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Hans Josephsohn – von Andrin Schütz

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Hans Josephsohn, Ausstellungsansicht im Kesselhaus Josephsohn, St. Gallen, Fotos: © Kesselhaus Josephsohn

Hans Josephsohn zum 100. Geburtstag im MASI Lugano „Was hat mich da bloß getrieben?“

„Was hat mich da bloß getrieben, das zu machen. Und was treibt mich überhaupt?“ Eine Frage, die sich der 2012 in Zürich verstorbene Bildhauer Hans Josephsohn angesichts seiner eigenen Werke nicht selten stellte. Aber nicht nur Josephsohn selbst, auch die Betrachter und die etablierte Kunstszene in der Schweiz standen den archaisch anmutenden Figuren und Halbfiguren des 1920 im preußischen Königsberg geborenen Künstlers zuweilen ratlos, wenn nicht gar zweifelnd gegenüber. Was denn den jüdischen Immigranten, der 1938 nach einem Studienaufenthalt in Italien unmittelbar vor den beginnenden Kriegswirren seinen Weg in die Schweiz gefunden hatte, zeit seines Lebens angetrieben hat, kann man derzeit in zahlreichen Ausstellungen anlässlich des 100. Jahrestages des großen Bildhauers hautnah erleben.

ROHE KRAFT UND ZÄRTLICHE BERÜHRUNG

Nähert man sich Josephsohns nicht selten hermetisch und monumental anmutenden Plastiken, ist man zuweilen versucht, sogleich wieder zurückzuweichen. Denn man vermag den „Getriebenen“ nahezu physisch zu spüren. Kraftvoll, roh und zugleich konzentriert zeigt sich der Duktus; verschlossen und dicht präsentieren sich Material und Komposition. Aller übermächtigen Präsenz zum Trotz wohnt den seit den 1990erJahren zunehmend in die Abstraktion übergehenden

Figuren stets ein Moment der Zärtlichkeit inne. Und gerade dieses im Kern kontroverse Spannungsfeld, welches sich in Materialität und Ausführung manifestiert, entfaltet wohl den Diskurs hierüber, was Hans Josephsohn über all die Jahrzehnte angetrieben hat und was ihn das beim bekannten Schweizer Künstler Otto Müller erworbene Wissen über klassische Bildhauerei scheinbar vergessen ließ: In jenem Akt des bewussten Vergessens nämlich eröffnete sich Josephsohn den gedanklichen und skulpturalen Raum, die Frage nach dem eigentlich Wesentlichen im Menschen neu zu stellen. Meist frei von jeglichen individuellen Zügen offenbaren diese Plastiken gleichermaßen Prototypen und Archetypen des Menschen, die beständig in der fragenden und zweifelnden Schwebe zwischen lauter Präsenz und stillem Rückzug ins Innere verbleiben. Was also hat ihn, Hans Josephsohn, bloß getrieben all die Jahre? Die Suche nach diesem nahezu unmöglichen skulpturalen Moment, den Menschen in einem kurzen Akt schaffender Berührung zeitgleich in seiner inneren und äußeren Existenz, in seiner Ganzheit und in seiner Fragmentierung, zu erfassen. Dass ihm dies auf seine eigene Weise tatsächlich gelungen ist, mag sich im kurzen Augenblick jener instinktiv aufkommenden Vorsicht zeigen, der sich jedes Mal einstellt, wenn man sich den Werken von Hans Josephsohn zu nähern versucht.

ANDRIN SCHÜTZ

SEHENSWERTE AUSSTELLUNGEN ZUM WERK VON HANS JOSEPHSOHN

Bis 21. Februar 2021 Ausstellung im MASI Lugano zum 100. Geburtstag – in Zusammenarbeit mit dem Kesselhaus Josephsohn St. Gallen www.masilugano.ch

Ständige Ausstellung Das Kesselhaus Josephsohn – Ausstellungsraum, Galerie und Lager für den Nachlass Hans Josephsohns. Es zeigt in ständigem Wandel eine Auswahl von Gipsmodellen und Bronzen. www.kesselhaus-josephsohn.ch

