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Der Wolf im Visier

Der „Bauersmann Peter Braunhofer aus Mareith“ verdankt seine historische Bekanntheit einer besonderen Leistung. Im Jahr 1864 war es ihm gelungen, „bei dem Bergwerke Schneeberg in Paseier in einer Prügelfalle“ einen Wolf zu fangen. So steht es auf der Trophäentafel, die im Schloss Wolfsthurn in Mareit aufbewahrt wurde und heute im dortigen Jagd- und Fischereimuseum zu sehen ist. Auf dem Brett ist der Wolfskopf befestigt, der Zahn der Zeit hat alle Haare ausfallen lassen, im aufgesperrten Rachen ist ein starkes Gebiss zu sehen, dessen Abnutzung auf ein eher junges Tier hindeutet. Es ist dies der letzte Wolf, der in unserer Gegend zur Strecke kam – bis heute, denn wie es weitergeht, dass weiß man noch nicht.

In anderen Gegenden unseres Landes wurden auch später noch Wölfe erlegt. Laut einem Bericht des Naturforschers Dr. Karl Meusburger, erschienen im „Schlern“ im Jahr 1930, wurde „der allerletzte Wolf unseres Gebietes im Jahr 1896 beim La-

Was gilt als „gesicherter“ Nachweis?

Anhand der international anerkannten Bewertungsparameter „SCALP“ lassen sich einzelne Nachweise klassifizieren. Die Kategorisierung richtet sich dabei nach der Überprüfbarkeit und Zuverlässigkeit der Daten:

• C1 - eindeutiger Nachweis: Lebendfang, Totfund, genetischer Nachweis, Foto oder Ortung eines besenderten Tieres

• C2 - bestätigter Hinweis: von erfahrener (ausgebildeter) Person bestätigter Hinweis, z. B. Spur oder Riss seider ganz hinten im Villnösser Tal“ geschossen. Wir müssen einen großen zeitlichen Satz machen, um einen weiteren gesicherten Fall eines in Südtirol zu Tode gekommenen Wolfes zu entdecken. „Am 5. Dezember 2019 wurde in Innichen die Wölfin BZF* von einem Auto angefahren und getötet.“ So lautet ein Eintrag auf der Homepage des Amtes für Jagd und Fischerei der Autonomen Provinz Bozen. Hier sind auch eine Fülle anderer Daten und Informationen über die Wölfe zu finden, wobei vor allem die Sichtungen, Risse und andere Wolf-Nachweise interessant sind, auch wenn im Text eigens darauf verwiesen wird, dass nur wirklich gesicherte Angaben in die amtlichen Berichte Eingang gefunden haben. „Gesichert“ wohl auch deshalb, denn „nichts Genaues weiß man nicht“, und um den Wolf hat sich neben den offiziellen Daten auch eine ganze Reihe von Gerüchten verbreitet, die alle etwas gemeinsam haben: Sie sind nicht abgesichert, sie verbreiten sich viral, sie werden kopiert und mit angeblich eigenen Beobachtungen gestützt, sie entsprechen selten der Realität. Also bleiben wir zunächst bei den amtlichen Zahlen und Daten. Auf der Homepage des Jagdamtes finden sich auch die Monat für Monat erhobenen Wolfsnachweise.

• C3 - unbestätigter Hinweis: Hinweise, bei denen der Verursacher aufgrund mangelnder Indizien von einer erfahrenen Person weder bestätigt noch ausgeschlossen werden kann Laut Definition handelt es sich bei einem C1-Nachweis um einen „gesicherten“ Nachweis.

Im November 2022 sind sechzehn Daten und Ereignisse aufgelistet, und zwar:

1.11.: Sand in Taufers, Reh ge- rissen

3.11.: Ahrntal, Sichtung

4.11.: Prags, 2 Wölfe Rind/Kalb verletzt

5.11.: Martell, 3 Schafe gerissen

5.11.: Kastelruth, Video

7.11.: Olang, 2 Ziegen und ein Schaf gerissen

7.11.: Prettau, Spuren im Schnee

9.11.: Mühlwald, Spuren im Schnee

13.11.: Mühlwald, Spuren im Schnee, 2 Tiere

16.11.: Deutschnofen, Sichtung

2 Wölfe

18.11.: Ahrntal, 1 Schaf gerissen

19.11.: Deutschnofen, 1 Schaf gerissen

22.11.: Welschnofen, Spuren im Schnee

23.11.: Toblach, Spuren im Schnee, 4 Tiere

28.11.: Prettau, Spuren im Schnee, 2 Tiere

29.11.: Proveis, Spuren im Schnee, 4 Tiere

Wenn nun die amtlichen Aufzeichnungen lediglich der letzten fünf Jahre verglichen werden, dann zeigt sich eines deutlich: Es steigen sowohl die Wolfnachweise als auch, noch deutlicher, die den Wölfen zugeschriebenen Schäden an den Nutztieren.

Im Jahr 2018 wurde vom Land für 56 gemeldete Nutztierrisse ein Betrag von 8.420 Euro an Vergütungen ausbezahlt, 2019 waren es 92 Fälle mit einem Gesamtbetrag von 27.533 Euro, 2020 96 Fälle, für die 17.911 Euro ausbezahlt wurden, 2021

256 Fälle mit einer Gesamtvergütung von 54.200 Euro, 2022 498 Fälle mit einer ausbezahlten Schadenssumme von 126.798 Euro.

