaftiert und gefoltert. Die teilnehmenden Staaten müssen auf der Einhaltung der Menschenrechte bestehen. Wirksame Maßnahmen können nur durchgesetzt werden, wenn auch zivilgesellschaftliche Akteu r*in nen die Möglichkeit haben, sich zu äußern und politischen Druck aufzubauen. ◆
Marcel Bodewig und Laurenz Hambrecht
»IM KAMPF GEGEN DIE KLIMAKRISE IST KEIN BEITRAG ZU GERING«
Tina Taylor-Harry ist Autorin und Aktivistin, leitet Workshops zu Klimathemen und engagiert sich ehrenamtlich in der Amnesty-Kogruppe Klimakrise und Menschenrechte. Was erwartet sie von der Klimakonferenz in Ägypten, der COP27?
Interview: Rouven Harms
Wie sind Sie zum Klima-Aktivismus gekommen?
Als Kind habe ich im Niger-Delta in Nigeria die schlimmsten Lebensbedingungen kennengelernt und nie verstanden, warum das so ist. Ich habe Hunger erlebt, hatte weder sauberes Wasser noch Strom. Ich war aber auch schon immer von der Natur fasziniert. Diese Faszination motivierte mich, zuerst Agrarwissenschaften und dann auch Nachhaltigkeit, Gesellschaft und Umwelt zu studieren. Dadurch wurde mir bewusst, dass gewaltsame Konflikte, schlechter Lebensstandard, Korruption und Natur katastrophen im meiner Herkunftsregion, dem Niger-Delta, mit der Klimakrise zusammenhängen. Deshalb wollte ich eine deutlich vernehmbare Stimme sein und dafür kämpfen, meine Erfahrungen zu teilen.
Welche Unterschiede gibt es zwischen dem globalen Süden und dem globalen Norden in Bezug auf die Klimakrise?
Die Klimakrise ist das Ergebnis übermäßiger Ausbeutung der natürlichen Ressourcen durch die Länder des globalen Nordens. Trotz aller Warnzeichen der Erwärmung nutzen Politiker*innen und Firmen des Nordens ihren Einfluss, um die Ausbeutung fortzusetzen. Handel mit Emissionszertifikaten trägt beispielsweise nicht zur Entschärfung des Problems bei, sondern macht Natur zur Ware und bedroht die Lebensgrundlagen und Ernährungssicherheit vieler Menschen. Die Länder des Südens müssen auf der COP27 gehört werden, weil sie am meisten betroffen sind, und um ihre Zukunft selbst sicher gestalten zu können.
Was erwarten Sie von der COP27?
Es ist schwer, konkrete Erwartungen zu haben, wenn andere Krisen wie der Ukraine-Krieg und Corona viel Raum einnehmen. Trotzdem hoffe ich auf konkrete Entscheidungen wie mehr Vorschriften für wirtschaftliche Investitionen, mehr Steuern für die Reichen, Umweltschutzvorschriften für die Produktion. Es wäre wichtig, auch Fragen der fossilen Brennstoffe zu behandeln.
Welche konkreten Maßnahmen sind fällig?
Zuerst einmal schnell handeln. Die Klimakrise muss überall angegangen werden. Jede Region muss Verantwortung übernehmen, indem sie die Ursachen der Klimakrise anerkennt und Lösungen für den Planeten und künftige Generationen anbietet. Die reichen Länder haben Versprechungen gemacht, Emissionen zu reduzieren, Auswirkungen des Klimawandels abzuschwächen und Mittel bereitzustellen, damit ärmere Länder sich an den Klimawandel anpassen und Verluste und Schäden ausgleichen können. Doch es gibt keine sichtbaren Fortschritte. Konkret müssen Maßnahmen ergriffen werden, um den globalen Temperaturanstieg unter 1,5 Grad zu halten. Außerdem müssen die versprochenen 100 Milliarden Dollar an solidarischer Klimafinanzierung zur Unterstützung der am stärksten betroffenen Länder bereitgestellt werden sowie Mittel zur Wiedergutmachung von Schäden und Verlusten jener Länder, die am meisten mit den Auswirkungen der Klimakrise zu kämpfen haben.
Sie klingen positiv. Was inspiriert Sie, positiv zu denken?
Ich glaube nicht, dass wir den Klimawandel vollständig aufhalten können, aber wenn wir aufhören zu kämpfen, verschlimmern sich die Probleme. Obwohl ich Armut und Konflikten ausgeliefert war, als ich in Nigeria aufgewachsen bin, und die Auswirkungen dort selbst gesehen habe, habe ich mir eine positive Einstellung bewahrt. Was mich inspiriert, sind die Begegnung und Zusammenarbeit mit Jugendlichen, die die gleiche Vision haben, diese Welt besser zu hinterlassen, als wir sie vorgefunden haben. Und es ist wichtig, sich zu erinnern, dass viele kleine Tropfen Wasser einen Ozean bilden, dass kein Beitrag zu gering ist im Kampf gegen die Klimakrise. ◆