5 minute read

Wipptal: Leere Kassen nach Corona?

Leere Kassen nach Corona

Die Corona-Pandemie hat vieles verändert. Und nicht nur das Gesundheitswesen gefordert. Auch die Wirtschaft leidet. Auf 750 Milliarden Euro wird in der Europäischen Union jene Summe geschätzt, um den wirtschaftlichen Wiederaufbau nach Corona voranzubringen. Woher soll das Geld kommen und wohin fließen? Solchen und ähnlichen Fragen widmete sich ein Online-Symposium an der Eurac Research in Bozen Anfang April. Mit dabei waren der ehemalige Sonderkommissar Italiens für Spending Reviews Carlo Cottarelli, die deutsche Professorin für Finanzwissenschaften Gisela Färber und Professor Kurt Promberger aus Innsbruck, der das Eurac-Institut für Public Management leitet.

Besser investieren, statt einfach nur ausgeben. Das ist das Gebot der Stunde, wenn es um öffentliche Haushalte geht. Sparkommissar Carlo Cottarelli leitete mit diesem Credo sein Eingangsstatement ein und betonte, dass es derzeit wenig Anreize gebe, öffentliche Ausgaben zu überprüfen. Vielmehr würden die niedrigen Zinsen dem Staat ermöglichen, Geld zu günstigen Konditionen aufzunehmen. Auch sei zu erwähnen, dass Italien noch immer Altlasten aus den 1970er und 1980er Jahren trage, so Cottarelli. Ein großes Problem liege im mangelnden Wirtschaftswachstum. Was das deutsche Beispiel angeht, so betonte Gisela Färber, dass eine Steuererhöhung nicht unbedingt die beste Lösung sei, um Haushaltslöcher zu stopfen und Wachstum zu fördern. Vielmehr sei es wichtig, dass Steuerhinterziehung bekämpft, das Steuersystem weniger bürokratisch und besser kontrollierbar und dies alles grenzüberschreitend funktioniere, so die bekannte Finanzexpertin. In dieselbe Kerbe schlug auch Carlo Cottarelli und betonte, dass Italien dringend ein einfacheres Steuersystem benötigte. Die Steuerhinterziehung koste den Staat jährlich 130 Milliarden Euro. Gute Ansätze auf dem Weg zu einer besseren Steuerverwaltung seien die elektronischen Rechnungen, aber auch das aktuell laufende Cashback-Programm. Was den Bürokratieabbau betrifft, so ist nicht nur weniger Papier nötig, sondern auch die Reduzierung der öffentlich Bediensteten. Die Bürokratie ist auch in Österreich ein Thema, so Professor Kurt Promberger von der Universität Innsbruck. Wichtig sei es zu betonen, dass bereits beim Entstehen von Gesetzen auf die Umsetzung in Verwaltung und Wirtschaft geachtet werde. Professor Promberger ging abschließend auch auf die Südtiroler Bemühungen zu einer systematischen Ausgabenüberprüfung („Spending Review“) ein. Hierzu gab es bis zum Jahre 2018 eine eigene Kommission, den sogenannten Ausschuss zur Überprüfung öffentlicher Ausgaben. Professor Promberger, selbst Mitglied dieser Expertenkommission, resümierte hoffnungsvoll: „Letztendlich muss die Politik handeln und sie tut das nach eigenen Logiken. Viele Vorschläge wurden gemacht und bald schon wird man darauf zurückgreifen müssen.“ Zur Online-Konferenz der Eurac Research hatten sich über 350 Teilnehmer aus acht Ländern angemeldet. Sie ist in voller Länge auf YouTube zu sehen. Josef Bernhart und Davide Maffei

Löcher stopfen

Haben auch die Wipptaler Gemeinden seit Corona leere Kassen? Mit welchen Strategien begegnen sie der Krise, die der Gesundheitsnotstand mit sich bringt? Werden sie sich mehr verschulden müssen? Der Erker hat bei den Bürgermeistern nachgefragt.

„Keine großen Spesen angefallen“

Wir haben keine leeren Kassen. Im Bereich der GIS hatten wir einige Mindereinnahmen, die wir aber mittels Bilanzänderung ausgleichen konnten. Wir haben tatsächlich die Situation, dass gerade staatliche Gelder, etwa die Lebensmittelgutscheine, noch in ausreichendem Maße vorhanden sind. Zudem sind bis jetzt keine großen Spesen angefallen. Allerdings wissen wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht, was zukünftig kommen wird, allein schon durch die derzeit laufende Testreihe.