Fondazione „La Congiunta“, Giornico im Tessin Am Nordeingang des Dorfes Giornico, zwischen dem Fluss Ticino und der Bahnlinie, befindet sich das Museo „La Congiunta“, ein moderner Bau des Architekten Peter Märkli von 1992. Hier sind Reliefs und Skulpturen des Bildhauers Hans Josephsohn untergebracht. Die Werke sind zwischen 1950 und 1991 entstanden. Das ganze Jahr offen, Schlüssel im Restaurant „Giornico“ in Giornico, T. +41 91 864 22 15 www.lacongiunta.ch

SABINE HERTIG REVERBERATE ANALOGE COLLAGEN

Spalenberg 2 CH-4051 Basel info@stampa-galerie.ch www.stampa-galerie.ch

Farbrausch − Frenesia di Colore Eliška Bartek

Die Malerin und Fotografin Eliška Bartek – sie pendelt zwischen BerlinKreuzberg und dem Tessin – gehört zu den bedeutenden Schweizer Künstlerinnen ihrer Generation. Sie arbeitet in der Fabricca Rosa, dem ehemaligen Atelier des großen verstorbenen Ausstellungsmachers und Sammlers Harald Szeemann im Schweizer Maggia. Szeemann hat von dort international agiert, und ebenso funktioniert es für die Wahlberlinerin.

ARTMAPP: Deine neue Ausstellung in der hilleckes probst gallery in Berlin trägt den Titel „Farbrausch“. Erzählst du uns etwas über deine Beziehung zur Farbe und was für eine Bedeutung sie für dich hat?

Eliška Bartek: Die Farbe in meinem Œuvre steht für meine Gefühle. Da ich ein farbiges Individuum mit mehrschichtigem Charakter und einigen Widersprüchen bin, fällt es mir schwer, mich in die gängigen Farbmodelle einzureihen. Dagegen finde ich es herrlich, Farben wahrzunehmen, mit ihnen zu arbeiten, sie auf einen Malgrund zu setzen und miteinander in Kommunikation zu bringen. Beispielsweise in meinen vornehmlich in Gelb und Orangetönen gehaltenen Bildern, welche den letzten Hitzesommer mit 40 Grad im Tessin sichtbar machen. Die Sonne brannte, die Steine glühten und dies sollen die Betrachter spüren. Während des Corona Lockdowns war ich sehr traurig, schockiert und manchmal einsam. Zuerst malte ich ein schwarzes Bild, merkte aber den Widerstand meiner Seele. Mein Zustand verschlechterte sich.

Es gab erst Besserung, als ich bei den Spaziergängen wieder die farbigen Blumen sah, es erwachte das Gefühl, sie unbedingt malen zu müssen. Mein Innerstes begann wieder aufzustehen, zu lachen und Hoffnungen zu schöpfen.

ARTMAPP: Du bist viel gereist und lässt dich jedes Mal mit allen Sinnen auf deine neue Umgebung ein, was wiederum Einfluss auf deine Kunst nimmt. Was war dein schönstes Erlebnis?

EB: Ich bekam 2007 ein Stipendium in Peking bei Meister Benyi Dong, einem sehr angesehenen Kunstprofessor. Als Maler gehörte er zu den bekanntesten Vertretern der traditionellen chinesischen Malerei. Meistens malte er nur mit drei Farben, oft jedoch nur mit schwarzer Tusche auf weißem Grund. Ich malte mit ihm auf fünf Meter langem handgeschöpften Papier, in den Lücken, die er bewusst frei ließ, malte ich die Farben ein. Eine gelungene künstlerische sowie chinesischeuropäische Synergie. Die Chinesen schauten dabei zu und klatschten vor Freude. Meister Dong war von meinen Aquarellfarben richtig angetan. Dabei hauchte ich mit meinem Gefühl für Farben nur jedem Bild das Leben ein. Die Chinesen waren begeistert, für sie war diese Art der Farbergänzung wie eine neue Sicht auf das Leben. Wenn diese ganze elende Geschichte mit Corona nächstes Jahr vorbei wäre, würde ich gerne nochmals einen Besuch bei Meister Dong machen, aber vielleicht auch nicht, vor lauter Angst, dass ich mir die schönen Erinnerungen verderben könnte.

