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Best-Practice-Modelle

Wie gelingt innovatives Wohnen? Wie umgehen mit knappem Wohnraum? Auf diese und weitere Fragen versuchte vor kurzem die Tagung „Innovatives Wohnen“ Antworten zu geben.

Organisiert wurde die Tagung vom Ressort für Familie, Senioren, Soziales und Wohnbau, dem Wohnbauinstitut und der Arche im KVW. „Wohnen ist eine soziale Frage der Gegenwart, aber vor allem auch der Zukunft“, so Wohnbaulandesrätin Waltraud Deeg. Wohnen habe immer mit sozialer Gerechtigkeit und sozialem Ausgleich in einer Gesellschaft zu tun. Dank der guten, breit aufgestellten Wohnbaupolitik stünde

Südtirol heute nicht schlecht da. Dennoch gelte es, sich auszutauschen und von guten Modellen zu lernen. Wobi-Präsidentin Francesca Tosolini erinnerte an die Bedeutung des sozialen Wohnbaus. Prioritäres Anliegen sei es, auch beim Wohnen auf gesellschaftliche Anforderungen zu reagieren. „Die Bedürfnisse des Wohnens haben sich, ähnlich wie jene der Gesellschaft als Ganzes, gewandelt. Darum müssen wir neue und innovative Konzepte entwickeln, für die wir uns Ideen und Inputs von außen holen“, so KVW-Geschäftsführer Werner Atz.

Innovative Konzepte

Christian Gebhard, Geschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, gab einen Überblick über die Situation in Deutschland. Dort lassen sich zwei Trends feststellen: Einerseits bestehe vor allem in den Zentren ein reger Zuzug und damit ein stetig wachsender Bedarf an Wohnungen. Andererseits gebe es Gegenden mit einem Leerstand von 20 bis 30 Prozent. Auffallend sei zudem der geringe Anteil an Sozialwohnungen, was sich auch in der momentan angespannten Wohnungsmarktsituation bemerkbar mache. Bis Ende

2025 soll ein Maßnahmenpaket des „Bündnis bezahlbarer Wohnraum 2022“ umgesetzt werden, das mehr bezahlbaren, überwiegend sozial geförderten Wohnraum ermöglichen soll.

Über konkrete Beispiele sozial gemischter Wohnbaumodelle und deren Entstehungsgeschichte sowie über die Wohnungssituation in der Hauptstadt Berlin informierte Architekt David Calas. Der gebürtige Südtiroler unterrichtet u. a. in Berlin und stellte mehrere Modelle neuer Wohnprojekte in Berlin vor. Dabei gehe es meist um eine sinnvolle Kombination aus Wohnen und Arbeiten ebenso wie das Einbeziehen der Außenräume in die Wohnraumentwicklung.

Als Paradebeispiel für den sozialen Wohnungsbau wird immer wieder Wien genannt. Die beiden Architekten Christina Lenart und Michael Obrist stellten den Werdegang des Wiener Sozialwohnbaus vor, schauten aber auch auf gegenwärtige Entwicklungen und neue innovative Wohnmodelle. „Es zeigt sich, dass in den vergangenen Jahren der Bau an sozialen Wohnungen stagniert, während der freie Wohnbau förmlich explodiert“, so Wohnforscherin Lenart. Gleichzeitig erinnerte er daran, dass „die Steuerungselemente der Wiener Wohnbaupolitik auf vielen Ebenen als Instrumente agieren, die gegen die Logik des freien Marktes arbeiten, um dadurch genügend Wohnraum zu garantieren.“ Obrist, ebenfalls gebürtiger Südtiroler und als Architekt sowie Professor für Wohnbau und Entwerfen an der TU Wien tätig, ging auf ähnliche Herausforderungen der Städte Wien und Bozen ein und zeigte anhand konkreter Modelle auf, welche Möglichkeiten bei künftigen Bauvorhaben bestehen.

Gemeinnütziger Wohnbau als Lösungsmodell

Federcasa-Präsident Riccardo Novacco bestätigte Südtirol einen Vorbildcharakter in Sachen Wohnbaupolitik. Federcasa ist der gesamtstaatliche Verband von 81 öffentlichen Wohnbauunternehmen mit insgesamt 800.000 Sozial- und Mittelstandswohnungen und 2,5 Millionen Mietern. In Italien gebe es sehr viel Missbrauch und illegale Besetzungen von Wohnhäusern, hier seien Richtlinien und ein einheitliches System erforderlich, um diese Wohnungen freizustellen, forderte Novacco. Auch hinke das Angebot an Wohnraum genauso wie in anderen Realitäten der Nachfrage hinterher.

Neues Projekt in Südtirol

Über ein neues Projekt in Südtirol informierte Architekt Peter Zoderer, der gemeinsam mit seiner Architektengruppe das Siegerprojekt der „Maria Rast Wiesen“ in Eppan, dem Gelände der ehemaligen Meracanti-Kaserne, entwickelt hat. Dieses sei, basierend auf den Ergebnissen des partizipativen Prozesses der Gemeinde Eppan, als ein innovatives Projekt für neues soziales Wohnen entstanden und wolle damit den Anforderungen der Gemeinde, aber auch der Bevölkerung bestmöglich entsprechen.

Mietwohnungen auf gefördertem Baugrund

Ein Plädoyer für den gemeinnützigen Wohnbau als weitere Säule im Bereich Wohnen hielt schließlich Leonhard Resch, Referatsleiter der Arche im KVW: „Dabei geht es darum, hauptsächlich Mietwohnungen auf gefördertem Baugrund zu verwirklichen. Denn der Bedarf ist da: Einer hohen Nachfrage nach Wohnraum steht ein knappes Angebot gegenüber.“

Man habe bei der Tagung sehen können, dass es ähnlich gelagerte Herausforderungen im Bereich des Wohnens gebe, fasste Tagungsmoderatorin, LPA-Direktorin Claudia Messner abschließend zusammen. Die zahlreichen Inputs und Beispiele seien laut Landesrätin Deeg für anstehende Entscheidungen von großer Bedeutung.

Landesbeirat für Baukultur

Lilli Lička (Wien), Sebastiano Brandolini (Mailand) und Conradin Clavuot (Chur) bilden für drei weitere Jahre – von 2023 bis 2025 – den Landesbeirat für Baukultur und Landschaft. Ersatzmitglieder sind Astrid Tschapeller (Innsbruck), Armando Ruinelli (Soglio, CH) und Bernardo Bader (Steinebach, Ö). Der Beirat, der aus Fachleuten für architektonische

Planung, Landschafts- und Städteplanung im Alpenraum besteht und von der Landesregierung ernannt wird, bietet öffentlichen Verwaltungen und privaten Bauherren fachliche Unterstützung bei der Bewertung verschiedenster Bauvorhaben in den Bereichen Landschaft und Raumplanung. Sein institutionelles Ziel ist die Aufwertung der Landschaft und die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für ortsgerechtes und landschaftsbezogenes Bauen. Der Beirat tagt in der Regel alle zwei Monate. Eine Beratung soll möglichst in einer frühen Planungsphase beantragt werden. Anfragen nimmt das Landesamt für Gemeindeplanung (E-Mail gemeindeplanung@provinz. bz.it) entgegen.

Im Bild (v. l.) Sebastiano Brandolini, Lilli Lička und Conradin Clavuot.

Wohnbau-Änderungen in Kraft

Ende Dezember ist das neue Wohnbaugesetz in Kraft getreten, das u. a. Erleichterungen bei der Sozialbindung, die Punktesenkung für den Neubau der Erstwohnung oder die Förderung innovativer gemeinschaftlicher Wohnformen vorsieht.

Das Inkrafttreten der neuen Regelungen ist ein wichtiger Schritt in Richtung leistbares Wohnen. Indem das bestehende Gesetz Schritt für Schritt angepasst wird, wird der Fortbestand des geförderten Wohnbaus in Südtirol garantiert und für weitere Bevölkerungsgruppen zugänglich gemacht. Eine wichtige Entwicklung ist besonders die Reduzierung der nötigen Punkte, um in den Genuss einer Förderung für den Bau der Erstwohnung zu kommen, die vor allem jungen Menschen zugute kommt.

Auch die Förderung von innovativen gemeinschaftlichen Wohnformen, u. a. für Menschen mit Behinderung, ist ein wichtiger Aspekt des neuen Gesetzes, ebenso wie Vereinfachungen im Zusammenhang mit der Sozialbindung und die Neuregelung der Finanzierung der Wiedergewinnung von Gebäuden mit besonderer Zweckbestimmung. Die Gesetzesänderung ist ein Teil des 12-Punkte-Programmes des Landes für das leistbare Wohnen.

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