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SAD-Affäre: Das zerrupfte Edelweiß

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Sumserin

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„Volle Rücken- deckung“

Die SVP-Bezirksleitung diskutierte jüngst ausführlich über die aktuelle politische Lage in Südtirol. Dies mit dem Ergebnis, sich hinter Obmann Philipp Achammer, Landeshauptmann Arno Kompatscher und Landesrat Daniel Alfreider (der Stellvertreter sowohl des Obmannes als auch des Landeshauptmannes ist) zu stellen. Ihnen wurde weiterhin volle Rückendeckung zugesichert. Thema der Sitzung war auch der Ukraine-Krieg: Auf Bezirks- und Gemeindeebene wurden bereits verschiedene Vorbereitungsarbeiten geleistet, um für die Ankunft von Flüchtlingen gerüstet zu sein – man wolle diese tatkräftig unterstützen. Ausführlich gesprochen wurde auch über die Neuwahl der Bezirksspitze im Mai. Es wurden der Zeitrahmen und die organisatorischen Vorbereitungen für die Wahlausschreibung definiert. Angesprochen wurde auch der SVP-Ehrenkodex: Dieser soll zu mehr Integrität, Loyalität, Diskretion und Kollegialität verpflichten, wie die Wipptaler SVP in einer Aussendung betont. Bereits vorher hatten die SVP-Bezirksobleute auf Landesebene geeint ihre Unterstützung für Parteiobmann Achammer und Landeshauptmann Kompatscher kundgetan. Beide könnten auf sie zählen, um „unsere Partei gemeinsam wieder auf Schiene zu bringen“.

Das zerrupfte Edelweiß

Die Nerven lagen blank in der SVP, als Christoph Franceschini und Artur Oberhofer am 18. März ihr Buch „Freunde im Edelweiß. Ein Sittenbild der Südtiroler Politik“ der Öffentlichkeit präsentiert haben. Sie haben mit ihren Enthüllungen rund um die SAD-Affäre einen Stein ins Rollen gebracht, eine Krise, die es in der SVP nach innen bereits seit Langem gibt, nun auch nach außen getragen und damit an den Grundfesten der Partei gerüttelt, wie sie es vorher kaum erlebt hat. Die Nerven liegen nach wie vor blank. Das gewohnheitsmäßige Aussitzen von Problemen – diesmal würde es nicht funktionieren. Dessen war man sich in der Parteileitung wohl von Anfang an bewusst. Obwohl, die Veröffentlichung der Abhörprotokolle war ja keine Überraschung, sondern sowohl Parteiobmann Philipp Achammer als auch Landeshauptmann Arno Kompatscher seit langem bekannt. Nicht umsonst war im Vorfeld versucht worden, das Erscheinen des Buches zu verhindern. Konsequenzen für das Fehlverhalten hochrangiger Parteifunktionäre, darunter auch ein Landesrat und ein Senator, mussten nun her. Was also tun? Es musste etwas geschehen. Knapp eine Woche später: Achammer und Kompatscher legen Landesrat Thomas Widmann den Rücktritt nahe, das Vertrauensverhältnis sei zerstört, eine weitere Zusammenarbeit in der Landesregierung nicht mehr möglich. Widmann lehnt dankend ab, wohl auch, weil ein Rücktritt einem Schuldeingeständnis gleichkommen würde. Der eigentliche Skandal sei, so Widmann in einer Pressekonferenz, dass der Inhalt abgehörter Telefongespräche an die Presse weitergegeben worden sei. „Ich habe einen Wählerauftrag, den ich so gut wie möglich erfüllen muss und will“, so Widmann, welcher der Aufforderung des Landeshauptmannes damit unmissverständlich eine Abfuhr erteilt. Dieser entzieht Widmann daraufhin die Kompetenzen und kürt sich mit dem Gesundheitsressort selbst zum Super-Landesrat, der über den größten Anteil des Landeshaushaltes verfügt. Die offizielle Verkleinerung der Landesregierung wird jedoch hinausgeschoben, am 29. April – nach Drucklegung des Erker – sollte es schließlich so weit sein. Auch Vize-Obmann Karl Zeller, der als mutmaßlicher „Maulwurf“ für die Weitergabe der Abhörprotokolle verantwortlich gemacht wird, soll seinen Hut nehmen. Auch von ihm kommt ein „Nein, danke“. Eine persönliche Aussprache mit Achammer konnte ihn nicht umstimmen. Christoph Perathoner, amtierender SVP-Bezirksobmann in Bozen sowie von 2004 bis 2018 im Verwaltungsrat der SAD tätig, wurde von Achammer ebenfalls zum Rücktritt aufgefordert. Bei der bloßen Ankündigung durch Perathoner ist es bis dato (Stand 21. April) allerdings geblieben. SVP-Fraktionsvorsitzender Gert Lanz hingegen, der nach der Veröffentlichung des Buches gesagt hat, es „grause“ ihm, mit einigen Parteikollegen weiterhin gemeinsam an einem Tisch zu sitzen, zog kurzerhand die Reißleine und kam einem Rauswurf zuvor, indem er seinen Rücktritt einreichte. Damit ist er bisher der einzige, der die Konsequenzen gezogen hat. Dann wären da noch zwei. Senator Meinhard Durnwalder, seines Zeichens auch SVP-Bezirksobmann im Pustertal, sowie Martin Alber, Bürgermeister der Gemeinde Brenner und seinerzeit engster Berater von Ingemar Gatterer. In den Abhörprotokoll kommen

beide ebenfalls unmissverständlich zu Wort. Ob auch ihre Nerven blank liegen? Man weiß es nicht. Die Zeichen deuten allerdings nicht darauf hin. Während Durnwalder im Bezirk Pustertal bereits einstimmig bestätigt wurde, hat wohl auch Alber keine Konsequenzen zu erwarten, über seine Rolle in der SAD-Affäre wird nicht einmal gesprochen, vom Untersuchungsausschuss wurde er nicht angehört. Eine Stellungnahme im Erker lehnte er auf Anfrage ab. „Meine Position ist differenziert zu sehen“, so Alber. „Zum Zeitpunkt der Abhörungen hatte ich kein politisches Amt inne, sondern war als Berater von Ingemar Gatterer tätig.“ Er habe das Buch, im Besonderen die Passagen, die ihn persönlich betreffen, genau gelesen. „Ich wüsste nicht, was man mir vorwerfen will“, betont Alber. „Ich möchte mich zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht äußern, sondern die weiteren Entwicklungen in der Partei abwarten.“ Die Opposition bleibt in der ganzen Sache auffallend ruhig, in der Krise der SVP zeigt sie ungewohnte Stabilität. Auf Neuwahlen drängt sie nicht, wohl im Bewusstsein, nicht als Siegerin aus diesen hervorzugehen. Vielmehr beließ sie es dabei, einen Sonderlandtag einzuberufen und die Fehler der Mehrheitspartei an den Pranger zu stellen. „Als Wertegemeinschaft funktioniert die SVP nicht mehr. Sie ist eine reine Interessenvertretung“, konstatiert etwa Paul Köllensperger vom Team K. Ulli Mair von den Freiheitlichen spricht von „Filz, Machtspielen, Postenschacher, Allmachtsfantasien, Interessenskonflikten“, was es schon unter Luis Durnwalder gegeben habe. „Der Kern des Skandals ist der Ton“, philosophiert Brigitte Foppa von den Grünen, die eine Reihe von Teilskandalen sieht, die ineinandergreifen und aufeinander aufbauen. „Wie sollen diese Menschen, die sich nun bekriegen, gemeinsam das Land verwalten? Wie soll das funktionieren? Sie sägen sich gegenseitig ab, sie versenken das gemeinsame Schiff, sie versuchen es zu verlassen, indem sie gleichzeitig nicht von ihrem Platz weichen wollen.“ Sie sei indes nicht bereit, sich durch einen Misstrauensantrag zur „Handlangerin der SVP“ machen zu lassen. Was ist bis jetzt also geschehen? Drei zum Rücktritt aufgeforderte Funktionäre ziehen es vor, an ihrem Sessel zu kleben, über zwei Beteiligte wird sich totgeschwiegen, einer ist von sich aus zurückgetreten – angesichts der Tatsache, dass er ohnehin gegangen worden wäre. Es ist also nicht viel, was bisher geschehen ist. Was bleibt, ist ein zerrupftes Edelweiß, das einen Ausweg aus der Krise nicht zu finden scheint. Notfalls wird es doch noch mit Aussitzen versucht.

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