ARTMAPP: Eine letzte Sache, die du uns mitteilen möchtest?

EB: Ja, eine Feststellung von Antoni Tàpies, der anmerkte: „Der Künstler muss dem Betrachter zu verstehen geben, dass seine Welt zu eng war, und er muss ihm neue Perspektiven eröffnen. Erst dann vollbringt er ein authentisches humanistisches Werk.“ Das kann nur heißen, Künstler sollten mit Farben, Formen und Strukturen dem Publikum helfen, die Welt auf sinnliche Art und Weise besser zu entdecken und zu erschließen. Eigentlich recht simpel, in den meisten Fällen für den Künstler dann doch recht anspruchsvoll, die Innen und Außenwelt zum sinnlichen Begreifen und zum künstlerischen Leuchten zu bringen. Wir Künstler arbeiten daran!

BETTINA HILLECKES

7. November 2020 bis 16. Januar 2021 Eliška Bartek Farbrausch − Frenesia di Colore HILLECKES PROBST GALLERY www.hilleckes-probst.de

Martin Walde/A, „Hallucigenia Omen“ 2013, THE VIEW Zivilschutzkeller 2016, Foto: © THE VIEW, Luca Rüedi, © VG Bild-Kunst, Bonn 2020

10 Jahre THE VIEW Contemporary Art Space

Der Kunstraum als Erlebnis

Es mag ein Trend des beginnenden 21. Jahrhunderts gewesen sein, dass sich private Sammler und Mäzene vermehrt um die Kunst gesorgt und der existenziellen Bedrohung öffentlicher Ausstellungsinstitute ihr privates Engagement zur Seite gestellt haben. Mit THE VIEW Contemporary Art Space hat das Schweizer Bodenseeufer im Jahr 2010 durch die Initiative von Dierk Maass und Antoinette Airoldi eine besondere Bereicherung erfahren. Eine Dekade nach der Eröffnung dieser außergewöhnlichen Plattform für zeitgenössische Kunst sei hier ein Erfahrungsbericht, ein Rück und Ausblick erlaubt, der in diesen Zeiten einer viralen Pandemie, ihren Unwägbarkeiten und noch nicht abzusehenden Auswirkung auf den Kulturbetrieb, ein kurzes Innehalten erfordert.

Sommerer & Mignonneau/A, „Interactive Plant Growing“ 1992, THE VIEW Wasserreservoir 2012, Foto: © THE VIEW, René Schrei

Am Ende einer Sackgasse, hoch über dem Dorf Berlingen, führen ein paar Meter Aufstieg über einen Kiesweg durch den Wald zu einem unterirdischen Ausstellungshaus, das einzigartig im gesamten Bodenseeraum ist. Durch sensible Umbaumaßnahmen und Anpassungen an die Erfordernisse einer multimedialen Präsentationstechnik zeigt sich das historische Wasserreservoir, 1900 aus massivem Sickerbeton errichtet, verwandelt in einen eindrucksvollen Ort für raumgreifende Installationen. Einen Steinwurf entfernt befindet sich als weiterer Kunstort unter Tage ein in den Felsen geschlagener militärischer Unterstand, der im Zweiten Weltkrieg als Munitionsdepot gedient hat. Wer den gut versteckten Eingang findet und sich in die höhlenartigen Räumlichkeiten, in denen es bisweilen von der Decke tropft, hineintraut, wird mit einem Erlebnis der besonderen Art belohnt. Und nur fünf Autominuten von hier

Teresa Diehl/USA, „El Nido“, Installationsansicht 2016, THE VIEW Wasserreservoir 2017, Foto: © THE VIEW, Luca Rüedi

entfernt, in Salenstein, vervollkommnet ein Zivilschutzbunker der 1980erJahre mit seiner klaren reduzierten Architektur die Faszination der Kunstbetrachtung an ungewöhnlichen Orten. Alternativ zu herkömmlichen Museen und Galerien, die in starrer Funktion die Artefakte der Vergangenheit bewahren oder den White Cube als entrückten Kunsttempel zelebrieren, ist THE VIEW Contemporary Art Space als eine neue Institution in Erscheinung getreten, die den Ausstellungsort als Erlebnis inszeniert und die Typologie von Kunsträumen erweitert. Wasserreservoir, militärischer Unterstand und Zivilschutzbunker sind keine White Cubes, sondern Dark Rooms: unterirdisch gelegene Funktionsgebäude in Umnutzung mit charaktervollen Räumlichkeiten ohne Tageslicht. Die soziokulturelle Geschichte, die sie atmen, verändert sowohl die Wahrnehmung auf die Realität der Kunst als auch auf die Wirklichkeit der Orte selbst. Diese besitzen eine Einmaligkeit, die während der vergangenen zehn Jahre im künstlerischen Dialog aufgenommen, konterkariert, verschoben, vertieft, angereichert und mit Spannung erfüllt worden ist.

Für die drei unterirdisch angelegten Ausstellungsräume, die mit ihrer nüchternen Architektur, dem archaischen Charme ihrer rostigen Rohre, der kalkigen Patina, den Stalaktiten, Spinnweben, Trockentoiletten und Stockbetten von ihrer ursprünglichen Verwendung erzählen, haben internationale Künstlerinnen und Künstler wie Brigitte Kowanz, Bernhard Leitner und Joep van Lieshout, Christa Sommerer & Laurent Mignonneau, Chris Larson, Mischa Kuball und Yves Netzhammer, Martin Walde und Teresa Diehl multimediale Raumkonzepte entwickelt. Licht und Ton, jene flüchtig immateriellen Erscheinungen, die „keinen Ort kennen und nie bei sich bleiben“ (Brigitte Kowanz), die nicht greifbar und doch wirklich sind, aber auch Raumerfahrung, Bewegung und die unterschiedlichsten Assoziationsfelder, die im Wechselspiel mit den örtlichen Besonderheiten entstanden sind, prägten die Erscheinungsformen der großen Sommerausstellungsprojekte.

Björn Schülke/D, „Defender“ 2016, THE VIEW Zivilschutzkeller 2016, Foto: © THE VIEW, Luca Rüedi, © VG Bild-Kunst, Bonn 2020

50 | THE VIEW 2018

Waltraud Späth/D, „Hoffnung“ 2018, Beton und Holz, THE VIEW Skulpturenpark 2018, Foto: © THE VIEW, Luca Rüedi

Als Verbindungspunkt, Informations und Besucherzentrum zwischen den beschriebenen Ausstellungsorten diente bisher das Salensteiner Galerie und Atelierhaus von THE VIEW Contemporary Art Space. Hier, in einer zum Studio umfunktionierten Schreinerei wurden in den vergangenen Jahren wechselnde Ausstellungen zu Fotokunst, zu regionalen und nationalen Positionen der Bildhauerei, Malerei und Medienkunst präsentiert. Till Augustin, Sabine Becker, Eckhard Besuden, Stefan Bircheneder, Johannes Dörflinger, Markus Eichenberger, Heike Endemann, Markus Graf, Christofer Kochs, Martina Lauinger, Lisa Lorenz, Michael Lauterjung, Philip Mahler, Gabriel Mazenauer, Marc Peschke, Boris Petrovsky, Werner Schlotter, Björn Schülke, Albert Scopin und Waltraud Späth sind nur einige Künstlernamen, die es zu nennen gilt. Vor allem hat aber Dierk Maass hier seiner fotografischen Arbeit eine Heimstatt gegeben. Über die letzten 40 Jahre hat er mit der Leidenschaft des Autodidakten eine

Bildsprache entwickelt, die fasziniert und überzeugt. Auf seinen Reisen und Expeditionen in die entlegenen Gebiete dieser Erde hat er die Motive seiner Porträts, Stillleben und Landschaftsaufnahmen gefunden, die er nicht nur in seiner Salensteiner Studiogalerie, sondern darüber hinaus auch in Galerien und Ausstellungshäusern in Deutschland, Österreich, Italien und der Schweiz in erweitertem Umfang präsentiert hat. Dierk Maass braucht keine digitalen Bildbearbeitungsprogramme, um das Medium Fotografie in eine Bühne für den Auftritt und die Läuterung des flüchtigen Eindrucks zu verwandeln. Er nutzt die Kamera als analoges Werkzeug, um in einem spontanen, intuitiv geleiteten Prozess der Verwandlung mit den Mitteln der Unschärfe und Überbelichtung die Grenzen der dokumentarischen Wiedergabe zu überschreiten. Dierk Maass geht es weniger um den kitschig verrufenen Wunsch nach Idylle oder den mahnenden Hinweis auf den Verlust des schöpferischen Paradieses, als vielmehr um eine Fotografie von impressionistischer Entrücktheit und nachhaltigem Eindruck. Eine Fotografie, die eine zeitlose Entrücktheit zelebriert, die Distanz bewahrt, sich in diskrete Schweigsamkeit hüllt und in der er sich als sensibler Beobachter offenbart. Mit THE VIEW Contemporary Art Space hat das fachkundige Management unter der Leitung von Antoinette Airoldi hoch über den Ufern des Bodensees, eingebettet in einer ländlich geprägten Region einen einzigartigen Beobachtungsposten für die zeitgenössische Kunst geschaffen. Genau hierin lag und liegt die einmalige Chance, abseits der Kulturmetropolen und ausgetretenen Pilgerpfade der internationalen Kunstgemeinde Neugier und Begeisterung für die künstlerischen Anliegen der Zeit zu wecken. Leicht zu bespielen waren und sind diese markanten Örtlichkeiten, die bereits im Leerstand eine intensive Ausstrahlung haben, nicht. Die größte Herausforderung aber lag darin, das kunstinteressierte Publikum mit einem abwechslungsreichen Programm und unvergesslichen künstlerischen Interventionen in die sehr abgelegenen Kunsträume unter Tage zu locken. Doch die Idee des Konzeptes ist aufgegangen: Besucherinnen und Besucher konnten und können der Kunst hier nur schwerlich ausweichen. Ihre distanzierte Betrachtungshaltung löst sich auf mit dem Eintauchen in die weltabgewandten Atmosphären unter Tage, welche die Sinne ganzheitlich umfangen und der Kunsterfahrung eine neue,

unmittelbare Intensität verleihen. THE VIEW Contemporary Art Space hat die Besucherinnen und Besucher begeistert, sensibilisiert und zu Wiederholungstätern gemacht. Wer einmal dort war, kann sich dem Reiz der unterirdischen Kunsträume nicht mehr entziehen. Doch wie geht es nach dem 10jährigen Jubiläum und mit der inzwischen länger anhaltenden Zäsur durch die Ausbreitung des Covid19 Virus weiter? Das fragen sich nicht nur die Verantwortlichen von THE VIEW Contemporary Art Space, sondern viele Kolleginnen und Kollegen der Ausstellungshäuser und Museen rund um den Globus. CoronaPandemie hin oder her: Wir leben in einer kapitalorientierten Leistungsgesellschaft, in der jeder Einzelne in einem Dauerexperiment Erfolgsstrategien erprobt, um dem Schicksal des Scheiterns zu entgehen. Gerade in einer solchen Welt muss die Kunst ein Instrument der Freiheit der Sinne, des geistigen Austauschs und der kulturellen Identifikation sein und bleiben, um über den Tag hinaus wirken zu können. Doch wie gelingt das? Was können Ausstellungshäuser tun, um die Verbindung zwischen Kunst und Gesellschaft nicht aufzugeben? Als wichtige Orte im öffentlichen Raum, als Orte der Begegnung, der kulturellen Bildung und Zukunftsfragen müssen Museen, Galerien und andere Ausstellungsinstitutionen in öffentlicher oder privater Trägerschaft der Gegenwartskunst einen direkten Weg zum Publikum bahnen. THE VIEW Contemporary Art Space hat hier mit großem Einsatz den richtigen Pfad eingeschlagen.

Chris Larson/USA, „Deep North WC“ 2008, Diasec 90 x 90 cm, Auflage 1/3, THE VIEW Zivilschutzkeller 2010

Stefan Bircheneder/D, „Treuhand“ 2018, THE VIEW Atelier 2018, Foto: © THE VIEW, Luca Rüedi

Nun heißt es, die Weichen stellen für eine veränderte Zukunft und einen neuen Plan, wie die einzigartigen Räumlichkeiten weiterhin als Kristallisationspunkte und Kondensatoren einer vielsinnigen Kulturerfahrung dienen können. Die Einschränkungen durch die Maßnahmen gegen Covid19 werden uns alle noch Monate oder Jahre begleiten und uns zeigen, welche Herausforderungen gemeistert werden müssen. Vielleicht müssen wir die aktuelle Situation auch zum Anlass nehmen, nicht nur die gesellschaftliche Relevanz von Kunst und Kultur, sondern das globale Zusammenleben des 21. Jahrhunderts auf den Prüfstand zu stellen. Wir sehen in der Krise, wie die Bevölkerung nach Orten der Begegnung sucht. Es wird weitergehen, unter veränderten Vorzeichen, auch bei THE VIEW Contemporary Art Space als Beobachtungsposten mit Weitblick für die regionale, nationale und internationale Gegenwartskunst.

STEFANIE DATHE, Direktorin Museum Ulm

Ewald Karl Schrade über die Herausforderungen der art KARLSRUHE 2021

„Ein triumphaler Auftritt der Frauen“

Messechefin Britta Wirtz und Kurator Ewald Karl Schrade, Foto: Messe Karlsruhe, Jürgen Rösner

Der Initiator und Kurator der art KARLSRUHE, Ewald Karl Schrade, ist sichtlich entspannt, was die kommende Ausgabe der art KARLSRUHE angeht. Trotz Pandemie und dadurch veränderter Rahmenbedingungen wird der traditionelle Kunstmessereigen – Stand Herbst 2020 – im Mai des kommenden Jahres durch die art KARLSRUHE eröffnet werden. Chris Gerbing sprach mit Kurator Ewald Karl Schrade und der Geschäftsführerin Britta Wirtz über die Messe, die speziellen Herausforderungen und die Inhalte.

ARTMAPP: Frau Wirtz, Herr Schrade, art KARLSRUHE in PandemieZeiten – eine Herausforderung für Sie? Was wird anders sein im Vergleich zu den Messen davor? Britta Wirtz: Wir arbeitet an einem ausgefeilten Hygienekonzept und daran, die besucherstarken Tage zu entzerren. Der Eröffnungsdienstag ist für die VIPs reserviert, der Mittwoch für die geladenen VernissageGäste. Nach aktueller Verordnung werden wir circa 8.000 Besucher pro Tag zulassen können – für einzelne Hallen oder Aufenthaltsbereiche gibt es keine Beschränkung, wohl aber eine Wegeführung.

Ewald Karl Schrade: Ich habe mich nie beirren lassen mit meiner großzügigen Hallenplanung – breite Gänge, weiträumige Skulpturenplätze –, das kommt uns jetzt zugute.

BW: Für die Besucher wird es allerdings eine deutliche Veränderung geben: Der Kartenverkauf findet ausschließlich online statt, um eine lückenlose Nachverfolgung zu garantieren. Und auch an den Messeständen müssen sich die Gäste zusätzlich registrieren, sofern sie länger als 15 Minuten dort bleiben. Ansonsten gelten natürlich die Empfehlungen des Robert KochInstituts und der Bundes bzw. Landesregierung.

ARTMAPP: Gibt es bereits Zusagen?

EKS: Das Interesse an der art KARLSRUHE ist, das kann ich jetzt bereits positiv vermelden, trotz der Pandemie ungebrochen. Die Plätze sind ausgebucht. Die Galerien hatten 2020 ein extrem schweres Jahr. Wir hoffen, mit der art KARLSRUHE wieder ein Stück Normalität zurückzubekommen. Ich kann zudem verraten, dass wir auf der Sonderausstellungsfläche 2021 Werke aus der Sammlung von Maria Lucia und Ingo Klöckner zeigen werden. Das im hessischen Bad Homburg lebende Paar sammelt seit mehr als 30 Jahren Darstellungen von Frauen von der Nachkriegszeit bis in die jüngste Gegenwart. Gemälde und Skulpturen von beispielsweise Stephan Balkenhol, Eric Fischl, Franz Gertsch, Alex Katz und Nina StenKnudsen zeugen von ihrer Lust zur Gegensätzlichkeit. Ich ahne, dass es eine umschwärmte Schau, ein triumphaler Auftritt der Frauen in der Kunst werden wird. Das Besondere der Sammlung ist ihre Orientierung am Thema, nicht an den großen Namen.

21. bis 24. Mai 2021 art KARLSRUHE www.art-karlsruhe.de

Frauendarstellungen nach 1945 Sonderausstellung auf der art KARLSRUHE 2021 mit Werken aus der Sammlung von Maria Lucia und Ingo Klöckner

Alex Katz, „Red Sweater“, 1999, Öl auf Holz, 30,5 x 40,6 cm

© VG Bild-Kunst, Bonn 2020

Gefördert durch die

Die «Handwerk & Design» steht für Inspiration, Faszination und für Freude am Besonderen.

Im Rahmen der Internationalen Handwerksmesse präsentiert sie jedes Jahr herausragende gestalterische und künstlerische Leistungen aus den Bereichen Kunsthandwerk und Handwerkskunst sowie kunstvolles Design. Seit ihrer ersten Durchführung 2008 hat sich die «Handwerk & Design» zum größten und wichtigsten Forum für zeitgenössisches Kunsthandwerk und angewandte Kunst & Design im deutschsprachigen Raum entwickelt. Über 250 ausgewählte Schmuckgestalter, Modedesigner, Holz und Metallhandwerker, Künstler und Kreative präsentieren ihre exklusiven Produkte. Renommierte Sonderschauen mit Weltruf wie SCHMUCK, TALENTE, MEISTER DER MODERNE und EXEMPLA kommen unter einem Dach zusammen. Die Sonderschau SCHMUCK gilt als stilprägend und ist regelmäßig Ausgangspunkt für neue Strömungen sowie Anziehungspunkt für Schmuckbegeisterte, Sammler, Galeristen und Museumskuratoren aus aller Welt. Die 1959 von Herbert Hofmann ins Leben gerufene Sonderschau ist damit heute eine der bedeutendsten Ausstellungen ihres Fachs. 63 Goldschmiede und Schmuckgestalter aus 26 Ländern wurden dieses Jahr ausgewählt, um ihre Werke auf der Sonderschau SCHMUCK 2021 zu präsentieren. Die Auswahl der Exponate, die auf der SCHMUCK zu sehen sind, erfolgt jährlich durch eine bekannte Persönlichkeit aus der Welt des Schmucks. Kuratorin für die kommende Schau ist die in München lebende australische Künstlerin von Weltrang, Helen Britton. Als internationaler Wettbewerb organisiert, dient die Veranstaltung den Künstlern als wichtige Plattform, um weltweite Bekanntheit zu erlangen und neue Kontakte zu knüpfen. Die Verleihung der HerbertHofmannPreise an drei herausragende Schmuckgestalter bildet dabei jedes Jahr den Höhepunkt. Unter dem Namen FRAME flankieren international renommierte Galerien die Sonderschau SCHMUCK und präsentieren ebenfalls Schmuck und Keramik auf höchstem Niveau. Die «Handwerk & Design» ist immer ein Höhepunkt – jedes Jahr zugleich faszinierend und überraschend!

Melanie Isverding, Herbert-Hofmann-Preis 2020, Foto: Marcus Biesecke

Katrin Feulner, Herbert-Hofmann-Preis 2020,

Foto: Katrin Feulner

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