Das Wipptal war im Jahr 2019 auffallend stark von Wölfen besucht. Damals ging das Landesamt von drei in Südtirol sich aufhaltenden Rudeln aus, vermutet wurde ein viertes Rudel im

Gebiet Lüsen/Rodeneck. Anfang April verursachte der Wolf BZM8 mehrere Risse in Freienfeld und Sterzing. Im Juni wurde derselbe Wolf anhand der DNA-Spuren im Sarntal und im Bereich Penser Joch nachgewiesen, von dort scheint er ins Passeier abgewandert zu sein, wenig später hinterließ er seine DNA-Spur am Salten, wo er mehrere Nutztiere riss. Auch eine Wölfin war im Wipptal unterwegs. Das Weibchen BZF7 wurde im Februar 2019 erstmals im Pustertal nachgewiesen, von dort wechselte sie ins Wipptal, hinterließ in Freienfeld und Sterzing ihre Spuren, Anfang April hatte sie sich dann dem Rüden BZM8 angeschlossen. Diese zwei Wölfe sind bislang nicht mehr entdeckt worden.

Im Jahr 2020 wird im Wipptal nur mehr eine sporadische Wolfspräsenz notiert. Der Fokus liegt nun am Nonsberg, im Dolomitengebiet auf dem Salten, aber auch das Sarntal, das Passeier, das Gebiet um den Jaufen und Pfitsch werden als Streifgebiete der Grauröcke bezeichnet.

2021 gelingt es dank genetischer Untersuchungen, 18 verschiedene, in Südtirol heimisch gewordene Wölfe zu unterscheiden; die Schätzungen des Amtes gehen allerdings davon aus, dass mindestens 30 verschiedene Wölfe in unserem Land umherstreifen, vor allem am Deutschnonsberg, am Mendelkamm, in Hinterulten, im Dolomitengebiet und entlang der Grenze zu Belluno und zum Trentino.

Die Lage spitzt sich zu

Angesichts der fast wöchentlichen Berichte über Wolfsichtungen und Wolfrisse steigen die Sorgen der Menschen in unserem Land. Vor allem die Nutztierhalter, aber nicht nur diese, finden die sich zuspitzende Situation unerträglich. Auch die Politik nimmt sich nun vermehrt der Lage an und sucht nach Wegen, um der Lage Herr zu werden. Der Wolf gerät mehr und mehr ins Visier der Medien, es kommt auch zu polarisierten Meinungen, die zwischen totaler und entschlossener Ablehnung der Wolfpräsenz auf der einen und einer immer noch wohlwollenden Haltung diesem Raubtier gegenüber auf der anderen Seite schwanken.

Der Wolf im Visier

Da müsste das neue Fachbuch zum Wolf gerade recht kommen. „Der Wolf im Visier. Konflikte und Lösungsansätze“ (Erker 01/2023) enthält Antworten auf knapp hundert Fragen, die von zwei Dutzend Fachleuten aus Deutschland, Österreich, Italien, der Schweiz und Norwegen beantwortet werden. Aus Südtirol haben der Philosophieprofessor und Moraltheologe Markus Mo- ling, der Botaniker Leo Hilpold, der Agrarwissenschaftler und Professor an der Uni Bozen Matthias Gauly, der Jurist und Direktor des Südtiroler Jagdverbandes Benedikt Terzer sowie sein Vorgänger Heinrich Aukenthaler am Buch mitgeschrieben.

Das Buch soll dazu beitragen, das Wissen um die Wölfe zu erweitern, die verschiedenen Problemkreise a ufzuzeigen, über L ösungsansätze nachzudenken und die Diskussion um den Wolf zu versachlichen. Das Unterfangen ist schwierig, aber nichts tun geht schon gar nicht.

Heinrich Aukenthaler

Freienfeld

Broschüre kostenlos erhältlich

Im Rahmen des Zwei-Jahres-Projektes „Natur (er)leben in Freienfeld“ haben die Bildungsausschüsse von Mauls, Stilfes und Trens eine Broschüre über geschützte Biotope der Gemeinde Freienfeld herausgegeben, um die Aufmerksamkeit auf diese „Inseln der Biodiversität“ und „Juwele unserer Landschaft“ noch mehr ins allgemeine Bewusstsein zu rücken. Heinrich Aukenthaler schrieb die Texte, suchte geeignetes Fotomaterial und ergänzte die Broschüre mit einer Beschreibung der sieben Naturdenkmäler der Gemeinde. Grafik und Layout stammen von Hubert Niedrist aus Sterzing. Finanziert wurde der Druck von der Gemeinde Freienfeld.

Die Broschüre wurde im November 2022 bei der Abschlussveranstaltung des Projektes im Vereinshaus in Stilfes vorgestellt. Das Heft liegt im Rathaus der Gemeinde Freienfeld zum Mitnehmen auf und kann auch in den Bibliotheken von Stilfes, Trens und Mauls abgeholt werden.

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