Verena Überegger, Bürgermeisterin der Gemeinde Freienfeld

„Müssen uns nicht stärker verschulden“

Als kleine Gemeinde mit wenigen Betrieben in Tourismus, Handwerk und Industrie spüren wir die Krise auf der Einnahmenseite (GIS-Einnahmen) nur in geringem Ausmaß. Beiträge der Autonomen Provinz Bozen und des Staates haben diese Mindereinnahmen zum Teil aufgefangen. Daher werden wir uns nicht stärker verschulden müssen. Einige Bürger jedoch haben die Krise auch aus wirtschaftlicher Sicht zu spüren bekommen. Diese wurden von der Gemeinde mit den vorgesehenen Maßnahmen unterstützt. Wie sich die Krise mittelfristig auswirkt, wird man sehen.

Thomas Klapfer, Bürgermeister der Gemeinde Franzensfeste „Jammern liegt mir nicht“

Die Einnahmen sind spürbar zurückgegangen, die Kosten erheblich gefallen, somit sind die Kassen nicht leer. Jammern liegt mir nicht, ich suche Lösungen. Wegen der starken Schneefälle mussten wir 2020/21 viel mehr Geld für die Schneeräumung aufbringen. In diesem Bereich unterstützt uns heuer die Autonome Provinz. Für Strategien und Beiträge zur Notstandsmilderung ist in erster Linie der Staat verantwortlich. Die Gemeinde hat kostenpflichtige Parkzeiten reduziert und die Möglichkeit geboten, öffentliche Plätze gratis zu besetzen und - sofern die Nachbarn nichts dagegen hatten - Flächen auszuweiten. Auch dies soll ein Ansporn sein, die Wirtschaft wiederzubeleben. Gleichzeitig sind wir dabei, Spazier- und Wanderwege zu erneuern. Wo wir Hand anlegen können, tun wir es und wir sind offen für weitere Ideen. Sollte es notwendig werden, sich stärker zu verschulden (was ich nicht glaube), um diese Krise zu bewältigen, werden wir davor sicher nicht zurückschrecken.

Peter Volgger, Bürgermeister der Gemeinde Sterzing

„Wir informieren bestmöglich und transparent“

In einigen Bereichen verzeichnen wir Einnahmerückgänge, die teilweise mittels Reduzierung gekoppelter Ausgaben und zweckgebundener Staats- und Landesbeiträge ausgeglichen werden. Gemeinden müssen sich also nicht verschul-

den. Als Gemeinde kommen wir bei der Miete für gemeindeeigene Strukturen (Bars) entgegen, wir geben die Möglichkeit, den Kindergartenbeitrag bei Abwesenheit von mindestens einem Monat zurückzufordern, Bürger können sich für die Nutzung der Lebensmittelgutscheine bewerben. Wir informieren unsere Bürger bestmöglich und transparent und weisen vor allem auf unserer Facebook-Seite auf Covid-19-Hilfeleistungen hin. Außerdem haben wir das Betreuungsangebot ausgeweitet, um Eltern in den Sommermonaten zu entlasten.

Stefan Gufler, Bürgermeister der Gemeinde Pfitsch

„Deutlich verschlechtert“

Die finanzielle Ausgangssituation in der Gemeinde Brenner hat sich bereits im Haushaltsjahr 2020 und auch bisher im Jahr 2021 deutlich verschlechtert. Mindereinnahmen bei GIS, Tosap, Abfall-, Abwasser-, Trinkwasser- und Kindergartengebühren schlagen sich deutlich im Gemeindehaushalt nieder. Die Ausgleichszahlungen von Provinz und Staat decken nur einen Teil dieser Verluste ab. Die Gemeinde versucht durch Einsparungen in der Verwaltung und im Investitionsprogramm sowie durch eine Aussetzung der Zahlung von Darlehen bei der Depositenbank entgegenzuwirken. Auch durch Verhandlungen mit dem Land Südtirol wird versucht, die eigene Finanzsituation zu verbessern. Bis jetzt konnte eine Verschlechterung der eigenen Verschuldung noch vermieden werden.

Martin Alber, Bürgermeister der Gemeinde Brenner

„Große Sprünge sind nicht möglich“

Natürlich wirkt sich die leidvolle Pandemie negativ auf die privaten und öffentlichen Haushaltskassen aus. Ratschings schert da nicht aus. Handel, Tourismus und Gastronomie haben relevante Einbußen erlitten. Der Jugend wurde zwar kein Geld, aber fast ein Jahr ihrer Reifezeit weggenommen. Die Gemeinde macht keine Gesetze, sondern versucht, sie weitgehend erträglich anzuwenden. Große Sprünge und Strategien sind nicht möglich, wenn die Tarif- und Gebührengestaltung der Gemeinde eh schon immer sozial verträglich angewandt wurde. Die Gemeinden müssen nicht, können und sollten sich aber – sofern erforderlich – für prioritäre Investitionen auch verschulden. Krisenzeiten können auch mit gezielten Investitionen erleichtert und bewältigt werden.

Sebastian Helfer, Bürgermeister der Gemeinde Ratschings

This article is from: