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Titelgeschichte: Auf der Karriereleiter nach oben
from ERKER 11 2020
by Der Erker
Auf der Karriereleiter nach oben
Im Jahr 2020 bleibt den Frauen in vielen Bereichen von Wirtschaft, Forschung und Technik über das Finanzwesen bis hin zu politischen Ämtern der Ein- oder sogar Aufstieg in Führungspositionen immer noch verwehrt. Von einer Gleichberechtigung ist man in Italien und Südtirol genauso wie in den meisten europäischen Ländern noch weit entfernt. Doch woran liegt es, dass „Frau“ keinen Fuß in die Tür bekommt?
Im 5. Forschungsbericht zur Beschäftigungslage von Frauen, der 2019 erschienen ist und den bezeichnenden Titel „Viel Prekariat, wenig Führungskräfte“ trägt, heißt es, dass vor allem die Unvereinbarkeit von Familie und Beruf sowie Geschlechter-Klischees dafür verantwortlich sind: „Weiterhin ist der Weg der Frauen mühsam und reich an Hindernissen, sei es in der Präsenz am Arbeitsmarkt (Quantität) als auch in Bezug auf die mögliche berufliche Weiterentwicklung und Laufbahn (Qualität). Weibliche Führungskräfte sind selten; Ursache dafür sind die fortwährend bestehenden Probleme, wie fehlende Dienste, um Familie und Beruf vereinbaren zu können, und die sich hartnäckig haltenden Geschlechter-Klischees.“ Kindererziehung sowie die Pflege von Angehörigen liegen hauptsächlich in den Händen der Frauen und sind damit tatsächlich ein großes Hindernis für einen beruflichen Aufstieg. Abhilfe könnten hier, wie vom Beirat zur Förderung des weiblichen Unternehmertums gefordert, mehr und besser abgestimmte Bildungs- und Betreuungsmodelle von null bis 14 Jahren sein, wobei auch Betriebe einen Beitrag dazu leisten könnten. Davon abgesehen liegt es aber auch an den Frauen selbst, sich neue Wege und berufliche Perspektiven zu erschließen oder, wie Landesrätin Waltraud Deeg es formuliert, „sich breit aufzustellen“. Es herrscht keine homogene Verteilung der Geschlechter in den einzelnen Wirtschaftssektoren, in einigen sind Frauen stark unter-, in anderen dagegen überrepräsentiert, gleichzeitig bleibt ihnen der Aufstieg in Führungspositionen verwehrt – sie stoßen an die sogenannte „Gläserne Decke“. Ein Aufbrechen dieser Geschlechtertrennung, zumindest auf politischer Ebene, sollte das im März 2010 in Kraft getretene Gleichstellungsgesetz bewirken, das die Einhaltung eines ausgewogenen Geschlechterverhältnisses bei der Besetzung von Gremien durch den Landtag oder die Landesregierung vorsieht; dasselbe gilt im übrigen auch für die Gesellschaften mit Landesbeteiligung.
Frauen als Unternehmerinnen
Frauen sind zwar im Handwerkssektor auf dem Vormarsch, wie Petra Holzer, Vorsitzende der Frauen im lvh, berichtet, dennoch sind sie in den Entscheidungsprozessen der Wirtschaftsunternehmen kaum eingebunden und in den Führungspositionen unterrepräsentiert, so zumindest das Fazit der Handelskammer, der es ein zentrales Anliegen ist, die Rolle der Frau in der Wirtschaft zu stärken – denn: Nur jedes fünfte Unternehmen in Südtirol ist weiblich. Ende 2019 waren 10.680 Frauenunternehmen bei der Handelskammer Bozen gemeldet. Dies entspricht 18 Prozent der Gesamtzahl der Unternehmen in Südtirol. Der Großteil von ihnen ist im Hotel- und Gastgewerbe (26,7 %), in der Landwirtschaft (26,2 %) und
im Dienstleistungssektor (23,6 %) tätig. Die Zahl der Frauenunternehmen ist seit dem vergangenen Jahr um 3,6 Prozent gestiegen. Die größte Zunahme gibt es im Gastgewerbe, in dem ein Anstieg von 9,9 Prozent verzeichnet wurde. Im Wipptal waren im zweiten Trimester 2020 261 gewerbliche Unternehmen auf Frauen registriert. Dem landesweiten Trend folgend sind sie vor allem in den Bereichen Gastgewerbe, Handel und Dienstleistung sowie Landwirtschaft anzutreffen. Im verarbeitenden Gewerbe, der Sparte Energie und Umwelt sowie im Baugewerbe sind jedoch kaum Unternehmerinnen vertreten. Mit gezielten Förderungen sollen Frauen dazu ermutigt werden, sich für die Selbstständigkeit zu entscheiden oder Führungspositionen anzustreben. Diverse Veranstaltungen wie der „Treffpunkt der Frau in der Wirtschaft“ sollen zudem das Netzwerken fördern.
Beruflich weiterkommen
Das Frauennetzwerk „wnet – networking women“ hat seinen Ursprung in einem vom CTM Zentrum für Management und Technologie des Unternehmerverbandes veranstalteten Mentoringprogramm mit dem Ziel, den Frauenanteil in den Südtiroler Führungspositionen zu erhöhen, bessere Aufstiegsmöglichkeiten für Frauen zu schaffen und Mitarbeiterinnen zu motivieren, die eigene Karriere in Angriff zu nehmen. „Es ging darum, das Wissen und das Netzwerk der Mentorinnen, die damals daran teilgenommen haben, auch anderen Frauen zugänglich und für sie nutzbar zu machen“, so Marlene Rinner, die seit 2013 dem 2006 gegründeten Verein als Präsidentin vorsteht. Damals sei sie noch nicht Mitglied gewesen, habe aber als Ingenieurin im Industriebereich die Erfahrung gemacht, dass es Männern im Gegensatz zu Frauen wesentlich leichter falle, sich für das
Frauen-Power in Sterzing
Kürzlich machte die „Technikerinnen-Tour: Frauen und Technik – Wir sind viele!“ Station beim Wipptaler Vorzeigeunternehmen Mader GmbH in Sterzing. Geballte Frauen-Power fand sich am Sitz des Unternehmens in der Jaufenstraße ein, so waren neben Landeshauptmann-Stellvertreterin Waltraud Deeg u. a. auch Marlene Rinner, Präsidentin der Frauen-Netzwerk-Organisation Wnet, Landtagsabgeordnete Jasmin Ladurner und Ulrike Oberhammer, Präsidentin des Landesbeirates für Chancengleichheit, zur Präsentation nach Sterzing gekommen. Im Fokus der Aufmerksamkeit standen die Mitarbeiterinnen und Lehrmädchen der Firma Mader, die in einer männlich dominierten Berufssparte tätig sind und aus ihrem Arbeitsalltag berichteten: gleichberechtigt und gut aufgenommen, so die Erfahrungen. Die Firmeninhaber Peter und Thaddäus Mader berichteten denn auch sichtlich stolz, dass man an ihrem Beispiel sehen könne, dass Handwerk und Technik heute auch Frauensache seien. Am Ende zählten Wille und Fleiß und nicht das Geschlecht, so der Grundtenor. Schließlich sind von den über 200 Mitarbeitern 24 Frauen, davon neun im technischen Bereich plus zwei Lehrmädchen. Eine bedeutende Rolle komme den Schulen zu, in deren Verantwortung es liege, den Schülern neben den verschiedenen Studienzweigen auch die Lehrberufe näher zu bringen, so Peter Mader. Oberhammer pflichtete dem bei und unterstrich, dass nicht nur die Schulen dazu beitragen können, Mädchen für technische Berufe zu begeistern, sondern vielfach die Eltern ausschlaggebend für die Berufswahl ihrer Kinder seien. Es sei an ihnen, Mädchen darin zu bestärken, einen technischen Beruf zu ergreifen, besonders im Hinblick auf die Verdienstmöglichkeiten. Im Vergleich zu anderen Wirtschaftssektoren wirke sich die Lohnschere im technischen Bereich weniger gravierend aus. Marlene Rinner rief dazu auf, sich von alten Denkmustern zu verabschieden; maßgeblich seien die Qualifikation und das Engagement und nicht das Geschlecht. Ein abschließender Appell von Waltraud Deeg ging an die weibliche Jugend: „Ihr habt heute die Chance, einen technischen Beruf zu ergreifen. Gut ausgebildete Frauen können auch in klassischen Männerberufen Großartiges leisten und sich durchsetzen.“
Mut zur Forderung: Die Rolle der Frau im gesellschaftspolitischen Wandel
Mittlerweile ist – zumindest im mitteleuropäischen Kontext – in den meisten Bereichen eine rechtliche Gleichstellung der Frau erreicht. Dass dies keineswegs ein natürlicher Lauf der Dinge, sondern ein zuweilen erbitterter Kampf war, dessen heutige Resultate wir den Suffragetten, die sich für politische Rechte einsetzten, sowie der Frauenrechtsbewegung der 60er und 70er Jahre verdanken, wird zuweilen ganz gerne vergessen. Leider auch von einigen jungen Frauen selbst, die verkennen, wie viele ihrer heutigen Freiheiten auf dem Feminismus als weiterhin zentrale und höchst relevante Gleichberechtigungsbewegung basieren. Blicken wir auf die letzten Jahrzehnte zurück, so sehen wir einen grundlegenden Wandel der Rolle der Frau in der Gesellschaft. Viele noch gar nicht lange zurückliegende Regelungen erscheinen uns heute vollkommen absurd – so durften Frauen in der Bundesrepublik Deutschland bis 1958 kein eigenes Bankkonto eröffnen und bis 1977 nur einem Beruf nachgehen, wenn es mit ihren „Pflichten in Ehe und Familie“ vereinbar war. Erst seit 1994 müssen alle Stellenausschreibungen explizit auch an Frauen gerichtet sein. Der Weg hin zu Gleichstellung ist also lang, steinig, und keine Selbstverständlichkeit, sondern das Werk von Pionierinnen, die den Weg für gesellschaftliche Veränderungsprozesse ebneten. Die viel zitierte „Gläserne Decke“, an die Frauen auf ihrem Weg nach oben irgendwann stoßen, ist höher geworden, verschwunden ist sie jedoch noch nicht. Wohin sollte also die Zielsetzung für die nächsten Jahre gehen? Zum einen wird eine Veränderung in der Familienpolitik zentral sein. Haushalts- und Pflegearbeit (für Kinder und ältere Angehörige) müssen gerechter aufgeteilt werden, ebenso wie berufliche Fehlzeiten aufgrund solcher Tätigkeiten, die später zu niedrigeren Renten führen. Eine unabdingbare Maßnahme auf diesem Weg sind verpflichtende Vaterschaftszeiten – etwa nach dem isländischen Modell, das drei Monate Elternzeit nur für den Vater reserviert, und zwar mit Erfolg (97 % der isländischen Väter nutzen das Angebot). Das schafft sowohl eine gerechtere partnerschaftliche Aufteilung als auch eine stärkere Handhabe für Väter, die gerne in Elternzeit gehen möchten, aber berufliche Repressionen oder Nachteile fürchten. Und es verändert die Sicht der Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen auf Frauen und Männer: Beide können im Familienplanungs-Alter „ausfallen“, es gibt also weniger Gründe dafür, offene Positionen mit Männern anstatt mit Frauen zu besetzen. Ein gesellschaftlicher Bewusstseinswandel in Richtung gleichberechtigtes Familienmodell ist auch im konservativen und eher veränderungsresistenten Südtirol bereits spürbar, nun gilt es, diesen politisch gezielt weiter zu fördern. Zum anderen gilt es, eigene Positionen und Netzwerke gezielt zu nutzen. Dem Networking haftet immer ein leichter Vorwurf der Freunderlwirtschaft an, dabei geht es eigentlich darum, Kontakte zu knüpfen, mit interessanten Menschen ins Gespräch zu kommen und anschließend vielleicht gemeinsame Projekte zu planen, was nicht nur in der Wissenschaft zentral für Fortschritt ist. Neben guten Netzwerken brauchen Frauen vor allem auch Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und den Mut, vorgegebene gesellschaftliche Rollenklischees (à la Frauen sind sanft, konfliktscheu, still, brav) zu durchbrechen und gezielt ihren Platz in der Gesellschaft einzufordern. Ganz nach dem berühmten Zitat der kürzlich verstorbenen US Supreme Court Richterin Ruth Bader Ginsburg: Frauen gehören an alle Orte, an denen Entscheidungen getroffen werden.
PD Katharina Crepaz, PhD Senior Researcher, Institut für Minderheitenrecht, Eurac Research & Privatdozentin an der Technischen Universität München
Ruth Bader Ginsburg
berufliche Weiterkommen Unterstützung zu holen – vor allem in Netzwerken. „Mir persönlich war es wichtig, beruflich nicht nur weiterzukommen, sondern auch eine verantwortungsvolle Position zu bekleiden, wo ich mitgestalten und mitentscheiden kann“, erklärt Rinner. Diese Haltung sei nicht eine Frage des Geschlechts, sondern hänge davon ab, welche Interessen und welche Verantwortung von den einzelnen Personen beruflich verfolgt werden. „Diese Interessen sind klar zum Ausdruck zu bringen, wenn nötig auch mit einer gewissen Hartnäckigkeit.“ Wichtig ist zu handeln und nicht abzuwarten, das Wort zu ergreifen und es sich nicht nehmen zu lassen. Die Aussage, dass das größte Hindernis für den beruflichen oder politischen Aufstieg der Frau in der Unvereinbarkeit von Beruf und Familie liege, lässt sie nicht gelten: „Für die Familie ist nicht alleine die Frau zuständig.“ Familie und Kinder seien genauso ein Thema der Wirtschaft wie der Gesellschaft – es sei längst an der Zeit, die Gleichung „Frau = Familie“ aufzu-
Gender Gap
Der „Gender Gap“ – die Lohnungleichheit zwischen den Geschlechtern – wurde noch bis vor kurzem von vielen Experten bestritten. Durch eine Reihe von Studien wurde nicht nur der Fakt „Lohnungleichheit“ bestätigt, sondern auch bewiesen, dass diese strukturell bedingt und die Berufswahl dafür entscheidend ist. Die Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen liegt laut offiziellen Erhebungen in Südtirol immer noch bei 17 Prozent. Frauen entscheiden sich häufig für Berufskategorien, die in teils wesentlich niedrigere Entlohnungssegmente fallen. In der Berufswahl wird der Einfluss von stereotypen Rollenmustern, die bereits in der frühen Kindheit oft unbewusst vermittelt werden, besonders deutlich. In Südtirol ist die Berufswahl von Frauen auch heute noch sehr traditionell geprägt, wie die Statistiken zur Geschlechterverteilung in der Ausbildung und auf dem Arbeitsmarkt zeigen. So ergreifen in Südtirol dreimal mehr Buben als Mädchen einen Lehrberuf. Die meisten Mädchen entscheiden sich dabei für die Berufe Friseurin, Verkäuferin und Servicefachkraft. Die Ausbildungsentscheidungen in den akademischen Richtungen gehen nach wie vor für junge Frauen in „typisch weibliche Berufe“ in den Bildungs-, Sozial- oder Gesundheitsbereichen, auch hier oftmals mit Entlohnungen in den niedrigeren Kategorien. Dagegen sind derzeit in der Kammer der Architekten in der Provinz Bozen von insgesamt 1.154 Personen 369 Frauen (32 %) eingeschrieben, die Ingenieurkammer Bozen zählt 1.375 Mitglieder, davon 91 Frauen (6,6 %) und im Kollegium der Geometer sind bei 546 Mitgliedern 50 Frauen (10 %) eingetragen.
„Nicht warten, bis du gefragt wirst!“
Marlene Rinner zur Frage, wie es auch Frauen schaffen können, die „Gläserne Decke“ zu durchbrechen und den beruflichen Aufstieg zu schaffen.
Erker: Frau Rinner, wie kommt „Frau“ beruflich weiter?
Marlene Rinner: Man darf nicht warten, bis jemand kommt und einem ein Angebot unterbreitet. Als Frau sollte man aktiv Chancen ergreifen und Angebote annehmen, auch wenn man sich nicht sicher ist, dass man die Aufgabe zu hundert Prozent erfüllen kann. Erfahrung sammelt man nur beim Tun. Auf der anderen Seite ist es wichtig, dass man sich klar wird, was man will, wohin man will und dass man das auch dezidiert ausspricht. Es geht darum, sich selbst und das eigene erfolgreiche Handeln ins Licht zu stellen und damit für andere sichtbar zu werden. Netzwerke und die Förderung durch einflussreiche Personen spielen dabei ebenfalls eine große Rolle. Schließlich ist es wichtig, wer die gute Arbeit sieht. Wenn Frau weiterkommen will, sollte sie sich mutig in die erste Reihe stellen oder auch vorausgehen. Dass sie dabei Widerstände erfahren kann, gehört dazu und sollte eher stimulierend wirken, den eingeschlagenen Weg weiter zu verfolgen. Bei Frauen, die sich etwas zutrauen und Themen weiterbringen, werden dumme Vermutungen angestellt, während das gleiche energische Verhalten bei einem Mann mit durchsetzungsstark und Führungsqualität gleichgesetzt wird. Solche Denkmuster gehören in die Mülltonne!
heben. Voraussetzung dafür sei, dass die klassischen Rollenbilder in der Familie, wie beispielsweise Männer sind für das Familieneinkommen und Finanzen zuständig, die Frauen für die Betreuung der Kinder und den Haushalt, ersetzt werden. Das Vorleben von neuen Vorbildern und die Unterstützung durch die Eltern, wenn sich das Kind unabhängig vom Geschlecht für einen technischen oder sozialen Beruf interessiere, spielten dabei eine zentrale Rolle. Deshalb sei ihr das Thema Sichtbarkeit von weiblichen Vorbildern nicht nur im Rahmen der Technikerinnen-Tour wichtig, sondern ebenso in der öffentlichen Wahrnehmung. Zu bestimmten Themen wie Wirtschaft gebe es in einigen Medien ausschließlich Interviews mit Männern. Der Sprachgebrauch sei ebenfalls noch vielfach männlich geprägt, sogar wenn es sich vorwiegend um Frauen handelt. Dabei müsse man nicht unbedingt auf schwerfällige Wortakrobatiken wie das „Binnen-I“ oder die „Sternchen-Lösung“ zurückgreifen, sondern „es gibt durchaus kreative Lösungen“. Techniker und Technikerin zu sagen oder zu schreiben, koste verhältnismäßig sehr wenig Zeit und Platz. Kleinigkeiten, durch die man aber eine große Sichtbarkeit erreicht, denn „Sprache schafft Bewusstsein und damit Realitäten“, so Rinner. at
Im Gespräch mit Christina Pupp, Direktor der Raiffeisenkasse Wipptal
Erker: Frau Direktor Pupp, woran liegt es, dass nach wie vor wenig Frauen im Finanzsektor tätig sind?
Christina Pupp: Zu Beginn meiner Berufslaufbahn in der Raiffeisenkasse gab es im Finanzsektor fast ausschließlich Männer in Führungspositionen. Schritt für Schritt trauten sich Frauen in das Bank-Business. Es sind allerdings wenige, wir sind nach wie vor „Exoten“. Das Bankengeschäft hat sich in den letzten Jahren sehr verändert. Es ist anspruchsvoller und komplexer geworden. Ganz allgemein machen es sich Frauen oft selbst schwer. Sie lassen sich vom Umfeld zu sehr beeinflussen, rechnen von vorneherein mit Widerstand und Schwierigkeiten. Frauen brauchen mehr Mut. Sie sollen, müssen und können sich mehr zutrauen. Oft wollen Frauen gar nicht in Führungspositionen und entscheiden sich für die Familie.
Was war Ihre Motivation, gerade in diesem
Sektor tätig zu werden?
Ich muss zugeben, dass ich nach Abschluss meines Studiums andere berufliche Pläne hatte. Es war der Zufall, der es wollte, dass ich heute in der Raiffeisenkasse Wipptal arbeite. Aber von Anfang an gab es hier immer interessante, sehr vielfältige Aufgaben, viele und auch große Herausforderungen, die mich stets aufs Neue begeistert haben. Im Laufe meines Berufslebens hat sich das Banking in allen seinen Bereichen ständig verändert, sodass sich laufend Möglichkeiten ergaben, Neues zu bewegen. Meine Karriere hatte ich nie geplant. Denn nicht die Position hat mich gereizt, sondern immer die Aufgaben. So konnte ich stets das tun, was mir gefallen, was mir Genugtuung gegeben hat.
Macht es einen Unterschied, ob eine Frau oder ein Mann an der
Spitze eines Unternehmens ist?
Wenn eine Frau leitende Aufgaben übernimmt und Mitarbeiter führt, nimmt die emotionale Komponente in den zwischenmenschlichen Beziehungen und in der Kommunikation einen höheren Stellenwert ein, als das vielleicht bei den männlichen Kollegen der Fall ist. Ansonsten sehe ich persönlich keine Unterschiede. Die Arbeit, die ansteht, muss bewerkstelligt werden, und das hat keine geschlechterspezifische Relevanz. Wie Frage der Persönlichkeit und weniger eine Sache von Mann oder Frau. Das Ergebnis muss passen.
Um Generalsekretärin der Bezirksgemeinschaft Wipptal zu werden, musste ich keine Machtkämpfe ausfechten, sondern lediglich den Mut zu einer schnellen Entscheidung haben. Diesen Mut hatte ich und meine Entscheidung hat die Arbeit gemacht wird, ist im Wesentlichen eine Charaktersache, eine
mich sozusagen auf der Karriereleiter nach oben geführt. Die Zusammenarbeit mit meinen Kollegen und Kolleginnen ist geprägt von sachlichen und konstruktiven Diskussionen auf Augenhöhe. Es zählen die Argumente. Was mir hingegen öfters passiert und was ich inzwischen mit einem leicht missbilligenden Augenzwinkern zur Kenntnis nehme, ist die Tatsache, dass ich, im Gegensatz zu meinen männlichen Kollegen, immer wieder und vor allem auch im formellen Rahmen nicht formell angesprochen werde. Ist mein Kollege der Herr Dr. Generalsekretär, so bin ich die Frau Laura. Vielleicht bedeutet es auch, dass das Gegenüber in mir als Frau eine nahbarere Ansprechpartnerin sucht als im Herrn Dr. Generalsekretär, ich weiß es nicht. Es ist für mich aber ein Zeichen dafür, dass wir das Prinzip der Gleichstellung von Frau und Mann nicht verinnerlicht haben. Ich verfolge aufmerksam die Entwicklungen in der Gender-Thematik. Beim letzten Weltwirtschaftsforum wurde aufgezeigt, dass – obwohl die Gleichstellung von Männern und Frauen in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Wohlbefinden fast erreicht ist – die gleichberechtigte Teilhabe an den neuen wirtschaftlichen Möglichkeiten des Arbeitsmarktes tatsächlich erst in 257 Jahren Realität sein wird. Das finde ich sehr ernüchternd. Ich bin aus Überzeugung eine Frau, an guten und an schlechten Tagen, und ich würde mir wünschen, dass wir Frauen auf unsere Fähigkeiten, auf unsere Intuition und Kreativität vertrauen und uns nicht selbst im Weg stehen. Das Gefühl, mich als Frau mehr ins Zeug legen zu müssen als meine männlichen Kollegen, versuche ich auszublenden. Diese Macht über mich will ich niemandem geben. Ich selbst entscheide, wie viel ich gebe. Und ich will immer mein Bestes geben.
Laura Lastri, Generalsekretärin der Bezirksgemeinschaft Wipptal
„Als Schulbetrieb versuchen wir natürlich, beiden Geschlechtern gerecht zu werden“, hält Marianne Blasbichler, Direktorin des Schulsprengels III, fest. Im Vergleich zu früher werde zunehmend mehr auf eine gleichberechtigte Förderung und Unterstützung in der Berufswahl auch in den Bildungsbetrieben geachtet. Aufgabe der Schulen von heute sei es deshalb, den Kindern und Jugendlichen, unabhängig vom Geschlecht, ein breites Spektrum an Ausbildungsmöglichkeiten anzubieten. Verstärkt werden Mädchen im Rahmen des Unterrichts und verschiedener Wahlfachangebote auch zu den technischen Sparten hingeführt. „In der Schule sehen wir immer wieder Mädchen, die selbst größeres Interesse für diese Bereiche zeigen“, so die Direktorin. „Viele Mädchen arbeiten an den Maschinen genauso motiviert mit wie die Buben.“ Die Gesellschaft insgesamt sei im Wandel. Obwohl bestimmte Berufsgruppen und Führungspositionen immer noch männlich dominiert seien, könne man beobachten, dass sich auch Mädchen für technische Fächer begeistern. Zunehmend auch im digitalen Bereich sind Mädchen sehr fit und starten durch. Erfolg in Schule und Beruf sei zudem weniger eine Frage des Geschlechts, sondern eine Frage der persönlichen Einstellung, von Interesse, Ehrgeiz und Durchhaltevermögen. Zu ihrem eigenen Werdegang erklärt Blasbichler, dass sie nie unterschieden habe, was eine Frau dürfe und was nicht: „Ich wurde auch nicht so erzogen.“ Im elterlichen landwirtschaftlichen Unternehmen war sie im Verkauf von Maschinen tätig, weshalb ihr der technische Bereich nicht fremd ist. „Ich habe keine Stolpersteine Richtung Karriere erlebt und habe mich frei entfalten können“, so Blasbichler.
Die Stupferin
Moni Moser (38) aus Freienfeld erfüllte sich ihren Traum vom eigenen Tattoostudio und eröffnete vor sechs Jahren „Die Stupferei“ in Sterzing. Lange hatte sie ihren Plan verschwiegen, weil sie wusste, dass sie auf Unverständnis stoßen wird. „Spinnst du total? Landesstelle, fixes Gehalt, Sommerurlaub aufgeben? Überleg dir gut, was du tust!“ Seitdem der Laden läuft, sind die Bedenken in ihrem Freundes- und Familienkreis verstummt. „Wenn ich mir etwas in den Kopf setze, ist das drin und ich mache es“, sagt Moni. Kreativ sein lag ihr schon immer, sich stundenlang auf Feinarbeiten zu konzentrieren auch. Sie absolvierte einen Hygienekurs, bildete sich weiter, boxte sich irgendwie durch. Zu wissen, dass sie notfalls wieder als Kindergärtnerin arbeiten kann, gab ihr Sicherheit. „Ich bin nicht der Typ, der alles auf eine Karte setzt. Ich brauche immer einen Plan B.“ Anfangs reagierten vor allem die Männer skeptisch. Eine Frau, die gute Tattoos macht? Gibt’s doch nicht! Umso mehr staunten sie, dass Moni es doch kann. Mittlerweile kommt zu ihr eine bunt gemischte Klientel, darunter Hausfrauen, Ärzte und Bankangestellte. „Viele Frauen sagen, sie lassen sich lieber von einer Frau tätowieren, wenn es um zarte und verschnörkelte Linien geht. Tätowieren ist ein künstlerisches, gestalterisches Handwerk und hat etwas Weibliches an sich.“ Moni kennt viele Südtirolerinnen, die sich in letzter Zeit selbstständig gemacht haben, als Kosmetikerin, Friseurin, Fotografin, Illustratorin, Schriftstellerin, Schauspielerin, Geometerin. Sie findet diesen Trend richtig gut, auch wenn Frauen heute noch eher geraten wird, Angestellte zu bleiben, weil man dann „als Mutter abgesichert ist und zu Hause bleiben“ könne. Zwar sei es nicht ohne, Spesen, Organisation und Arbeit unter einen Hut zu bringen, aber machbar und ein Versuch wert. „Man weiß nicht, was man versäumt. Ich will nicht in zehn Jahren aufwachen und denken, hätte ich nur … dann ist es zu spät.“ Schon nach den ersten selbstständigen Monaten konnte sich Moni nicht mehr vorstellen, in ihr altes Arbeitsleben zurückzukehren. „Ich teile mir meine Arbeit selber ein, mache, wie ich es für richtig halte, in meiner Reihenfolge und mit meiner Zeiteinteilung. Daran gewöhnt man sich schnell.“ Moni hat durch ihren Mut ihren Traumberuf gefunden. Aus heutiger Sicht zumindest. „Man weiß nie, was das Leben für einen bereithält.“
Nicht nur Anhängsel des Chefs
„Im Handwerkssektor hat sich in letzter Zeit sehr viel zum Positiven verändert“, so Petra Holzer, Vorsitzende der Frauen im lvh. Während die Frauen früher eher im Hintergrund eines Betriebes mitgeholfen haben, wird ihre Arbeit heute viel mehr wahrgenommen und geschätzt. Frauen haben gelernt, ihre Fähigkeiten besser und selbstbewusster einzusetzen, und arbeiten sich nun empor. Zusehends übernehmen sie nicht nur mehr Verantwortung, sondern fordern die Übertragung von Kompetenzen und Verantwortung auch ein. Der persönliche Einsatz für das Unternehmen steigt. Ein Gewinn für die Handwerksbetriebe ist, dass sie auf die hohen sozialen Kompetenzen ihrer Mitarbeiterinnen zurückgreifen können. Besonders im Hinblick auf die Ausbildung und Betreuung von jungen Lehrlingen sei dies von entscheidender Bedeutung. So verwundert es auch nicht, dass für das Personalwesen eines Betriebes zu rund 80 Prozent Frauen zuständig seien, so Holzer. Dass der Wirtschaftsfaktor Frau im Handwerkssektor zunehmend an Bedeutung gewinnt, könne man auch daran erkennen, dass rund ein Drittel des Vorstandes im lvh mit Frauen besetzt ist. Dies ermögliche mehr Mitsprache und eine bessere Zusammenarbeit. Vom Anhängsel des Chefs haben sich die Frauen zu Partnerinnen gemausert, die den Betrieb gleichberechtigt nach außen hin repräsentieren. Während Unternehmerinnen in typisch weiblichen Handwerksberufen wie Friseurin bereits auf eine langjährige Erfahrung zurückblicken und selbstbewusst ihren Beruf vertreten, könne man diese Entwicklung zunehmend auch in männlich dominierten Berufssparten wie dem Baugewerbe feststellen. „Früher hat traditionsgemäß der Sohn den elterlichen Betrieb übernommen, heute ist es nicht mehr ungewöhnlich, wenn die Tochter den Maurer- oder Spenglerberuf erlernt, um später den elterlichen Betrieb zu übernehmen“, so Holzer.